Gundecharus, S.

[579] S. Gundecharus, Ep. (2. Aug. al. 27. Juni). Der sel. Gundechar II., der 18. Bischof von Eichstätt in Bayern, auch Gunzo, Gundecar, Gundakar, Gundacker, Gundecard, Guntacar, frz. Gondechar genannt, wurde nach seiner eigenen Angabe am Feste des hl. Laurentius (den 10. August) geboren und zwar im Jahr 1019, in welchem Jahre Gundekar I., der 13. Bischof von Eichstätt, gestorben ist. Da unser sel. Gundechar, der in seiner Demuth sich nur als »Sünder« bezeichnet, von seiner Herkunft nichts Näheres angibt, indem er, wie Peter Bosch sich schön ausdrückt, lieber demüthig als adelich seyn wollte, so wissen wir über seine Familie nicht mehr, als daß sein Vater Reginher, seine Mutter Irmingart und seine Schwester Tuta hieß; denn in seinem Pontificale sind ihre Namen mit ihren Todestagen am 7. Juli, 21. Oct. und 21. Nov. verzeichnet,138 während den Bollandisten (Aug. I. 178) der Name seiner Mutter nicht bekannt ist, wie er auch bei Raderus (II. 206) als unbekannt bezeichnet wird. Wenn dagegen Rader (l. c.), und nach ihm Butler (XX. 139) und Andere, ihn aus fürstlich Nassauischem Geblüte entsprossen seyn lassen, weil die Gemahlin des Grafen Otto I. von Scheyern, welche auch Tuta hieß und nach Rader's Vermuthung Gundekarts Schwester gewesen seyn soll, eben daher stammte; so müssen wir dieses mit den Bollandisten bezweifeln und vielmehr mit Suttner bemerken, daß die bloße Gleichheit des Namens nicht berechtigt, ohne alle urkundlichen Beweise eine derartige Behauptung aufzustellen. Da er übrigens einige Zeit am Hofe des Kaisers Heinrich III. lebte und dessen unbegränztes Vertrauen genoß, auch der Hofkaplan und Gewissensrath seiner kaiserlichen Gemahlin Agnes war; so scheint er doch von höherer Abkunft gewesen zu seyn, jedenfalls eine vortreffliche Erziehung erhalten zu haben. Da ferner eine zeitgenössische Quelle sagt, daß er in Eichstätt, welches von Vielen irrig für das alte Aureatum139 gehalten wird, von Kindheit auf unterrichtet und erzogen worden sei, so läßt sich annehmen, daß man hier oder doch in der Nähe auch den Ort seiner Geburt zu suchen habe. Nach Suttner gehörte er wahrscheinlich der Verwandtschaft der nachmaligen Grafen von Hirschberg an, welche sich eben damals von Bayern herauf über das Bisthum Eichstätt ausbreitete und als Lehensträger der Diöcese durch die Bischöfe aus dieser Familie nachmals [579] den größten Einfluß im Eichstättischen erhielt. Nachdem er den Geistlichen Stand gewählt hatte, wurde er bald in die Zahl der Domherren von Eichstätt aufgenommen und kam dann im J. 1045, da sein Verwandter Engilbert zum Bischof von Paßau erhoben wurde, an seiner statt als Hofkaplan zur Kaiserin Agnes, der Mutter des Kaisers Heinrich IV., die ihn wegen seiner vorzüglichen Eigenschaften sehr hoch schätzte, und bei welcher er auch 12 Jahre verweilte. Das kaiserliche Hoflager war eben zu Tribur (jetzt ein Flecken in Hessen-Darmstadt), als die Nachricht von dem Tode des Papstes Victor II. eintraf, welcher am 28. Juli 1057 in Arezzo gestorben war. Mit seinem Tode war nicht blos der Stuhl des hl. Petrus, sondern auch der des hl. Willibald erlediget; denn Bischof Gebhard hatte das Bisthum Eichstätt beibehalten, da er drei Jahre vorher nach Rom zog und als Victor II. den päpstlichen Stuhl bestieg. Sogleich dachte nun Kaiser Heinrich IV. an seinen Hofkaplan Gundekar und investirte ihn – wohl unter Beirath und Zustimmung der eben anwesenden Erzbischöfe Luitpold von Mainz und Wido von Mailand, dann der Bischöfe Günther von Bamberg und Anselm von Lucca – nach damaligem Brauche mit dem Ringe auf das Bisthum Eichstätt am 20. August 1057. Mit großer Freude hatte der Klerus und die Ritterschaft des Bisthums Eichstätt diese Wahl vernommen, und sie begaben sich sofort nach Speyer, wohin der kaiserliche Hof von Tribur aus gezogen war, und wo der sel. Gundekar in Gegenwart von vier Erzbischöfen und 10 Bischöfen, dann vieler Aebte und Geistlichen, am 5. October durch Ueberreichung des Stabes belehnt wurde. Am 17. Oct. wurde er in Eichstätt inthronisirt und am 27. Dec. zu Pölte140 (bei Herzberg) wahrscheinlich von dem Erzbischof Luitpold von Mainz als seinem Metropoliten consecrirt. Bei der Consecration war außer drei Erzbischöfen und neun Bischöfen auch der Cardinal-Legat Hildebrand, der nachmalige Papst Gregor VII. Auch König Heinrich IV. wohnte der glänzenden Feier bei mit seiner Mutter Agnes, welche die Kosten derselben bestritt, als gälte es der Ehre eines geliebten Sohnes. Was nun der hl. Gundekar als Bischof von Eichstätt zunächst in Angriff nahm, war die Herstellung einer festen Liturgie. Er ließ also ein Pontificale anfertigen, dem er den Ordo Romanus zu Grunde legte. Dasselbe ist aber kein bloßes Rituale, sondern eine sehr wichtige Geschichtsquelle, indem er die Reihenfolge seiner Vorfahren mit deren Bildnissen, sowie die wichtigsten Amtshand lungen während seiner Verwaltung in dasselbe aufgenommen hat. Unter diesen nehmen seine vielfältigen Reisen in allen Theilen Deutschlands eine vorzügliche Stelle ein. Auf diesen Reisen weihte er 126 Kirchen nicht blos in seiner Diöcese, sondern auch außer halb derselben. Die Pracht des Hauses Gottes, seine Tempel und Altäre beschäftigten ihn beinahe ununterbrochen während der 18 Jahre seiner bischöflichen Amtsführng. Er vollendete den Bau der Domthürme und baute an die Kathedrale eine Kapelle zu Ehren des hl. Evangelisten Johannes, die er zu seiner Grabkapelle bestimmte. Auch am Dom richtete er die verfallenen Theile wieder auf, worunter ein sehr schöner Altar im Chore, ein anderer zu Ehren des Erlösers, und ein dritter in der Kapelle der hl. Maria und des hl. Evangelisten Johannes genannt weren. Die Consecration der Domkirche und des Hochaltars erfolgte am 28. Oct. 1060. Am 4. Nov. ward ein Altar zu Ehren des hl. Ulrich und der hl. Gunthildis geweiht. Außer ihnen weihte er noch die Altäre der hl. Apostel Petrus und Paulus, des heil. Kreuzes, des heil. Bonifacius und des hl. Vitus (in der Krypta). Sein ganzes Vermögen gehörte, den Kirchen, den Priestern, den Armen. Mit seinen 48 Kanonikern lebte er, nach dem Ausdrucke einer kurz nach seinem Tode verfaßten Urkunde, nicht wie ihr Gebieter, sondern wie ihr sehr gütiger Vater. Leider sind keine Acten auf uns gekommen, welche uns über Gundekar's Verhalten während des Schisma's unter Alexander II. und dem kaiserlichen Papst Honorius II. (früher Bischof Cadolaus von Parma) Nachricht gäben. Suttner vermuthet, wohl mit Recht, er habe zu dieser Zeit, »sich zurückziehend von den kirchlichen und politischen Wirren, einzig der Berwaltung seines Bisthums gelebt«. Auf dem Concil zu Mainz im J. 1071 unterschrieb er mit das Urtheil, welches die dort versammelten Bischöfe gegen den simonistischen Bischof [580] von Constanz aussprachen. Einige Jahre vorher (im J. 1065) hatte er der Einweihung der Domkirche von Augsburg und am 8. Sept. 1071 jener der dortigen St. Ulrich- und Afrakirche beigewohnt. Am 8. Juli 1074 weihte er noch den neuen St. Kilians-Altar in der Krypta der Domkirche und ließ am 16. Juli darauf vom Bischof Embricho von Augsburg den St. Willibalds-Altar in derselben Krypta weihen. Dann schrieb er in sein um diese Zeit vollendetes Pontificale141 eigenhändig noch zwei Kirchen ein, welche er weihte, und starb endlich am 2. Aug. 1075, acht Tage vor dem 56. Jahrestage seiner Geburt, zu der Zeit, als der große Kampf zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. dem Ausbruche ganz nahe war. Der sel. Gundekar hat im Bisthume Eichstätt eine beinahe ununterbrochene Verehrung genossen, obwohl er nie förmlich heilig oder selig gesprochen wurde, was auch die Ursache sein mag, daß sein Fest lm Proprium von Eichstätt sich nicht findet. Da die Bollandisten ihn in keinem Heiligen-Verzeichnisse fanden, so zweifelten sie anfangs, ob er überhaupt »heilig« oder »selig« zu nennen sei. Nachdem sie aber authentische Acten aus Eichstätt erhalten und daraus ersehen hatten, wie sein Leib schon im J. 1309 von dem 39. Bischof Philipp von Eichstätt feierlich erhoben ward; wie er schon vor, besonders aber nach dieser Erhebung in öffentlichen Urkunden bald »deing«, bald »selig« genannt wird und auch stets die entsprechende Verehrung genoß; wie sie namentlich Kenntniß erhielten von den vielen Wallfahrten, welche von allen Seiten zu seinem Grabe stattfanden, sowie von der Lichtstiftung, welche Kaiser Ludwig der Bayerim J. 1319 zur Kapelle »des hl. Bischofs Gundekar« machte: so nahmen sie keinen Anstand, ihm den Titel »selig«, der am häufigsten verkommt, zu geben, besonders da sie sich auch von den vielen, auf seine Fürbitte gewirkten Wundern überzeugten, von welchen sie am Schlusse ihrer Abhandlung (Aug. I. 184–189) nicht weniger als 51 anführen. In Eichstätt findet sich nach Suttner noch Mehreres vom sel. Gundekar Das Vorzüglichste ist das schon oben bezeichnete, aus 210 Pergamentblättern bestehende Pontificale, welches derselbe als ein Weihegeschenk für seine Kirche schreiben ließ. Es wurde drei Jahre vor seinem Tode vollendet, erhielt aber noch spätere Zusätze. Den Anfang des Pontificale bildet ein Kreuz, welches abwechselnd mit rothen und schwarzen Buchstaben geschrieben und eine Nachbildung des silbernen, mit Reliquien ausgefüllten Kreuzes ist, das er als Brustkreuz (Pectorale) bei der Feier der heil. Messe trug und dann der St. Johannes-Kapelle schenkte. Seit dem Jahr 1731, wo es nach den Bollandisten (Aug. I. 180) noch gezeigt wurde, ist keine Nachricht mehr davon vorhanden. Dagegen finden sich dort als die ehrwürdigsten Reliquien noch seine heil. Gebeine. Es wurde schon oben bemerkt, daß er zu Ehren des hl. Apostels und Evangelisten Johannes, an dessen Festtag er zum Bischof geweiht worden war, an der Südseite des Domes eine mit der Hauptkirche in Verbindung stehende Kapelle gebaut hatte, in welcher er denn auch seinem Wunsche gemäß begraben wurde. Dorthin zog nun alle Jahre nach der Vesper des St. Stephanstags, als am Vorabende des hl. Johannisfestes, der Bischof mit dem Kapitel und dem Stadtklerus in feierlicher Procession mit brennenden Kerzen in der Hand zum Grabe des »Heiligen«. Da an demselben die Wunder sich vermehrten, so wurde am 14. Sept. 1309 vom Bischof Philipp sein heil. Leib aus der Erde gehoben und in ein steinernes Monument gelegt, von welchem bei den Bollandisten (Aug. I. 176) eine getreue Abbildung sich findet. Bei dieser Erhebung zeigte sich ein wunderbarer, später wieder versiegender Oelfluß, ähnlich wie beim Grabe der hl. Walburga in Eichstätt heute noch ein solcher fortdauert. Als im J. 1634 die Schweden Eichstätt plünderten und in Brand steckten, zerbrachen sie auch den Deckel des Sarges des sel. Gundekar, in der Meinung, dort Schätze zu finden. Da sie keine fanden, ließen sie die Reliquien unberührt; aber die St. Johannes-Kapelle wurde dann in eine Sacristei verwandelt. Bei dieser Gelegenheit wurde Gundekarts Grabmonument, welches mitten[581] in der Kapelle stand, mit einer Bretterverkleidung umgeben, um eine Tafel zum Anlegen der kirchlichen Kleider für die Priester zu gewinnen. Gerade hiedurch kam das Grab in Vergessenheit und ward erst im J. 1697 zufällig wieder entdeckt. Man untersuchte die Reliquien, fand sie vollständig und bewahrte sie einstweilen in der obern Sacristei auf, bis sie endlich am 4. Juni 1731 feierlich transferirt und wieder in den steinernen Sarkophag eingeschlossen wurden. Laut einer am Grabe hängenden Tafel, welche im J. 1845 entfernt wurde, feierte man sein Fest am 27. Juni, obwohl auch Suttner für diesen Tag einen andern Grund nicht angeben kann, als daß sich derselbe vielleicht auf die Translation bezogen habe. Nachdem der sel. Gundekar 733 Jahre dort geruht hatte, wurde er durch die Säcularisation entfernt. Als nämlich im J. 1808 die Pfarrei U. L. Frau in die Domkirche auszog und die St. Johannes-Kapelle als Sacristei angewiesen erhielt, wurde das Monument, übrigens ohne alle Feierlichkeit und blos von Maurern, in die Domkirche übertragen. Da man nicht wissen konnte, ob bei dieser Versetzung nicht etwas geschehen sei, was die Aechtheit der Reliquien in Frage stellen konnte, so wurde der Sarg auf Betreiben des damaligen Eichstättischen Domcapitulars Dr. Ign. Senestrsy, jetzigen HH. Bischofs Ignatius von Regensburg, am 6. Aug. 1855 von dem gegenwärtigen HH. Bischof Georgius v. Oettl von Eichstätt in Gegenwart des Domcapitels und anderer Zeugen geöffnet, wobei sich die Gebeine in dem nämlichen Zustande befanden, in welchem sie nach den in den Jahren 1697 und 1731 stattgehabten Erhebungen sich befunden hatten. Nachdem die Vorarbeiten beendigt waren, wurden die heil. Reliquien am 9. Aug. 1856 in feierlicher Procession in Anwesenheit des Klerus und Volkes zur Grabstätte im nördlichen Seitenschiffe der Domkirche zurückgetragen, in den bleiernen Sarg sammt der entsprechenden Urkunde wieder eingelegt, die darüber gelegte Glastafel versiegelt, und das Ganze mit dem großen steinernen Deckel wieder geschlossen etc. Bei den Bollandisten findet sich der hl. Gundekar am 2. August und zwar mit einer sehr ausführlichen Lebensbeschreibung. (I. 175–189.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 579-582.
Lizenz:
Faksimiles:
579 | 580 | 581 | 582
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon