[285] 1S. Apollonia, V. M. (9. Febr.) Aus dem Griech. = auf Apollo sich beziehend. (S. oben die Erklärung bei S. Apollo1). – Was man von der hl. Jungfrau und Martyrin Apollonia, deren Namen im Mart. Rom. gleichfalls am 9. Febr. vorkommt, gewiß weiß, ist enthalten in dem Briefe des hl. Dionysius Akexandrinus an Fabian von Antiochia und in Kürze Folgendes: Es mochte gegen Ende der Regierung des Kaisers Philippus Arabs (244–249) gewesen seyn, (also etwa im J. 249), da wurde zu Alexandria in Aegypten durch einen Dichter (Andere nennen ihn einen Wahrsager) unter dem Volke eine solche Verfolgung gegen die Christen angefacht, daß mehrere derselben auf die grausamste Weise gemartert und getödtet wurden. Unter den Opfern der Volkswuth war auch die hl. Apollonia, die durch ihr Alter (denn sie war schon betagt) und ihre Tugend gleich ehrwürdig war. Die Heiden gaben ihr zuerst solche Backenstreiche, daß sie ihr dadurch alle Zähne ausschlugen (omnes illi dentes maxillis diverberatis excutiunt)15; sodann zündeten sie außer halb der Stadt (in suburbiis) ein Feuer an und drohten ihr, sie in demselben lebendig zu verbrennen, wenn sie sich weigere, mit ihnen Lästerworte gegen Christus auszusprechen. Die Heilige zögerte eine Weile, als wollte sie sich bedenken, stürzte sich aber dann plötzlich in's Feuer, wo sie verbrannte. Die Heiden selbst entsetzten sich, wie Rufinus beisetzt, ein Weib zu erblicken, das behender war, zu sterben, als ihre grausamen Verfolger, sie zu peinigen (ita ut perterrerentur etiam ipsi crudelitatis auctores, quod promptior inventa est ad mortem femina, quam persecutor ad pœnam). Soweit der Bericht des hl. Dionysius von Alexandria, unter dessen Episcopat (etwa von 246–265) die vom Volke erregte Verfolgung der Christen ausbrach. Nun aber fragen die Bollandisten, wie es wohl komme, daß Apollonia in der Kirche als Heilige verehrt werde, da sie sich doch selbst in den Tod gegeben, und es Sünde sei, dieß zu thun. Ihre Antwort ist der Angabe der Martyrologien gemäß, wenn sie sagen, sie habe dieß nicht aus eigenem, sondern aus höherem Antriebe gethan. Denn so lesen wir im Mart. Rom. und im röm. Brevier, denen mehr oder minder alle andern folgen, sie habe dieß aus Antrieb des hl. Geistes gethan, dessen Liebesflamme sie durchdrungen habe [285] (majori Spiritus Sancti flamma intus accensa se injecit). – Ist aber dieß der einfache Bericht über das Martyrium der hl. Apollonia, wie er von einem Zeitgenossen (wenn nicht gar von einem Augenzeugen) herrührt; so hat er im Laufe der Zeit viele Zusätze erfahren, die ihn theils entstellen, theils ganz Erdichtetes beifügen, und dieß nicht etwa nur in sogenannten Legenden, sondern selbst in kirchlichen Büchern, wie z.B. in Brevieren. So macht Bollandus mehrere Bücher dieser Art namhaft, in welchen der ursprüngliche Bericht bedeutend mit Zusätzen versehen worden ist. Er führt z.B. ein Brevier von Straßburg an, das im J. 1478 erschien, und in welchem gesagt wird, die hl. Apollonia sei von vornehmer Herkunft gewesen, habe Gott von Jugend auf gedient, sei aber auf Befehl des Stadtpräfecten (die Stadt wird nicht genannt) gefangen gesetzt, sofort seien ihr, als sie seine Drohungen verachtet, mit harten Steinen (duris lapidibus) die Zähne ausgeschlagen und sie selbst endlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden. In einem uralten Breviere vom Jahre 1508 wird gesagt, die Heilige habe, als sie einst in einen Götzentempel getreten, die Götzenbilder angeblasen, worauf diese sogleich in Staub zerfallen seien; dann seien ihr, als dieß die Götzendiener bemerkt, mit spitzigen Steinen die Zähne ausgeschlagen worden; ferner habe sie, in's Gefängniß zurückgeführt, Gott für Alle gebeten, welche Zahnschmerzen leiden und sie anrufen würden, und es sei auf ihr Gebet eine Stimme vom Himmel gekommen, die gesagt habe, ihr Gebet sei erhört, und endlich sei sie des andern Tages, als ihr gedroht worden, sie in einem angezündeten Holzstoße zu verbrennen, vom Troste des hl. Geistes erquickt und mit dem Schilde des hl. Kreuzes bewappnet, von freien Stücken in denselben gesprungen. Das Brevier von St. Omer (Audomarum) im nördlichen Frankreich vom Jahre 1518 sagt, man habe sie auf Befehl des Kaisers zu Alexandria festgebunden und es seien ihr die Zähne einzeln (singillatim) ausgeschlagen worden. Nach dem Brevier von Ebora in Portugal vom J. 1548 war sie eine vornehme Jungfrau aus Alexandria, welche mit ihren Eltern auf einem Landgute wohnte, von wo sie einmal in die Stadt kam und dort dem Richter, den sie auf dem Forum traf, seine Ungerechtigkeit und Grausamkeit gegen die Christen vorwarf, worauf ihr auf seinen Befehl gewaltsam die Zähne ausgerissen worden und endlich sie selbst ver. brannt wurde. All dieß mag darthun, welche Erweiterungen und Zusätze der Bericht des hl. Dionysius im Laufe der Zeit erfahren habe. Und dieß war nicht genug, die poetische Licenz ging soweit, daß nach und nach eine ganz andere hl. Apollonia entstand, die nicht zu Alexandria, sondern zu Rom lebte, die auch nicht zur Zeit des Kaisers Philippus Arabs oder Decius, sondern unter Kaiser Julianus Apostata, also über 100 Jahre später, gemartert wurde. Es finden sich Acten einer hl. Jungfrau und Martyrin Apollonia von Rom in Manuscript zu Utrecht vor und werden von den Bollandisten wörtlich mitgetheilt, von diesen aber für apokryph erklärt. Das Hauptsächlichste in dieser Dichtung, das wir der Vollständigkeit wegen mittheilen, ist Folgendes: Zu Rom lebte ein Senator, Namens Apollonius, der von seinem Weibe Dina eine Tochter hatte, die den Namen der Mutter führte. Durch den heroischen Muth der Christen bei ihren Martern angeregt, erwachte in ihm der Wunsch, die christliche Lehre kennen zu lernen, worauf er von einem Engel angewiesen wurde, zum Priester Polykarpus zu gehen und sich mit seiner Tochter taufen zu lassen. Kaum hatte er mit seinem Weibe von der glücklichen Aenderung gesprochen, welche mit ihm und der Tochter, die in der Taufe nach ihm den Namen Apollonia erhielt, vorgegangen, als jene zum Kaiser lief und ihren Mann und ihre Tochter als Christen angab. Während sodann ihr Mann, der unerschrocken seinen Glauben bekannte, auf des Kaisers Befehl enthauptet wurde, nahte der Teufel seinem Weibe in Gestalt eines Hundes, fuhr ihr durch den Hals, warf sie zu Boden und brach ihr das Genick, worauf sie ihre unglückliche Seele aushauchte. Apollonia aber, ihre Tochter, legte vor dem Kaiser ein muthiges Zeugniß für Christus ab, wurde sodann von diesem verurtheilt, mit Ruthen gestrichen, auf die Folter gespannt, lebendig geschunden und an ihrem Leibe zerstückelt zu werden, was sicher geschehen seyn würde, wenn nicht auf ihr Gebet um Kraft vor Aller Augen ein Engel erschienen wäre und sie befreit hätte. Wie dieß die Leute sahen, bekehrten sich viele davon zum christlichen Glauben, der Kaiser aber ließ sie in's Gefängniß werfen, um sie für ärgere Qualen aufzusparen. Des andern [286] Tages ließ er sie vor sich führen und ihr, als sie seine Drohungen verachtete, gewaltsam die Zähne ausreißen, indem diese mit eisernen Stäbchen, die zuvor recht spitzig gemacht worden waren, zersprengt und hierauf erst mit einer Zange an ihren Wurzeln ausgerissen wurden. In dieser Stunde der Schmerzen betete die hl. Apollonia zu Gott, er möge verleihen, daß, wer immer das Andenken an diese ihre Schmerzen bei der Marter andächtig begehe und der Bitterkeit derselben im Aufblick zu Gott gedenke, niemals mehr Zahn- oder Kopfschmerzen fühlen solle. Da erschien ihr ein Engel und kündigte ihr Erhörung an; zugleich bekehrten sich beim Anblick der Wunder, die an der Heiligen geschahen, 500 Heiden zum Christenthum; der Kaiser aber zog vor Wuth das Schwert und durchbohrte sie mit eigener Hand. Die Bollandisten halten diesen Bericht, wornach eine hl. Apollonia zu Rom fast auf eben die Weise gemartert worden, wie die von Alexandria, hauptsächlich deßwegen für unächt, weil bei den Alten von einem Apollonius und seiner Tochter Apollonia, die unter Kaiser Julian in jener Stadt gelebt haben sollen, keine Erwähnung geschieht. Ihnen scheint daher die ganze Geschichte nur erfunden zu seyn, um das Martyrium der hl. Apollonia, das sie an den Zähnen zu erdulden hatte, auszuschmücken, wozu Personen benützt werden, wie der Priester Polykarp und der Senator Apollonius, die zu einer andern, frühern Zeit gelebt haben. – Von der hl. Apollonia finden sich sehr viele Reliquien im Abendlande. Solche sollen zu Antwerpen, Mecheln, Brüssel, Rom, Neapel, Volterra, Bologna, Köln, Lissabon und noch an vielen andern Orten Spaniens, Deutschlands und der Niederlande aufbewahrt werden. – Daß sie in der katholischen Kirche seit uralten Zeiten verehrt worden, ist ausgemacht und unzweifelhaft. Im jetzigen röm. Brevier findet sich zwar von ihr nur eine Commemoratio und IX. lectio, aber es gibt Diözesen, wie z.B. die polnischen (Proprium Sanctorum regni Poloniæ et Sueciæ), wo ihr Fest sub ritu duplici gefeiert wird, mit Lectionen, in welchen genau das vorkommt, was wir oben aus Dionys von Alexandria angeführt haben. In ältern Brevieren, wie in dem von Mainz (1495) und Köln, nimmt die betreffende Oration Bezug auf ihre Marter an den Zähnen, und wird darin gebeten, der Herr möge im Hinblick auf ihre Verdienste geben, daß wir von allen Schmerzen des Hauptes und der Zähne, sowie von allen Krankheiten der Seele befreit werden.16 – Endlich die Zeit ihres Martyriums betreffend, so gibt das Mart. Rom. und diesem folgend das Brev. Rom. die Verfolgung unter Decius an, während die Bollandisten das letzte Jahr der Regierung des Kaisers Philippus (249) annehmen. Diese haben den Dionysius von Alexandria für sich, der da sagt, die Verfolgung, in welche die hl. Apollonia als Opfer gefallen, sei ein Vorspiel der decianischen gewesen und von der Volkswuth in Alexandria ausgegangen. Indeß lassen sich beide Meinungen in sofern vereinigen, als diese Verfolgung in's Jahr 249 fällt, in welchem Philippus von Decius ermordet worden und dieser den kaiserlichen Thron (im Herbst) bestieg. – Das Attribut, mit welchem unsere Heilige abgebildet wird, ist ein von einer Zange gehaltener Zahn (Martyrium). Sie wird überall als Schutzpatronin gegen die Zahnschmerzen verehrt.
Buchempfehlung
Die Fledermaus ist eine berühmtesten Operetten von Johann Strauß, sie wird regelmäßig an großen internationalen Opernhäusern inszeniert. Der eingängig ironische Ton des Librettos von Carl Haffner hat großen Anteil an dem bis heute währenden Erfolg.
74 Seiten, 4.80 Euro