Genovefa, S. (1)

[375] 1S. Genovefa, V. (3. al. 10. Jan. 26. Nov.) Vom Altd. = junges Weib etc. – Diese hl. Genovefa, frz. St-Geneviève, die Patronin von Paris, wurde um das J. 422 in Nanterre, einem 2 Stunden von Paris entfernten Dorfe, geboren. Die Bolla ndisten geben über sie zwei Lebensbeschreibungen, die man aber in ihrer ursprünglichen Bearbeitung für identisch hält. Nach Butler (I. 80) ist jedoch eine derselben viel neuer als die, welche der Chorherr P. Charpentier von St. Genovefa im J. 1697 nach einer uralten Lebensbeschreibung herausgegeben hat. Nach dieser hießen ihre Eltern Severus und Gerontia. Der Vater war höchst wahrscheinlich einer jener wohlhabenden Gutsbesitzer, die ihre eigenen Heerden hüteten, wie der Vater des Königs David. Die hl. Genovefa war ein Mädchen von etwa sieben Jahren, als die hhl. Bischöfe Germanus von Auxerre und Lupus von Troyes im J. 429 auf ihrer Reise nach Großbritannien, wo sie die eingedrungene Irrlehre des Pelagius bekämpfen wollten, zu Nanterre ihr Nachtlager nahmen. Hier sah der hl. Germanus unter den zum Segen herbeigeeilten Volke auch die hl. Genovesa, welcher er sofort ihre nachmalige Größe prophezeite und dabei die Bewahrung beständiger Jungfräulichkeit ans Herz legte. Sie versprach, seine Ermahnungen zu befolgen, und erhielt zum Andenken an ihr Versprechen eine kupferne, mit einem Kreuze versehene Münze, die sie mit Ausschluß jedes andern kostbaren Schmuckes tragen sollte. So zum vollkommeneren christlichen Leben vorbereitet, behielt Genovefa fortwährend in [375] ihrem Herzen, was Germanus zu ihr gesagt hatte: »Bemühe dich, was du mit dem Herzen glaubst und mit dem Munde bekennst, in Werken zu erfüllen.« Seit dieser Zeit hatte die Heilige keine andere Sehnsucht mehr, als allein Gott zu gefallen und stets bei Ihm zu seyn. Sie schätzte sich nie glücklicher, als wenn sie in die Kirche gehen konnte. Einstmals versagte die Mutter ungeachtet ihrer dringendsten Bitten ihr die Erlaubniß, sie dahin zu begleiten; ja sie erhielt sogar, als sie mit ihren Bitten nicht nachließ, einen Backenstreich von der Mutter, wofür jedoch diese alsbald bestraft wurde, indem sie den Gebrauch des Gesichtes verlor und denselben erst nach 20 Monaten dadurch wieder erhielt, daß sie sich zwei- bis dreimal mit Wasser wusch, welches ihre Tochter von dem Ortsbrunnen geholt und mit dem Kreuzzeichen gesegnet hatte, wodurch dieser Brunnen von Nanterre zu großer Berühmtheit gelangte. Bald nach diesem Wunder starben ihre Eltern, worauf ihre in Paris wohnende Taufpathin, deren Name nicht bekannt ist, sie zu sich nahm und für sie sorgte. Nach der gewöhnlichen Annahme war sie 15 Jahre alt, da sie aus den Händen des Bischofs Julicus von Paris mit zwei Anderen den Schleier gottgeweihter Jungfrauen erhielt und dann ein ungemein strenges Leben begann. Eine Krankheit, die sie hier zu überstehen hatte, konnte ihren Gebetseifer nicht schwächen. Ihr Geist war schon an die Beschaulichkeit gewohnt, so daß sie öfter, von ihren Ekstasen erwachend, von wunderbaren und himmlischen Dingen, die sie gesehen habe, erzählte. Von da an begann auch die Verleumdung an ihr zu nagen; man schrie sie als eine Heuchlerin und Betrügerin aus, und wirklich gelang es den gehässigen und schmachvollen Anschuldigungen, sich beim Volke Glauben zu verschaffen. Diese Verfolgungen mußte die Unschuldige längere Zeit erdulden, bis ihr der hl. Bischof Germanus von Auxerre durch seine Vertheidigung, sowie später durch Uebersendung frommer Geschenke (Eulogien) Hilfe verschaffte. Die Heilige ließ aber nie ab, als gottgeweihte Jungfrau zu leben, bald in heiliger Einsamkeit Gott dienend, bald wieder ins öffentliche Leben hinaustretend, um als wunderbare Helferin in allen Arten menschlichen Elendes zu erscheinen. Jedesmal von Epiphanie bis zum grünen Donnerstag lebte sie einzig den Betrachtungen und dem Gebete. Dabei bestand ihre Nahrung von ihrem 15. bis zu ihrem 50. Lebensjahre nur in Brod und Bohnen; von da an genoß sie auf ausdrücklichen Befehl ihrer geistlichen Obern auch Fische und Milch. Nur Sonntags und Donnerstags sättigte sie sich; Wein und geistige Getränke nahm sie nie. Ihre zwölf unzertrennlichen Schwestern waren, wie bei W. W. (K.-L. IV. 412) aus ihrem alten Biographen erwähnt wird, folgende: »Glaube, Enthaltsamkeit, Geduld, Großmuth, Einfalt, Unschuld, Friedfertigkeit, Liebe, Strenge, Keuschheit, Wahrheit und Klugheit.« So trat sie, wenn es der Sache Gottes oder der Nächstenlebe galt, wie eine himmlische Erscheinung öffentlich auf. Ihre Wunder sind äußerst zahlreich; wir erwähnen nur die Erweckung eines todten Knaben und die Gnade der Geisterunterscheidung, die sie in einem überaus großen Grade besaß. So wurde sie schon bei ihren Lebzeiten eine öffentliche Wohlthäterin Frankreichs. Auf ihre Bitte gab König Childerich, obwohl noch ein Heide, die schon dem Tode gewewien Gefangenen frei, und schenkte auch sein Sohn Chlodwig Mehreren das Leben. Ihrer Fütbitte gelang es, den Verheerungszug Attila's um das Jahr 451 von Paris abzuwenden; ihrer Liebe wurde es möglich, diese ganze Stadt zur Zeit einer Hungersnoth mit Bred reichlich zu versorgen und nicht blos hier, sondern auch zu Laon, Meaux, Troyes, Orleans, Tours und an andern Orten in verschiedenen Nöthen Hilfe zu bringen. Eine besondere Andacht hatte sie zum hl. Bischof Martinus von Tours, dessen Reliquien sie öfter besuchte. Auf ihr Zuthun wurde zu Ehren des hl. Erzbischofs und Martyrers Dionysius eine Basilika erbaut, um deren Entstehung die dankbare Nachwelt einen reichen Kranz schöner Sagen geflochten hat. Das Gerübt von ihrer Heiligkeit verbreitete sich in die entferntesten Gegenden. So gab nach Butler (I. 86) der im Morgenlande wohnende hl. Simeon Stylites, der Aeltere, öffentliche Beweise seiner Verehrung für die Dienerin Gottes und empfahl sich ihrem Gebete. Endlich starb sie, reich an Tugenden und Verdiensten, 89 Jahre alt, am 3. Januar 512, fünf Wochen nach Chlodwig, dem ersten christlichen Könige von Frankreich, neben welchem sie beigesetzt wurde, und zwar in der damals außerhalb der Stadt gelegenen Kirche der hl. Apostel Petrus und Paulus, die von Chlodwig angefangen, nach seinem Tode aber von [376] seiner Gemahlin, der hl. Clothildis, vollendet wurde und später den Namen der hl. Genovefa erhielt, den sie noch trägt. Ihre Verehrung als Heilige nahm sogleich mit ihrem Begräbniß den Anfang. Fortwährend wurde ihr Grab durch Wunder verherrlicht. Nach Butler (I. 89) erbaute das Volk unmittelbar nach ihrem Tode auf ihrem Grabe ein hölzernes Bethaus, das bis zur Vollendung der Kirche29bestand. Später erhob man ihren Leichnam aus der Erde, um ihn in einem prachtvollen Reliquienkästchen aufzubewahren, welches der hl. Eligius von Noyon kunstvoll verfertigt hatte. (Vgl. S. Eligius1). Um dieses Kästchen der Zerstörungswuth der Normannen zu entziehen, brachte man es im J. 845 nach Athis, dann nach Draveil und später nach Marisy, von wo es im J. 855 wieder nach Paris zurückkam. Das Kästchen, welches man jetzt hinter dem Hochaltare ihrer Kirche sieht, wurde im J. 1242 durch die Sorgfalt des Abtes von St. Genovefa verfertigt. Es ist beinahe ganz mit Edelsteinen besetzt, welche von Frankreichs Königen und Königinnen geschenkt wurden. Die Stadt Paris hat durch die mächtige Fürbitte der hl. Genovefa oft große Gnaden erlangt. Dazu gehört besonders die Heilung von jener grausamen Krankheit, das »heilige Feuer« genannt, ein ansteckendes hitziges Fieber, welches durch ein innerliches tödtliches Feuer Alle verzehrte, die von ihm ergriffen wurden. Umsonst boten die Aerzte alle ihre Kunst auf gegen diese Krankheit, die nicht eher wich, als bis Bischof Stephan von Paris das Reliquienkästchen der hl. Genovefa in feierlicher Procession in die Kathedralkirche tragen ließ. Als dasselbe am Eingange der Kirche angekommen war, erhielten alle Kranke plötzlich die vollkommene Gesundheit, drei ausgenommen, denen wahrscheinlich der Glaube mangelte. Dieses geschah im Jahr 1129. Als Papst Innocentius II. im folgenden Jahre nach Paris kam und von der Wahrheit des Wunders sich überzeugte, verordnete er, daß man das Andenken daran alljährlich am 26. Nov. feiere, was auch unter dem Titel »in excellentia B. V. Genovefae« noch geschieht. Die ehedem bei der Kathedralkirche und dem Sterbehaus der hl. Genovefa gestandene, im J. 1747 aber abgerissene Kirche »zur hl. Genovefa der Kleinen« (Ste-Geneviève la petite) erhielt wegen dieses Wunders den Namen »zur hl. Genovefa vom heil. Feuer« (Ste-Geneviève des Ardens). Eine andere feierliche Erhebung dieser heil. Reliquien hat nach den Bollandisten (I. 1083) am 10. Januar 1161 stattgefunden. In den Sturmesjahren der Revolution (1793) wurden nach Migne diese kostbaren Reliquien auf dem Greve-Platze öffentlich verbrannt, und die Kirche der hl. Genovefa wurde als Pantheon30 erklärt. Unter König Ludwig XVIII. wurde dieselbe im J. 1822 ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben, und jene Reliquien, die der Wuth der Gottlosen entgangen waren, wurden der öffentlichen Verehrung ausgesetzt, bis sie in der Revolution vom J. 1830 neuerdings als Pantheon bezeichnet wurde. Durch den gegenwärtigen Kaiser Napoleon III. ist unsers Wissens die Kirche dem gottesdienstlichen Gebrauche wieder zugewiesen worden. – Von der kirchlichen Kunst wird die hl. Genovefa dargestellt als Schäferin mit Hirtenstab und Tasche, oder auch mit einer brennenden Wachskerze, welche der böse Feind auszulöschen sucht, die aber von einem heil. Engel wieder angezündet wird. Nach Menzel (Symb. II. 478) liegt der böse Feind gebunden zu ihren Füßen [377] und muß ihr das Licht halten etc. – Auch im Mart. Rom. steht ihr Name am 3. Jan. (I. 137.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 375-378.
Lizenz:
Faksimiles:
375 | 376 | 377 | 378
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Catharina von Georgien

Catharina von Georgien

Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon