[431] S. Gezzelinus, Erem. (6. Aug.) Der hl. Gezzelin, auch Gitzelin oder Scocelinus und Schetzelo genannt, war ein Einsiedler im Bisthum Trier, welcher 14 Jahre in Einöden und Gebirgen zubrachte. Dabei übte er die Bußstrenge der ägyptischen Einsiedler in einer Gegend und unter einem Himmelsstriche, wo dieselbe fast unmöglich scheinen möchte. Nach Butler (X. 469) war er in den ersten 10 Jahren ohne ein anderes Obdach als den Himmel und fast ganz ohne ein Kleid, das ihn gegen die rauhe Witterung hätte schützen können; Kräuter und rohe Wurzeln waren seine Nahrung. Erst in den letzten vier Jahren ließ er eine Milderung in so fern eintreten, daß er im Winter manchmal einen Stall oder eine Hütte aufsuchte, um darin zu übernachten. Diejenigen, welche das Glück hatten, ihn zu beherbergen, getrauten sich nicht, mit ihm zu reden, aus Furcht, er möchte dann nicht mehr kommen. Er begehrte von ihnen nichts als ein wenig Stroh, um darauf zu liegen, und ein Stück Gersten- oder Kleienbrod. – Von seiner Jugendgeschichte wissen wir nichts. Wahrscheinlich hatte er irgend einen Fehltritt begangen, welchen er auf solche Weise büßen wollte. Aber größer noch als durch diese seine außerordentliche Strenge war er durch seine Demuth und seine kindliche Einfalt. Als der hl. Bernardus von seiner seltenen Lebens weise Kenntniß erhielt, gab er einem seiner Ordensgenossen, Namens Achard (den er in das Erzbisthum Trier geschickt hatte, um dort das Kloster Hemmerode zu gründen), den Auftrag, denselben in seinem Namen zu grüßen und ihm ein Kleid als Unterpfand seiner Liebe zu bringen. Nur mit vieler Mühe konnte Gezzelin bewogen werden, den Besuch Achards und der ihn begleitenden Ordensmänner anzunehmen. Das ihm überreichte Kleid trug er zwar eine Zeit lang aus Hochachtung für den hl. Bernardus, legte es aber bald wieder ab, weil er dessen nicht würdig und auch nicht bedürftig sei. Bei dieser Gelegenheit stellte Achard unter andern auch die Frage an ihn, ob er auch noch die Begierden des Fleisches verspüre, worauf Gezzelin erwiderte: »Es ist schon lange, daß ich durch Gottes Gnade von diesen Versuchungen befreit bin; aber da das Leben des Menschen auf Erden eine beständige Versuchung ist, so kann Niemand sich der Reinheit des Herzens rühmen etc.« »Die größte Versuchung,« sagte er weiter, »die ich seit langer Zeit bestanden habe, ist folgende: Ich legte mich im Winter einmal zur Ruhe nieder; es fiel Schnee vom Himmel und bedeckte meinen ganzen Körper. Da kam ein Häschen herangelaufen und als es meinen [431] Körper betrat und Wärme spürte, so legte es sich nieder. Ich erwachte, sah es und fühlte in mir den Drang, nach ihm zu langen, nicht um es zu tödten, sondern weil ich das unschuldige und zarte Thierlein gern gestreichelt hätte. Ich überwand aber die Versuchung, und ließ es, nachdem es ausgeruht und sich erwärmt hatte, wieder davonlaufen.« – Wir setzen hieher noch, was bei Butlerin einem Nachtrage (XX. 142) aus dem Berichte des genannten Mönches Achard ausgezogen ist: »Als ich einige Zeit im Bisthum Trier verweilte, ward ich gewürdigt, einen heiligen Mann zu sehen und kennen zu lernen, der um so reicher und glückseliger war, je aufrichtiger er die trügerischen Reichthümer dieser Welt verachtete und je weiter er dieselben von sich wies; denn nicht wer mehr besitzt, sondern wer weniger verlangt, ist wahrhaft reich. Dieser glückseligste Einsiedler hat die Welt mit solcher Entschiedenheit verlassen, Jesum mit solchem Eifer geliebt, daß wir zu unserer Zeit und in unsern Ländern Niemanden kennen, der ihm in der Verachtung des Zeitlichen und in der Abtödtung des Fleisches gleichgestellt werden könnte. Sein Leben können wir Alle bewundern, viele von uns demselben auch nachstreben, keiner aber ist vermögend, es zu erreichen, weßhalb wir uns auch bescheiden müssen, dasselbe zu verehren. Täglich sterbend für Christus hat er nicht nur Ein Kreuz erduldet, nicht nur Einen Tod bestanden, sondern hat unzähligen sich unterzogen. Denn jeder Tag seines Aufenthalts in der Einöde ist gleichsam mit einem Martertode bezeichnet. Der Himmel ist sein Dach, die Luft sein Kleid, die thierische Nahrung seine Speise (Coelum habens pro tecto, aërem pro vestimento, pecorinum victum pro cibo humano).« – Als der Diener Gottes sich dem Tode nahe fühlte, empfing er die heil. Sterbsacramente, worauf er sogleich (im J. 1137 oder 1138) im Herrn entschlief. Seine Grabstätte, die durch viele Wunder leuchtete, empfing er zu Maria-Münster bei Luxemburg. Auch im Dorfe Slebusrode, unweit Cöln, wurde ein Heiliger dieses Namens verehrt und vorzüglich gegen Hautkrankheiten angerufen. Ob es nun wirklich ein anderer Gezzellu ist oder nicht, ist unentschieden. Da er keinen ständigen Wohnort hatte, ist zu vermuthen, daß es der nämliche sei, weil auch sein Todestag in den Martyrologien gleichfalls auf den 6. August gesetzt ist. (II. 172.)