Pasiphaë [1]

[1899] PASIPHAË, es, ( Tab. VI.) des Helius und der Perseis Tochter und Schwester des Aeetes und der Circe, war des Minos, Königes in Kreta, Gemahlinn, mit welchem sie auch den Kreteus, Deukalion, Glaukus und Androgeus, ferner die Hekale, Xenodice, Ariadne und Phädra zeugete. Apollod. l. III. c. 1. §. 2. Weil aber solcher Minos nichts desto weniger noch immer seine Händel mit andern Frauenspersonen hatte, so bezauberte sie ihn dergestalt, daß alle umkommen mußten, welche sich mit ihm vermengeten, weil nichts als Otterngezüchte von ihm gieng. Id. ib. c. 14. §. 1. Gleichwohl scheinen seine Ausschweifungen sie vieleicht zu einer andern noch ärgern vermocht zu haben. Denn man erzählet, weil Pasiphae entweder der Venus lange Zeit ihren Dienst nicht abgestattet; Hygin. Fab. 40. oder weil diese das ganze Geschlecht des Helius darum verfolgete, daß solcher ihre Händel mit dem Mars verrathen hatte; Serv. ad Virg. Ecl. VI. v. 47. oder auch, weil Minos dem Neptun einen Ochsen nicht opferte, welchen er ihm doch versprochen hatte, so habe sie sich in denselben verlieben müssen. Ihre Brunst wurde auch eher nicht gestillet, als bis Dädalus eine Kuh von Holze verfertigte, solche mit einer Kühhaut überzog, und die Pasiphae hinein steckete. Man sieht noch auf einer erha benen Arbeit in dem spadischen Pallaste den vom Neptun verlangeten Ochsen, welchen die in ihn verliebt gewordene [1899] Pasiphae dem dabey sitzenden Dädalus vorgeführet hat, damit er das Muster zu der hölzernen Kuh davon nehmen könnte, die sie begehrete. Pasiphae ist geschleyert; Dädalus hält in seiner Linken eine Säge und greift mit der Rechten an des Ochsen Maul, ihm zu schmeicheln Winkelm. Monum. ant. 94. p. 127. Eine andere an dem Pallaste der Villa Borghese zeiget ihn, wie er mit der Verfertigung dieser Kuh beschäfftiget ist. Er arbeitet stehend, und ein Knabe sitzend mit der Ascia an ihr; daneben steht solche fertig auf einer Tafel mit Rädern befestiget und die Treppe zum Hineinkriechen der Pasiphae ist angelehnet. Ivi mon. 93. p. 128. Man hat auch ein Gemälde davon angegeben, auf welchem viele Cupidines dem Dädalus bey Verfertigung der Kuh helfen. Pasiphae befindet sich trefflich geputzet draußen bey der Heerde und sieht den schönen Ochsen mit einem verzweifelten Gesichte an, der nicht auf sie achtet, sondern einer jungen Kuh nachgeht. Philostrat. Icon. l. I. c. 16. p. 787. Aus dieser unnatürlichen Verbindung gebar sie den so berufenen Minotaurus, der eigentlich Asterius geheißen. Apollod. l. III. c. 1. §. 4. & Hygin. l. c. Cf. Virgil. Aen. VI. v. 24. Ovid. Met. VIII. v. 136. & Diod. Sic. l. IV. c. 79. §. 193. Man glaubet aber nicht unwahrscheinlich, daß solcher Taurus eigentlich ein Hofbedienter des Minos gewesen, in welchen sich Pasiphae verliebet, die denn durch des Dädalus Vorschub Gelegenheit gefunden, mit ihm zusammen zu kommen, und den Minotaurus zu holen. Palæphat. de Incred. c. 2. & Heraclit. de iisd. c. 6. Die hölzerne Kuh soll nichts mehr, als ein geringes Haus, gewesen seyn, in welchem beyde zusammen gekommen, um desto weniger Verdacht zu erwecken. Tzetz. ap. Nat. Com. l. VI. c. 5. p. 559. Minos ließ darauf den Dädalus, als die Sache ausbrach, für seine Kuppeley fest setzen: Pasiphae aber half ihm wiederlos und davon. Hygin. l. c. Sieh Dædalus und Minotaurus.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1899-1900.
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