[1809] ORPHEṼS, ëi, Gr. Ὀρφεὺς, έως, (⇒ Tab. XIV.)
1 §. Namen. Diesen führen einige von arif her, welches bey den Arabern [1809] so viel, als gelehrt, der etwas weis, heißt; Voss. de Nat. & Constit. Poët. c. 13. §. 3. andere aber von dem Ebräischen rapha, welches einen Arzt bedeutet; Turner beym Banier Entret XV. ou P. II. p. 142. Dess. Erl. der Götterl. V B. 17 S. die dritten von osorsiph, welches, nach einigen, Moses ist, wie ihn Manethos nennet, und einen Sonnenseher, speculatorem solis, bedeutet. Huet. D. E. Prop. IV. c. 8. §. 19. Man läßt solches aber dahin gestellet seyn, weil Orpheus wenigstens kein Grieche gewesen, und also auch keinen griechischen Namen gehabt hat.
2 §. Aeltern. Für diese geben einige den Apollo und die Kalliope, eine Muse, an, Asclepiad. ap. Schol. Apollon. ad l. I. v. 23. andere den Oeagrus und besagte Muse, Apollon. ipse l. c. & Hygin. Fab. 14. die dritten den Oeagrus und die Polyhymnia, ap. Schol. Apollon. l. c. oder auch an deren Stelle die Menippe, oder Thamyris. ap. Muncker. ad Hygin. l. c. Es soll aber auch mehr, als einen Orpheus gegeben haben. Kircheri Oedip. l. II. P. I. p. 150.
3 §. Stand und Thaten. Wie einige wollen, so war er ein König in Macedonien und Odrysis; Conon. Narrat. 45. Cf. Orph. Argon. v. 77. oder doch, da Oeagrus ein König in Thracien war, Philargyr. ad Virgil. Georg. IV v. 524. wenigstens ein königlicher Prinz. Nach dem er zu Hause gelernet hatte, was nützlich war, so gieng er nach Aegypten, und erlernete daselbst, zumal in der Theologie, so viel, daß er hecnach seines gleichen unter den Griechen nicht hatte. Diod. Sic. l. IV. c. 25. p. 162. Von daher brachte er die Fabeln von der Hölle, den Orgien und andern d. g. Geheimissen mit und breitete sie in Griechenland aus. Id. l. I. p. 14. & 60. Daselbst lehrete er auch zuerst die Sternseher- und Sterndeuterkunst und entdeckete die Harmonie der Sphären. Lucian. de astrol. p. 850. T. I. Opp. Serv. ad Virg. Aen. VI. 645. Desgleichen soll er zuerst gelehret haben, daß der Mond bewohnt sey. Procl. in Timæum. l. IV. p. 283. & V. p. 292. Wie er denn auch zuerst von [1810] der Kräuterkenntniß etwas merkwürdiges vorgebracht hat. Plin. H. N. l. XXV. c. 2. Ueberhaupt soll er in der Arzneykunst sehr geübt gewesen seyn. Clerici Hist. medic. l. I. c. 10. p. 33. Ja, wenn man den Griechen glaubet, so sind alle Wissenschaften und so gar die Buchstaben von ihm erfunden worden. Fabric. Bibl. Græc. l. I. c. 20. p. 130. So brachte er es auch in der Musik so weit, daß er nicht nur die Menschen, sondern auch die wilden Thiere, ja selbst die Bäume und Felsen, nach sich gezogen, wie nicht weniger die Flüsse in ihrem Laufe, und die Winde in ihrem Blasen, aufgehalten. Apollon. l. I. v. 26. Horat. l. I. Od. 12. v. 7. Dieses alles bewirkete er mit seiner Leyer, oder Cithar, welche er vom Apollo empfangen, und da sie sonst nur mit sieben Saiten bezogen war, noch mit zwoen mehr versehen hatte. Eratosthen Cataster. 24. Er sang dazu, welches vorher noch niemand gethan hatte, da man nur auf der Flöte zu spielen pflegen. Plutarch. de Music. p. 1132. T. II. Opp. Jedoch soll er nicht der erste Dichter gewesen seyn, sondern nur seine Lieder annehmlicher gemacht haben. Pausan. Bœot. c. 30. p. 586. Gleichwohl will man, daß der Hexameter von ihm erfunden worden. Antipat. Sidon. l. III. Antholog. p. 388. Als er seine Gemahlinn durch den Tod verloren hatte, so machte er sich zu dem Pluto und der Proserpina in die Hölle hinab, und wußte ihnen sein Leiden dergestalt mit seiner Stimme und Leyer vorzustellen, daß nicht nur sie Mitleiden mit ihm hatten, und ihm seine Gemahlinn wieder zustunden; sondern auch alle Seelen der Verstorbenen mit weineten, Tantalus nach dem Wasser zu schnappen vergaß, Ixions Rad stille stund, der Danaiden Fässer leer blieben, Sisyphus sich auf seinen Stein setzete, und mit zuhörete, ja selbst die Furien ihre Thränen vergossen. Ovid. Met. X. v. 40. Cf. Apollod. l. I. c. 3. §. 2. Er führete insonderheit den Bacchusdienst in Griechenland ein, Palæph. t. 34. & Apollod. l. c. und wies die Art, wegen begangener Verbrechen, die Götter [1811] zu versöhnen. Pausan. Bœot. c. 30. p. 586. Dabey aber wird er für einen ägyptischen Hexenmeister gehalten. Id. Eliac. post. c. 20. p. 384. Er gieng unter den Argonauten mit nach Kolchis, ungeachtet er schon ziemlich bey Jahren war. Apollod. l. I. c. 9. §. 16. Indessen erwies er doch den andern Gefährten dabey insonderheit gute Dienste. Denn er brachte durch seine Leyer das Schiff Argo in das Wasser, da es sonst nicht beweget werden konnte. Orph. Argon. v. 264. Darauf verband er durch ein feyerliches Opfer die Argonauten zur Eintracht und dem Gehorsame gegen den von ihnen selbst erkieseten Obersten, den Jason. Id. ib. v. 306. Er brachte sie von Lemnos wieder hinweg, woselbst sie sich sonst dergestalt wohl bey den dasigen Weibern befanden, daß sie lieber ihrer Fahrt vergessen hätten. Id. ib. v. 478. Er versöhnete des erlegten Cyzikus Seele; Id. ib. v. 570. imgleichen die Rhea, welche solches Todes wegen auch auf die Argonauten erzürnet war. Id. ib. v. 614. Die symplegadischen Felsen hielt er durch seine Musik auf, daß sie die Argonauten hindurch gehen ließen. Id. ib. v. 702. Er brachte die Hekate aus der Hölle herauf, daß sie ihnen die Thore zu dem Hayne öffnete, worinnen das goldene Vließ war. Id. ib. v. 940. Den Feuer-speyenden Drachen schläferte er ein; Id. ib. v. 999. Er machte, daß sich die Argonauten nicht durch die Sirenen verführen ließen, wogegen sich diese in die See stürzeten und selbst umkamen; Id. ib. v. 1272. und endlich söhnete er erwähnte Argonauten wieder mit den Göttern wegen des hingerichteten Absyrtus aus. Id. ib. v. 1363. Nach dieser vollendeten Fahrt begab er sich wieder nach Thracien, und zwar in seine Höhle in dem Lande der Libethrier, worinnen er war geboren worden, und also auch seinen ordentlichen Aufenthalt hatte Id. ib. v. 1370.
4 §. Gemahlinn. Diese war Eurydice, eine Nymphe, die er aber durch den Stich einer Schlange einbüßete. Hygin. Fab. 164. & Virgil. Georg. l. IV. v. 454. Er machte sich daher durch [1812] das tänarische Vorgebirge in die Hölle, Orph. Argon. v. 40. und bewog den Pluto und die Proserpina, daß sie ihm solche unter gewissem Bedinge wieder gaben. Weil er aber solches nicht hielt, so fiel sie wieder in die Hölle zurück. Apollod. l. I. c. 3. §. 2. Hygin. l. c. & Ovid. Met. X. ab init. Sieh Eurydice. Sein Sohn soll Methon gewesen seyn. Plutarch. ap Nat. Com. l. VII. c. 14. p. 760. Doch wird nicht gesagt, ob er eben von solcher Eurydice gewesen.
5 §. Tod. Nach einigen richtete er sich vor Verdrusse selbst hin, als er die Eurydice wieder verloren hatte: nach andern aber erschlug ihn Jupiter mit dem Blitze, weil er die heiligen Geheimnisse der Einweihung den Menschen bekannt gemacht hatte. Nach den dritten brachten ihn die thracischen Weiber um, weil er mit seiner Leyer machte, daß ihm deren Männer immerzu nachfolgeten. Paus. Bœot. c. 30. p. 586. Zur Rache dafür brandmarketen diese denn jene noch lange Zeit nachher. Plutar. de sera Num. vind. p. 557. T. II. Opp. Man giebt auch vor, die Götter hätten ihn als einen Weichling, dergleichen die Harfenschläger gemeiniglich wären, deswegen bestrafet, daß er nicht die rechte Stärke der Liebe gegen seine Eurydice gehabt und es so gemacht, wie Alcestis, sondern vielmehr durch allerhand Kunstgriffe gesuchet, lebendig zu ihr zu kommen und sie aus Plutoes Reiche heraus zu holen. Daher hätten sie ihm auch nur ihr Schattenbild gewiesen und bald darauf von den Weibern zerreissen lassen. Plato in conviv. p. 1179. Ob nun dieses wohl die gemeinste Meynung ist, so geben doch andere zur Ursache solcher Raserey der besagten Weiber an, daß er ihr ganzes Geschlecht verachtet, und die Männer von ihnen abzuwenden, hingegen zu der Liebe gegen ihres Gleichen zu bringen gesucht habe. Ovid. Metam. X. v. 83. Noch andere sagen, als Kalliope den Adonis der Proserpina, und nicht der Venus, zugesprochen, so habe diese die Weiber in Thracien mit einer solchen Liebe gegen diesen [1813] der Kalliope Sohn entzündet, daß ihn eine jede haben wollen, und sie ihn endlich darüber in Stücken zerrissen. Die dritten wollen, es habe Bacchus solche Weiber bey seinem Feste rasend gemacht, und ihm auf den Hals geschickt, weil er entweder vergessen, sein Lob mit zu besingen, da er aller andern Götter ihres in der Hölle vor dem Pluto hören lassen; oder auch dessen Geheimnisse mit angesehen. Hygin. Astron. Poët. l. II. c. 7. Es geschah aber solches nach einigen auf dem Olympus in Macedonien, Id. ib. Cf. Euripid. in Bachis. 560. nach andern aber auf dem Pangäus. Eratosth. Cataster. 24. Sie streueten diese Stücken von ihm auf dem ganzen Felde herum: den Kopf aber, nebst seiner Leyer, warfen sie in den Fluß Hebrus, da sie denn beyde unter einem beharrlichen kläglichen Klange bis in die Insel Lesbos schwammen. Hier wollte eine Schlange den Kopf beissen: sie wurde aber sogleich von dem Apollo in einen Stein, wie die erwähnten Weiber von dem Bacchus, ihrer Grausamkeit halber, in Bäume, verwandelt. Ovid. Met. XI. ab init. & Lact. Plac. l. XI. Narrat. 1. & 2. Indessen lasen die Musen die übrigen. Stücken des zerrissenen Körpers auf, und begruben sie zu Lebethrä, die Leyer hingegen setzete Jupiter, auf ihr Anhalten, mit unter die Sterne. Eratosth. l. c. Gleichwohl soll sie in Natur in dem Tempel des Apollo zu Lesbus gehangen haben, bis Neanthus sie sich zu eigen gemacht. Lucian. adv. indoct. p. 385. T. II. Opp. Sieh Neanthus. Den Kopf begruben die Lesbier, wofür sie hernach jederzeit eine große Geschicklichkeit in der Musik behielten. Hygin. l. c. Hier gab er denn auch nachher aus einer Höhle Orakel. Philostrat. Heroic. c. V. §. 3. p. 703. Der Zulauf zu demselben wurde mit der Zeit so groß, daß die andern Oerter, wo Apollo dergleichen gab, deswegen nicht mehr so fleißig besuchet wurden. Dieß machete denselben eifersüchtig, daß er daher eines Males zu ihm soll gesaget haben: Hör auf, das an dich zu reissen, was mir gehöret; [1814] ich habe dich singend lange genug ertragen. Id. vit. Apollon. l. IV. c. 14. p. 151. Einige wollen, es hätten ihn besagte Weiber überfallen, da er eben die Orgia in einem gewissen Hause mit andern begehen wollen, und diese ihr Gewehr daher an der Thüre desselben abgeleget, welches denn die Weiber ergriffen, und damit ihn und die übrigen nieder gemacht. Hierauf befiel die Pest das Land; und, da man das Orakel deshalber befragete, so gab solches zur Antwort, es geschähe deswegen, weil man die Weiber nicht geziemend bestrafete; jedoch würde die Pest aufhören, wenn man des Orpheus Haupt gehörig begrübe. Man suchete daher mit größtem Fleiße, und fand es endlich bey dem Ausflusse des Meletis, und zwar, da es noch sang und so frisch war, als ob es erst von dem Halse gerissen worden. Es wurde darauf so prächtig begraben, daß endlich aus solchem Begräbnisse gar ein Tempel entstund, in den aber durchaus keine Frau kommen durfte. Conon. Narrat. 45. Sonst soll sich sein Grab bey Pieria befunden haben. Apollod. l. I. c. 3. §. 2. Wie nun der Fluß Helikon sein Wasser unter die Erde verborgen, damit er nicht den mörderischen Weibern zu ihrer Aussöhnung mit den Gottern dienen dürfen: Pausan. l. c. also sollen insonderheit auch die Musen solches Orpheus Tod höchlichst beklaget haben. Antipater ap. Nat. Com. l. c. Desgleichen sollen die Nachtigallen, welche ihre Nester unsern von dessen Grabe haben, viel annehmlicher, als die andern, singen. Dieses Grab aber soll sich so wohl in Thracien, als auch in Macedonien, und zwar insonderheit zu Libethra befunden haben. Doch als solche Stadt von dem Bache Zys zu Grunde gerichtet worden, sollen dessen Gebeine nach Dium überbracht und daselbst auf einer steinernen Säule in ihrem Kruge seyn aufbehalten worden. Hierbey soll sich denn dieses Wunder zugetragen haben, daß die Libethrier eine Weissagung aus Thracien gehabt, ihre Stadt würde durch ein Schwein untergehen, so bald die Sonne des [1815] Orpheus Gebeine beschiene. Sie achteten auf diese Wahrsagung nicht viel, je weniger sie glaubeten, daß dergleichen Thier ihnen etwas schaden könne. Indessen begab es sich ungefähr, daß ein Hirt eines Males zu Mittage an des Orpheus Grabe einschlief, welches aus einer aufgerichteten Säule bestund. Im Schlafe fieng er auf eine ganz wunderbare Art mit lauter und angenehmer Stimme an, des Orpheus Lieder zu singen. Die andern Hirten und Ackerleute in der Nähe liefen darüber zusammen, und wollte ein jeder bey dem singenden Schäfer am nächsten seyn. Bey diesem Getümmel wurde die Säule umgestoßen und der Todtenkrug zerbrach, daß also die Sonne des Orpheus Gebeine beschien. In der Nacht darauf fiel ein so gewaltiger Regen, daß der Sys oder Zys, welches auch ein Schwein heißt, einer von den Regenbächen des Olympus, dergestalt anlief, daß er die Mauer der Stadt Libethra niederriß, die Tempel und Wohnhäuser umstürzete, und die Einwohner mit allem Viehe ersäufete. Pausan. l. c.
6 §. Bildung. Ungeachtet er aus Thracien war, so sah man ihn doch auf einem alten Gemälde des Polygnotus in griechischer Kleidung, bey welcher weder sein Rock noch die Bedeckung seines Hauptes thracisch waren. Er saß auf einem Hügel und rührete mit der linken Hand die Laute, mit der rechten aber griff er an die Zweige einer Weyde, an deren Stamm er sich gelehnet hatte. Pausan. Phoc. c. 29. p. 667. Man gab ihm sonst auch wohl eine persische Tiara, die mit Golde gestickt war, und von der Scheitel in die Hohe gieng. Callistrati stat. 7. in Philostr. Opp. p. 898. Philostr. jun. icon. 6. p. 871. Diese Tiara scheint beynahe das Hauptmerkmaal abzugeben, ihn zu erkennen. Ej. icon. 11. p. 881. & Philostr. vit. Apollon. l. I. c. 25. p. 34. Man hat davon auch mit Anlaß genommen, den auf einigen Gemmen befindlichen Kopf auf einem Pfeiler, vor welchem eine mit Lorbern bekrönte Person steht, für des Orpheus Kopf, [1816] der zu Antissa Orakel ertheilete, und die Person für den Apollo zu halten, der ihm solches verwiese. Lipperts Dactylioth. I Taus. 156. N. Diese Erklärung aber wird zweifelhaft, wenn man weis, daß dieser Kopf nicht von einem Pfeiler, sondern, wie oben gedacht, aus einer Höhle die Orakel gegeben. Andere haben der gleichen Abbildungen für den Virgil mit einer Maske erkläret. Gronov. ad Gorlæi Dactylioth. T. II. n. 509. Gori ad Mus. Flor. T. I. p. 98. Christ Dactyl. Mill. I. P. 2. n. 235. & Mill. II. P. 1. n. 40. Außer dieser Tiara war er in der Bildsäule auf dem Helikon mit einem Rocke bekleidet, der ihm von den Schultern bis auf die Füße gieng und mit einem goldenen Gürtel unter der Brust umgürtet war. Seine Beschuhung glänzete von Golde, und ein Mantel hieng ihm auf dem Rücken hinab. Ein schönes Haar floß um seinen Hals über die Schultern und schwebte zum Theile über seine Stirne. Er selbst war von einem seinen Ansehen und hielt eine Leyer mit neun Saiten. Um ihn her waren allerhand wilde und zahme Thiere, auch so gar Vögel und Fische, die ihre Aufmerksamkeit und Verwunderung zu bezeugen schienen. Selbst Felsen, Wälder und Flüsse schienen herbey zu eilen. Callistrat. l. c. Fast eben so vorgestellet will man ihn auf einem erdichteten Gemälde sehen. Philostr. jun. l. c. Mit dieser Gesellschaft, wobey aber meistens die Fische und zuweilen auch die Vögel fehlen, findet man ihn auf verschiedenen geschnittenen Steinen, wo er ihnen bald auf der Leyer vorspielet, bald aber ruhet und solche vor sich auf dem Knie stehen hat. Lippert am a. O. II Taus. 56, 57 N. Seltsam aber ist es, wenn man ihn auf einem derselben die Violine streichen läßt. Maffei gem. ant. P. IV. t. 96. Selbst auf einer Münze des K. Marcus Aurelius sitzt er mitten unter Thieren und Vögeln, nur am Unterleibe bekleidet und spielet ihnen vor. Ganz bekleidet aber und mit einer Mütze auf dem Kopfe thut er solches auf einem Gelübde, welches eben demselben Kaiser gewiedmet[1817] worden. Montfauc. Suppl. aux Antiq. expl. T. I. pl. 84. Desgleichen sieht man ihn vor dem Eingange der Hölle mit seiner Leyer, die er auf das Knie gestellet hat, nachdem er den vor ihm stehenden Cerberus bereits dadurch besänftiget zu haben scheint. Maffei gem. ant. P. II. t. 49. Man will ihn auch auf einer halb erhabenen Arbeit in der Villa Panfili finden, wo er ebenfalls ohne Mütze oder Tiara nur so, wie auf den meisten andern Denkmaalen, als ein griechischer Held bekleidet, auf einem Felsen sitzt und die Leyer spielet. Neben sich hat er ein Thier, welches man für einen Hund halten würde, wenn es nicht einen gar zu langen Schwanz hätte. Jedoch, weil derselbe eines Tygers seinem ähnlichist, so hat man dadurch vieleicht die Wildheit desselben und vermuthlich den Höllenhund andeuten wollen, der in den alten Zeiten nur mit einem Kopfe vorge, stellet wurde. Vor ihm stehen zwo Frauenspersonen, deren eine einen Wassereimer, die andere aber eine kleine Schale hält, welche ein Paar von den Danaiden seyn sollen, die aus Aufmerksamkeit auf sein Spiel ihr Wasserschöpfen vergessen haben. Winkelm. Monum. antic. n. 50. p. 63. In allen diesen Vorstellungen hat er noch ein jugendliches Ansehen und ist ohne Bart.
7 §. Eigentliche Historie und anderweitige Deutung. Einige wollen, es sey niemals ein Orpheus in der Welt gewessen. Aristot. ap. Cicer. de N. D. I. c. 38. p. 1175. Dieß ist aber nur so fern zu verstehen, als er ein Poet gewesen seyn soll, von dem man noch unterschiedene Gedichte hat. Fabric. Biblioth. Gr. l. I. c. 18. §. 1. Denn die Argonautica, Hymni, und was sonst noch unter dessen Namen vorhanden ist, rühret allerdings von ganz andern Verfassern her. Voss. de Poet. Gr. c. 2. 4. Cf. Fabric. l. c. Außerdem ist gar nicht zu zweifeln, daß es nicht eine alte beruhmte Person seines Namens gegeben hat, wofern man nicht dem ganzen Alterthume entgegen seyn will. Bruckeri hist. philos. T. I. p. 374. Dergleichen hat sich denn ungefähr ums [1818] Jahr der Welt 2727, und also zu den Zeiten des jüdischen Richters Thola gefunden, Calvis. ad A.M. 2727. welcher entweder aus Aegypten, Pausan. El. post. c. 20. p. 384. oder aus Asien nach Griechenland gekommen. Lœscher. §. Ion. l. I. c. 4. §. 4. Weil nun hieselbst alles noch roh und unwissend gewesen, so konnte er sich durch seine Beredtsamkeit, Musik und andere Künste gar leicht in eine solche Achtung setzen, daß er hernach für einen Fürsten und König gehalten worden, zumal er noch dazu mit einigen schwarzen Künsten soll haben umgehen, und also die dummen Leute desto eher zu allem, was er gewollt, bewegen können. Pausan. l. c. Cf. Marsham. Sæc. IX. p. 148. Denn diese sind eben die Steine, Bäume, wilden Thiere und so ferner gewesen, die er nach sich gezogen. Horat. de art. poet. v. 391. Daher ist er denn leicht von dem Verdachte der Zaubercy los zu sprechen. Naude apologie pour les grands hommes & c. c. 9. p. 134. Daß er seine Gemahlinn wieder aus der Hölle herauf zu holen getrachtet, versteht sich von Heraufrufung ihrer Seele, welches man damals können wollte, dergleichen er denn auch in Thesprotien, an dem See Aornus, unternahm, allein, da es ihm nicht damit glücken wollte, sich ungemein darüber grämete. Pausan. l. c. Man erkläret diese Fabel auch wohl von seiner Geschicklichkeit in der Arzeneykunst, wodurch er die Eurydice von einer schweren Krankheit befreyet, doch ehe sie noch völlig wieder hergestellet gewesen, habe er durch seine unzeitige Liebe alles wieder verderbet. Tzetz. Chiliad. XII. hist. 399. Cf. Fabric. l. c. c. 20. §. 5. p. 130. Daß er von den thracischen Weibern hingerichtet worden, kann wohl möglich seyn: das Singen seines todten Kopfes aber ist nichts, als der gute Nachklang und das Lob, welches er nach sich gelassen, und die Schlange, welche dessen Kopf angefallen und darüber in einen Stein verwandelt worden, ist ein Mensch gewesen, der desen Ehre angegriffen, allein damit gewiesen, daß er nicht mehr Verstand [1819] habe, als ein Stein. Banier Entret. XV. ou P. II. p. 143. Dess. Erl. der Götterl. V B. 30 S. Zwar suchen einige mit aller Gewalt den Moses aus ihm zu machen. Huet. D. E. Prop. IV. c. 8. §. 19. Andere haben den König David unter ihm finden wollen. Vrsin. Analect. sacr. l. IV. p. 219. Allein, wie sich dergleichen gezwungene Vergleichungen überall finden lassen: so läßt er sich gar leicht auch als ein Mann vorstellen, welcher andern mit seinen Wissenschaften zu dienen gesuchet, zuförderst aber Recht und Gerechtigkeit, welche die Eurydice seyn soll, aus dem Grabe hervor zu bringen getrachtet habe. Nat. Com. l. VII. c. 14. Von seinen Schriften, sowohl wahren, als untergeschobenen, sehe man Fabric. l. c. c. 18. & 19. und von seinen theologischen und philosophischen Lehrsätzen Brucker. Hist. crit. philos. T. I. p. 385. Cf. Eschenbach Epigenes de poesi orphica. 4. Norimb. 702.
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