[409] 909Johannes Gersen de Canabaco, (27. Nov. al. 3. Juli), Abt des Benedictiner Klosters St. Stephan zu Vercelli in Piemont, stammte, wie man glaubt, und wie auch sein Name Gersen (Gerzen) anzudeuten scheint, aus einem deutschen Geschlechte, welches wahrscheinlich mit den deutschen Kaisern nach Italien kam und dort sich ansiedelte. Nach Einigen wäre er aus der adeligen Familie von Rohrbach, welche nach Zedler (32, 571) schon im Jahr 934 genannt wird, besonders aber vom 12. Jahrhunderte an in Bayern blühte und ihr Stammhaus in dem oberbayerischen Orte Rohrbach (Cannabacum) an der Ilm in der Diöcese Augsburg hatte. Nach Bucelin, der unsern Johannes am 27. Nov. als ehrwürdig erwähnt, wäre derselbe de Canabacco, vulgo Cavaglia, einem Flecken bei Vercelli gewesen, wo sich diese deutsche Familie vielleicht niedergelassen haben mochte113. Er war geboren am Ende des 12. Jahrhunderts, und nachdem er dem klösterlichen Leben sich zugewendet, wurde er Abt von St. Stephan, welches Kloster er von 1220–1240 mit großem Segen leitete. Durch seine Weisheit, Gelehrsamkeit und Frömmigkeit war er so berühmt, daß nach Bucelin der hl. Franciscus von Assisi seine ausgezeichneten Schüler, den hl. Antonius21 von Padua und den Adamus12 von Marisco, in seine Schule sendete, wo sie auch wirklich viel gewannen. Nach Lechner, der ihn auf den 3. Juli setzt, wird unser, Johannes im Codex Cavensis abgebildet als Benedictiner-Mönch mit einem Kreuz in den Händen. Er wird von Vielen als der wahre Verfasser des hochberühmten, in alle Sprachen übersetzten und in mehr als 2000 verschiedenen Ausgaben erschienenen Buches »von der Nachfolge Christi«114 bezeichnet, und es sprechen auch wirklich gewichtige Gründe für ihn, welche in Weigl's »Denkschrift« über diesen Gegenstand (Sulzbach, 1832) zusammene gestellt sind, obwohl auch viele Gründe, die bei W.W. (X. 932 ff.) sich finden, für den regulirten Augustiner Chorherrn Thomas Hämmerken von Kempen sind, dem das Buch gewöhnlich zugeschrieben wird. Gewiß [409] ist, daß der Name unseres Abtes Johannes Gersen, den er selbst übrigens seinem Werke nicht beigesetzt hat, in mehreren alten Handschriften der »Nachfolge Christi« steht, und wenn die von Weigl (S. XXIII.) angeführte Notiz des Ritters der Ehrenlegion, Caspar de Gregory, richtig ist, woran wir zu zweifeln keine Ursache haben, daß nämlich ein Joseph de Advocatis in Italien seinem Bruder Vincentius einen von seinen Voreltern ererbten kostbaren Codex von der »Nachfolge Christi« zum Zeichen seiner brüderlichen Liebe bei einer am 15. Febr. 1349 geschehenen Gütertheilung geschenkt habe; so würde dieser Umstand jedenfalls gegen Thomas von Kempen sprechen, da dieser erst im J. 1379 oder 1380 (also 30 Jahre nach jener Theilung) geboren wurde. Doch wir können hier in den großen, seit Jahrhunderten hierüber geführten Streit nicht weiter eingehen, sondern wollen nur das Resultat anführen, zu welchem Weigl durch seine Untersuchungen gekommen ist, daß nämlich unser Abt Johannes Gersen von Rohrbach der wahre Verfasser des bezeichneten Buches sei, Thomas von Kempen aber dasselbe öfter abgeschrieben und in Deutschland verbreitet, sowie der Kanzler Johannes647 Gerson (geb. 1363), der es während seiner Verbannung in Deutschland kennen lernte, es ins Französische übersetzt und so nach Frankreich gebracht habe, wenn nicht etwa, wie Andere meinen, eine bloße Verwechslung der beiden, einander so ähnlichen Namen diesen berühmten Pariser Kanzler mit dem weltberühmten Buche in Verbindung gebracht hat. Daß ein Deutscher der Verfasser dieses »goldenen Büchleins« sei, erhellt ganz klar aus den vielen Germanismen115, die im, lateinischen Originale sich finden, welches wohl absichtlich in ganz einfachem, ungeschmücktem, allgemein verständlichem Style geschrieben ist. Wenn übrigens der Verfasser in seinem Buche (I. 5, 1) sagt: »Frage nicht, wer das gesagt habe, sondern merke auf das, was da gesagt wird,« und hiedurch in seiner Bescheidenheit wohl den Wunsch, verborgen zu bleiben, zu erkennen gibt, so scheint dieser eine volle Gewißheit über die Autorschaft dieses nach der heil. Schrift am meisten geschätzten Buches zur Zeit wohl doch noch nicht erreicht seyn dürfte, obwohl auch der Franzose Migne bemerkt, daß die neuesten Arbeiten über den Urheber dieses Hauptwerkes der Asketik kaum einen Zweifel übrig lassen, daß es der Abt Johannes Gersen sei. †