[50] 6S. Irenaeus, Ep. M. (28. Jun. al. 23. Aug.). Dieser hl. Irenäus, Bischof von Lyon, der zweite dieses Sitzes, der auch als Erenaeus, Hireneus, Hiereneus, Hyrenaeus und Ireneus gefunden wird, war nach W.W. (K.-L. VI. 681) geboren um das J. 120 (nach Andern 140) und zwar in Kleinasien, nach einem alten Brevier in der Nähe von Smyrna. In seiner Jugend genoß er den Unterricht mehrerer apostolischer Männer, unter denen Hieronymus den hl. Bischof Papias von Hierapolis in Phrygien nennt, er selbst aber den hl. Bischof Polycarp von Smyrna, einen Schüler des hl. Apostels Johannes, mit besonderer Verehrung als denjenigen hervorhebt, dessen Worte er nicht auf Papier, sondern in sein Herz geschrieben habe. Seine Schriften beweisen, daß er nicht allein die christliche Lehre, sondern auch die profane Wissenschaft, namentlich die Mythologie und die verschiedenen philosophischen Systeme, die unter den Heiden im Schwunge waren, in umfassender Weise kennen lernte. Sein gründliches Forschen setzte ihn in den Stand, jeden Irrthum in seiner ganzen Blöße darzustellen und dessen Quelle aufzudecken. Darum sagt Tertullian, wo er von ihm redet, daß Niemand mehr nachgeforscht habe, als er, um sich in allen Lehrmethoden zu unterrichten. Hieronymus beruft sich oft auf seinen Ausspruch; Eusebius lobt seine Gründlichkeit; Epiphanius nennt [50] ihn einen sehr gelehrten, beredten und mit allen Gaben des hl. Geistes ausgeschmückten der gallikanischen Kirche. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts finden wir den hl. Irenäus als Priester des hl. Pothinus, ersten Bischofs von Lyon. Im J. 177, unter Marcus Aurelius, brach in Gallien eine heftige Christenverfolgung aus; der hl. Bischof Pothinus selbst wurde mit vielen seiner Diöcesanen eingekerkert. Diese Martyrer verloren aber selbst im Kerker das Wohl der Kirche nicht aus den Augen und richteten Briefe an die durch den Montanismus bedrohten kleinasiatischen Gemeinden und in derselben Angelegenheit ein Schreiben an den hl. Papst Eleutherius7 mit dessen Ueberbringung unser hl. Irenäus beauftragt wurde, der darin als »ein Eiferer für das Testament Christi« dem Papste empfohlen wird. Daß er diesen Auftrag ausgeführt habe, heißt es bei W.W. (V. 819), wird von Einigenbezweifelt, scheint aber nach der Angabe des hl. Hieronymus sicher zu seyn und ist um so wahrscheinlicher, wenn man mit Massuet und Andern annimmt, daß er erst nach des hl. Pothinus Tod nach Rom gereist sei, zugleich in der Absicht, um sich zum Bischof weihen zu lassen. – Irenäus leitete als Nachfolger des hl. Pothinus die Diöcese Lyon gegen 25 Jahre (177–202). Späteren Nachrichten zufolge schickte er von Lyon aus Missionäre in die benachbarten noch heidnischen Gegenden, namentlich den hl. Priester Ferreolus2 und den hl. Diakon Ferrutio nach Besançon, sowie den hl. Priester Felix72 und die hl. Diakonen Fortunatus28 und Achilleus2 nach Valence. Daß er seine Thätigkeit nicht blos auf seine Diöcese beschränkte, davon zeugt uns ein Brief an Papst Victor. Um eine Einheit in der ganzen Kirche in der Feier des Osterfestes herbeizuführen, hatte dieser allen Bischöfen geboten, die römische Praxis anzunehmen. Mehrere Provincial-Concilien, auch eine von Irenäus versammelte gallische Synode, sprachen sich für diese aus; aber Bischof Polykrates von Ephesus und viele kleinasiatische Bischöfe weigerten sich, von ihrer alten, angeblich von den Aposteln überkommenen Gewohnheit abzugehen, und wurden nun dafür vom Papste excommunicirt. Diese Maßregel schien vielen Bischöfen zu hart; auch Irenäus schrieb darüber um das J. 196 an den Papst und hielt ihm das tolerante Verfahren seiner Vorgänger bei dieser blos die Disciplin berührenden Abweichung als Beispiel vor, und Victor scheint za seyn. Im J. 202 brach die Christenverfolgung des Septimius Severus aus, welche besonders heftig in Gallien wüthete. Da dieser Kaiser vorhin Statthalter von Lyon war und mit eigenen Augen den blühenden Zustand der Kirche jener Stadt gesehen, sind Einige der Meinung, er habe besondere Befehle gegeben, daß man gegen deren Glieder vorzüglich mit außerordentlicher Strenge verfahren solle. Als Opfer dieser Verfolgung fiel auch der hl. Bischof Irenäus; indessen fehlen über die nähern Umstände seines Martyriums verbürgte Nachrichten. Das Mart. Rom. gibt den 28. Juni als seinen Geburtstag fürs ewige Leben an. Die Griechen verehren ihn am 23. August. Das Jahr seines Hintrittes wird verschieden angegeben. Weißbacher und Möhler nennen mit Berufung auf Baronius das Jahr 205; nach Ruinart wäre er um das J. 203 gestorben, nach den Bollandisten aber (V. 336) im J. 202 oder 207. Der hl. Erzbischof Ado1 von Vienne erzählt in seiner Chronik, daß der hl. Irenäus mit einer großen Menge Christen den Martyrtod litt; nach einer alten in Versen verfaßten Inschrift in der nach ihm benannten Kirche zu Lyon belief sich die Anzahl seiner Leidensgenossen auf 19,000. Der hl. Gregor von Tours berichtet, daß Irenäus in kurzer Zeit beinahe alle Einwohner Lyons bekehrt habe, die auch großen Theils Theilnehmer seiner Kämpfe gewesen, so daß Ströme von Blut geflossen seien. Nach Ado hätte der Priester Zacharias den Heiligen zwischen den Martyrern Epipodius und Alexander37 zur ewigen Ruhe bestattet. Seine Ueberbleibsel kamen in eine um das J. 480 von dem Lyoner Bischof Patiens gebaute Kirche, die den Namen des hl. Johannes, nachher aber den unseres Heiligen trug; sie wurden im J. 908 wieder aufgefunden, aber im J. 1562 von den Calvinisten zerstreut, jedoch das ins Wasser gefallene Haupt gerettet, welches sich dann nach Bruzen (VI. 1997) in der, der Primatialkirche zum h. Johannes dem Täufer nahe gelegenen St. Stephanskirche befand. – Der hl. Irenäus gehört zu den bedeutendsten und wichtigsten kirchlichen Schriftstellern der ersten Jahrhunderte. Sein Hauptwerk sind seine »fünf Bücher gegen die Ketzer« in griechischer Sprache geschrieben, wovon aber nur [51] eine, lateinische Uebersetzung auf uns gekommen ist, die noch zu des Verfassers Lebzeiten ist nach W.W. (V. 821) nicht allein die Hauptquelle für die Kenntniß des Gnosticismus, sondern liefert auch die schönsten Beweisstellen für die meisten katholischen Dogmen. Was die ethische Seite betrifft, so findet sich über dieselbe bei W.W. (VII. 297) das Urtheil ausgesprochen: »Im Gegensatze zu den überschwänglichen Speculationen der Gnostiker drängt er mit aller Entschiedenheit auf das praktische Leben und zeichnet sich überhaupt durch strengkirchliche Haltung aus. Indem er die praktische Seite am Christenthum hervorhebt, ist er weit davon entfernt, in eine moralisirende Tendenz zu verfallen, vielmehr führt er das Sittliche überall auf das christliche Dogma und die Heilsthatsachen zurück in ächt positiver Weise. Ebenso weist er das Philosophische im Verhältniß zum Christlichen in die angemessenen Schranken zurück, ohne dabei der Speculation, in der er selbst Meister ist, den Abschied zu geben etc.« Die älteste Ausgabe der Werke des hl. Irenäus ist die Basler vom J. 1526, eineneueste dievon Prof. Dr. Stieren in Leipzig. In welch' hohem Ansehen Irenäus bei den spätern Vätern stand, beweisen die vielen Citate aus seinen Schriften und die ehrenvollen Ausdrücke, in welchen sie von ihm sprechen, wie oben angedeutet wurde. Nach Migne (Dict. icon.) wird er als Bischof abgebildet, wie er neben dem Altare ermordet wird. – Nach Ruinart sind seine Acten verloren gegangen. Dieses sagen auch die Bollandisten, welche ihn am 28. Juni (V. 335) behandeln und später (VI. 264–271) noch einige Nachträge geben, in welchen unter Anderm vorkommt, daß er vom hl. Polykarpus nach Lyon (Lugdunum) gesendet und am Ende dortenthauptet worden sei. (V. 335–349.)
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