Johannes, S. (146)

[262] 146S. Johannes, (22. al. 19. Oct.), ein Abt und Bekenner zu Rylo, einem Dorfe in Bulgarien, dessen Fest eigentlich am 19. Oct. trifft, am 22. Oct. aber von dem Neo-Bollandisten Victor de Buck aus dem Grunde behandelt wurde, weil Papebroch in seinen griechisch-russischen Tafeln (Maji I. XLIX.) ihn an diesem 22. Oct. angibt. Papebroch selbst kannte ihn aber noch nicht, sondern nahm ihn für Johannes868 Chozebita, welcher am 28. Oct. im Elenchus steht. Dagegen hatten die Neo-Bollandisten von dem russischen Jesuiten P. Joh. Martinof viele Notizen über ihn und auch eine Vita erhalten, wonach sich Folgendes sagen läßt: Unser hl. Johannes mag etwas vor der Mitte des 9. Jahrhunderts geboren seyn und erreichte ein Alter von mehr als 100 Jahren. Sein Geburtsort ist in Bulgarien, doch scheint sein Vater, der ein sehr frommer Christ war, kein Eingeborner dieses Landes gewesen zu seyn. In dem Dorfe Scrin bei Sofia (Triaditza, Sredetz, lat. Sardica, auch Stralizia) erblickte der Knabe zuerst das Licht der Welt. Nachdem seine Eltern das Zeitliche gesegnet hatten, vertheilte er das Wenige, was von ihrem nicht großen Besitzthume ihm zum Eigenthum geworden war, unter die Armen und begab sich in ein Kloster. Nach einiger Zeit ging er auf einen ihm in einem Gesichte gewiesenen Berg, wo er sich aus Zweigen eine Hütte baute. Diese Hütte vertauschte er später mit einer Höhle, vielleicht der Kälte wegen, da Bulgarien, wie der Bollandist angibt, sehr rauh ist und strenge Winter hat. Sein Leben fristete er nach Art der Einsiedler überhaupt mit Kräutern, Waldfrüchten und Wasser. Von Räubern vertrieben, die sich seiner Höhle zu ihrem eigenen Gebrauche bemächtigten, kam er von da in eine abgelegene, düstere Gegend bei einem Dorfe, welches Rylo heißt. In jener einsamen Gegend liegt noch heut zu Tage das Kloster »Sveti Otatz,« d.i. das Kloster »des heiligen Vaters,« welches von diesem hl. Abte Johannes den Namen hat. Es ist gelegen in einem Thale des Ryloberges (Rylo-Dagh), der zur Provinz Despoto-Dagh (das alte Rhodope) gehört. Zuerst wohnte er in einem hohlen Baume, dann aber, um dem zahlreichen Zulauf des Volkes, wie z.B. der hl. Hilarion7 zu entgehen, auf einem steilen Felsen, wo er der Kälte und der Hitze trotzte. Dort erhielt er, da der hl. Mann fortan immer mehr bekannt wurde, und sein Ruf manchen Besuch herbeizog, beiläufig im J. 939 einen solchen Besuch von dem Bulgarenkönig Petrus, welcher von 927 bis 969 regierte und viel Trauriges erlebte (vgl. Pierer VI. 6) Der König aber fand den hohen Felsen für seine Person zu steil, den zwei jungen Männern aber, die der König an den hl. Eremiten absandte, damit derselbe seinestheils herabkommen möchte, willfuhr der Heilige nicht, so daß also Peter wieder traurig von dannen ziehen mußte, ohne das ehrwürdige Antlitz gesehen zu haben. Der Heilige aber lebte dort noch 7, im Ganzen daselbst an 60 Jahre, und es [262] sammelten sich um ihn viele Schüler, welche eine Kirche und ein Kloster an jener Stelle gründeten. Dasselbe erlitt namentlich unter der Herrschaft der Türken üble Schicksale; immer aber wurde es wieder aufgebaut, da die Türken Pilger und Mönche bedürfen, um von ihnen Geld zu erpressen. Erst vom Jahre 1835 bis 1837 wurde es von Grund aus neu gebaut; die Kirche wurde im J. 1839 fertig. Der Bau kostete gegen eine Million Francs, die größtentheils durch Collecte in Rußland erworben wurde. Die Reliquien des Heiligen, welcher am 18. August 946 seinen frommen Lauf endete, besitzt aber das Kloster nicht; es ist auch, wo sie seien, nicht anzugeben. Der hl. Leib fand die Ruhestätte im Kloster, kam dann, weil der Heilige in einer Erscheinung es selber so gebot, nach Sofia (Triaditza, Sredetz, Sardica) in die Kirche des hl. Evangelisten Lukas und wurde darauf von den Ungarn, deren König Stephanus II. mit dem griechischen Kaiser Johannes Comnenus II. einen Krieg siegreich führte, bei der Plünderung Sofia's mit erbeutet und nach Gran (lat. Strigonium, slavisch Ostrogom, ungarisch Esztergom) im J. 1128 abgeführt, wo er in der Kirche des hl. Adalbert beigesetzt wurde. Doch schon im J. 1137 sandte ihn König Bela II. im prächtig mit Gold und Silber verzierten Schranke nach Sofia zurück. Um das J. 1226 nahm ihn hierauf der Bulgarenkönig Johannes Asanes II. (reg. 1215–1241) nach Ternova oder Tirnova (Ternobum) aus einem Feldzuge mit, von dem er über Sofia heimzog. Der bulgarische Patriarch Basilius († 1237) setzte ihn in Tirnova in einer eilfertig, also wahrscheinlich aus geringem Materiale aufgebauten Kirche bei. Dort ruhte nur unter fortwährend gewirkten Wundern der hl. Leichnam, dessen heutiges Dasein ganz in Frage steht. Den Heiligen verehren noch heut zu Tage alle Slaven, seien es österreichische oder russische oder türkische. (IX. 683–692.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 262-263.
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