Augustinus, S. (1)

[347] 1S. Augustinus (Aurelius), Ep. Conf. et Eccl. Doct. (28. Aug. al. 5. Mai, 28. Febr.) Vom Lat. Augustinus = auf Augustus sich beziehend, Augustisch. (S. oben bei Augusta). – Der hl. Augustinus – nach bewährten Schriftstellern mit dem Vornamen Aurelius, den er jedoch (aus Demuth vielleicht) in seinen Schriften nie beisetzte – Bischof von Hippo und Kirchenlehrer, stammte aus einer nicht sehr reichen, aber sehr rechtschaffenen Familie und wurde am 13. Nov. 354 zu Tagaste (Tagaste, Thagaste), einer kleinen Stadt Numidiens in Afrika, unweit Hippo, geboren. Sein Vater hieß Patrizius und war ein Heide von sehr heftiger Gemüthsart, bekehrte sich aber später zum Christenthume und empfing vor seinem Tode die hl. Taufe; seine Mutter war die hl. Monika, welche am 4. Mai verehrt wird. Der hl. Augustin hatte noch einen Bruder, Navigius mit Namen, welcher verheirathet war und Kinder hinterließ, darunter eine Tochter, die sich in der Abgeschiedenheit von der Welt Gott weihte. In seiner Jugend folgte unser Heiliger, wie er sich selbst in seinen Bekenntnissen anklagt, allen Begierden und Neigungen eines verderbten Herzens, und hörte nicht auf die Ermahnungen seiner für ihn höchst besorgten Mutter. Besonders empfand er eine große Abneigung gegen das Lernen, zu dem er nur durch Strenge gebracht werden konnte. In der lateinischen Sprache, welches eigentlich seine Muttersprache war, erwarb er sich vollkommene Kenntnisse, und las nichts lieber, als die Dichter derselben; allein gegen das Griechische hatte er eine fast unüberwindliche [347] Abneigung, die sich erst später hob und ihm ihn an dem ernsten Geschäfte der Erlernung der ersten Kenntnisse hinderte, war ein gewaltiger Hang zum Spiele, der in der Folge sich zur Liebe zum Schauspiele ausbildete und ihn in die größten Laster stürzte. Nach Vollendung der ersten Ausbildung ward er nach der nahe gelegenen Stadt Madaura gebracht, um in der Grammatik, Poesie und Rhetorik unterrichtet zu werden; er kam jedoch in seinem 16. Jahre wieder in seine Vaterstadt zurück, wo er ein ganzes Jahr im elterlichen Hause zubrachte, und auf nichts anderes als auf Ergötzlichkeiten sann. Seinen Vater bekümmerte dies wenig, wenn er nur in der Beredsamkeit sich ausbildete, desto mehr aber seine heilige Mutter, die ihn öfter unter Thränen bat, einen andern Sinn anzunehmen. Um das Jahr 370, im Anfange seines 17. Jahres, ging er zur Vollendung seiner Studien nach Karthago, wo er die glänzendsten Fortschritte in den Wissenschaften machte, aber immer weiter von Gott abkam und sich der Sünde überließ. Von der Macht der bösen Gesellschaften fortgerissen, fand er Behagen an gefährlichen Ergötzungen und erglühte von Lust für die Schauspiele, die das unreine Feuer, das schon in ihm brannte, unterhielten. Er selbst bekennt unter heißen Thränen, daß er zu Karthago einen ausschweifenden Lebenswandel geführt, und die Frucht desselben war, daß er in seinem 18. Lebensjahre einen Sohn erhielt, Adeodatus mit Namen, der ein außerordentlich begabter Jüngling war, aber schon mit 18 Jahren starb. Während seines Aufenthaltes zu Karthago beschäftigte er sich viel mit den heidnischen Philosophen, besonders mit Aristoteles und Cicero, legte sie aber mit der Zeit wieder weg, weil er darin den Namen Jesus nicht fand, dessen Kenntniß er sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte. Er fing daher an, die heil. Schriften zu lesen, konnte aber ihre einfache Sprache nicht ertragen, und sein Stolz hinderte ihn, in ihren Geist einzudringen. Kurze Zeit nachher fiel er in die Ketzerei der Manichäer, worin er gegen 9 Jahre beharrte, und auch Andere dahin zog, unter Andern seinen Freund Alypius und seinen Wohlthäter Romanianus, bei dem er während seiner Studienzeit zu Karthago wohnte. Nachdem er diese Stadt verlassen hatte, errichtete er in seiner Vaterstadt eine Schule für Grammatik und Rhetorik, setzte aber dabei seine Ausschweifungen fort. Seine hl. Mutter Monika war untröstlich über seine Verirrungen und flehte unaufhörlich zu Gott um seine Bekehrung. Auch ging sie zu ihrem Bischofe und bat ihn unter Thränen, er möchte doch die Bekehrung ihres Sohnes versuchen. Als die ser ihr erwiederte, daß noch nicht die rechte Zeit dazu sei, sie aber doch noch weiter in ihn drang, sagte er endlich: »Geh' hin, so wahr du lebst, unmöglich kann ein Sohn solcher Thränen zu Grunde gehen.« Diese Worte betrachtete sie als einen Zuruf vom Himmel, wurde guten Muths und ließ in der Hoffnung auf seine Bekehrung nicht ab. Zuerst machte der Tod eines zärtlich geliebten Freundes einen großen Eindruck auf ihn, und da ihn nichts zu trösten vermochte, so zog er sich wieder nach Karthago zurück, wo er ebenfalls eine Schule der Redekunst errichtete und sich dadurch vielen Beifall erwarb. Nach und nach wurde er der manichäischen Ketzerei abgeneigt, und diese Abneigung steigerte sich noch mehr nach der Unterredung mit einem Bischofe dieser Secte, Faustus mit Namen, von dem er Aufklärung über alle Zweifel erwartete, aber nichts als leere Worte und hohle Phrasen erhielt. In seinen Zweifeln und Ungewißheiten verließ er heimlich vor seiner bekümmerten Mutter Afrika und ging nach Rom, wo er gleichfalls eine Schule der Beredsamkeit aufschlug und viele Schüler hatte. Die Niederträchtigkeit der studirenden Jünglinge, die oft ihre Lehrer wechselten, um sich der am Ende der Lehrzeit schuldigen Zahlung zu entziehen, verleidete ihm seinen Lehrstuhl, und da eben um diese Zeit Gesandte von Mailand anlangten, wo der Kaiser Valentinian der Jüngere sein Hoflager hielt, und Symmachus, der Präfect von Rom, aufgefordert wurde, Mailand mit einem geschickten Lehrer der Beredsamkeit zu versehen, wurde Augustinus, der dem Symmachus als ein fähiger Lehrer bekannt war, für diese Stelle ausersehen. Es wäre unsern Zwecken nicht angemessen, alles das genau anzugeben, was Augustinus zu Mailand gethan, was er in seinem Innern gelitten und überhaupt, welchen Proceß er durchzumachen hatte, bis er endlich der Wahrheit seine Augen öffnete; wir bemerken nur, daß die Reden des hl. Ambrosius, den er anfänglich nur der Beredsamkeit wegen hörte, nach und nach anfingen, [348] Eindruck auf ihn zu machen; daß dann der Priester Simplician, an welchen Augustinus in seinen Zweifeln sich gewendet hatte, ihm manche gute Anweisungen gab, und daß endlich die Erzählung eines gewissen Pontitianus aus Afrika, der bei Hof in großem Ansehen stand und der den Augustinus und seinen Freund Alypius besuchte, von der merkwürdigen Bekehrung einiger Hofleute beim Anblicke eifriger Diener Gottes und bei der Nachricht von dem heil. Leben des Antonius in der Wüste unsern Heiligen in's tiefste Nachsinnen versetzte und in ihm den Gedanken erweckte: »Vermagst du nicht was diese und jene?« Nach diesem Besuche des Pontitian begab er sich allein in den Garten und sich unter einem Feigenbaum lagernd, ließ er den Thränen freien Lauf, die wie ein Strom seinen Augen entstürzten. Wie er so im Nachdenken vertieft war und eben mit dem Gedanken sich beschäftigte: »Wie lange noch? Morgen, morgen? Warum nicht jetzt?« hörte er vom benachbarten Hause her eine singende Stimme, wie die eines Knaben oder Mädchens, die zu wiederholten Malen sprach: »Nimm und lies! nimm und lies!« Da er sich nicht erinnern konnte, daß Knaben in irgend einem Spiele Aehnliches zu singen pflegten, so erkannte er in diesen Worten eine Mahnung des Himmels. Zugleich erinnerte er sich, daß der hl. Antonius bei Anhörung einer Stelle des Evangeliums sich bekehrt habe. Er eilte daher schnell an den Ort zurück, wo Alypius war, und wo er die Briefe des hl. Paulus gelassen hatte. Sofort öffnete er das Buch und las stillschweigend jene Worte, auf welche seine Augen zuerst fielen: »Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Schlafkammern und Unzucht, nicht in Zank und Neid, sondern ziehet den Herrn Jesum an und pfleget der Sinnlichkeit nicht zur Erregung der Gelüste« (Röm. 13,13). Weiter wollte er nicht lesen, auch war es nicht nöthig; denn sobald er diesen Vers geendet hatte, goß ein Lichtstrahl Ruhe und Sicherheit in sein Herz und zerstreute alle Finsternisse seiner Zweifel. Darauf schloß er das Buch, sich die Stelle merkend, und sagte mit ruhigem Angesichte dem Alypius, was geschehen war. Dieser wollte die Stelle lesen, und wie er sie las mit den darauffolgenden Worten: »Den Schwachen aber im Glauben nehmet auf,« deutete er sie auf sich, und da er ein zur Tugend geneigtes Gemüth hatte, trat er ohne Zögern dem von seinem Freunde gefaßten Entschlusse bei. Beide gingen nun sogleich zur hl. Monika, welche ihrem Sohne nach Mailand gefolgt war, und erzählten ihr das Geschehene. Diese frohlockte nun in ihrer Freude und pries Gott für seine überaus große Gnade. Monika hatte ihrem Sohne eine vortheilhafte Verbindung ausersehen, und ihre Wahl war auf ein Mädchen gefallen, welches ihrem Sohne nicht minder gefiel; allein als der Heilige vollkommen bekehrt war, faßte er den Entschluß, in unbedingter Enthaltsamkeit zu leben. Augustin bekehrte sich im August oder September des Jahres 386, im)2sten Lebensjahre, legte hierauf sein Lehramt nieder und zog sich auf ein Landhaus bei Mailand zurück, wo er seine Zeit mit Gebet und Studium zubrachte, im Umgange mit der hl. Mutter Monika, seinem Bruder Navigius, seinem Sohne Adeodatus, seinem Freunde Alypius, seinen Schülern Trigetius und Licentius, und seinen Vettern Lastidianus und Rusticus. Aus dieser Zeit stammen auch einige seiner Schriften. – Am Anfange der Fasten des Jahres 387 ging er nach Mailand zurück, um sich unter die Zahl der Ansuchenden (Competentes) aufnehmen zu lassen, und wurde am 24. April, am Vorabende vor Ostern, getauft;22mit ihm auch Alypius und sein Sohn Adeodatus, der damals ungefähr 15 Jahre alt war. Einige Schriftsteller bringen das Entstehen des Hymnus Te Deum laudamus ... mit der Taufe des Heiligen in Verbindung. Denn als nach der Taufe der hl. Ambrosius, von Freude erfüllt über dieses Wunder der Bekehrung, ausgerufen habe: Te Deum laudamus, habe ihm der hl. Augustin geantwortet: Te Dominum confitemur, und so hätten sie abwechselnd weiter gesungen, bis der Hymnus entstanden sei; allein geschichtlich läßt sich dies nicht nachweisen, wie denn überhaupt heut zu Tage noch nicht mit historischer Gewißheit eruirt werden kann, wer der Autor dieses Hymnus sei. Bevor der hl. Augustin Italien verließ, um nach Afrika zurückzukehren [349] und daselbst sich in der Einsamkeit dem Dienste Gottes zu weihen, wollte er noch eine Reise nach Rom machen. Er verweilte daselbst mit seiner Mutter vom April bis September des Jahres 387, und begab sich dann von da nach Ostia, in der Absicht, nach Afrika sich einzuschiffen; allein seine Abreise ward durch den Tod seiner Mutter verhindert, der am 13. Nov. 387 erfolgte. Wieder nach Rom zurückgekehrt, blieb er daselbst bis zum folgenden Jahre. Gegen den Monat September 388 zu Karthago angelangt, wohnte er bei dem Rechtsanwalte Innocentius, der durch ein Wunder geheilt wurde, wie Augustin es selbst gesehen. Nach einem kurzen Aufenthalt zu Karthago zog er sich auf ein Landgütchen zurück, welches er bei Tagaste hatte, und lebte da mit einigen Freunden drei Jahre in der vollsten Lostrennung vom Irdischen. Sein väterliches Erbe schenkte er der Kirche von Tagaste mit der einzigen Bedingung, daß ihm der Bischof jährlich so viel verabreiche, als er zu seinem und seines Sohnes Unterhalt in dem angetretenen Stande nöthig hatte. Aus dieser Genossenschaft, deren Glieder kein persönliches Eigenthum hatten, leitet der Orden der Augustiner-Einsiedler seinen Ursprung her. Dieser Orden glaubt nämlich, Augustinus habe während dieser 3 Jahre ein monastisches Leben geführt, und sei der Genossenschaft als Oberer vorgestanden; allein Andere (und an ihrer Spitze stehen die Canonici Regulares) behaupten entgegen, dieser dreijährige Aufenthalt sei nur als ein Zusammenleben von Laien zu betrachten, die sich zum Zwecke des Studiums und des Gebetes zusammengethan hätten. Ueberhaupt entstand im 15. Jahrhundert ein so heftiger Streit zwischen diesen zwei Orden, daß sich die Päpste bemüßigt fanden, beiden Theilen unter der Strafandrohung der Excommunication Stillschweigen aufzulegen. Die Bollandisten geben einen weitläufigen Bericht über diese Streitigkeiten, hüten sich aber wohl, ihre Meinung auszusprechen und sich in dieselben einzumischen. – Als der Heilige nach Verfluß von 3 Jahren nach Hippo (Hipporegius) Geschäfte halber kam und da selbst der Predigt und der Unterredung des Bischofs Valerius beiwohnte, worin dieser das Volk hinsichtlich der Wahl eines Priesters, der statt seiner predigte, berieth, ward Augustinus ergriffen und dem Bischofe mit der einmüthigen Bitte vorgestellt, daß er ihm die Hände auflegen möchte. Der Heilige vergoß häufige Thränen; allein er mußte dem Begehren des Volkes zuletzt nachgeben und empfing um das Jahr 390 die Priesterweihe. In den Gärten, welche ihm der Bischof von Hippo geschenkt hatte und welche an die Kirche stießen, baute er für seine Genossenschaft ein Haus und führte die seit seiner Bekehrung geführte Lebensweise darin fort. Es ist aber diese Gemeinde nicht mit den regulirten Chorherren zu verwechseln, deren Genossenschaft er erst als Bischof errichtete. Von dieser Zeit an hörte er nicht mehr auf, das Wort Gottes zu verkündigen, und predigte mit so sichtbarem Erfolge, daß auffallende Aenderungen beim Volke eintraten; besonders aber ließ er sich angelegen seyn, der Ketzerei entgegenzutreten und sie unschädlich zu machen. Da nun der Ruf unseres Heiligen von Tag zu Tag wuchs, und der Bischof fürchtete, der hl. Augustinus möchte von einer andern Stadt zu ihrem Bischofe erwählt werden, entschloß er sich, ihn zu seinem Gehülfen im bischöflichen Amte zu ernennen, nachdem er heimlich die Gutheißung des Erzbischofs Aurelian von Karthago und die Beistimmung seines Volkes und der numidischen Bischöfe eingeholt hatte. Augustin widersetzte sich diesem Vorhaben nicht mehr länger, als er den Ruf des Himmels erkennen konnte, der sich so sichtbarlich in den vereinten Willen Aller aussprach, und er empfing im Dec. 395 im Beginne seines 42. Lebensalters die bischöfliche Weihe. Als im folgenden Jahre Valerius mit Tod abging, sah sich Augustin genöthigt, in dem bischöflichen Hause seine Wohnung zu nehmen. Aber diese gestaltete er zu einem Kloster; denn er bewog die Priester, Diakone und Subdiakone seiner Kirche, allem Eigenthum zu entsagen und die von ihm eingeführte Regel anzunehmen. Zu den heil. We ihen ließ er Niemanden, der nicht versprach, derselben Lebensweise sich zu unterwerfen. Mehrere Bischöfe ahmten hierin seinem Beispiele nach, und dieß war, wie oben schon angedeutet wurde, der Ursprung der »regulirten Chorherren« (Canonici Regulares). Es ist hier nicht der Ort, uns näher auf die vom hl. Augustin eingeführte Hausordnung einzulassen,23und wir gehen darum [350] über auf seine bischöfliche Verwaltung. Sein Eifer für das geistige Wohl seiner Heerde war ohne Gränzen. »Ich begehre nicht ohne euch selig zu werden,« das war der Grundsatz, von dem er sich bei allen seinen Handlungen leiten ließ. So sehr ihm aber auch das Wohl seiner Heerde am Herzen lag, so besuchte er doch Niemanden als die Waisen, Wittwen, Kranken und Betrübten und befolgte gewissenhaft drei Grundsätze des hl. Ambrosius: 1) sich nicht in Ehesachen zu mischen, 2) Niemand zu bereden, in den Waffendienst zu treten und 3) Gastmählern nie beizuwohnen. Unser Heiliger ward von Gott offenbar dazu bestellt, den verschiedenen Häresien, die zu derselben Zeit auftraten, die Spitze zu bieten und ihr Umsichgreifen zu verhindern. Dieser höhern Mission entsprach er in der vollkommensten Weise, indem er nicht nur gegen die Heiden in Wort und Schrift auftrat, sondern namentlich auch gegen die Manichäer, Arianer, Donatisten und Pelagianer. In der Hitze des Streites ging er einige Male zu weit, und fanden daher seine Ansichten nicht die durchgängige Billigung des hl. Stuhles; ja einzelne seiner Schriften wurden von diesem zurückgewiesen und verurtheilt. Doch war Niemand bereiter, dem Urtheile des hl. Stuhles sich zu unterwerfen als Augustin, und er schrieb in seinem 72. Jahre (426) selbst ein Werk, »das Buch der Berichtigungen« (liber retractionum) betitelt, worin er die in seine Schriften eingeschlichenen Fehler widerrief und verbesserte. Um sich die nöthige Zeit zur Vollendung seiner Berichtigungen zu verschaffen und die letzte Hand an sein Werk zu legen, bewog er gegen Ende seines Lebens Geistlichkeit und Volk, ihm zu gestatten, daß er einen Gehülfen annehme. Seine Wahl fiel dann auf Eradius oder Eraclius, den jüngsten seiner Priester, und wurde am 26. Sept. 426 bestätigt. Nicht lange hernach drangen die Vandalen unter Genserich in's Land ein und belagerten im J. 430 14 Monate lang die Stadt Hippo. Im dritten Monat der Belagerung befiel den hl. Augustin ein Fieber, in Folge dessen er starb, am 28. Aug. 430 in seinem 76. Lebensjahre, wovon er 40 im Dienste der Kirche zugebracht hatte. Menzel sagt von ihm (Symb. I. 491 f.): »Augustin ist unter den Kirchenvätern der größte (wie Paulus unter den Aposteln), der feurigste an Geist, der beredteste und gelehrteste.« Sein hl. Leib wurde in der Kirche »des Friedens« zu Hippo begraben und bei der Eroberung der Stadt durch die Vandalen aus Achtung gegen den Verstorbenen verschont. In der Folge kam er auf die Insel Sardinien und von da nach Pavia. Darüber sind die Gelehrten alle einverstanden; nur über die Veranlassung und die Zeit der Uebertragung nach Sardinien herrscht Verschiedenheit der Meinungen. Während die Einen sagen, der hl. Leib sei im Jahre 484 unter Hunnerich von nach Sardinien verbannten Bischöfen dahin gebracht worden, sagen Andere, dieß sei vom hl. Fulgentius im J. 508 geschehen, oder doch wenigstens unter dem Vandalenkönig Trasimund, der vom Jahre 496–522 die Katholiken verfolgte. Auf dieser Insel blieben die heil. Reliquien bis zur Zeit des frommen und hochherzigen Lombardenkönigs Luitprand, welcher sie um eine beträchtliche Summe (magno pretio) von den Sarazenen erhielt (etwa im Jahre 721 oder 722), dann nach Pavia bringen und in der Kirche des hl. Petrus (sub Coelo aureo) beisetzen ließ, wo er sie durch eine Mauer von Ziegelsteinen verbarg, nachdem er sie zuerst in drei Särge hatte einschließen lassen. In diesem Zustande wurden sie 1695 wieder aufgefunden. Ueber ihre Aechtheit entstand ein langer Streit, bis endlich im Jahre 1728 der Bischof von Pavia die Sache in die Hand nahm, und nach genauester Untersuchung erkannte, daß es unbezweifelbar die Ueberreste des hl. Augustinus seien. Dieser Ausspruch wurde in demselben Jahre vom Papst Benedict XIII. bestätigt. So stand die Sache bis zum Jahre 1842, wo der erste Bischof von Algier, Dup uch mit Namen, mit Bewilligung des Papstes und unter Zustimmung der betreffenden Personen einen Theil der heil. Reliquien mit sich nach Afrika nahm und in einer Kapelle an dem Orte hinterlegte, wo einst Hippo gestanden seyn soll. – Seine kirchliche Verehrung ist außer allem Zweifel. Schon im 6. Jahrhundert kommt sein Name in den kirchlichen Fastis vor. So finden wir denselben nicht nur in dem Martyrologium, das dem hl. Hieronymus zugeschrieben wird, sondern wir lesen in dem Leben des hl. Cäsarius von Arles († 543), daß man zu seiner Zeit das Fest des hl. Augustin mit großer Feierlichkeit beging. Eine Bulle Leo X. verordnete, daß das Fest des hl. Augustin gerade[351] so gefeiert werden solle wie das eines Apostels, nämlich als Feiertag, mit der Enthaltung von knechtlichen Arbeiten und der Obligation zur Anhörung der hl. Messe, woher es kommen mag, daß in allen Ländern, die unter der Herrschaft des Königs von Spanien stehen, sein Fest als gebotener Feiertag begangen wird. Im Mart. Rom. kommt der hl. Augustinus drei Mal vor, nämlich am 28. August, wo sein Andenken, am 28. Febr., wo seine Translation nach Pavia, und am 5. Mai, wo seine Bekehrung gefeiert wird, und dieß nicht blos im allgemeinen Theile desselben, sondern auch in dem besondern für die Canonici Regulares und für die Augustiner-Eremiten. – Der hl. Augustin wird auf kirchlichen Gemälden dargestellt als Bischof mit einem brennenden Herzen in der Hand als Sinnbild feuriger Gottesliebe; auch findet sich das Herz, welches er in der Hand trägt, von einem Pfeil (bisweilen von zwei Pfeilen kreuzweise) durchbohrt – nach einer Stelle im 9ten Buche seiner »Bekenntnisse«, wo er diese Metapher gebraucht. Nach Radowitz hat er auch zuweilen einen Adler neben sich. Der Heilige ist nämlich Schutzpatron der Theologen und erhält daher das Symbol des hl. Evangelisten Johannes, welcher seit dem Concil von Nicäa »Theologus« genannt wird.24 Eine andere künstlerische Darstellung ist die mit einem Christkinde, das mit einem Löffel aus dem Meere ein in den Sand gemachtes Loch füllt, oder das blos mit einem Löffel vor ihm steht. Diese Darstellung kommt von der bekannten Erscheinung, welche der Heilige einst gehabt haben soll, als er über das Geheimniß der hl. Dreifaltigkeit nachdenkend am Meeresufer spazieren ging. Da erblickte er nämlich einmal ein Knäblein, welches in den Sand ein Grübchen gemacht hatte und mit einem Löffelchen Wasser aus dem Meere in dasselbe schöpfte. Auf die Frage des Augustinus, was er da thue, erwiederte der Knabe: »Ich will das Meer da hinein schöpfen,« und als dann Augustinus ihn lächelnd auf die Unmöglichkeit hinwies, antwortete ihm der Knabe: »Es ist doch eher möglich, das Meer in dieses Grübchen zu schöpfen, als das Geheimniß der unermeßlichen hl. Dreifaltigkeit in das Grübchen deines Verstandes hinein zu bringen.« Zwar kann diese Erscheinung kaum als ein wirkliches Factum gelten, indem die ältesten Lebensbeschreiber des Heiligen nichts davon wissen und die späteren Schriftsteller, welche diese Erzählung zuerst mittheilen, den Schauplatz derselben nach Cività-Vecchia versetzen, wo Augustinus vor seiner Abreise nach Afrika (im J. 388) verweilt und sein Werk über die hl. Dreifaltigkeit abgefaßt habe, während doch aus dem Buche seiner Retractationen mit Gewißheit hervorgeht, daß er über die hl. Dreifaltigkeit erst lange nach seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl von Hippo geschrieben habe, wo er sicherlich nicht mehr so vermessen war, dieses Geheimniß ergründen zu wollen; allein doch hat sich die christliche Kunst dieser Legende bedient und den oben erwähnten Gebrauch davon gemacht, und jedenfalls liegt derselben eine tiefe Bedeutung zu Grunde, indem sie recht treffend die Mystik des hl. Augustinus bezeichnet, worüber Menzel ganz schön (Symb. I. 491) in folgender Weise sich ausspricht: »Während vor ihm die griechische Kirche sich mit nichts beschäftigte als mit dogmatischen Begriffsbestimmungen in Betreff der Dreieinigkeit, der Natur Christi etc., und das Wesen der Gottheit nach allen Richtungen mit dem menschlichen Verstande ausmessen wollte, brachte Augustinus in die abendländische Kirche jenen romantischen Zug mystischer Sehnsucht, die in tiefster Demuth zum Unendlichen aufblickt, jenen Zug, in dem alle Poesie und Heiligkeit des Mittelalters beruht. Nur durch ihn erhob sich die römische Kirche so glänzend über die griechische. Nur durch ihn wurde das deutsche Herz der Kirche gewonnen und eine Herrschaft des Gemüthes gegründet, vor deren Gewalt die Verstandesherrschaft in Konstantinopel und die Herrschaft der Phantasie im Islam nicht bestehen konnten.« Augustins Lehre und Wirksamkeit hatte auch wirklich einen großen Einfluß auf die ganze Kirche. Wie der göttliche Stifter derselben aus dem Verfolger Saulus sich den eifrigen Apostel Paulus herangezogen hatte, so bildete er [352] sich aus dem Manichäer Augustinus den großen Kirchenlehrer Augustinus und stellte ihn hin, daß er »Frucht bringe« (Joh. 15,16), und man muß ihn auch anerkennen »als die bedeutendste Persönlichkeit der abendländischen Kirche, als den Vater und Schöpfer der theologischen und philosophischen Wissenschaft des christlichen Abendlandes«, als eine hell brennende Leuchte, an welchem Unzählige ihr Licht anzünden sollten. Er hat sehr viele Werke geschrieben, deren Verzeichniß bei Butler (XII. 154. 191) sich findet. – Im röm. Brevier wird sein Fest am 28. August gefeiert; im Chor der Domkirche zu Augsburg feiert man am 28. Febr. auch noch das Fest seiner Translation; ebenso in Pavia etc. – Schließlich sei noch bemerkt, daß unser Heiliger in einigen Orten, wie z.B. hier in Augsburg, als Patron der Bierbrauer verehrt wird. Woher dieses komme, das haben wir nicht erfahren können.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 347-353.
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