[2078] PRIÁPVS, i, Gr. Πρίαπος, ου, (⇒ Tab. XVI.).
1 §. Namen. Dieser soll nach einigen so viel seyn, als βριήπυος, heftig schreyend, weil Priapus mit dem Bacchus einerley sey, und volle Leute gemeiniglich brav zu schreyen pflegeten; oder auch auf eins mit προιέμενος, promittens, sc. τὸ σπέρμα, ankommen. Schol. Theocr. ad Idyll. I. v. 21. Andere hingegen holen diesen Namen aus dem Oriente her, und zwar entweder von para, er hat vermehret, Frucht gebracht, und von Vater, daß also solchem nach Priapus so viel, als fruchtbarer Vater, hiesse; Voss. Etymol. in Priapismus, p. 474. oder auch von pagar, er ist offenbar, bloß gewesen, weil er mit seinem Zeugungsgliede allezeit bloß gestanden. Id. Theol. gent. l. II. c. 7.
2 §. Aeltern. Nach der meisten Meynung war sein Vater Bacchus, und seine Mutter Venus. Diod. Sic. l. IV. c. 6. p. 149. Pausan. Bœot. c. 31. p. 588. Nach andern aber war er ein Sohn der Venus und des Adonis. Schol. Apollon. [2078] adl. I. v. 932. Einige machen ihn zu Jupiters und der Venus Sohne, bey dessen Geburt Juno aus Eifersucht unter der Gestalt eines alten Weibes der Venus an den Leib gegriffen, als ob sie ihr behülflich seyn wollte, in der That aber sie bezaubert habe, daß sie dieses Scheusal zur Welt gebracht. Venus mochte ihn darauf nicht haben, sondern ließ ihn, nach einigen, zu Lampsakus, wo sie ihn geboren hatte: nach andern aber ließ sie ihn auf einen Berg wegsetzen, wo ihn ein Hirt fand und auferzog. Suidas in Πρίαπος, Tom. III. p. 172. Noch andere machen zu dessen Aeltern den Bacchus und die Naias, eine Nymphe. Strabo l. XIII. p. 587. Man giebt auch wohl den Mercurius für dessen Vater an; Hyg. Fab. 160. und nennet dessen Mutter Chione; Schol. Theocr. ad Idyll. I. v. 21. Cf. Muret. ad Tibull. l. I. Eleg. 4. v. 7. und was des Dinges alles mehr ist.
3 §. Wesen und Thaten. Man will, es soll ihn Juno dem Mars zur Erziehung anvertrauet haben, der denn erst einen guten Tänzer aus ihm gemacht, ehe er ihn in der Kriegeskunst unterrichtet. Beger. Thes. Brand. T. III. p. 265. Allem, die Stelle, die man deswegen anführet, saget vielmehr, Mars sey dem Priapus übergeben worden, und habe von ihm zuerst tanzen und dann fechten gelernet. Lucian. desaltat. p. 793. T. I. & Gronov. ad h. l. Als er erwuchs, so war er den Weibern zu Lampsakus so angenehm, daß endlich die Männer gezwungen wurden, ihn von dar hinweg zu weisen. Sie wurden aber dafür mit einer Krankheit an heimlichen Orten geplagt; und als sie deshalber das Orakel zu Dodona um Rath fragten, so hieß ihnen dieses den Priapus wieder in sein Vaterland zurück berufen. Sie thaten solches nicht nur, sondern errichteten ihm auch Bildsäulen und Tempel, und machten ihn zu einem Gotte der Gärten. Serv. ad Virgil. Georg. IV. v. 111. Cf. Nat. Com. l. V. c. 15. p. 521. Einige geben ihm auch noch die Weinberge zu. Catul. Carm. XIX. 15. Philargyr. ad Virgil. l. c. Diod. Sic. l. IV. c. 6. p. 149. & [2079] Phurnut. de N.D. c. 27. Andere wollen, daß er gleichfalls ein Gott der Häven sey, und insonderheit den Schiffenden bey entstandenem Sturme dergleichen zu ihrer Sicherheit zeige. Leonidas, Sidonius & alii ap. Dempster. ad Rosin. l. II. c. 20. p. 185. Er bauete hiernächst die Stadt Priapus nach seinem Namen. Schol. Theocr. ad Idyll. I. v. 21. Als er sich aber einmal mit einem Esel auf eine Wette einließ, wer unter ihnen beyden das größte Zeugungsglied hätte, so kam er zu kurz. Hierüber wurde er so toll, daß er den armen Esel erschlug. Lactant. Inst. l. I. c. 21. §. 28. Als zur andern Zeit die Götter insgesammt von der Cybele auf ihr Fest eingeladen waren, sich auch dabey im Weine etwas übernahmen, und Vesta sich hernach ein wenig auf die Erde schlafen legete, so suchte er sie zu überschleichen. Allein, da er ihr ziemlich nahe gekommen war, so fieng des Silenus Esel an zu schreyen. Vesta wachte darüber auf, und Priapus hatte zu thun genug, den herbey laufenden Hunden zu entgehen. Ovid. Fast. VI. v. 319. Cf. Lactant. l. c. §. 25. Man erzählet eben dieses Histörchen auch von ihm und der Lotis, einer Nymphe, und will dabey, der gute Esel habe dafür mit dem Leben bezahlen müssen, Priapus aber sey, weil die Sache bey Mondenscheine vorgegangen, und ihn die andern, bey damaligem Bacchusfeste, anwesenden Götter gar wohl gesehen, von ihnen zum heftigsten ausgelachet worden. Ovid. l. c. l. I. v. 415. Indessen war er doch nur einer der neuern Götter, von denen die Alten nichts gewußt hatten. Strabo l. XIII. p. 588. Seine Gefährten, Gehülfen, oder Mitgenossen in dem Dienste der Venus sollen Konissalus, Orthales, Dordon oder Lordon, Kybdasus und Pyrges gewesen seyn; Plat. in Phaon. ap. Athen. l. X. c. 11. p. 441. welchen noch Tychon hinzu gethan wird. Strabo l. c. Cf. Erasmi Adag. p. 317.
4 §. Bildung. Er wurde als ein Knabe von einer ungemeinen Dicke, häßlichem Gesichte, und mit einem fast so großen männlichen Gliede vorgestellet,[2080] als sein übriger Körper war. Chartar. Imag. 72. a. Man hat noch ein solches kleines ehernes Bildniß, welches ihn mit Castagnetten tanzend vorstellet, wobey aber die Mitte seines Leibes mit einem Tuche umwunden ist; wiewohl ihm das Glied darunter bis auf die Waden hervor hängt. Causei Mus. Rom. P. VI. n. 4. Oftmals wurde er auch wohl als ein Mann mit einem großen Barte, verworrenen Haaren, ohne Kleidung, und mit einer Sichel oder einem Gartenmesser in der rechten Hand, gebildet, wobey er denn insgemein in die Gärten, und zuweilen unter einen vermachten Ort gestellet wurde, daß ihn Regen, Schnee und Sonne nicht treffen konnten. Tibull. l. I. el. 4. v. 1. Jedoch trug er auch nicht selten ein vielfärbichtes buntes Kleid; Phurnut. de N.D. c. 27. und man führet an, daß in den Städten sein Glied bedeckt, auf dem Lande aber bloß gelassen worden. Epigr. 94. Anth. IV. 12. Er wurde dabey insgemein roth angestrichen, und ihm eine Rohrkolbe auf den Kopf gemacht. Ovid. Fast. I. v. 415. Tibull. l. I. el. I. 21. Desprez ad Horat. l. I. Sat. 8. v. 6. Ordentlicher Weise nahm man ein Stück Holz zu seiner Bildsäule, welches sonst zu nichtsnütze war. Horat. ipse l. c. v. 1. Jedoch hatte man ihn auch wohl von Steinen. Martial. l. VI. ep. 72. Er trug vielmals einen Kranz von Weinlaube, Bluhmen u.d.g. auf dem Kopfe; Tibull. l. c. und hatte seine Stelle sonst gern mitten in den Gärten. Columell. ap. Desprez l. c. v. 4. Meistentheils war er nur wie eine Hermessäule gebildet, das ist die Oberhälfte des Leibes, bis auf das unterscheidende Glied, welches niemals vergessen war. Dabey hatte er zuweilen Bockshörner und Ziegenohren. Montfauc. Ant. expl. T. I. P. II. l. I. ch. 28. §. 3. p. 276. Nach einigen wurde er auch vorgestellet, daß er in der rechten Hand ein Zepter, mit der linken aber sein Glied hielt, Flügel auf dem Rücken, und eine Wurfscheibe vor sich hatte. Suid. in Πρίαπος, Tom. III. p. 172. Zuweilen trug er den Busen voller Früchte. Phurnut. de N.D. c. 27. So [2081] sieht man ihn noch auf einem geschnittenen Steine, wo er in ganzer Gestalt steht, eine Hippe oder das Gartenmesser in der Hand hat, und in seinem Gewande Früchte trägt. Lipperts Dactyl. I Taus. 521 N. Anaxagoras hatte seine Bildsäule nicht aufrecht auf den Füßen stehend, sondern auf der Erde kniend gemacht. Apollon. ap. Dempst. ad Ros. l. II. c. 20. p. 185. Man findet noch dergleichen, wo er in der linken Hand eine Keule hält und mit dem Kopfe, der mit einem Kranze von zusammengewickelten Bändern umwunden ist, zur Erde sieht. Montfauc. suppl. aux antiq. expl. T. I. pl. 66. Die Keule war eines von denen Schreckzeichen, die er führete; und man sieht sie daher auf einem Gelübde der Lampsacener, welches ihn als eine Hermessäule ohne Arme mit einer Kette von Lorberblättern um den Hals und darunter einen Mantel, der aber seine Blöße nicht bedecket, vorgestellet; da sich auf der andern Seite die Sichel zeiget. Unter jedem ist ein Korb mit Früchten, und weiter darunter ein Messer, und unter demselben ein Eselskopf auf jeder Seite. Oben über allem hängt eine fünfmal gebundene Fruchtschnur. Nach der Aufschrift darunter ist dieser Marmor ΙΘΥΦΑΛΛΩΙ ΚΟΡΥΝΦΟΡΩΙ, dem Keulenträger Ithyphallus, gewiedmet. Montf. ant. expl. l. c. pl. 189. Als etwas besonderes merket man noch an, daß er in einer andern solchen Säule, wo er einen zweygespitzten lang herunter hängenden Bart und dergleichen Knebelbart hat, in der rechten Hand eine Glocke hält, und die linke in die Seite setzet. Id. supplem. l. c. Außerdem findet man noch in den Cabinetten einige Vorstellungen, die vieleicht der Zucht und Erbarkeit ganz zuwider, deren einige aber doch der Aufschriften wegen anzumerken sind. Eine derselben ist, wo er mit einem Bündel von Phallis über der linken Schulter und einem andern dergleichen unter dem rechten Arme vorgestellet wird, worunter man liest: ΤΩ ΤΗΣ ΓΕΝΕΣΕΩΣ ΠΟΙΜΕΝΙ, dem Hirten der Zeugung. Begeri Thes. Brand. T. III. p. 261. Eine [2082] andere zeiget ihn mit einem Hahnenkopfe und dessen Kamme, wo aber statt des Schnabels ein erhabenes männliches Glied steht. An dem Fußgestelle sieht man die Worte: ΣΩΤΗΡ ΚΩΣΜΟΥ, Erhalter der Welt. Cause. l. c. n. 1.
5 §. Verehrung. Diese soll mit des Bacchus seiner einige Aehnlichkeit gehabt haben, und dessen Priester auch bey den Opfern des Priapus mit gegenwärtig gewesen seyn. Doch muthmaßet man auch, daß sein Dienst an verschiedenen Orten verschieden und in Griechenland ganz anders, als in Italien, gewesen. Lipperts Dactyl. I Taus. 335 S. 983 N. Er genoß solchen insonderheit zu Lampsakus, in Kleinasien, Pausan. Bœot. c. 31. p. 588. zu Priapus, Strabo l. XIII. p. 587. und da herum. So hatte er auch seine Statüe auf dem Helikon stehen. Pausan. l. c. Ihm wurden insonderheit Esel, als seine Feinde, nach dem, was vorhin gemeldet worden, geopfert. Ovid. Fast. VI. v. 345. Sonst brachte man ihm Milch und Honigkuchen. Virgil. Eclog. VII. v. 33. Seine Feste hiessen Priapeja, und es verehreten ihn auch diejenigen, welche mit Bienen, Ziegen, Schafen und dergleichen zu thun hatten. Pausan. l. c. Sieh auch Mutinus. Es finden sich noch viele Gemmen, auf welchen man Abbildungen seiner Opfer von mancherley Art sieht. Lipperts Dactyl. I Taus. 978–985 N. Er steht dabey gemeiniglich als eine Hermessäule entweder hinter dem Altare oder auch auf einem bekränzten Altare, und hat einen kleinern mit dem Opferfeuer vor sich. Chausse gem. ant. t. 102. Eines der vornehmsten Feste desselben wird auf einer halb erhabenen Arbeit vorgestellet, wo man auf sechs und zwanzig Frauenspersonen und zwey Mägdchen sieht. Eine der Frauenspersonen, welche die Priesterinn zu seyn scheint, begießt das männliche Glied der Bildsäule, und ihr gegen über steht eine andere mit dergleichen schon ausgegossenem Gefäße. Indessen bringen einige andere Gefäße mit Weine und Körbe voller Früchte zum Opfer. Ein Paar spielen auf Cymbeln oder einem [2083] Instrumente, welches einem Reise sehr ähnlich sieht; zwo blasen auf Flöten, und eine andere bewegt ein Sistrum, wobey man einige tanzen sieht. Einige sind mit Ziegenfellen bekleidet; und eine davon trägt ein Kind auf ihren Schultern. Vier andere, wovon die eine ein Besteck mit Messern an der Seite hängen hat, sind mit Aufopferung des dargebrachten Esels beschäfftiget. Er ist in der Mitte des Leibes mit einem breiten Bande umgürtet, liegt auf der Erde und hat schon den tödtlichen Streich empfangen. Das Blut desselben strömet in ein Becken, welches unter seinem Halse steht, wobey ihm die Priesterinn kniend den Kopf hält. Zwo andere kommen hinter ihm, deren eine eine Schale bringt und die andere einen Löffel hält. Neben denselben stehen zwey junge Mägdchen. Montf. ant. expl. T. I. P. II. pl. 181.
6 §. Eigentliche Historie. Nach einigen war er der Aegypter Horus; Suid. in Πρίαπος, Tom. III. p. 172. oder vielmehr nur eine erdichtete Person, und an sich nichts, als des Osiris männliches Glied, welches Isis nicht finden konnte, und es nachher göttlich zu verehren befahl. Diod. Sic. l. IV. c. 6. p. 149. Ban. Erl. der Götterl. III B. 654 S. Andere machen den Moses aus ihm, und sonst noch den Pan, Mercurius, Osiris, Typhon, Bacchus u.s.f. Huet. D. E. Propos. IV. c. 8. §. 5. Er soll auch mit dem Janus Portumnus einerley seyn. Gruteri corp. Inscr. p. XCV. n. 6. 7. Desgleichen hält man dafür, daß er von dem Baalphegor nicht unterschieden sey. Isidor. Orig. l. VIII. c. 11. p. 1025. Ban. Erl. der Götterl. II B. 455 S. Vieleicht aber ist er im Grunde nichts weiter, als ein guter Seekundiger, großer Liebhaber der Gärten und Liebesspiele gewesen. Damms Götterl. 214 §.
7 §. Anderweitige Deutung. Er wird insgemein auf die Sonne gedeutet; Voss. Theol. gent. l. II. c. 7. oder auch auf die Zeugungskraft der Natur. Phurnut. de N.D. c. 27. Da er für einen Gott und Hüter der Gärten gehalten wird, so bedeutet sein ungeheueres [2084] Glied die Fruchtbarkeit besagter Gärten. Serv. ad Virg. Georg. l. IV. v. 111. Seine Sichel soll andeuten, entweder, daß die Bäume und andere Gartengewächse immerzu beschnitten werden müssen, oder, daß er damit die Diebe, wie mit dem Rohrbüschel auf dem Haupte die Vögel, abhalten wolle. Desprez ad Horat. l. I. Sat. 8. v. 4. 6.
Buchempfehlung
In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.
138 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro