Afra, S. (3)

[61] 3S. Afra, M. (5. al. 7. Aug.) Die hl. Martyrin Afra war die Tochter der hl. Hilaria, einer Matrone in Augsburg, und in dieser Stadt geboren. Einige zwar waren der Meinung, die hl. Afra sei auf der Insel Cypern geboren und erst später mit ihren Eltern nach Augsburg gekommen; allein diese Annahme widerspricht den Akten der Bekehrung dieser Heiligen, wornach ihre Voreltern wohl aus jener Insel stammten, sie selbst aber dargestellt wird als solche, die in Augsburg das Licht der Welt erblickt habe. Die hl. Hilaria sagt nämlich zum hl. Bischof Narcissus, bei ihrer ersten Zusammenkunft mit diesem: »Meine Eltern stammten aus Cypern (genere Cyprii fuerunt) und kamen hieher mit dem Heiligthumeder Venus« (et inde venerunt cum sacris Veneris). Ihre Mutter Hilaria diente den Götzen des Heidenthums und weihte ihre Tochter dem unkeuschen Dienste der cyprischen Venus, deren Cult (culturam) ihre Eltern nach Augsburg gebracht hatten. Doch der Herr erbarmte sich der unglücklichen Sünderin und führte den hl. Bischof Narcissus mit dem hl. Diakon Felix, auf ihrer Flucht aus Spanien vor den Verfolgern, in ihre Behausung, in der sie freundlichst aufgenommen wurden, freilich in einer andern Absicht, als die hhl. Männer dachten. Ehe sich aber der hl. Bischof zu Tische setzte, den ihm Afra bereitet hatte, begann er mit seinem Diakon zu beten, wodurch höchlich betroffen, Afra genauere Kunde von ihrem Gaste verlangte. Als sie nun vernahm, er sei ein christlicher Bischof, fühlte sie, von der göttlichen Gnade angeregt, auf einmal solche Scham vor ihrem bisherigen Lebenswandel, daß sie dem Bischofe zu Füßen fiel und unter Thränen bekannte, sie sei das schändlichste Weib in der ganzen Stadt (in ista civitate nulla me turpior potest inveniri). Der hl. Narcissus sprach ihr Muth zu und wies sie auf Jesum hin, durch den sie Verzeihung ihrer Sünden erlangen könne. »Glaube nur,« sprach er, »und laß dich taufen, dann wird die Seligkeit dein Erbe sein« (Tantum crede, et baptixare, et salva eris). Durch diese tröstliche Versicherung nicht wenig beruhigt, eilte Afra zu ihren drei Mägden Digna, Eunomia und Eutropia, und stellte ihnen die ganze Unterredung mit dem christlichen Manne vor, worauf diese erklärten: »Wir waren bisher die Genossinnen deiner Frevel, warum sollten wir dir nicht folgen zur Verzeihung der Schuld«« Indessen brach die Nacht herein und der Bischof begann mit seinem Diakon Psalmen und Hymnen anzustimmen, und auch Afra gesellte sich mit ihren Mägden die ganze Nacht diesem gottseligen Werke bei, das vom Herrn mit einem Wunder verherrlicht wurde, indem um Mitternacht (circa pullorum cantum) die irdischen Lichter auslöschten und ein himmlisches Licht die Wohnung erhellte. Des andern Tages eilte Afra zu ihrer Mutter Hilaria, machte sie mit dem ganzen Vorgange bekannt und bat sie, die hhl. Männer in ihrer Wohnung zu verbergen, da die blutgierigen Häscher, die sie am Tage zuvor am Kreuzmachen erkannt, schon auf ihrer Spur seien. Hilaria nahm sie bei [61] einbrechender Nacht nicht nur freudig in ihr Haus auf, sondern warf sich auch dem hl. Bischofe zu Füßen und bat um Verzeihung der Sünden. Nachdem sie Alle sofort auf Anordnung desselben sieben Tage lang gefastet und Gottes Wort vernommen hatten, gingen sie – Afra, ihre Mutter und Mägde, sowie Alle im Hause – sämmtlich aus dem Wasser der Taufe zum geistigen Leben hervor. Nicht sobald aber war es ruchbar geworden, daß Afra das Christenthum angenommen habe, als sie, weil die diocletianische Verfolgung noch wüthete, vor den Richter Gajus (Cajus) gefordert wurde, der sie zuerst durch Schmeicheleien und Drohungen von Christus abwendig zu machen suchte, dann aber, als dieß nicht half, zum Feuertode verurtheilte. Während der Ausführung dieses Urtheils, die auf einer (damaligen) Insel des Lechs erfolgte, waren die drei Mägde diesseits des Ufers geblieben; nach vollzogenem Gericht aber gingen sie auf die Insel hinüber, wo sie den Leib ihrer Gebieterin unversehrt (integrum) fanden. Durch einen Knaben, der bei ihnen war und der über den Fluß schwamm, setzten sie von diesem Wunder die Mutter in Kenntniß, die in der (folgenden) Nacht mit Priestern aufbrach, die Ueberreste ihrer Tochter mit sich nahm und sie in einer Gruft (memoria) beisetzte, die sie für sich und ihre Familie beim »zweiten Meilensteine von der Stadt« Augsburg hatte errichten lassen.1 – Das Jahr und der Tag des Martertodes der hl. Afra wird verschieden angegeben. Die Einen setzen ihn in's Jahr 304, die Andern 303; ersteres dürfte jedoch wahrscheinlicher sein, da die Ankunft des hl. Narcissus in Augsburg in die zweite Hälfte des Jahres 303 gesetzt werden muß und er daselbst 9 Monate verblieb. Was den Tag betrifft, so fehlt es zwar nicht an Martyrologien, wo er bald auf den 6. Aug. bald auf den 9. Okt. angesetzt wird; allein Beides ist jedenfalls unrichtig. Verschiedenheit der Meinung kann nur darüber herrschen, ob die hl. Afra am 5. oder 7. Aug. gemartert worden. In Deutschland, besonders aber in Augsburg, wo sie Stadtpatronin ist, wird ihr Fest am 7. Aug. gefeiert, und also angenommen, dieß sei ihr Todestag gewesen; in der übrigen Christenheit aber und im röm. Martyrologium wird ihr Fest am 5. Aug. begangen, und sind die Bollandisten der Meinung, dieß sei auch wirklich der Tag, an dem sie zur ewigen Belohnung eingegangen. Ueber die Bekehrung und das [62] Martyrium der hl. Afra sind noch die Martyrerakten vorhanden, die für die Anfängeder Augsburgischen Kirche äußerst merkwürdig sind. Sie enthalten zwei Theile, von denen der erste die Bekehrungs-, der zweite die Leidensgeschichte der Heiligen enthält. Nach dem Urtheile der Gelehrten sind sie ein Werk des 4. Jahrh. und über alle Zweifel erhaben, die hie und da gegen ihre Aechtheit erhoben werden wollten; nur muß bemerkt werden, daß der zweite Theil, der die Leidensgeschichte enthält, früher verfaßt worden zu sein scheint als der erste, und daß dieser manche Zusätze erhalten haben dürfte. Diese Akten selbst sind mit einem kritischen Commentar versehen, von dem gelehrten Augsburger Patricier Welser im J. 1591 zu Venedig herausgegeben und von den Bollandisten, jedoch ohne Commentar des Letztern, in ihr Werk aufgenommen worden. Ueber das Grab der hl. Afra ward bald nach dem Aufhören der Verfolgungen eine Kirche erbaut, die in Folge der Zeit bei den vielen kriegerischen Ereignissen, die sich an die Geschichte Augsburgs knüpfen, mannichfachen Wechselfällen unterworfen war, und bald durch Brand zerstört und bald wieder aufgebaut wurde. Zur Zeit des hl. Ulrich war das Grab der hl. Afra so verschüttet, daß man es gar nicht mehr finden konnte. Als aber der Bischof Embriko die baufällige Kirche der Heiligen im J. 1064 wieder herstellte, wurde der Leib derselben in einem großen steinernen, im römischen Style gehauenen Sarge aufgefunden. Zum Andenken an diese Begebenheit wurde im Kloster der Benedictiner bei St. Ulrich und Afra seit dem Jahre 1109 bis zur Aufhebung desselben (1806) am 27. Juli das Fest der Auffindung gefeiert. Bei Gelegenheit dieser Auffindung erhielt Erzbischof Hanno von Köln eine Fußzehe von den Ueberresten; deßgleichen auch erhielt eine solche Kaiser Heinrich IV. für Speier, als auf sein Ansuchen nach einiger Zeit der Sarg zum zweitenmale geöffnet wurde. Dieß sind auch die einzigen Reliquien vom Leibe der hl. Afra, die an Andere abgegeben wurden; wie denn überhaupt die Benedictiner von St. Ulrich und Afra so sehr über die Erhaltung dieses Schatzes wachten, daß sie dem Bischofe Hermann, der, wie es scheint, Willens war, dem Kaiser größere Reliquien verabfolgen zu lassen, entschieden erklärten, daß dieß nur über ihre Leichen geschehen könnte. Als im J. 1804 das 15. Jahrh. des Martertodes der hl. Afra begangen wurde, fand abermal eine Erhebung statt und wird seitdem der kostbar gefaßte hl. Leib alle Jahre am 7. Aug. und in der darauffolgenden Octave zur Verehrung auf dem Altare ausgestellt. An diesem 7. Aug. begibt sich das hohe Domkapitel in die St. Ulrichs- und Afrakirche, um dort dem aus Predigt, Procession und Hochamt bestehenden Gottesdienste beizuwohnen. Procession und Hochamt wird von einem der Dignitare des Domkapitels gehalten. Nebst dem Jahresgedächtniß an diesem Tage wird noch jetzt in der Diözese Augsburg ein anderes Fest der hl. Afra gefeiert, nämlich das ihrer Bekehrung, am 27. Okt., das erst im J. 1109, wie es scheint, in Gebrauch kam. – Was die bildliche Darstellung unserer hl. Martyrin betrifft, so findet man sie an einem Baume angebunden, mit Flammen umgeben, die auch öfters abgebildet sind, wie sie von ein paar Henkersknechten angefacht werden. – Daß die Verehrung der hl. Afra schon sehr alt ist und weitverbreitet war, geht aus den Versen hervor, mit welchen der Dichter Venantius Fortunatus († im J. 609 als Bischof von Poitiers) sein Büchlein De vita St. Martini unter Anderm also anredet:


Pergis ad Augustam, quam Vindo Lycusque fluentant;

Illic ossa sacre venerabere Martyris Afrae ...


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 61-63.
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