Tellvs

[2309] TELLVS, úris, Gr. Γῆ, ῆς, ( Tab. I. II.)

1 §. Namen. Nach einigen soll dieser von Terra, nach andern, von Τελάω, ich unterhalte, und, nach den dritten, von tello, für tollo, ich hebe, herkommen, weil sie alles trägt, oder auch von dem Ebräischen thabhal, welches so viel als ἡ ὀικουμένη, oder die wohnbare, heißt. Voss. Etymol. in Tellus, p. 529. Sonst soll sie eigentlich Titäa, Diod. Sic. l. III. c. 57. p. 133. oder vielmehr Titia, geheissen haben. Apollon. Argon. l. I. v. 1126. Dieser Namen aber soll von dem ebräischen Tikh herkommen, welches so viel, als Schlamm, Koth, heißt. Voss. Theol. gent. l. IV. c. 2.

2 §. Aeltern. Nach einigen zeugete sie Litigius; Ap. Nat. Com. l. V. c. 20. nach andern Demogorgon. Boccacc. l. c. 9. Die dritten melden nur, sie sey [2309] alsofort nach dem Chaos entstanden, jedoch ohne zu gedenken, von was für Aeltern. Hesiod. Theog. v. 116.

3 §. Mann und Kinder. Insgemein wird für ihren Gemahl Cölus oder Uranus angegeben, mit welchem sie zuerst die Centimanen, oder den Briareus, Gyes, und Cöus, hernach aber die Cyklopen, Harpes, Steropes, und Brontes, ferner die Titanen, Oceanus, Cöus, Japetus, Krius, Hyperion, und den Saturn, nebst den Töchtern Tethys, Rhea, Themis, Mnemosyne, Phöbe, Dione und Dia gezeuget. Weil aber Cölus alle seine Söhne in die Hölle verstieß, so gab sie endlich aus Verdrusse darüber dem Saturn eine diamantene Sichel, womit er ihn entmannete. Apollod. l. I. c. 1. §. 1. 2. 3. Aus dem Blute, welches davon auf sie fiel, brachte sie noch die Furien, die Giganten, und die melischen Nymphen hervor. Hesiod. Theog. v. 183. Doch soll sie bey solchem allen gleichwohl selbst eine Mutter des Cölus gewesen seyn. Id. ib. v. 126. Die Scythen hielten sie für Jupiters Gemahlinn. Herodot. in Melpom. IV. 59. Andere geben sie für eine Mutter der Götter und Menschen zugleich an. Orph. & Apollon. ap. Nat. Com. l. V. c. 20.

4 §. Verehrung. Sie war von den Elementen das erste, welches göttlich verehret wurde. Voss. Theol gent l. II. c. 51. Die Phrygier nannten sie Cybele, Dindymene, Berecynthia, Pessinuntia, Idäa, Mygdonia, u.s.f. Id. ib. c. 52. die Syrer Dea Syria; die Assyrer Atergatis; Id. ib. c. 53. die Aegypter Isis; Id. ib. c. 54. die Thracier Bendis; Id. ib. c. 57. die Atlantier Titäa; Diod. Sic. l. III. c. 56. p. 133. die Scythen Apia. Herodot. Melpom. IV. 59. Bey den Griechen und Römern aber hieß sie Ceres, Juno, Vesta, Rhea, Ops, Proserpina; Voss. l. c. c. 58. und vornehmlich doch bey jenen Γαῖα, und bey diesen Tellus. Unter diesem Namen hatte sie auch zu Rom ihren besondern Tempel in der IV Region. Sextus Rufus & Nardin. l. III. c. 14. Er war ihr vom P. Sempronius Sophus gelobet worden, als in [2310] der Schlacht, welche er mit den Picentinern hielt, die Erde unter ihm erzitterte. Flor. l. I. c. 19. & ad eum Anna Fabra l. c. Alex. Donatus l. III. c. 26. Sonst wurde ihr insonderheit ein schwarzes Lamm, oder auch ein Schwein geopfert. Homer. Il. Γ. v. 103.

5 §. Eigentliche Deutung. Sie ist nichts, als die Erde; und ob schon einige einen Unterschied unter Tellus und Terra machen wollen, so kömmt solcher doch auf mehr nicht an, als daß Tellus allenfalls eigentlich der Namen der Erde seyn soll, so fern sie als eine Göttinn betrachtet wird, Terra aber das Element, welches man Erde nennet. Boccacc. l. I. c. 9.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 2309-2311.
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