[1373] ISIS, ĭdis, Gr. Ἴσις, ιδος.
1 §. Namen. Dieser soll so viell als die alte bedeuten, und die Mey nung der Aegyptier von der Ewigkeits ihrer Göttinn ausdrücken. Diod. Sic. l. I. c. 11. p. 7. Einige machen ihn griechisches Ursprunges, und leiten ihn von ἴστημι, ich weis, ab, da er denn so viel als Wissenschaft und Kenntniß anzeigen soll. Plutarch. de Isid. & Osir. c. 2. p. 351. T. II. Opp. Oder man führet ihn auch wohl von ἴεσθαι, gehen, her; und will, daß er einen beseelten und klugen Fortgang bedeute; Ibid. p. 375. dergleichen denn der Fortgang der Natur [1373] sey. Tomasin. de donar. c. 7. Andere holen ihn lieber aus dem Ebräischen, worinnen Ischa eine Frau heißt. Voss. Etymol. in Sistrum, p. 551. In der ägyptischen Sprache soll er die Erde bedeuten; Serv. ad Virg. Aen. VIII. 696. oder auch das Jahr anzeigen. Horapoll. Hierogl. l. I. c. 3. Beydes aber hat keinen genugsamen Grund; daher man ihn lieber aus dem ägyptischen I, gehen, sich bewegen, und Sois, Frau, Herrscherinn, zusammen setzen wollen, nach welchen er denn eine gehende oder sich bewegende Frau andeute. Iablonski Panth. ægypt. P. II. p. 29. Am wahr scheinlichsten aber ist wohl, daß er aus den beyden ägyptischen Wörtern I und si, welches einen Ueberfluß, eine Sättigung heißt, entstanden, und also einen durchausgehenden Ueberfluß, eine fortgehende Fülle bezeichne. Ibid. p. 31.
2 §. Aeltern. Man hat davon dreyerley Meynungen im Alterthume. Nach einigen war Sol der erste Regent in Aegypten. Ihm folgete Vulcan, und diesem Saturn, der sich mit seiner Schwester Rhea vermählete, und den Osiris und die Isis mit ihr zeugete. Diod. Sic. l. c. c. 13. p. 9. Jedoch macheten andere sie nur erst zu dessen Enkel, und zu Jupiters und der Juno Kinder. Id. ib. Die dritten wiesen ihr den Mercur zum Vater an, ob sie ihr gleich die Rhea zur Mutter ließen, die nebst ihr noch vier andere Kinder auf eine wunderbare Art zur Welt brachte. Sie hatte nämlich mit dem Kronus heimlich zu thun gehabt, und war von ihm geschwängert worden. Dieses merkete die Sonne und fluchete ihr also, daß sie weder unter ihr noch unter dem Monde gebähren sollte. Es hatte sich aber auch Mercur schon zu ihr gefunden, und sie ebenfalls geschwängert. Damit er nun obigen Fluch unkräftig machete, so spielete er mit dem Monde und gewann ihm den siebenzigsten Theil eines jeglichen Tages ab. Hieraus machete er fünf Tage, die er zu den 360 des Jahres hinzu that, und die Aegyptier Schalttage nennen. In diesen Tagen nun gebar Rhea deren Götter, als an dem ersten den Osiris, [1374] an dem andern den Arueris, an dem dritten den Typhon, an dem vierten die Isis, und an dem fünften die Nephthys. Zu diesen Kindern soll denn Sol des Osiris und Arueris, Saturn des Typhons und der Nephthys, und Mercur der Isis Vater gewesen seyn. Plut. de Is. & Ofir. p. 357. Jedoch giebt man ihr auch den Prometheus zum Vater. Ib. c. 3. p. 352. Theodont. ap. Boccac. l. IV. c. 45. Als Io hat sie noch andere Aeltern. Sieh Io, 1 §.
3 §. Stand und Thaten. Sie war des Osiris Schwester, und wurde auch dessen Gemahlinn, folglich Königinn in Aegypten. Beyde ließen sich angelegen seyn, ihre Unterthanen gesittet zu machen, und lebeten selbst in vollkommener Einigkeit mit einander. Sie verhinderte, daß die Menschen nicht mehr einander selbst verzehreten und lehrete sie, den Weizen, die Gerste und andere Feldfrüchte, die bisher unter andern Gräsern vermischt gewachsen, besonders bauen und zu ihrem Unterhalte anwenden. Diod. Sic. l. c. c. 14. p. 9. Sie gab ihnen dabey allerhand nützliche Gesetze, und hielt die Künstler und einen jeden, der etwas brauchbares für die Menschen erfand, in großen Ehren. Id. c. 15. p. 10. Als sich daher ihr Gemahl aus Gutherzigkeit und Liebe zu dem menschlichen Geschlechte entschloß, die Welt zu durchziehen, und sie den Ackerbau und Weinbau zu lehren, so bestellete er sie indessen zur Regentinn des Landes. Er gab ihr den Mercurius zum geheimen Rathe, und den Herkules zum Befehlshaber über die Kriegsmacht. Id. c. 17. Su regierete auch so klüglich, daß Typho. der selbst gern die Regierung gehabt hatte, währender seiner Abwesenheit nichts vornahm, weil sie überall auf ihrer Hut war. Plutarch. de ls. & Osir. p. 356. Nach seiner Zurückkuntt aber stellete er ihm hinterlistig nach, und brachte ihn auch endlich elendiglich um. Sieh Osiris. So bald Isis solches erfuhr, schnitt sie sich eine von ihren Locken ab; daher der Ort, wo sie sich damals befand, Kopto, von κόπτειν, abschneiden, genannt worden. [1375] Plutar. l. c. Sie beklagete und beweinete ihn auch dergestalt, daß von ihren Thränen der Nil aufgeschwollen seyn soll, welches er denn seitdem jährlich um diese Zeit zu thun pflegt. Pausan. Phoc. c. 32. p. 674. Wenigstens hat man zum Andenken ihres großen Wehklagens nachher in der Stadt Koptus Weiber bestellet, die eben so weinen und klagen mußten, als ob sie ihre Männer, oder sonst ihre nächsten Anverwandten verloren hätten. Aelian. de anim. l. X. c. 23. Da indessen der Leichnam ihres Gemahls ins Wasser geworfen und hernach gar zerstücket worden, so suchete sie solchen sorgfältig auf und begrub ihn. Sieh Osiris. Darauf bemühete sie sich, dessen Tod, durch Beyhülfe ihres Sohnes Horus an dem Typhon zu rächen. Diod. Sic. l. c. c. 12. Als aber Horus ihr solchen gefangen zuschickete, so wollte sie denselben doch nicht hinrichten lassen, sondern stellete ihn wieder auf freyen Fuß. Hierüber wurde jener denn so unwillig, daß er selbst Hand an sie legete, und ihr den königlichen Schmuck vom Kopfe riß; wogegen ihr denn Mercur einen andern von Ochsenleder aufsetzete. Plutar. l. c. c. 20. p. 358. Sie gelobete darauf, keinen Gemahl wieder zu nehmen, und regierete das Reich sehr wohl und mit vieler Gütigkeit gegen ihre Unterthanen. Diod. Sic. l. c. c. 22. p. 13. Es soll sich aber Osiris nach seinem Tode wieder bey ihr eingefunden und so gar den Harpokrates mit ihr gezeuget haben. Plut. l. c. Man will auch, sie sey dem Typhon nicht abgeneigt gewesen Iul. Firm. de err. prof. rel p. 406. Dieses wird dadurch etwas wohrscheinlich, daß in des Osiris Abwesenheit alles ruhig gewesen, und sie denselben wieder los gelassen, da er gefangen geworden. Ban. Erl. der Götterl. II B. 123 S. Man schreibt ihr den ersten Gebrauch der Segel zu, deren sie sich bedienete, als sie ihren Sohn, Harpokrates, wieder aufsuchete. Hygin. Fab. 277. Sonst soll sie viele Arzeneymittel erfunden und den Menschen damit geholfen, auch nach ihrem Tode noch den Kranken zuweilen im Traume gerathen[1376] haben, was sie brauchen sollten. Diod. Sic. l. c. p. 15. Sie wurde daher bald als eine Göttinn verehret, und bekam zu Memphis eine Kapelle, die noch lange nachher in Vulcans Haine anzutreffen war. Id. c. 22. p. 13. Sie soll daselbst auch begraben seyn, wiewohl einige dafür lieber Philä, eine Insel im Nile, angeben. Andere setzen ihr Grab nach Nysa in Arabien, woselbst auf einer Säule diese hieroglyphische Inschrift gewesen: »Ich, Isis, bin die Königinn der ganzen Welt, und vom Mercurius unterwiesen. Was von mir gesetzlich verordnet worden, kann niemand aufheben. Ich bin Saturns, des jüngsten unter den, Göttern, älteste Tochter. Ich bin des Königes Osiris Gemah linn und Schwester. Ich bin die erste, welche den Feldbau zum Besten der Menschen erfunden hat. Ich bin des Königes Horus Mutter, die in dem Hundssterne aufgeht. Mir zu Ehren ist die Stadt Bubastis erbauet. Lebe wohl, freue dich, Aegypten, meines Säugamme.« Id. c. 27. p. 18.
4 §. Verehrung. Sie war die vornehmste Gottheit der Aegyptier, und hieß gleichsam die einzige Göttinn bey ihnen. Philargyr. ad Virg. Georg. III. 153. Daher wurde sie auch allen andern Göttern, ja so gar dem Osiris, vorgesetzet, und die ganze ägyptische Religion unter ihrem Gottesdienste begriffen. Iablonsk. Panth. ægypt. P. II. p. 3. Man verehrete sie aber insonderheit zu Koptus, wo ihr eigene Klageweiber gewidmet waren, denen die häufigen gefährlichen Scorpionen daselbst nichts thaten, wie man sagete, ob solche gleich baarfuß giengen, und so gar auf sie traten. Ihr waren daselbst die wilden Ziegen geheiliget: die Böcke aber wurden ihr geopfert. Aelian. H. A. l. X. c. 23. Sie wurde auch zu Alexandrien verehret; Macrob. Sat. I. c. 22. und zu Sais las man an dem Fuße ihrer Bildsäule in dem Heiligthume des Tempels der Minerva, welche man mit ihr für einerley hielt: »Ich bin das All, das gewesen ist, das noch ist, und das seyn wird; und meinen [1377] Mantel hat noch kein Sterblicher aufgedeckt.« Plut. l. c. c. 10. p. 354. cf. Cuper. Harpocr. p. 146. Aus Aegypten zog sich ihr Dienst mit der Zeit nach Griechenlande, wo sie zu Tithorea, einer Stadt in Phocis, eine besondere Kapelle mit einem umzäunten Platze hatte, bey welchem niemand wohnen, ja dem sich auch keiner nahen durfte, als welchem die Göttinn die Erlaubniß dazu im Traume eingegeben hatte. Hier hielt man ihr jährlich zwo Messen, die eine im Herbste, und die andere im Frühlinge, deren jede drey Tage währete. Am ersten reinigten diejenigen, welche in das Heiligthum durften, solches auf eine geheimnißvolle Weise, und trugen die Ueberbleibsel von den bey der vorigen Messe verbrannten Opferthieren, so viel deren noch gefunden wurden, von da hinweg an einen gewissen Ort, etwa zwey Stadten weit davon, wo man selbige vergrub. Den zweyten Tag schlug man die Buden von Rohre und andern zufälligen Materien zum Jahrmarkte auf, der am dritten des Vormittags gehalten wurde, weil man den Nachmittag zum Opfern anwandte. Die Reichen von den Meßleuten brachten Ochsen und Hirsche, die Aermern aber Gänse und Truthühner; denn ein jeder Erwachsener mußte ein Opfer in das heilige Gehäge schicken, woselbst ein Scheiterhaufen errichtet war. Sie schmücketen solche nach ägyptischer Art mit leinenen oder seidenen Bändern, brachten sie zusammen und führeten sie mit großem Prunke bis zu dem Heiligthume. So bald sie darinnen aufgenommen worden, so stecketen diejenigen, die draußen waren, die Buden an, und eileten hurtig davon. Man erzählete, es wäre einmal einer, der nicht die Erlaubniß gehabt, in das Gehäge zu gehen, dennoch aus Neugier und Vermessenheit hinein gegangen, da der Holzstoß schon angezündet worden: er hätte aber alles voller Gespenster gesehen, und nachdem er solches zu Tithorea erzählet, sogleich seinen Geist aufgegeben. Pausan. Phoc. c. 32. p. 673. Die Phliasier hatten in[1378] ihrer Stadt ebenfalls einen Tempel für sie, wo aber ihre Bildsäule sonst niemand, als die Priester, zu sehen bekamen. Id. Corinth. c. 13. p. 109. Dergleichen fand sich auch zu Megarä, Id. Att. c. 41. p. 76. und an andern Orten mehr. Ihr Dienst kam mit der Zeit bis nach Rom. Lucan. VII. 831. Der Rath suchete zwar, denselben dann und wann zu hemmen, und befahl daher schon im 535. I. R. alle ihre Tempel nieder zu reißen. Es unterstund sich aber niemand von den Arbeitsleuten, Hand anzulegen; daher der Bürgermeister L. Paulus Aemil selbst die Art dazu ergriff. Valer. Max. I. 3, 3. Im 698 Jahre mußten wieder alle Tempel zerstöret werden, die ihr von Privatpersonen errichtet waren. Diod. Cass. XL. 47. p. 142. Ja, ihr Gottesdienst sollte so gar aus ganz Italien verbannet seyn. Tertull. Apologet. c. 6. p. 74. Allein, er wurde bald wieder eingeführet, und im 711 Jahre öffentlich beschlossen, es sollte ihr, wie dem Serapis, ein Tempel erbauet werden. Dio Cass. XLVII. 15. p. 336. Ob aber auch gleich abermal unter dem Tiberius ihre Altäre, wegen der Bosheit ihrer Priester umgeworfen wurden. Ioseph. XVIII. 4. so wurde doch fast kein Götzendienst mit mehr Aberglauben zu Rom getrieben, als eben ihrer. Dempster ad Rosin. l. II. c. 22. Die Kaiser selbst mengeten sich mit unter ihre Priester, wie solches vom Domitian Sueton. c. 1. vom Commodus Lampridius c. 9. und vom Caracalla Spartian. c. 9. angemerket. Sie hatte ihre Tempel, Kapellen u.d.g. in der I, III, IV, VII, IX, XII, XIII, XIV Region der Stadt. Onuphr. Panvin. ap Rosin. l. I. c. 13. Eines ihrer feyerlichsten Feste war dasjenige, welches in dem romischen Kalender Isidis navigium hieß. Lactant. Instit. l. I. c. 11. Es wurde aber nicht nur von den Römern, sondern auch von den Griechen zu der Zeit gefeyret, da die Schifffahrt wieder ausgieng. Man kam des Morgens früh zusammen, und eine Menge Leute, die sich theils in Personen von anderm Stande, theils in Thiere verkleidet [1379] hatten, wie bey den Carnevalslustbarkeiten, machte den Vortrab des feyerlichen Aufzuges der Göttinn. Ihn selbst eröffnete eine Anzahl in weiße Leinwand gekleideter und mit Kränzen geschmückter Frauenspersonen, von denen einige Bluhmen auf den Weg streueten, und andere wohlriechende Salben auf die Straße tröpfeln ließen. Einige hatten Spiegel auf den Rücken gebunden, und andere trugen elfenbeinerne Kämme, womit sie sich so anstelleten, als wenn sie der Isis den Kopf zu Rechte macheten. Hinter ihnen kam eine Menge Manns- und Frauenspersonen mit brennenden Fackeln und Kerzen in der Hand. Darauf folgete eine Bande Musikanten, welche dem Chore auserlesener junger Leute hinter ihnen, die insgesammt weiß gekleidet giengen, die Melodie des Liedes vorspieleten, welches sie fangen. Nach diesen sah man eine andere Bande mit anderer Musik, welche zum Theile diejenigen, die bey den Opfern die musikalischen Instrumente spieleten, zum Theile aber auch Herolde waren, welche ausriefen, man möchte nichts vornehmen, wodurch die Feyer dieses Festes entheiliget würde. Hierauf folgeten alle Personen beyderley Geschlechtes, die sich zu den Geheimnissen der Isis hatten einweihen lassen, mit goldenen oder silbernen Sistern in der Hand, womit sie ein liebliches Getön machten; die Frauenspersonen in weißen leinenen Kleidern und mit einer durchsichtigen Decke auf ihrem Kopfe, worein sie ihr gesalbtes Haar gehüllet hatten; die Mannspersonen gleichfalls in leinenen Kleidern, aber ohne Bedeckung des Hauptes, daß man die Glatze von ihrem rein abgeschorenen Kopfe von weitem glänzen sah Den Beschluß endlich machten die Priester und Vorsteher der Geheimnisse in engen weißen leinenen Brustkleidern, die ihnen bis auf die Füße hinunter giengen. Sie trugen allerhand heiliges Geräth, als der erste eine goldene Lampe, wie ein Kahn gestaltet, aus welchem in der Mitte eine ziemlich große Flamme brannte; der zweyte trug in deyden [1380] Händen Altäre, die man Hülsen, Auxilia, nannte; der dritte hob einen goldenen Palmzweig mit einem Mercuriusstabe in die Höhe; der vierte zeigete das Sinnbild der Gerechtigkeit, nämlich eine flach aufgethane linke Hand, und zugleich ein rundes goldenes Gefäß, wie eine Zitze, woraus er Milch sprützete. Der fünfte trug eine goldene Wanne voller goldenen Zweige, und der sechste einen Wassereimer. Nach diesen kamen die Bilder der Götter oder was ihnen gleich geachtet wurde, als die geheimnißvolle Kiste u.s.w. Auf solche Art gieng denn der Zug bis an das Seeufer fort, wo man die Bildsäulen ordentlich hinstellete. So bald solches geschehen war, so reinigte der Oberpriester ein künstlich gebauetes und mit Hieroglyphen bemaltes Schiff, unter Verrichtung eines Gebethes, mit einer brennenden Fackel, einem Eye und Schwefel, und weihete es so der Isis. Darauf rüstete man es aus, und auf dem Segel stund ein Wunsch wegen glücklicher neuen Schifffahrt. Man befrachtete es mit allerhand Geschenken, und ließ es damit in die See laufen. Wenn man es nun nicht mehr sehen konnte, so griff ein jeder nach dem, was er zuvor getragen hatte, und stellete sich in seine Reihe; da man denn in eben der Ordnung wieder zum Tempel zog, in welcher man ausgegangen war. Die Priester und diejenigen, welche die Bilder und das heilige Geräth getragen hatten, begaben sich in Begleitung der ältesten Eingeweiheten in das Heiligthum der Göttinn, und brachten alles wieder an Ort und Stelle. Darauf trat der Grammatevs vor die Thüre, rief die Pastophoren oder die ganze Gemeine zusammen, bestieg eine Katheder und kündigte aus einem Buche, nachdem er die guten Wünsche für den Kaiser, den Senat, die Ritterschaft und das ganze römische Volk abgelesen, allen ausgerüsteten Schiffen im römischen Reiche die nunmehr glücklich eröffnete Schifffahrt an, welches er nach griechischer Art mit den Worten, ΛΑΟΙΣ ΑΦΕΣΙΣ, dem Volke Entlassung, beschloß. [1381] Auf diese Worte entstund ein großes Freudengeschrey des Volkes, welches die Fußsohlen des auf der Treppe hangenden silbernen Bildnisses der Göttinn küssete, und so mit Zweigen und Kränzen fröhlich wieder nach Hause kehrete. Apulej. Metam. l. XI. p. 367. Mit den Römern kam die Verehrung der Isis vermuthlich nach Gallien, wo man in spätern Zeiten noch Aufschriften, Bildsäulen und andere Spuren von ihr gefunden hat, wenn man auch gleich nicht zugiebt, daß Paris seinen Namen von ihr παρὰ Ἴσιδος hat. Mart. Relig. des Gaul. T. II. l. IV. ch. 22. p. 131. 144. Ja, sie soll so gar bey den Deutschen und sonderlich bey einem Theile der Sueven seyn verehret worden, wo ihr Bildniß die Gestalt eines Jagdschiffes gehabt haben, in der That aber nichts anders, als ein so gestaltetes Stück Holz, gewesen seyn soll. Tacit. de mor. Germ. c. 9. & Ernesti ad h. l. Man will, ihr Dienst sey sogleich mit aus Asien dahin gekommen Cluver. Germ. ant. l. I. c. 27. p. 230. Allein, es ist so ausgemacht noch nicht, daß diese deutsche Göttinn mit der ägyptischen Isis einerley gewesen. Voss. Theol. gent. l. I. c. 38. Und wenn man auch gleich in dem Haine der Sueven wirklich eine Barke gesehen, so folget daraus doch nicht, daß sie die Isis verehret hätten. Sie konnte einem Feinde abgenommen und zum Siegeszeichen da aufgestellet seyn, wie es die Deutschen mit den erbeuteten Fahnen und andern Kriegeszeichen zu thun pflagen. Pellout. Hist. des Celtes. T. II. p. 296. Cf. Boehmii Dissert. de lside Suevis olim culta. L. 4.
5 §. Beynamen. Die Aegyptier nannten sie zuweilen Athyri, welches so viel als der Aufenthalt des Horus in der Welt heißt. Plut. de Is. & Osir. p. 374. Dieser Namen sollte vielmehr Hathyri geschrieben werden, weil er nach dem Aegyptischen Chat-uer-ei lautet und die Welt, des Horus Haus bedeutet. Warum ihr aber dieser Beynamen gegeben worden, läßt sich eigentlich nicht sagen. Iablonski Panth. ægypt. P. II. p. 122. Sie wurde auch [1382] Muth und Methyer bey ihnen genannt. Sieh diese Artikel. Ferner sollen sie dieselbe Bubasis genannt haben; wobey diese Fabel erzählet wird. Als des Inachus in eine Kuh verwandelte Tochter nach Aegypten kam, so drückete sie an dem Orte, wo sie stehen blieb, und welchen der Nil überschwemmet hatte, ihre Fußstapfen in den Lehm. Der König dieses Landes wurde solche gewahr, und sah, daß die Fährte der vordern Klaue ein I, der hintern aber ein ω bildeten; daher er denn die Kuh Io, den Flecken aber, wo sie sich aufgehalten, Bubasis, von βοὸς und βάσις, Ochsentritt, nannte, welcher Namen denn auf sie selbst gekommen. Etymol. mag. voce Βούβασις. Er rühret aber vielmehr aus dem Aegyptischen, worinnen P-ho-basi ein beynahe Kuhgesicht bedeutet. Es gaben aber die Aegyptier ihrer Isis nach dem Beyspiele des Mondes Hörner; und dieserwegen können sie ihr auch wohl den Beynamen zugeeignet haben. Man muß ihn nur nicht mit der bekannten Göttinn Bubastis vermengen. Iablonski l. c. p. 125. Zuweilen giebt man ihr noch den Beynamen Sothis, aber fälschlich. Sieh Sotis. Außerdem führet sie noch vielmals die Beynamen:
Aegyptiaca,Augusta,Campensis,
Cornufera,Domina,Fructifera,
Triumphalisund Victrix,
die an ihren Orten nachzusehen sind.
6 §. Bildung. Diese findet sich auf so mancherley Art in verschiedenen so wohl ägyptischen als griechischen Denkmaalen, daß deren Vielfältigkeit hier nicht kann berühret werden. Man sehe Montfauc. Antiq. expl. T. II. P. II. liv. 1. ch. 3. 7. pl. 105–117. Selbst auf der so berufenen isischen Tafel, oder dem isischen Tische, kömmt sie in vielerley Putze und abgeänderten Stellungen vor, die zu allerhand muthmaßlichen Auslegungen Anlaß gegeben. Bracker. histor. phil. T. I. p. 249. Die wahrscheinlichste ist wohl, daß diese Tafel eben nicht die Geheimnisse der ägyptischen [1383] Religion enthalte, sondern ein bloßer Festkalender für die Aegypter sey, die sich in Rom aufgehalten. Iablonski in Misc. Berol. T. VI. p. 144. Schon in den ältesten Zeiten wurde sie mit Ochsenhörnern vorgestellet, wie die Griechen die Io bildeten; Herodot. Euterpe, l. II. c. 41. und zwar sah man sie an deren Bildsäule zu Ninive nur erst gleichsam hervor kommen. Philostr. vit. Apollon. l. I. c. 19. p. 23. Zwischen diesen beyden Hörnern findet sich gemeiniglich eine Kugel, und sie steigen aus einer Art von Krone herauf, die von Straußfedern gemacht zu seyn scheint. Unter derselben trägt sie eine Art von Schlafhaube, die fast wie eine Kapuze gemacht ist, mit vielen gleichlaufenden Falten, auf deren Spitze ein Vogel sitzt, den man die numidische Henne nennt, und welcher zu beyden Seiten seine Flügel ausbreitet. Sie sitzt unten her eng bekleidet, oben aber bloß, und reichet dem Horus, den sie auf dem Schoße liegen hat, die Brust. Winkelm. Monum. ant. n. 74. p. 99. Die Federn können vielleicht Geyersfedern seyn, welche ihr die Alten aufzusetzen pflagen. Aelian. H. A. l. X. c. 22. Der Vogel aber ist noch in verschiedenen andern Abbildungen von ihr mit anzutreffen. Pignor. mens. Isiac. p. 43. & 96. Mit dieser Abbildung kömmt eine andere fast überein. Begeri Thes. Brand. T. III. p. 301. Jedoch hat auch eine, die diesen übrigens meist ähnlich ist, anstatt des Menschengesichtes einen förmlichen Ochsenkopf. Montfauc l. c. pl. 105. Sonst pflag sie auch wohl mit aufgelöstem Haare vorgestellet zu werden. Philostr. epist. 26. p. 925. welches ihr doch einige in Flechten über die Schultern fallen lassen, und es wohl gar für falsches und nur aufgesetztes Haar halten. Winkelm. l. c. p. 100. Auf einigen Gemmen und Münzen aber kommt sie mit nach römischer oder griechischer Art gewundenen oder gekrausten Haaren vor, und hat eine Lotusbluhme oder die Frucht und Bluhme von der Persea auf dem Kopfe, und sie auch wohl zwischen, en Hörnern eines halben Mondes stehen.[1384] Dabey hat sie ein Sistrum in der rechten Hand, und in der linken eine Schale mit Früchten. Maffei gem. ant. T. II. t. 1. 2. 3. Oysel. thes. num. t. 47. n. 5. Sie hat dabey zuweilen ein Wassergefäß an dem Arme hängen, oder trägt es bloß statt der Schale in der Hand. Chausse gem. fig. t. 51. 52. Denn diese beyden Kennzeichen wurden ihr vornehmlich zugeeignet. Serv. ad Virg. Aen. VIII. 696. Sonst wird sie als ein ansehnliches Frauenzimmer bald stehend, bald sitzend abgebildet, deren Kleidung schwarz ist. Swertius Panth. p. 161. Auf einem zerstümmelten Denkmaale glaubet man ihr Oberkleid von Federn zu seyn. Montfauc. l. c. pl. 120. Andere aber nehmen solches für große Flügel an, die von den Schultern herunter kommen, sich über den Nabel zusammen schlagen, und so weiter hinunter gehen. Winkelm. l. c. n. 75. p. 101. Denn auch diese giebt man ihr vielfältig, wobey sie zuweilen in dem linken Arme ein Füllhorn hat, mit dem rechten aber, um den sich eines Schlange windet, sich auf ein Steuerruder stützet. Casal. de rit. vet. Aegypt. c. 24. Sonst wurde sie auch wohl über und über voller Brüste gebildet. Macrob. Satur. I. c. 20. Einige bekränzen sie mit Stabwürze, und geben ihrs dergleichen Zweig in die rechte Hand, da sie mit der linken ein Schiff hält. Chartar. Imag. 16. Auf einer Münze Domitians führet sie ein ausgebreitetes Segel in den Händen vor sich. Tristan. comment. histor. p. 260. Auf einer vom Julian aber steht sie auf einem Schiffe, und hält das Segel; Du Cange Constant. Christ. t. 14. und auf zwoen andern desselben steht sie auf einem Wagen und wird von zween geflügelten Drachen fortgeführet, oder steht auch auf einem Wolfe. Patin. Imp. rom. num. f. 33.
7 §. Eigentliche Historie. Sie kann wohl eine ehemalige Königinn in Aegypten gewesen seyn, die nach ihrem Tode göttlich verehret worden. Jedoch halten sie auch einige für keine andere, als die Eva. Voss. theol. gent. l. I. c. 38. Sie soll nebst dem Osiris[1385] fast alle Götter des Heidenthums in sich fassen. Huet. dem. evang. prop. IV. c. 10. §. 3. Man findet sie daher auf einer Münze mit der Aufschrift: ΘΕΟΥ ΠΑΝΟΣ. Montfauc. l. c. p. 284. Sie saget auch von sich selbst: Ich bin die Natur, die Mutter der Dinge, die Beherrscherinn aller Elemente, das erste Kind der Zeiten, die höchste unter den Göttern, die Königinn der abgeschiedenen Seelen, die erste unter den Einwohnern des Himmels, die einförmige Gestalt aller Götter und Göttinnen, nach deren Winke sich Himmel und Meer, und was unter der Erde ist, richten. Meine einzige Gottheit wird von der ganzen Welt unter vielerley Gestalten, mit verschiedenen Gebräuchen und mancherley Namen verehret. Die Phryger nennen mich die pessinuntische Mutter der Götter, die Athenienser die cekropische Minerva, die Cyprier Venus, die Kreter Diana Diktynna, die Sicilianer Proserpina, die Eleusinier die alte Ceres, andere Juno, Bellona, Hekate, Rhamnusia, die Aegypter endlich und ihre Nachbarn die Königinn Isis. Apulej. Metam. l. XI. p. 362. Insgemein wird sie für des Inachus Tochter, Io, angegeben, welche den Apis, der ebenfalls aus Griechenlande nach Aegypten gegangen, daselbst geheurathet habe, worauf sie denn Isis, so wie er Osiris oder Serapis, genannt worden. Hygin. Fab. 145. & ad eum Staver.
8 §. Anderweitige Deutung. Bald soll sie weiter nichts, als der Mond seyn. Diod. Sic. & Plut. ap. Voss. theol. gent. l. II. c. 24. Bald nimmt man sie für die Erde und die Natur aller Dinge an. Macrob. Saturn I. c. 20. & 21. Voss. l. c. c. 56. Nach der ägyptischen Gottesgelahrtheit ader war sie in der That ein Sinnbild des Mondes, und ihre Benennung folgete erst auf den ältern Namen Joh, der im Aegyptischen der Mond heißt. Iablonski Panth. ægypt. l. III. c. 1. §. 2. & 3. Sie bezeichnete aber solchen überhaupt und im Ganzen, da die besondern Veränderungen desselben wiederum andere eigene Benennungen und Abbildungen hatten. Ib. c. 3. §. 10. [1386] Daher schrieben sie ihr denn auch das Aufschwellen des Nils zu, Ib. c. 1. §. 5. und gaben ihr die Winde unter ihre Gewalt. Ib. §. 6. Sie bezeichnete aber auf eine sinnbildliche Art zugleich auch die Erde; Ib §. 7. und ins besondere die vom Nile fruchtbar gemachte Erde; weil nämlich nach der Meynung der Aegyptier der Mond die Ursache aller irdischen Fruchtbarkeit ist. Ib. §. 8. Daher nahm man sie denn ebenfalls für die ganze Natur aller Dinge; Ib. §. 9. und sie war also in gewissem Verstande von der Neitha oder Minerva der Aegyptier nicht unterschieden. Ib. §. 10. & c. 2. §. 5.
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro