Kentigernus, S.

[602] S. Kentigernus, (13. Jan. al. 1. Juli), der erste Bischof von Glasgow (Glascua) in Schottland, auch Kentegernus, Kintigernus, Kentegrinus, im Altbritischen Kyndeyrn und vom Volke Mungho oder Monghu genannt, ist einer der beruhmtesten Heiligen der alten Kirche von Nord-Britannien. Er stammte vom königlichen Geschlechte der Picten, der ältesten Bewohner von Schottland. Seine Mutter soll nämlich Thames oder Thamis, eine Tochter des Pictenkönigs Loth, gewesen seyn. Nach Menzel (Symb. I. 249) sollen Engel ihr die Geburt ihres heil. Sohnes, welche um das Jahr 516 erfolgte, verkündet haben. Auch nach der von den Bollandisten nach Capgravius gegebenen Lebensbeschreibung hat seine Geburt unter wunderbaren und geheimnißvollen Umständen stattgefunden, von denen aber weder in der englischen, noch in der deutschen Ausgabe von Butler etwas erwähnt ist. Schon in seinem zartesten Alter wurde er der Leitung des hl. Bischofs Servanus von Culroß übergeben. Dieser soll ihn auch sammt seiner Mutter getauft, und dabei der Mutter den Namen Tanea, dem Knaben aber den Namen Kientier4, d.i. »Haupt-Herr« gegeben haben. Unter der Leitung des hl. Servanus machte er solche Fortschritte in allen Tugenden, daß er sich dir volle Liebe seines Lehrers und Aller, die ihn kannten, erwarb, weßwegen er den Beinamen Mungho, d.i. in der Landessprache »der innig Geliebte«, erhielt, welchen Namen er bei den Schottländern noch heute hat. Durch diese Bevorzugung aber erregte er den Neid seiner Mitschüler, welche ihm manche lose Streiche spielten, die er jedoch durch Wunder vereitelte. So hatte z.B. der hl. Servanus ein sehr zahmes Rothkehlchen (rubisca), welches er besonders liebte. Diesem schnitten seine Mitschüler den Kopf ab und schoben diese Unthat auf den abwesenden Kentigern, der aber dann den Vogel durch sein Gebet wieder lebendig machte, wie auch Papst Benedict XIV. in seinem Werke De Canoniz. (l. 4. p. 1. c. 21. nr. 6) erwähnt. Da aber seine Heiligkeit fortwährend Anfeindungen neidischer Brüder erregte, beschloß er, dem Winke des Herrn folgend, seine Schritte anderswohin zu lenken, wobei ein Fluß sich wunderbarer Weise theilte. Vergelens suchte ihn der hl. Servanus von seinem Vorhaben abzuhalten. Sich auf den Willen Gottes berufend, gab er dem hl. Servanus den Segen, welchen dann dieser erwiederte. Bald darauf starb der hl. Servanus in gutem Alter. Hierauf kam der hl. Kentigern an einen Platz, Namens Glasghu, wo er in großer Enthaltsamkeit lebte, bis endlich König und Volk von Cumberland (Cambria, Cumbria) ihn zum Bischof wählten, worauf er ausnahmsweise von einem einzigen aus Irland berufenen Bischofe die hl. Weihe empfing und seinen Sitz zu Glasgow nahm. Mit 25 Jahren Bischof geworden, setzte er seine strenge Lebensweise fort; er aß nur je den 3. oder 4. Tag und enthielt sich gänzlich des Fleisches, Weines und jedes berauschenden Getränkes. Seine Kleidung entsprach dieser Kost, sein Bischofsstab war ein gekrümmtes Holz etc. Mit bloßem Leibe sich in kaltes Wasser eintauchend sang er das ganze Psalterium. Der Stachel des Fleisches war in ihm ganz ertödtet. Sein Vermögen stand gänzlich im Dienste der Armen. Bei Celebration der hl. Geheimnisse ereigneten sich häufige Wunder mit ihm, indem z.B. öfter eine weiße Taube auf sein Haupt sich setzte oder eine leuchtende Wolke sein Haupt umgab etc. In der Fastenzeit zog er sich stets in die Einöde zurück und lebte blos von Wurzeln der Kräuter; am heil. Charfreitage züchtige er sich Tag und Nacht mit Ruthen. Dabei war sein Seeleneifer brennend; in seiner Diöcese wanderte er überall hin und [602] zwar, wie die Apostel, zu Fuße etc. Dabei sendete er mehrere seiner Mönche und Schüler als christliche Missionäre nach dem Norden von Schottland, namentlich nach den Orkney Inseln (Orcades), dann nach Norwegen (Norway) und Island. Seine Wunder sind so zahlreich und so außerordentlich, daß sie alle hier unmöglich aufgeführt werden können. Nur einige sollen erwähnt werden, weil in seinen Abbildungen darauf Rücksicht genommen wird. Da er auch Ackerbau betrieb und einmal keine Ochsen zum Ackern hatte, rief er im Namen des Herrn Hirsche aus dem Walde herbei, welche ihm den Pflug zogen und dann wieder in den Wald zurückkehrten. Da einmal ein Wolf einen dieser Hirsche tödtete, zwang er denselben, seine Stelle zu vertreten und mit dem andern Hirschen den Pflug zu ziehen. Ein anderes Mal hatte er all sein Getreide den Armen gegeben; da entschloß er sich, Sand in die Erde zu säen, die dann zur Zeit der Aernte den schönsten Waizen hervorbrachte etc. Einmal baute er eine Mühle, auf welcher man kein gestohlenes Getreide und an Sonntagen gar nichts mahlen konnte etc. Um mächtigen Feinden, die sich zu seinem Tode verschworen hatten, auszuweichen, begab er sich auf göttliche Mahnung in das engl. Fürstenthum Wales (Cambria, Wallia, frz. Galles), und zwar zuerst nach Menevia, dem heutigen St. Davids, so genannt vom hl. Bischof David1, mit welchem er einige Zeit lebte, bis ihm der fromme Cathwallain von Denbighshire im Norden von Wales am Zusammenflusse der Flüsse Elwy und Cluid ein Land schenkte, wo er ein berühmtes Kloster baute, das nach dem Flusse Elwy den Namen Llan-Elwy oder kurzweg Elgwy erhielt, in welchem bald eine große Menge von Schülern unter seine Leitung sich stellte. Man gibt ihre Zahl auf 965 an, welche in strenger Disciplin und bei wohl ausgetheilten Beschäftigungen in Gebet und Arbeit Gott Tag und Nacht dienten. Unter denselben war auch der hl. Convallus1; aber der vorzüglichste war der hl. Asaphus (s.d.), den er im J. 560 zu seinem Nachfolger ernannte als Vorsteher des Klosters und als Bischof der hier nach und nach entstandenen Stadt, die von demselben den Namen St. Asaph erhielt und in der Nähe von Bangor liegt. Man nimmt an, daß der hl. Kentigern in den Jahren 543–560 in Wales und namentlich in Eigwy sich aufhielt. Hier verkündete er den im J. 544 oder 546 erfolgten Tod des hl. Bischofs David von Menevia, der ihm durch höhere Eingebung bekannt geworden, und prophezeite die großen Qualen, welche über Britannien kommen würden. Von hier aus pilgerte er auch einige Male nach Rom, wo er dem hl. Papste Gregorius, dem geistigen Apostel von England, seine ganze Lebensgeschichte erzählte, und wo dann dieser seine (an und für sich nicht kanonisch geschehene) Consecration bestätigte. In Elgwy war es auch, wo er einen Pelagianischen Priester, der sich in seine Diöcese einschleichen wollte, nachdem er ihn durch höhere Eingebung als Häretiker erkannt hatte, wieder vertrieb. Im J. 560 nach Glasgow in Schottland mit 660 Brüdern zurückgekehrt oder vielmehr vom Könige Rederech (Rodericus), der vom hl. Patritius in Irland getauft worden war, zurück berufen, erfüllte er wieder mit allem Eifer die Pflichten eines treuen Hirten. Da viel Volk vom Glauben abgefallen war und sogar dem Götzen Wodan diente, führte er sie wieder zum Glauben zurück, wobei er durch Wunder unterstützt wurde. So soll einmal, als er auf der Ebene Holdelin dem Volke predigte, der Platz, worauf er saß, vor Aller Augen zu einem Berge sich emporgehoben haben, der noch sichtbar seyn soll. Auch noch viele andere Wunder wirkte er an allerlei Kranken, und bekehrte durch sich und die Seinigen viele Völker zum wahren Glauben. Von diesen Wundern wollen wir nur Eines anführen, da in einer seiner Abbildungen darauf hingedeutet ist. Die Königin wurde nämlich angeklagt, daß sie einen Ehebruch mit einem Ritter begangen und demselben einen kostbaren, vom Könige erhaltenen Ring gegeben habe. Auf der Jagd sah der König diesen Ring am Finger des schlafenden Ritters und war schon bereit, ihn zu durchbohren. Doch besann er sich eines Bessern, zog den Ring sanft von dem Finger und warf ihn in den Fluß. Zu Hause machte er der Königin Vorwürfe und warf sie ins Gefängniß. Nun wendete sich diese an den hl. Kentigern, welcher dem Abgesandten den Auftrag gab, im Flusse Clyd zu angeln und den ersten Fisch, den er finde, ihm zu bringen. Es war ein Salm (salmo), und als man ihn ausweidete, fand man den Ring, den er dann der Königin schickte, die ihn sofort dem Könige gad und so die Aussöhnung bewirkte. Von daher soll die Stadt Glasgow einen Ring im[603] Munde eines Salms in ihrem Wappen haben. Von solch außergewöhnlicher Heiligkeit hörend wollte der hl. Columba4, der in seinem, auf der Insel Hy erbauten Kloster Kolumbhill lebte, ihn besuchen und Freundschaft mit ihm schließen. Als sie in Begleitung singender Schaaren einander begegneten, sagte Columba zu seinen Schülern: »Ich sehe eine feurige Säule, wie eine goldne Krone, über den hl. Bischof herabsteigen.« Hierauf umarmten sich beide Heilige wechselseitig und schenkten sich einander ihre Stäbe zum Zeichen ihrer gegenseitigen Liebe. Der Stab, welchen der hl. Columba dem hl. Kentigern gegeben, wurde lange Zeit in Rippon verehrt. Diese Conferenz zwischen den beiden Heiligen scheint im J. 565 stattgefunden zu haben. – Nachdem nun der hl. Kentigern viel gewirkt und geduldet hatte, nahte das Ende seines Lebens heran. Vor demselben berief er seine Schüler, ermahnte sie zur Beobachtung der Ordensgelübde, zur Erhaltung der gegenseitigen Liebe, des Friedens, der Gastfreundschaft, zur Lesung und zum Gebete, wie auch zur festen Haltung der Decrete der hhl. Väter und der heiligen römischen Kirche. Als hierauf voll tiefster Rührung seine Schüler mit ihm zu sterben verlangten, erschien ihm ein Engel und offenbarte ihm, daß des andern Tages Alle sterben würden, was auch, nachdem sie gleich ihrem hl. Vorstande ein warmes Bad genommen hatten, wirklich geschah. Der hl. Kentigern soll sein Leben auf 185 Jahre gebracht haben, von denen er 160 als Bischof verlebt hätte. Doch erklärt schon Bollandus (815. nr. 7) dieses hohe Alter für paradox. Daß der hl. Kentigern am 13. Jan. starb, ist in seiner Lebensgeschichte enthalten; aber ein Todesjahr ist dort nicht angegeben. Nach einem engl. Martyrologium starb er im J. 608, nach Butler (I. 268) im J. 601 in einem Alter von 85 Jahren, von welchen er 60 als Bischof verlebte. Er soll auch mehrere Schriften hinterlassen haben, welche bei Zedler (XV. 465), wo übrigens manches Unrichtige über ihn vorkommt, verzeichnet sind. Auch Bollandus (816. nr. 8) hat einige angegeben, namentlich 2 Briefe, dann 8 Reden über den Tod des hl. Bischofs David, über die gegenseitige Liebe, über den christlichen Frieden etc. Am 1. Juli wird in Schottland eine Translation gefeiert, von der aber Bollandus nicht weiß, wann sie geschehen sei. An seinem Grabe in der Kirche von Glasgow erfolgten zahllose Wunder. Gelenius gibt bezüglich dessen Abbildung in der Kathedrale zu Köln an, daß der Statue des hl. Bischofs Geron von Köln (s.d.) zur Linken der hl. Dutachus, zur Rechten aber unser hl. Kentigernus stehe, der in der Rechten den Bischofsstab halte, in der Linken einen Ring im Munde eines Salms, welches Letztere sicherlich auf das oben erwähnte Wun der Bezug hat. (I. 815–821).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 602-604.
Lizenz:
Faksimiles:
602 | 603 | 604
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Alceste. Ein Singspiel in fünf Aufzügen

Alceste. Ein Singspiel in fünf Aufzügen

Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon