Vertvmnvs

[2448] VERTVMNVS, i.

1 §. Namen. Dieser soll von verto, ich verkehre, herkommen, wie solches Wort unter den Kaufleuten üblich ist. Voss. Etymol. in Versum. p. 636. Nach andern soll er ihn daher haben, weil er den Lauf der Tiber, zur Bequemlichkeit [2448] der Römer, anders gelenket, als er vorher war; oder auch, weil bey Wendung des Jahres die Früchte durch ihn gesammlet wurden. Propert. l. IV. El. 2. v. 7. Einige wollen ihn lieber Vertunnus, als Vertumnus, geschrieben wissen; Schurtzfl. Orthograph. Rom. in Vertumnus. und noch andere nennen ihn Vortumnus. Passerat. ad Propert. l. IV. Eleg. 2. v. 2. Grut. corp. inscr. p. XCVI. 3. Es kömmt aber mit Vertumnus völlig auf eines an.

2 §. Wesen. Er war eigentlich ein Tuscier, und in dem Kriege mit den Volsciern nach Rom gekommen. Propert. l. IV. El. 2. v. 4. & ad eum Passerat. l. c. Man hielt ihn für einen Vorsteher aller Dinge, die auf ein Verkehr, d.i. Handel und Wandel, ankamen. Porphyr. ad Hor. l. I. ep. 20. 1. Daher wurde er denn für einen Gott der Kaufmannschaft gehalten. Ascon. Ped. ad Cic. I. in Ver. c. 59. Er stund auch den Abwechselungen des Jahres vor; Passerat. ad Propert l. c. ja, man wollte so gar, daß er die Gedanken der Menschen wendete. Acron ap. Gyrald. Synt. IV. p. 157. Wie dieser Veränderungen nun unzählige sind, so glaubete man, daß er seine Gestalt immerzu veränderte. Tibull. l. IV. El. 2. v. 13. & Propert. l. c. v. 21. Er zeigete dieses vornehmlich, als er die Pomona zur Liebe zu bewegen suchete. Ovid. Metam. XIV. 623. Sieh Pomona. Man rechnete ihn aber unter diejenigen Götter, welche man Semonen nannte. Fulgent. Plac. exp. serm. ant. p. 773. Einige wollen sonst, daß er eigentlich ein König der Tuscier, und seine Gemahlinn Pomona gewesen sey. Gyrald. l. c. Andere aber meynen, es sey unter ihm niemand anders, als Moses, zu verstehen. Huet. D. E. Propos. IV. c. 9. §. 3.

3 §. Verehrung. Er hatte zu Rom auf der tuscischen Straße seine Bildsäule. Varro de L. L. l. IV. c. 8. Ja, er soll daselbst auch seinen besondern Tempel gehabt haben. Porphyr. ad Hor. l. I. ep. 20. 1. Victor ap. Nardin. l. V. c. 1. Es verehreten ihn vornehmlich die Kohl- und andere Gärtner. Turneb. [2449] Adv. l. XXIII. c. 6. Man opferte ihm nicht nur die Erstlinge von Bluhmen, Früchten und dergleichen; Ios. Scaliger ad Propert. l. IV. El. 2. v. 11. sondern es waren ihm zu Ehren auch die Vertumnalia, als ein besonderes Fest, den 29sten October angestellet. Gyrald. Calend. Rom. p. 841. & Varrol. c.

4 §. Bildung. Man hat noch einige alte Denkmaale, welche solche angeben. Denn ungeachtet er sich in verschiedenen Gestalten gezeiget, so hat man ihn doch vornehmlich als eine Feld- und Gartengottheit gebildet. Man findet ihn also in der Gestalt eines Jünglinges, dessen Unterleib nur bekleidet ist, oder ein Gewand um sich hat. Sein Haupt ist mit Grase und andern Kräutern, oder frischem Heue, wie Ovidius saget, umwunden, und er trägt in der linken Hand eine Schale mit allerhand Gartenfrüchten, in der rechten aber hält er ein Füllhorn. Beger. Thes. Brand. T. III. p. 289. Andere Denkmäler stellen ihn als einen bärtigen Mann vor. In einem ist er ganz bekleidet und hat über seinem Rocke noch ein Thierfell, in dessen einem Zipfel er allerley Früchte trägt. Montfauc. Ant. expl. T. I. P. II. pl. 182. Auf einem andern, welches ihn mit der Pallas und dem Mercurius in Gesellschaft zeiget, ist er mit Blättern bekränzet, und hat einen kurzen gegürteten Rock an, welchen er vorn aufgehoben hat, die darinnen liegenden Früchte zu tragen. Rossi Memorie Bresciane. p. 104. Eine schöne Bildsäule stellet ihn mit Jupiters Kopfe vor, der mit Aehren bekränzet ist. Er hat ein Thierfell um, welches auf seiner rechten Schulter mit den Klauen zusammen geschürzet ist, und in dem linken Arme von ihm zusammen genommen wird, worinnen er Früchte liegen hat. In der rechten Hand hält er ein Gartenmesser und hat da einen Baumstumpf bey sich stehen, neben dem ein Hund sitzt. Er ist weiter nicht bekleidet, als daß er Halbstiefeln anhat, aus welchen doch die Fußzehen hervorstechen. Montfauc. Suppl. aux Ant. expl. T. I. pl. 67.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 2448-2450.
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