[575] [575] 50S. Justus, (18. Oct.), ein 9jähriger Knabe und Martyrer bei Beauvais (Bellovacum) in der franz. Provinz Isle de France, Dep. Oise, zwischen Paris und Amiens, wurde schon bei S. Justinus13 erwähnt, und von ihm gesagt, daß seine Lebensgeschichte, wie sie ganz kurz in dem alten Beauvaiser Breviere vom J. 1618 sich findet, die ursprüngliche sei, die dann auf andere Heilige mit dem Namen Justinus und Justus übertragen wurde etc. Doch diese Erzählung selbst wurde mit der Zeit weiter ausgeführt, und so geben denn die Bollandisten am 18. Oct. (VIII. 338 ff.) nach zwei verschiedenen Handschriften eine doppelte »Passio S. Justi Pueri«, welche im Wesentlichen Folgendes enthält: Der hl. Justus war zu Auxerre (Autissiodorum) in der franz. Provinz Burgund von christlichen Eltern geboren und schon frühzeitig mit verschiedenen Gnaden, namentlich mit der Gabe der Weissagung, ausgezeichnet. Man zeigt nach den Boll. (330. nr. 32) dort in der Rue de temple noch das Haus, wo er geboren seyn soll. Seine Mutter hieß Felicia, sein Vater Justinus, der einen Bruder, Namens Justinianus, hatte, welcher als Knabe heimlich geraubt und in Amiens an einen Kaufmann, Namens Lupus, als Sklave verkauft worden war. Niemand wußte mehr etwas von demselben, bis endlich der hl. Justus als Knabe von 9 Jahren eine höhere Erleuchtung darüber erhielt, wo sein Onkel sich befinde, und wie er ihn retten solle. Er theilte dieses seinen Eltern mit, die jedoch seinen Planen Widerstand leisteten, aus Furcht, ihren einzigen Sohn auf dieser beschwerlichen Reise zu verlieren. Da er aber auf seinem Vorhaben bestand und dabei seinen Vater aufmunterte, ihn zu begleiten, entschloß sich dieser, der denn auch eine höhere Fügung darin fand, endlich zu dieser Reise, die er nun nach einigen Tagen mit seinem Sohne antrat. Auf dem Wege kamen sie nach Melun (Milido, Militunense castrum), wo sie mehrere Arme speisten, und der hl. Justus seine eigene Tunica an einen Bedürftigen verschenkte. In Paris wurden sie von einem frommen Manne, Namens Hippolytus freundlich beherbergt, dann auf der Weiterreise von einem brave Fährmann umsonst über den Fluß Oise (Isore, ara, Oesia) gesetzt und kamen so nach Amiens Ambianum), wo sie von dem Kaufmanne Lupus, der ein heimlicher Christ, war, und bei welchem Iustinianus sich befand, ebenfalls gütig aufgenommen wurden. Als sie ihm ihr Anliegen mittheilten und ihn baten, daß er ihnen ihren Verwandten gegen Lösegeld überlassen möchte, erklärte er gerne seine Einwilligung und stellte ihnen seine Diener vor, unter welchen der Knabe Justus sogleich seinen Oheim erkannte, während der Vater selbst seinen eigenen Bruder nicht mehr erkannt hatte. Inzwischen hatte der bekannte Christenfeind Rictiovarus, welcher als Präfect des Kaisers Diokletian in Trier viele Christen hatte hinrichten lassen und damals (im J. 287) eben in Amiens sich befand, durch seine Kundschafter davon Kenntniß erlangt, daß im Hause des Lupus Christen seien, und gab daher den strengsten Befehl, dieselben lebendig oder todt ihm zu bringen. Als Lupus dieses erfuhr, gab er seinen Gästen den Rath, noch während der Nacht sich auf den Weg zu machen, wobei er ihnen ihren Verwandten ohne Lösegeld überließ. Justus, Justinus und Justinianus traten daher sogleich die Rückreise an und kamen auf dem Territorium von Beauvais zu einem Orte, Namens Sinomovicus206, wo eine Quelle, Namens Syrique (Syrica) entspringt, die dann von dem Flüßchen Arre oder Aire (Araja) auf. genommen wird. Hier wollten sie sich mit Speise und Trank erquicken; aber Justus erkannte durch höhere Eingebung, daß nun die Verfolger kommen, und bat daher seinen Vater und Onkel, sich in der nahen Höhle zu verbergen. Kaum war dieses geschehen, so kamen vier von Rictiovarus abgesendete Reiter, und fragten den Knaben, wer er sei und wo seine Gefährten sich befinden. Da nun Justus freudig als einen Christen sich bekannte und seine Verwandten zu verrathen sich weigerte, wurde ihm von den Henkern das Haupt abgeschlagen, welches er dann in seinen Händen zu seinen Verwandten hingetragen haben soll, worauf die Henker erschreckt davon eilten. Dieses geschah am 18. Oct. 287. Justinus bestattete nun den Leib seines Sohnes, wie[576] er es selbst verlangt hatte, in einer nahen Höhle und brachte sein Haupt nach Auxerre zu seiner Mutter, welche dasselbe auf die Erzählung des Vaters freudig empfing und hoch verehrte. Dort blieb es verborgen, bis der hl. Amator5, welcher vom J. 388–418 Bischof von Auxerre war, dasselbe in die Kirche des hl. Symphorianus übertrug, die dann später den Namen des hl. Amator erhielt. Ein Theil desselben wurde nach den Bollandisten (329. nr. 28 f.) im J. 949 nach Corvey in Westphalen gebracht, während der übrige Theil um das J. 1163 in die Kathedralkirche von Auxerre kam etc. Sein Leib wurde, wie oben bemerkt, bei dem Flecken Sinomovicus nahe bei Beauvais in einer Höhle, wo sein Vater die Fundamente eines alten Gebäudes entdeckt hatte, einem Monumente übergeben, wo man dann später eine größere Kirche baute, bei welcher immer viel andächtiges Volk sich zusammenfand. Nach vielen Jahren (um das J. 851) wurde sein Leib nach Beauvais übertragen und in der Basilica des hl. Petrus beigesetzt, wo er von den Gläubigen noch verehrt wird. Im Beauvaiser Brevier vom J. 1828 steht sein Fest als dupl. maj. am 18. Oct. Aber auch nach dieser Uebertragung wurde der Ort seines Begräbnisses, der schon im J. 1051 von ihm den Namen St. Just (Villa S. Justi) trägt, nicht vernachläßigt. Es sendeten nämlich die Bischöfe von Beauvais anfangs einen Kaplan dorthin; später bauten sie dort ein Kloster, welches zuerst Canonici saeculares, dann regulares S. Quentini und vom J. 1147 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Prämonstratenser inne hatten, während jetzt keine Spur mehr von demselben übrig ist. Im J. 1674 wurde vom Bischofe Nikolaus von Beauvais ein ansehnliches Stück von einem Schulterbeine des hl. Justus dahin gegeben, während um das J. 866 einige Reliquien von ihm nach St. Riquier (Centula S. Richarii) in der Diöcese Amiens und um das J. 942 nach Poitiers (Pictavium) gekommen waren. Aber auch noch andere Orte rühmten und rühmen sich, größere oder kleinere Reliquien von unserm hl. Knaben und Martyrer Justus zu haben, so z.B. das ehemalige Kloster Malmedy (Malmundarium) im preußischen Regierungsbezirke Aachen, wo sein Haupt und sein ganzer Leib sich befunden haben soll; dann die Stiftskirche in Einsiedeln, wohin der nachmalige Bischof Hartmann I. von Chur bei einer Sendung nach Frankreich das Haupt und einige Reliquien des hl. Justus von Auxerre gebracht haben soll, während sein Haupt nach Andern in dem schweizerischen Dorfe Flumsim Canton St. Gallen sich befinden soll; ferner die niederländische Stadt Zütphen an der Yssel (Isala), wo man auch den Leib unsers hl. Justus, dessen Fest aber dort am 11. Oct. gefeiert wird, haben will, während sein Haupt in Trier seyn soll etc.; endlich Antwerpen, wo ein Theil des Hauptes unseres hl. Justus verehrt wird. – Während nun der Bollandist Carpentier (333. nr. 46) sich bezüglich dieser Reliquien auf die oben bei S. Justinus13 angeführte Aeußerung des Sollerius beruft, daß oft die Thaten eines Heiligen auf einen Andern übertragen wurden, und daß man namentlich die vielen hhl. Justinus und Justus leicht habe verwechseln können etc., bemerkt er besonders bezüglich des in Zütphen am 11. Oct. verehrten hl. Justus, daß dieser wahrscheinlich der hl. Justus51 von Arras sei, welcher mit dem hl. Artemius wirklich bei einigen Hagiologen am 11. Oct. vorkommt, während unser hl. Justus von Beauvais oder Auxerre immer nur am 18. Oct. verehrt wurde. Wie sehr übrigens die Verehrung unseres hl. Knaben Justus, der in so früher Zeit durch so großen Muth sich auszeichnet hat, verbreitet war, geht auch daraus hervor, daß in einem englischen Missale vom Anfange des 11. Jahrhunderts ihm zu Ehren am 18. Oct. eine Messe vorkommt, wo nicht blos in der ersten Oration, sondern auch sogar in der Präfation sein Glaubensmuth in einem so zarten Alter hervorgehoben wird. Daher konnte es um so leichter geschehen, daß, wenn man an andern Orten Reliquien eines hl. Justinus oder Justus hatte, derselbe im Laufe der Zeiten für den so berühmten hl. Justus von Beauvais gehalten oder ausgegeben wurde, ohne daß man deßwegen an eine absichtliche Täuschung zu denken hat. Im Mart. Rom. steht sein Fest ebenfalls am 18. Oct.; aber bei Butler haben wir von ihm nichts finden können. Vgl. übrigens S. Justinus13. (VIII. 323–342).