Bernardinus Juif (25)

[452] 25Bernardinus Juif entschlief selig im Herrn am 16. Januar 1836 im 86. Jahre seines Alters in seinem Geburtsort Oberlarg im Sundgau, wo er auch am 30. Aug. 1751 geboren ward. Aus Mariastein bei Basel erhielten wir eine längere Mittheilung über diesen Diener Gottes, die wir um der ausgezeichneten Tugenden willen, womit er geschmückt ward, in ihrer ganzen Ausdehnung mittheilen zu dürfen glauben. »Dieser ausgezeichnete Diener Gottes«, schreibt uns P. C. Motschi daselbst, »Priester u. Ordensmann des hl. Bernardus, führte von seinen Unschuldsjahren an bis auf seine letzte Stunde ein wahrhaft heiliges Leben und leitete viele tausend Seelen zum ewigen Leben. Durch seine reinbewahrte Taufunschuld, durch seine äußerst strenge Abtödtung, durch seinen unermüdeten Seeleneifer, durch sein eifriges Gebet, in welchem er zu jeder Zeit den größten Theil der Nacht durchwachte, durch seine häufigen Almosen und Liebeswerke jeder Art leuchtete er in seiner ganzen, weiten Umgebung und genoß in hohem Grade die Achtung und Liebe aller Rechtschaffenen, ganz besonders der Priester und Bischöfe. Wer ihn sah, glaubte die Sanftmuth, die Demuth, die Liebe selbst zu sehen und konnte nicht anders, als ihm sein volles Zutrauen schenken. Noch in seinen alten Tagen, in denen er seine Abtödtungen und strengen Bußwerke nie unterließ, war er dabei allzeit heiter, wußte durch seine Gespräche, die alle auf Gott zielten, Jedermann aufzumuntern und zur Liebe Gottes anzueifern. Die Priester der ganzen Gegend hießen ihn ihren lieben ›alten Papa‹ und wo immer eine Feierlichkeit stattfand, wurde der fromme Greis als Prediger hingezogen. Noch in seinem 70. und 80. Jahre predigte er gewöhnlich gegen zwei Stunden mit einer durchdringenden Baßstimme, obgleich er klein von Gestalt und wegen beständiger Abtödtung sehr abgemagert war. So einfach übrigens seine Predigten waren, so waren sie dennoch überzeugend, salbungsvoll und eindringlich, als da kommend von einem Apostel, der voll war der Gnade des heil. Geistes, durch Fasten, Wachen und Beten die Herzen seiner Zuhörer zuvor erweicht hatte, auf die Gnade Gottes vertraute und einzig nur dessen größere Ehre anstrebte. Er hatte Beichtkinder ohne Zahl auch aus der Ferne, die er zu jeder Zeit liebevoll anzuhören bereit war, sie mit ganz besonderer Klugheit zu leiten und ihnen das an sich harte und bittere Bußleben süß und angenehm zu machen wußte. Sehr viele große Sünder und Sünderinnen verdankten ihm durch Gottes Gnade ihre Bekehrung. Zur Mittagszeit fand man ihn zu Hause an seiner frugalen Tafel selten allein, indem alle Priester seiner Umgebung wußten, daß sie ihm durch ihre Theilnahme an seiner Mittagssuppe eine ganz besondere Freude machen konnten, wo sie denn zugleich während der Mahlzeit durch geistliche Gespräche erbaut, erquickt und gestärkt wieder um so froher und munterer an ihr Tagwerk zurückkehrten. So viele junge gutgesinnte Geistliche, die in der Gegend waren und mit Leib und Seele an dem guten alten Papa hingen, ließen, ohne daß er es bemerken konnte, sein Portrait lithographiren und darunter schreiben: Hic orat multum pro populo, was ihn, als er nachher darauf kam, seiner Demuth wegen sehr kränkte und [452] ihn sagen machte, sie hätten gewiß durch eine so unkluge That ein scharfes Fegfeuer verdient. Auch einem seiner jungen Freunde, der ein ausgezeichneter Prediger war, pflegte er oft zu sagen, wegen seiner Blümchen in den Predigten mache er sich eines vieljährigen Fegfeuers schuldig. Seine großen Abtödtungen wußte er mit einem Scharfsinne und einer so klugen Gewandtheit vor Jedermann zu verbergen, daß man ihres Gleichen schwerlich wird finden können. Auch wo er großen Mahlzeiten vermöge seiner Stellung beiwohnen mußte, genoß er nie etwas von Fleisch oder anderer Speise, als Suppe, Gemüße und Brod und zwar von diesem sehr wenig, wußte sich aber dabei so klug zu benehmen, daß es sehr selten Jemand bemerken konnte, auch nicht einmal die ihm zunächst oder gegenübersaßen, wenn es Jemand nicht vorher wußte. Auf seinen kleinern und größern Reisen, die er noch in seinem hohen Alter fast allzeit zu Fuß machte, war er in Betrachtung oder betete den Rosenkranz, und wer mit ihm reisen wollte, mußte auch so thun. Den ersten Besuch, so oft er in ein Dorf kam, machte er dem lieben Heilande in der Kirche und auf dem Gottesacker den armen Seelen, dann dem Priester. Vor 12 Uhr Nachts legte er sich nie schlafen, sondern lag dem Gebete ob, dem Lesen der heil. Schrift und der Leben der Heiligen und der Altväter. Am Morgen aber war er alle Tage schon vor 4 Uhr in der Kirche und fing seine geistlichen Uebungen damit an, daß er den Kreuzweg und die Ablaßgebete zum Troste der armen Seelen verrichtete. Um in seinen Nachtwachen den Schlaf zu überwinden, pflegte er ein Lümpchen in ein Gefäß kalten Wassers von Zeit zu Zeit einzutauchen und es sich auf die Augen zu legen. Er war ein ausgezeichneter Diener der Mutter Gottes, die er täglich vielfältig verehrte und keine Uebung verabsäumte, durch die er glaubte, sich ihr wohlgefällig machen zu können. Noch in seinem hohen Alter wallfahrtete er oft nach Mariastein, und machte Morgens nüchtern die drei Stunden Wegs, um in der Gnadencapelle das allerheiligste Opfer darzubringen. Vor der Mittagszeit genoß er nie etwas, auch nicht, wenn er kränklich war, zu Nachts aber ein wenig Suppe, oft gar nichts. Diese Lebensart beobachtete er ununterbrochen. Sein Brevier betete er knieend in Betrachtung und zwar meistens in der Kirche, unterließ auch nie einen Tag, dem lieben Heilande in dem allerheiligsten Sakramente einen besondern Besuch abzustatten. – P. Bernardin Juif hatte in seiner Jugend im Cisterzienser-Kloster Großen-Lützel nicht lange vor dessen Aufhebung die Ordensgelübde abgelegt und schon damals seinen Ordensbrüdern durch einen heiligen Wandel vorgeleuchtet. In der Folge wurde ihm abwechselnd in verschiedenen Gemeinden des Bisthums Straßburg in Oberelsaß die Seelsorge übertragen, wie zu Attenschwiller, zu Blochheim, zu Landzed. Zufolge der französischen Revolution flüchtete er im Jahre 1792 sich nach der Schweiz und lebte ungefähr ein Jahr lang mit seinen Ordensbrüdern im Kloster Wettingen. Als er den Schmerz über das Elend und die Verlassenheit seiner Landsleute nicht mehr länger zu unterdrücken vermochte, richtete er seine Schritte wieder nach dem Elsaß, obgleich jedem Priester, der den Eid verweigert hatte, bei Lebensstrafe die Rückkehr nach Frankreich verboten war. Ueber 6 Jahre hatte er keinen bestimmten Aufenthalt, sondern hielt sich verborgen bald an diesem, bald an einem andern Orte bei getreuen Anhängern der katholischen Kirche. In der ganzen Gegend war er den verfolgten Gläubigen ein Engel des Trostes, las im Verborgenen meistens am frühen Morgen lange vor Tag die heil. Messe den heimlich in den Häusern sich versammelnden Gläubigen, trug ihnen das Wort Gottes vor und spendete ihnen die heil. Geheimnisse und zwar jedesmal mit der Gefahr seines Lebens. Er suchte die Kranken auf und bereitete sie zu einem glückseligen Tode vor. Jahr ein Jahr aus ging selten eine Nacht vorüber, in welcher er nicht verkleidet von einem Orte zum andern reiste, oder in seinen Amtsverrichtungen schlaflos zubrachte. Sehr oft wurde er auf wunderbare Weise gegen die Nachspürungen der Gerichtsdiener gesichert. So sehnlich er allzeit nach der Martyrpalme verlangte, so wollte der liebe Gott dennoch zum Troste der Rechtgläubigen dieselbe ihm nicht zukommen lassen; schenkte sie aber seinem getreuen Gehilfen und jungen Freunde, dem Hochw. Joh. Baptist Bochele von Illfurt, welcher um die Mitte der neunziger Jahre in Colmar für die Treue gegen den wahren Glauben und die kathol. Kirche getödtet wurde. Vom Jahre 1801 bis 1829 war P. Bernardin Juif wieder an verschiedenen [453] Orten in Elsaß Pfarrer; wo er dann beinahe 80 Jahre alt in Oelenberg in den strengen Orden der Trappisten eintrat, bei der Julirevolution aber mit Andern vertrieben wurde und sich in seinem Vaterorte hast heiliges Leben zu seinem Tode verbreitete. Noch jetzt ist er überall in gesegnetem Andenken, und suchen Viele aus der Nähe und Ferne auf dem Grabe des Dieners Gottes Trost und Hilfe in ihren geistlichen und leiblichen Anliegen.« (C. M.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 452-454.
Lizenz:
Faksimiles:
452 | 453 | 454
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon