Longinus Centurio (3)

[855] 3Longinus Centurio et 2 Soc. MM. (15. März). In alten lat. Martyrologien wird der Name des Soldaten, welcher dir Seite Jesu am [855] Kreuze mit seiner Lanze öffnete, so daß Blut und Wasser herausfloß (Joh. 19, 34), Longinus genannt, und so heißt er auch im Mart. Rom. am 15. März. Bei den Griechen wird aber der Hauptmann, welcher bei der Kreuzigung Christi gegenwärtig war und Jesum als »Sohn Gottes« und als »gerecht« bekannte (Matth. 27, 54; Mark. 15, 39; Luk. 23, 47), Longinus genannt und am 16. Oct. verehrt. Während nun Einige (unter ihnen Baronius) Beide mit einander verwechseln und nur Einen Longinus annehmen, der Ihn als »Sohn Gottes« bekannt und auch Seine Seite geöffnet habe, unterscheiden die Bollandisten zwei heil. Soldaten mit Namen Longinus, nämlich einen Gemeinen und einen Hauptmann, und sie sprechen sich am 15. März (II. 383. nr. 41) ganz bestimmt für zwei verschiedene Personen dieses Namens aus. Sie theilen auch die Acten eines Jeden mit, aus denen diese Verschiedenheit klar hervorgeht. Daß der von den 3 ersten Evangelisten erwähnte Hauptmann, welcher Jesum als »Sohn Gottes« bekannte, nicht zugleich Seine Seite durchbohrte, geht wohl schon auch daraus hervor, daß der hl. Evangelist Johannes, welcher ja Augenzeuge war ausdrücklich sagt, einer von den zum Beinebrechen (crurifragium) abgesendeten Soldaten (also nicht ihr Führer oder Hauptmann) habe Jesu Seite mit einem Speere geöffnet (Joh. 19, 34). – Was nun die Acten dieser Beiden betrifft, so haben die Bollandisten hierüber Folgendes:

1. Der hl. Soldat Longinus, der die Seite Jesu mit einem Speere öffnete, soll aus der Provinz Jsaurien in Kleinasien stammen und vor seiner Bekehrung Cassius geheisen haben. Er gehörte zu jenem Soldaten, welche unter Anführung eines Hauptmanns bei der Kreuzigung Chrristi und der zwei Schächer die Wache zu halten hatten. Johannes (Joh. 19, 31–37) die Gekreuzigten wegen des folgenden großen Ostersabbaths noch am Freitage vom Kreuze abgenommen und daher zuvor noch vollends getödtet werden sollten, so wurden den zwei Schächern von den dazu beorderten Soldaten die Beine zerbrochen. Als man dieses auch bei Jesus thun wollte, Ihn aber schon todt fand, »zerbrachen sie Seine Beine nicht, sondern einer von den Soldaten öffnete Seine Seite mit einem Speere, und sogleich kam Blut und Wasser heraus«, was der hl. Johannes unter Hinweisung auf einige dadurch in Erfüllung gegangene Schriftstellen feierlich bezeugt und wodurch Sein Tod als gewiß eingetreten erschien. Dieses Blut habe nun der Soldat voll Erstaunen aufgefangen und sich damit die Augen bestrichen, und hiedurch wurden ihm, wie ein alter griechischer Dichter singt, sogleich die Augengeöffnet. Dieses haben Einige so genommen, als wenn dieser hl. ginus zuvor blind gewesen wäre. Da jedoch ein blinder Soldat nicht wohl die Seite des Herrn hätte öffnen können, so meinen Andere, er sei einäugig oder schielend gewesen, deßhald von seinen Kameraden oft geneckt und jetzt durch das Blut des Herrn geheilt worden. Aber sicherlich hatte der griech. Dichter nur die Oeffnung seines geistigen Auges im Sinne, und so wird es auch von den Meisten genommen. Da er nun auch noch die übrigen außerordentlichen Ereignisse bei dem Tode Jesu sah, so kam er denn, wie sein Hauptmann, zu der Ueberzeugung, daß der gekreuzigte Jesus von Nazareth mehr als ein blosser Mensch gewesen seyn müsse. Die Auferstehung des Herrn, bei welcher er wahrscheinlich auch gegenwärtig war, bestärkte ihn noch mehr in seiner Ueberzeugung; er glaubte nun an Jesus von Nazareth und that Buße über sein früheres Leben. Die Apostel unterrichteten ihn im heil. Glauben und nahmen ihn durch die Taufe in die Kirchengemeinschaft auf. Sein Leben wsr fortan, wie die Acten sagen, ein himmlisches zu nennen, so mildthätig gegen die Armen, so keusch und gewissenhaft wurde er, wodurch er Viele zum Glauben an Jesus bekehrte. Er führte dann zu Cäsarea in Kappadocien, wohin er nach seiner Bekehrung sich begab, durch 28 (nach Andern 27, 29, 34, 38) Jahre ein klösterliches Leben und wurde zuletzt auf Befehl des Statthalters Octavius wegen der auf seine Veranlassung stattgefundenen Bekehrungen auf die schmerzlichste Weise gemartert; er ließ ihm nämlich die Zunge ausschneiden und die Zähne einschlagen, was ihn aber durchaus nicht hinderte, Christum mit lauter Stimme zu preisen, und die Götzen als nichtig und machtlos darzustellen. Dadurch wurden wies der Viele zu Christus bekehrt. Deßwegen wurde der hl. Longinus nach einiger Zeit wieder vor den nämlichen Statthalter ge [856] führt, fand aber daselbst an dem Kerkermeister (commentariensis) Aphrodisius2 einen Vertheidiger, wobei der Heilige Gott dankte, daß er ihm einen Kampfgenossen beigesellt. Der Statthalter ließ auch dem Aphrodisius die Zunge ausschneiden, worüber der hl. Longinus seufzend zum Herrn flehte. Siehe, da wurde der Statthalter auf der Stelle blind; Aphrodisius aber, dem ungeachtet der ausgeschnittenen Zunge die Fähigkeit zu sprechen geblieben, pries die Gerechtigkeit des Herrn. Der blinde Statthalter flehte nun den Aphrodisius an, er möge doch den Longinus bewegen, daß er für ihn zu Gott rufe. Aphrodisius hielt hierauf dem Statthalter seine grausame That vor und erinnerte ihn an die ihm gegebene Warnung. Der hl. Longinus aber verlangte setzt vom Statthalter, ihn schnell der Martyrkrone theilhaftig zu machen; dann werde er vor dem Throne Gottes um Heilung für ihn bitten, indem er ein größeres Vertrauen habe, den Herrn für ihn zu bitten, wenn er vor Seinem Angesichte stehe. Hierauf gab denn Octavius den Befehl, ihn zu enthaupten. Der hl. Longinus betete stehend noch etwa eine Stunde; dann wurde ihm das Haupt abgeschlagen. Der Statthalter aber warf sich vor dem Leichnam zur Erde auf sein Angesicht und flehte reuig zu Gott. Sogleich erlangte er seine Sehkraft wieder, hüllte dann den heil. Leib in reine Linnen und begrub ihn mit großer Freude. Fortan dlieb Octavius treu im Glauben an Christus bei den Glaubenspredigern und pries immer den Herrn. – So die Acten, welche die Bollandisten (pag. 384–386) aus mehreren sehr alten Manuscripten über diesen Soldaten Toginus geben. Die Zeit seines Martyriums fällt in das 1. Jahrhundert. Als Martert ag wird in diesen Acten der 15. März angegeben, während andere Handschriften den 22. Nov. oder 2. Dec. haben. Ueber seinen Namen, seinen Leib und seine Lebensgeschichte gehen aber noch verschiedene Behauptungen und Sagen in andern Quellen einher. Der Name Longinus scheint Einigen nur fingirt zu seyn und von dem griechischen Worte λόγχη d.i. »Lanze« abgeleitet, so daß er also gleichsam »der Lanzenträger« (Λογγϊνoς) hieße. Bei den Griechen finde sich der Name, der wohl aus dem dem hl. Nikodemus zugeschriebenen apokryphen Werke über das Leiden Jesu geschöpft seyn möge; aber er sei vor dem Jahre 715 nicht gebraucht worden, nämlich erst von dem hl. Patriarchen Germanus13, während von dem Hauptemanne Longinus schon der um das I. 434 gestorbene hl. Priester Hesychius4 schreibt. Bei den Lateinern wäre es allerdings schon der hl. Kirchenvater Augustinus, der denselben erwähnt, wenn das ihm zugeschriebene Manuale wirklich von ihm wäre, während es nur eine später verfaßte Sammlung einiger Gedanken des hl. Augustinus, des hl. Anselmus etc. ist. Darin heißt es nämlich: »Longinus hat mir mit seiner Lanze die Seite Christi eröffnet, und ich bin hinein gegangen und ruhe dort sicher«. Es können daher nur die Martyrologien in Betracht gezogen werden, aus denen sich zugleich seine Verehrung beweist, und da nennen die Bollandisten mehrere, namentlich die von Rabanus Maurus, Notker, Ado und Andern, welche Alle seinen Namen Longinus haben, seinen Martertod auf den 15. März setzen und nach Cäsarea in Kappadocien verlegen, wie das auch im Mart. Rom. der Fall ist. Statt des Marterortes Cäsarea wollen nun aber die Mantuaner für ihre Stadt die Stelle seines Leidens in Anspruch nehmen. Mantua habe schon 2 Jahre nach Christi Tod den Glauben angekommen, den der hl. Longinus dort gepre digt und mit seinem Blute bezeugt habe. Diese Sage kann aber kein hohes Alter nachweisen. Der im J. 1516 verstorbene Man tuaner Johannes423Baptista berichtet vielmehr, daß der Leichnam auf einem Schiffe über das Meer nach Mantua gebracht wore den sei. Ein Schriftsteller macht auch den Ort Cappadocia für Mantua geltend. Es sei nämlich ein Ort bei Mantua, oder viele mehr auf der Insel, wo setzt Mantua liegt, der »Kappadocia« heiße, und zwar von den vielen an jenem Orte bei Mantua Gemarterten so genannt. Antonius Possevinus geht so weit, daß er den hl. Longinus sogar den mantuanischen Rittern beizählt; doch kann er jenen Ursprung des Namens Cappadocia selbst nicht recht zugeben. Diese Sage entstand wohl in folgender Weise: Zur Zeit Karls des Großen um das I. 804 wurde bei einem Spitale nächst Mantua ein bleiernes Kästchen mit einem kleinen Gefäße ausgegraben, auf welchem die Aufschrift sich befand: »Blut Jesu Christi«. Bald hierauf grub man auch einen Leichnam aus, den man dann für den unseres hl. Longinus hielt. [857] Wie man aber auf diese Meinung kam, ist in der Erzählung nicht angegeben. Wenn übrigens auch der Name des ausgegrabenen Leichnams etwa durch irgend eine Aufschrift als Longinus bezeichnet gewesen, so ist zu bee merken, daß dieser Name unter den Römern sehr häufig vorkam188, und leicht ist es möglich, daß ein römischer Soldat dieses Namens zu Mantua gemartert wurde, den man dann für unseren biblischenhl. Longinus hielt. Nach dem oben erwähnten Johannes Baptista wäre der Leib des Letzteren schon vor dem Einfalle der Longobarden von Cäsarea in Kappadocien nach Mantua und zwar zugleich mit dem hl. Blute übertragen worden. – Bei dieser Gelegenheit berühren die Bollandisten die Geschichte des heil. Blutes aus der Seite des göttlichen Heilandes. Dieses soll ein Einsiedler, Namens Jakobus, aufgefangen und lange in einem Kürbis verheimlicht haben, bis es zwei seiner Nachfolger durch Offenbarung eines Engels erkannten, und endlich sei es in die Hände des frommen Einsiedlers Basipsabas gekommen, den die Griechen am 10. Oct. als Heiligen verehren. So lautet der Bericht aus dem Orient. Nach der Erzählung der Mantuaner aber hätte unser hl. Longinus das bei der Seiten-Eröffnung ausfließende Blut des Herrn alsbald aufgefangen, heimlich nach Mantua gebracht und dort in der Stille vergraben. Ist aber auch das zu Mantua verehrte heil. Blut nicht das aus der Seite Christi geflossene, so gibt es noch verschiedene Begebenheiten, wo hl. Blut gewonnen wurde, von wo es dann seyn könnte. Nach dem Berichte des 2. nicänischen Concils und dem auf diese Auctorität am 9. Nov. sich deßfalls stützenden Mart. Rom. ward zu Berytus in Syrien ein Bild Christi von den Juden gekreuzigt, welches eine Menge Blut vergoß, wovon orientalische und occidentalische Kirchen reichlich bekamen. Dieses soll um das J. 765 geschehen seyn, also fast 40 Jahre vor der Auffindung des heil. Blutes in Mantua. Auch in England und anderwärts wird heil. Blut aufbewahrt; namentlich aber zu Brügge in Belgien in der St. Basiliuskirche, wohin es der Abt Leo von St. Bertin im J. 1148 als Geschenk von Theodorich, dem Schwiegervater des Königs Balduin von Jerusalem, überbracht hatte. Es war in Kristall eingeschlossen und wurde jeden Freitag bis zum I. 1309 flüssig. Nach frommem Glauben, den der Bollandist nicht für unwahrscheinlich findet, sei es von der Kreuzabnahme des Herrn, wo man es mit einem Schwamme austrocknete. Oft habe sich auch die eucharistische Brod- und Weinsgestalt in Blut verwandelt. Zu Brüssel gebe es 3 blutig gefärbte Hostien, die in Folge von Wunden durch Judenhand reichlich Blut vergossen189 etc. etc. – Was die heil. Lanze betrifft, welche von der hl. Kaiserin Helena sammt dem heil. Kreuze und den übrigen Leidenswerkzeugen des Herrn entdeckt worden ist, so wurde dieselbe im J. 1098 zu Antiochia wunderbarer Weise wieder aufgefunden, und die Stadt durch sie von der drückendsten Belagerung befreit. Die heil. Lanze kam in der Folge an den griechischen Kaiser in Constantinopel, der die abgefeilte Spitze an die Venetianer verpfändete, hernach aber dem hl. Könige Ludwig von Frankreich zum Geschenke sandte. Das übrige Eisen derselben blieb in Constantinopel und kam bei der Eroberung im J. 1453 in die Hände des Sultans Mohammed II. Dessen Sohn Bajazet schenkte es gewinnsüchtiger Zwecke halber dem Großmeister der Ritter von Jerusalem, von welchem es im J. 1492 dem Papste Innocenz VIII. verehrt wurde. Zu Rom nahm man es mit feierlicher Procession in Empfang, und bewahrte es sodann in der Basilica des Vaticans auf. – Der, wie bereits gesagt, im I. 804 in Mantua aufgefundene Leib des hl. Longinus wurde sammt dem heil. Blute in Folge wiederholter himmlischer Traumgesichte, nachdem Beides wieder eingegraben worden und geraume Zeit unbekannt geblieben war, im J. 1049 neuerdings ausgegraben. Im J. 1053 bezeugte Papst Leo IX. dem hl. Blute in Mantua seine Verehrung und nahm ein wenig dapon nach Rom, woes später in der Lqterankirche aufbewahrt wurde. Aber schon im J. 1055 war, um nicht in den Kriegsläuften Feindesdeute [858] zu werden, Beides wieder vergraben worden. Im I. 1354 begad sich Kaiser Karl IV. von einigen Angesehenen der Stadt begleitet, bei Nacht, damit es kein Aufsehen machte, in Mantua zur Stelle, wo das hl. Blut, und zum Schranke, wo der Leib des hl. Longinus ausdewahrt war. Das heil. Blut ließ er unangetastet wieder an seinen Ort zurückstellen; aber von den Gebeinen des hl. Longinus nahm er, nach dargebrachter andächtiger Verehrung, den rechten Arm und einen Theil der Schulter, um sie nach Böhmen bringen zu lassen. In einem handschriftlichen Martyrologium der Kirche von Prag wird wirklich von einem Arme und dem Haupte des hl. Longinus geredet, die der Kaiser von Mantua bekommen habe. Der Bollan dist erklärt sich für Haupt und Arm, da die Quelle, die deren erwähnt, den Vorzug verdiene. Es fand sich zwar zu des Bollandisten Zeit kein Haupt des hl. Longinus. mohl aber das Haupt eines S. Innominatus, d.i. »eines Ungenannten«. Der wahre Name ist nämlich durch die Länge der Zeit zu Grunde gegangen, und dafür letztere »anonym« bedeutende Angabe zu lesen. Von einer Schulter war jedoch in der That nichts zu finden, wohl aber fand sich das angedeutete Armbein des hl. Longinus vor. Ein kleiner Theil dieser Reliquien kam in Folge einer Schenkung von Seite des Kaisers Rudolph II. im J. 1587 nach Lissabon. Zu Rom befand sich in der Basilica des Vatican ein Arm des hl. Longinus und ein Ring. Der Ring wurde aber bei der Plünderung Roms durch die Truppen des Herzogs von Bourbon im J. 1527 geraubt, wogegen sich der Arm noch um das J. 1617 vorfand. Diese Reliquien, so wie eine in der Kirche des hl. Marcellus, und eine in der Kirche des hl. Augustinus, so wie alle Longinus-Reliquien Rom dürften aber wohl einem oder dem andern hl. Longinus, nicht aber unserm hl. Seiteneröffner Loginus angehören. Um so weniger läßt der Bollandist einen auf der Insel Sardinien gebrachten hl. Longinus für den hl. Seiteneröffner gelten.

2. Was nun den Hauptmann (Centurio) Longinus betrifft, so soll er nach den griech. Menäen aus Sandrales oder Adrales dei Tyana im zweiten Kappadocien gewesen seyn. Nach einigen (übrigens unsicheren) griech. Acten soll er auch Primianus geheißen haben. Nach dem (nicht sehr zuverlässigen) spanischen Schriftsteller Bivarius hätte er Cajus geheißen, wäre der Sohn des Hauptmannes Cajus Oppius gewesen, dessen Knecht Jesus zu Kaphernaum heilte (Matth. 8, 5–13), und sei dann später Bischof von Mailand geworden. Der Cajus (Gajus), an welchen der hl. Evangelist Johannes seinen 3. Brief geschrieden hat, so wie der Demetrius, welcher in diesem Briefe gelobt wird, seien seine Söhne gewesen, was aber Alles wohl nur eine Fiction ist. Jedenfalls ist es geschichtlich gewiß, daß derselbe, es mag nun der Name Longinus sein wirklicher oder nur ein fingirter seyn, zur Zeit der Kreuzigung Christi als Befehlshaber einer römischen Centurie in Jerusalem war und von Pontius Pilatus den Auftrag erhalten hatte, mit einigen Soldaten die Vollziehung des Todesurtheils zu überwachen. Do er nun vernommen, daß Jesus von den Juden deßwegen zum Kreuzestode, gebracht wurde, weil Er sich den Sohn Gottes genannt, und da er dann das göttlich erhabene Benehmen Jesu während Seines Schmerzenganges nach Golgotha und während der ganzen Kreuzigung beobachtete, namentlich, dem Kreuze gegenüberstehend (Mark. 15, 39), die laute, Himmel und Erde durchdringende Stimme: »Es ist vollbracht!«und »Vater, in Deine Hände empfehle ich meinen Geist«! hörte, mit welcher Er Seinen Geist aufgab (Joh. 19, 30), so wie das Erdbeben, das Spalten der Felsen etc., das nach Seinem Tode eintrat; da wurde er, der Heide, so erschüttert, daß er – und, wie es bei Matthäus (27, 54) heißt, auch »jene, die bei ihm waren« – vor der ganzen Welt ausrief: »Wahrlich, dieser war gerecht; Er war wirklich Gottes Sohn«. Was also die Jue den geläugnet und selbst die Apostel noch nicht auszusprechen gewagt hatten, das hat der heidnische Hauptmann Longinus hier zuerst öffentlich ausgesprochen. Als dann Joseph von Arimathäa den Leichnam Jesu von Pilatus sich erbat, bezeugte er diesem, daß Jesus wirklich gestorben sei (Mark. 15, 44 f.). Sein wunderbares öffentliches Bekenntniß und die Verehrung, die ihm hiefür gebührt, gab nun dem hl. Priester Hesychius4 von Jerusalem Veranlassung, sein ferneres Leben nach einem alten Buche, das er gefunden, und nach anderen auf ihn ge [859] kommenen Notizen zu beschreiben, und diese Acten geben denn die Bollandisten (pag. 386–389) nach einer griech. Handschrift der Vaticanischen Bibliothek. Nach denselben wäre der Hauptmann Longinus auch bei der Grabwache gewesen, die Pilatus den Juden auf ihre Bitte zugestanden hatte, wobei sie zur größeren Sicherheit auch noch den vor das Grab gewälzten großen Stein versiegelten (Matth. 27, 62–66). Auf diese Weise sei er denn auch noch Zeuge der Auferstehung Christi gewesen, wodurch sein Glaube an den Sohn Gottes nur noch mehr bestärkt worden. Als dann die Hohenpriester, welchen einige von den Grabwächtern die bei der Auferstehung stattgefundenen wunderbaren Ereignisse hinterbrachten, in ihrer großen Verlegenheit denselben viel Geld gaben, damit sie sagen sollten, die Jünger Jesu seien bei der Nacht gekommen und hätten, während sie schliefen, Ihn gestohlen, wobei sie überdieß ihnen versprachen, sie wegen einer solchen, für einen römischen Soldaten freilich schmählichen und höchst strafbaren Pflichtvergessenheit bei Pilatus sicher stellen zu wollen (Matth. 28, 11–15), was wohl auch viel Geld gekostet haben mag190; da habe der Hauptmann Longinus dieses Geld mit Verachtung von sich gewiesen und auch ferner der Wahrheit unerschrocken Zeugniß gegeben, was sowohl dem Pilatus als auch den Juden höchst unangenehm war. Da sie ihm deßwegen auf alle Weise nachstellten, und weil er nun, nachdem er noch von den Aposteln unterrichtet und getauft worden war, ganz dem Herrn dienen wollte, so verließ er zu Cäsarea den Kriegsdienst und zog sich mit zwei seiner Soldaten, die auch an Jesus glaubten, aber in den Acten nicht genannt sind, in sein Vaterland zurück, wo er Landwirtschaft trieb und zugleich den Kapadociern den Glauben an Jesus Christus verkündete. Aber der Haß der Juden verfolgte ihn auch dort noch. Sie bewogen daher den Pilatus durch Geld, den Longinus beim Kaiser Tiberius anzuklagen wegen Verlassung seines militärischen Postens, so wie wegen seiner Predigten, in welchen er Jesum als König darstellte. Mit dieser Klage schickten sie auch Geld an den Kaiser und erwirkten von ihm wirklich einen Befehl an Pilatus, daß er den Longinus als einen Deserteur tödten lasse. Pilatus schickte nun einige Vertraute nach Kappadocien zur Ausführung dieses Befehles. Dort angekommen begegneten sie einem unbekannten Manne, den sie sofort fragten, wo Longinus sich befinde. Dieser nahm die Abgesandten freundlich in sein Haus auf und bewirthete sie zwei Tage lang. Am dritten Tage führte er sie auf das Feld, zeigte ihnen seine beiden Gefährten, die er inzwischen hatte kommen lassen, und sagte ihnen, daß er selbst der gesuchte Longinus und zum Tode bereit sei. Lange wollten die erstaunten Abgesandten nicht daran, ihren Wohlthäter zu tödten; erst nachdem er ihnen gesagt, wie sehr er nach dem Tode verlange, um mit Jesus vereinigt zu seyn, und nachdem er ihnen den Ort, wo er begraben werden wollte, bezeichnet, entschlossen sie sich, ihn und seine beiden Gefährten zu enthaupten, was denn auch geschah, und zwar, wie die Acten ausdrücklich sagen, am 16. October. Hierauf nahmen sie sein Haupt und brachten es zum Beweise des vollzogenen, Befehls nach Jerusalem zu Pilatus, der es den blutdürstigen Juden gegen viel Geld aushändigen, ließ, dann aber, den Befehl gab, daß es außerhalb der Stadt auf einen Düngerhaufen geworfen werde. Dort blieb es lange Zeit verborgen, bis es endlich durch den Heiligen selbst entdeckt wurde. Es war nämlich in Kappadocien eine blinde Frau, welche in der Hoffnung auf Heilung mit ihrem einzigen Sohne nach Jerusalem sich begab, dort aber auch noch ihren Sohn durchden Tod verlor. In dieser doppelten Trübsal rief sie Gott um Hilfe an, und da erschien ihr der hl. Longinus und bezeichnete ihr den Ort, wo sein Haupt zu finden sei, ihr voraussagend, daß sie nach dessen Ausgrabung sehend werde. Sie that, wie ihr geboten, und erhielt wirklich das Licht ihrer Augen; zugleich zeigte er ihr auch ihren Sohn, wie er mit eine große Herrlichkeit im Himmel genieße, wodurch die Mutter sehr erfreut wurde, dann aber das Haupt des hl. Longinus nach Kappadocien zurückbrachte und in Sandrales zu seinem heil. Leibe legte etc. Nach anderen Acten, welche die Bollandisten (pag. 389–390) [860] nach einer anderen alten Handschrift der Vaticanischen Bibliothek geben und in welchen »die Erfindung des Hauptes des hl. Hauptmannes Longinus« ausführlicher, aber mit einigen Fabeln vermischt, erzählt wird, hätte die Frau Christina und ihr Sohn Christion geheißen. Sie habe das Haupt des hl. Longinus vom Präfecten Lucius in Jerusalem um 200 Denare gekauft und mit ihrem Sohne in das Vaterland zurückgebracht, wo dann die Christen einen herrlichen Tempel über seinen heil. Leib gebaut hätten. Dieses hätte jedenfalls erst viel später geschehen können, nämlich erst, nachdem die Kirche Ruhe erhalten, ungefähr zur Zeit der Regierung des Kaisers Constantin und seiner Söhne etc. – Nach den Visionen der A. K. Emmerich hätte der Hauptmann, ein geborner Araber, Abenadar geheißen, und bei der Taufe den Namen Ctesiphon191 erhalten. Nachdem er Jesum als den »Sohn Gottes« bekannt, habe er nicht mehr länger im Dienste Seiner Feinde stehen wollen, daher sein Pferd zu seinem Unterofficier Cassius, der dann später bei der Taufe den Namen Longinus erhalten, gewendet, ihm Lanze und Pferd übergeben und sei dann zu Pilatus gegangen etc. Cassius habe nun das Pferd bestiegen und den Befehl geführt, dann aber mit der Lanze die Seite Jesu geöffnet etc. Später habe er als Diakon Christum gepredigt und immer von dem heil. Blute, das mit Wasser vermischt aus der Seite Jesu fließend in einer Vertiefung des Felsenbodens unter dem Kreuze sich gesammelt habe, und von welchem auch Maria und Johannes sammt den heil. Frauen geschöpft hätten, bei sich geführt. Man habe davon auch in seinem Grabe in Italien gefunden etc. etc. – In den großen griech. Menäen findet sich ein Officium des hl. Hauptmanns Longinus am 16. Oct. Die Auffindung des heil. Hauptes wird aber von den Griechen am 1. Nov. gefeiert. Die Bollandisten haben am 16. Oct. (VII. 792) den hl. Hauptmann und Martyrer Longinus unter den Prätermissen, da sie beide hhl. Longinus am 15. März behandeln. (II. 376–390).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 855-861.
Lizenz:
Faksimiles:
855 | 856 | 857 | 858 | 859 | 860 | 861
Kategorien:

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon