[380] 1S. Barbara, V. M. (4. Dec. al. 12. Febr.) Vom Griechischen βάρββαρος = die Fremde, Ausländerin etc. – Die hl. Jungfrau und Martyrin Barbara wurde von den allerersten Zeiten an sowohl in der morgenals abendländischen Kirche verehrt, und steht auch jetzt noch in besonderen Ehren, obwohl keine bestimmte und sichere Nachrichten über ihre Lebensumstände auf uns gekommen sind. Wohl sind Acten über sie vorhanden, die bei Surius sich finden; allein sie widersprechen sich in einzelnen wichtigen Punkten, und tragen dazu bei, die Geschichte der Heiligen zu verdunkeln. Während die Einen derselben ihren Martyrtod nach Nikomedia in Bithynien setzen (unter der Regierung des Kaisers Maximinus I., der im J. 235 eine allgemeine Christenverfolgung erregte), liest man bei Andern, die hl. Barbara habe zu Heliopolis in Aegypten unter Galerius gegen das J. 306 gelitten. Nach Baronius verdienen die Erstern den Vorzug, während dagegen Jos. Assemani (in seinem Calend. univers. Tom. V. p. 408) die bei dem Metaphrastes (bei Surius) und Montbritius für die zuverlässigsten hält, welche Annahme nach Butler mit dem Menologium des Kaisers Basilius übereinstimmt, und mit dem Synaxarium der Griechen insofern, als in diesem [380] die Regierungszeit Maximians (τοῡβασιλέως), der von 286–305 mit Diokletian regierte, gesetzt wird.1 Es sei dem aber wie ihm wolle, die erstere Annahme ist die allgemeine in der abendländischen Kirche und ging auch in das Mart. Rom. (4. Dec.) über. Worin aber beide Quellen übereinstimmen, besteht in Folgendem: Die hl. Barbara war die einzige Tochter eines reichen, angesehenen, dazu sehr eifrigen Götzendieners, Namens Dioskorus, der sie ungemein liebte, und an ihrer Erziehung und Bildung nach dem Muster natürlicher Weisheit nichts ermangeln ließ. Da sie von ausgezeichneter Schönheit war, und zu befürchten stand, es könnte ihr dieselbe zum Falle dienen, ließ ihr Vater an seinem Hause einen Thurm aufführen, versah ihn mit allem Nöthigen und Bequemlichen, und sperrte seine Tochter in denselben ein, um sie vor allem verderblichen Umgang abzuschneiden und ihr Gelegenheit zu verschaffen, der Erlernung der Wissenschaften zu obliegen. Nicht umsonst war diese Sorge für Barbara, wohl aber in anderer Hinsicht vergeblich nach der Absicht des Vaters; denn Gott lenkte die Sache gerade gegen diese Absicht, indem Barbara an diesem Orte ihrer Abgeschiedenheit, man weiß nicht wie, mit dem Christenthume bekannt gemacht wurde und die hl. Taufe empfing. Allgemein ist die Annahme, Origenes sei ihr Lehrer im christlichen Glauben gewesen. Uebrigens trug sie schon von frühester Kindheit an ein Verlangen nach höheren Dingen in sich. Einst soll sie die Sterne betrachtet haben und von tiefer Sehnsucht ergriffen worden seyn, zu wissen, was sie seyen und wer sie gemacht habe. Was man ihr Heidnisches über ihre Bedeutung sagte, genügte ihr nicht. Darauf soll sie zum unbekannten Urheber der Gestirne gebetet haben, als Origenes in ihre Nähe kam und sie im Glauben unterrichtete. Mit der Zunahme ihrer Jahre dachte Dioskorus daran, seine Tochter zu vermählen, und machte ihr deßfalls auch Vorschläge; allein sie dachte nicht an irdische Verbindungen und bat ihren Vater, sie mit solchen Anträgen zu verschonen. Diese Zartheit schrieb er ihrem Menschen zu, und dachte auf ein Mittel, sie zu vermögen, zumal die Gesuche um ihre Hand an ihn immer häufiger wurden. Um sie durch Langweile und Entbehrung seiner Gegenwart auf andere Gedanken zu bringen, kündigte er ihr eines Tages an, er werde eine weite Reise vornehmen. Barbara erbat sich von ihm ein Badezimmer in ihrem Thurme, wo sie sich immer noch aufhalten mußte. Der Vater willfahrte ihrer Bitte, gab den Plan derselben, ordnete zwei Fenster zu dessen Beleuchtung und trat die Reise an. Die fromme Jungfrau ließ die Arbeit beschleunigen, aber anstatt der zwei Fenster deren dr ei machen und ein Kreuz an einer Wand anbringen, um das Geheimniß des dreieinigen Gottes und das Zeichen der Erlösung stets vor Augen zu haben. Es findet sich zwar in unsern Quellen keine Andeutung darüber, aber doch wäre es möglich, daß sie diesen Badeort sich erbeten habe, um während der Abwesenheit des Vaters getauft zu werden. Denn es ist nicht denkbar, daß sie, die vielleicht schon lange ohne Badeort sich in diesem Thurme befand, ohne wichtigen und höheren Grund sich einen solchen erbeten und in der angegebenen Weise habe ausschmücken lassen. Indeß ist dieß nur unsere Vermuthung, die in uns durch die Bitte der Heiligen und ihre Anordnung hinsichtlich der Fenster und des Zeichens des Kreuzes rege ward, und die uns um so annehmbarer erscheint, als durch sie ihre Bitte in ein helles Licht gestellt wird. Als nach seiner Rückkehr Dioskorus wahrnahm, daß in dem genannten Bade drei statt zwei Fenster angebracht seyen, drang er in seine Tochter, ihm die Ursache dieser Abänderung anzugeben. Diese ließ ihn nicht im Unklaren hierüber, sondern gestand offen und frei, daß sie Christin sei, und ermahnte ihren Vater, ebenfalls das Christenthum anzunehmen. Voll Wuth über diese Entdeckung zog er sein Schwert und würde sie in seinem Zorne augenblicklich getödtet haben, hätte sie sich ihm nicht durch schleunige Flucht entzogen. Unsere Quellen berichten hier, wie der Herr seine Braut auf wunderbare Weise vor der Wuth des sie verfolgenden Vaters geschützt habe. Denn als sie auf ihrer Flucht an einen Felsen kam, that er sich auf und schloß sie ein, so daß sie aus den Blicken des Vaters verschwand. Durch dieses Wunder nicht zur Besinnung [381] gebracht, forschte der Rasende allenthalben nach ihr; endlich fand er sie durch den Verrath eines Hirten, der dafür empfindlich gestraft ward,2 ergriff sie bei den Haaren, schleppte sie über Dorngesträuch und warf sie, zu Hause angekommen, in einen finstern Ort. Wie er aber sah, daß dieß Alles nicht im Stande war, sie von ihrem Glauben abzubringen, übergab er sie des andern Tages dem Statthalter Martianus, und beschwor ihn, alles anzuwenden, um die Treulose vom Christenthume abwendig zu machen. Der Statthalter redete ihr anfänglich freundlich zu, auf ihre Jugend zu achten, auf ihre schöne Gestalt und die glänzende Hoffnungen der Welt, ließ aber, als seine Rede fruchtlos war, sie entkleiden, mit Ochsensehnen bis zur Verwundung am ganzen Leibe schlagen, und die Wunden mit Scherben reiben, um ihre Schmerzen noch zu vermehren. Barbara litt dieß Alles mit Glaubenskraft und öffnete nach dem Beispiel ihres Erlösers den Mund nicht, in der furchtbaren Pein. Während der folgenden Nacht erschien ihr der liebe Heiland, flößte ihr Muth ein und heilte ihre Wunden. Erstaunen über ihre Heilung ergriff den Richter, als sie des andern Tages ihm vorgeführt wurde, und er schrieb dieselbe der Gunst der Götter zu; allein die Heilige trat seinem Irrthum entgegen, und bekannte unerschrocken, wer sie geheilt, und daß die stummen Götzen nichts vermögen. Voll Grimm über den Freimuth der edlen Jungfrau befahl er ihren Leib mit Hacken zu zerreißen, die Seiten mit Fackeln zu brennen, das Haupt mit Hämmern zu schlagen, darauf die Brüste abzuschneiden, und sie entkleidet durch die Straßen der Stadt zu führen und der Beschimpfung und Mißhandlung preiszugeben. Zugleich mit ihr wurde eine andere Frauensperson, Namens Juliana, die beim Anblick ihrer Marter weinte und ihr Muth zusprach, gemartert und entkleidet durch die Stadt geführt. Heldenmüthig ertrugen sie alle diese Marter. Peinen. Endlich sprach der Richter das Urtheil der Enthauptung und die Verurtheilte ging fröhlichen Herzens der Richtstätte zu, um die Siegeskrone zu erlangen. Hier aber zeigte sich ein Schauspiel, worüber sich Alles entsetzte. Ihr Mißhandlung seiner Tochter beigewohnt und dieselben betrieben hatte, erschien auf der Richtstätte, wurde der Scharfrichter seiner Tochter, führte selbst das Schwert und enthauptete sein Kind. Die hl. Barbara war damals im 20sten Jahre ihres Lebens. Vor solch unerhörter Grausamkeit entsetzte sich der Himmel, und es erschlug ihn ein Blitzstrahl bald nach verübter That – nach der einen Quelle an derselben Stelle, wo er seine Tochter enthauptet und sogleich nach geführtem Streiche; nach dem Synararium aber, das dem Metaphrastes folgt, etwas später, als ervom Berge, wo die Enthauptung geschah, zurückkehrte. – Dieß ist in Kürze das Hauptsächlichste aus dem Leben der hl. Barbara, wie es in das röm. Brevier und mehrere uns bekannte Proprien z.B. von Breslau, Polen u. Schweden, Utrecht, der Congregationder Redemptoristen, der ehem. Diöcese Constanz etc. überging. In unzähligen Kirchenbildern erscheint die hl. Barbara mit der hl. Katharina gepaart, unmittelbar neben der Himmelskönigin Maria, gleichsam (wie Menzel sagt) als deren vertraute Dienerinen. Dieß hat nach demselben Schriftsteller die Bedeutung: Die hl. Katharina, eine geistreiche und sehr gelehrte Jungfrau, bezeichnet den Kopf, und die hl. Barbara, die in geheimnißvoller Sehnsucht der Seele ahnete, was ihr später als christliche Lehre bekannt wurde, bezeichnet das Herz; jene die Macht des Geistes, diese die Tiefe des Gemüthes, wie sich dieselben zur Kirche verhalten, welche die hl. Jungfrau als die in ihrer Mitte thronende Herrin darstellt. Die hl. Barbara hat in kirchlichen Darstellungen zum Attribut einen Kelch mit darüber schwebender Hostie, genau dasselbe Symbol, woran überhaupt der Glaube kenntlich ist. Sie selbst wird, wie Menzel meint, zu einer Personification des Glaubens. So guten Sinn dieses gibt, und so sehr es sich auch aus dem Leben der Heiligen erklären ließe, so wäre es doch möglich, daß sie aus einem andern Grunde den Kelch mit der heil. Hostie zum Attribute hätte. Die hl. Barbara gilt in der kathol. Kirche als Patronin der Sterbenden, namentlich in der Beziehung, daß, wer von ihnen sie anruft und verehrt, nicht ohne Sterbsacramente von hinnen scheide. Ihr Name kommt auch in der Litanei der Sterbenden vor. Ein eclatantes Beispiel in dieser Hinsicht findet sich in dem Proprium der Diöcese Utxecht, welches Beispiel [382] auch von Surius aufgenommen wurde. Es war im Jahre 1448, als in einem niederländischen Dorfe ein Brand entstand, und das Haus eines Mannes ergriff, der fast ganz verbrannt, von der hl. Barbara, die er allzeit verehrte, aus den Flammen geführt ward und nicht eher verschied, als bis er die heil. Sterbsacramente der Buße und des Altars empfangen hatte. Zur Darstellung dieses Patronats ist nichts passender, als der Kelch mit der hl. Hostie. Vielleicht auch hat sie dieses Attribut, weil sie nach der Legende in jener Felsenhöhle, die sich ihr auf der Flucht vor dem Vater öffnete, von den Engeln die heil. Eucharistie empfangen haben soll. In unsern Quellen haben wir zwar über diese Communion nichts finden können; aber daß die Legende von ihr Kenntniß habe. möge daraus hervorgehen, daß sie auf einzelnen Gemälden, wie z.B. auf einem solchen im Kirchlein der hl. Barbara dahier in Augsburg, abgebildet ist, wie sie von Engeln die hl. Communion empfängt. Anderweitige Attribute der Heiligen sind die Palmen des Martyrthums und der Thurm mit den drei Fenstern. Auf alten Bildern und Stichen haben sich übrigens die Künstler zuweilen seltsame Abweichungen erlaubt, z.B. den Kelch in eines der Fenster gestellt, ja sogar der Heiligen ihren Thurm als Kopfputz aufgesetzt, gemäß der im 15. Jahrhundert modischen thurmhohen Hauben der Frauen. Uebrigens wird die Heilige als Prinzessin gewöhnlich mit einer Krone, und wegen ihres sanften Charakters mit holdseligen Zügen, ein wenig lächelnd dargestellt. Der öfter genannte Menzel ist der Ansicht, diese Taubensanftheit sei es auch, weßhalb man sie zur Schutzpatronin gegen die Gewitter erkoren habe. Er setzt bei: »Im Toben der Gewitter erschöpft gleichsam der Böse seine Wuth, muß aber dem sanften Glauben weichen. Daher ruft man die Heilige in schweren Ungewittern an, und sind viele Glocken, die man gegen die Gewitter läutet, auf ihren Namen getauft.« So sinnreich diese Erklärung hinsichtlich des Patronats unserer Heiligen auch seyn mag, so können wir mit ihr schon um deßwillen nicht einverstanden seyn, weil überhaupt jedes Patronat eines Heiligen auf ein Factum in seinem Leben sich gründet, oder auf ein Wunder, das im Leben oder Tode von ihm gewirkt worden ist. Wir glauben, dieses Patronat schreibe sich von den Wundern her, welche auf ihre Fürbitte in Feuergefahren, wie wir oben eines angeführt, sich ereignet haben, wie ja auch die hl. Jungfrau Agatha gleichfalls bei schweren Unwettern angerufen wird, obwohl ihre Fürbitte zuerst nur darauf hinging, ihre Vaterstadt Catanea vor den Lavaströmen des Aetna zu retten. Dieß mag auch der Grund seyn, warum nach Erfindung des Schießpulvers unsere Heilige als Schutzpatronin der Artillerie gewählt wurde, weßwegen ihr Bild ehemals auf allen katholischen Arsenalen aufgerichtet war, und noch jetzt auf den französischen Schiffen die Pulverkammer »St. Barbe« heißt. Die hl. Barbara ist eben Patronin des Feuers und hat sich, wie wir oben gesehen, als solche bewährt. Interessant ist die Erklärung, welche Menzel von diesem Gebrauche gibt. Indem man, sagt er, die schrecklichste der Waffen ihr weihte, geschah es nicht etwa, damit sie die Feigheit vor der Wirkung des feindlichen Geschützes bewahre, sondern damit sie wache, daß der Glaube siege; man gelobte auch, nur einen heiligen Gebrauch davon zu machen zur Ehre Gottes. Bei der tapfern Vertheidigung von Gerona bildeten die spanischen Frauen und Jungfrauen der Stadt noch im J. 1809 sogenannte Compagnien der hl. Barbara, um die Männer beim Kampfe gegen die Franzosen zu unterstützen. Noch sei bemerkt, daß die hl. Barbara wegen dieses Patronats gegen den Blitz und auch wegen des gegen den unvorhergesehenen Tod zu den 14 Nothhelfern gerechnet wird, und daß am 12. Febr. eine Translation (die dritte von Rom nach Piacenza) gefeiert wird.
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