Ludmilla, S.

[915] S. Ludmilla Vid. M. (16. al. 15. Sept. u. 10. Nov.), auch Ludmila, Leodemila, Leomitis, Lidmilla, Ludomilla, Wittwe und Martyrin, die erste christliche Herzogin in Böhmen. Ihr Geburtsjahr ist nicht festgestellt. Jedenfalls ist sie mindestens zehn Jahre vor 873 geboren. Auch der Geburtsort, als welcher gewöhnlich Bssow, das heutige Melnik, angegeben wird, scheint nicht ganz sicher zu seyn. Ihr Vater war nach der Legende der Graf Slavibörig, ihre Mutter hieß Lidoscara. Ihr Geschlecht muß jedenfalls einen großen Namen gehabt haben, denn sie wurde an den Herzog Boriwoj von Böhmen vermählt. Beide waren, obwohl es schon zahlreiche Christen in Böhmen gab, die zur Diöcese Regensburg gehörten, wo im J. 845 vierzehn Häuptlinge sammt ihrem Gefolge die hl. Taufe empfangen hatten, noch Heiden. Bald nachher besuchte Boriwoj mit den Vornehmsten seines Landes den christlichen Mährenfürsten Swatopluk (reg. seit dem J. 870) und wurde von ihm zur Tafel gezogen, die aber für Christen und Heiden besonders gedeckt war. Hier fand der hl. Mährenapostel Methodius (s.d.) Gelegenheit, den Herzog zu bekehren. Der feierliche Taufact, dem sich der Herzog sammt seinem Geleite von dreißig böhmischen Edlen unterzog, geschah zu Welehrad am Johannisfeste (24. Juni), wahrscheinlich im J. 879. (Den Nachweis sehe man bei Frind, K.-G. Böhmens, I. 9. Anm.) Dem Beispiele des Gatten folgte in Kurzem auch die Gattin Ludmilla. Nun traten auch die bisher hart bedrängten Gläubigen im Lande aus ihrer Verborgenheit hervor, besonders da Boriwoj auch mehrere Priester aus Mähren mitgebracht hatte (Dobrowsky, Mähr. Legende: B. Sacerdotibus secum receptis Boëmiam revertitur), an deren Spitze des hl. Methodius treuern. frommer Schüler Paul Kaych sich befand. Die erste christliche Kirche wurde nun zu Lewy Hradek bei Prag zu Ehren des hl. Clemens eingeweiht; eine zweite Clemenskirche entstand alsbald auf dem Wyschrad. Aber die heidnisch gebliebenen Böhmen empörten sich und Boriwoj mußte nach Mähren entfliehen. Der deutsche König Arnulph und der Mährenfürst Swatopluk führten ihn wieder auf den Thron zurück. Mit ihm kamen neue Glaubensboten. Die hl. Ludmilla begünstigte und förderte das Werk auf jede ihr mögliche Weise. Doch war weder der hl. Cyrillus, der schon im I. 668 zu Rom gestorben war, noch auch der hl. Methodius selbst nach Böhmen gekommen. Ohnehin gehörte Böhmen in's Bisthum Regensburg (was selbst Palacky I. 110 zugesteht). Boriwoj starb um das Jahr 890, in einem Alter von beiläufig 35 Jahren. Die hl. Ludmilla verwendete auch jetzt noch ihren ganzen Einfluß, daß ihre Söhne Spitinew I. und Wratislaw im Geiste Boriwoj's regierten. Obwohl Drahomira, die Gemahlin des letztern, einem edlen Geschlechte in der Lausitz entstammend, eine fanatische Heidin war, wurde die St. Georgskirche in Prag, als die erste Hauptkirche des Landes, gebaut, und die Erziehung des jugendlichen Thronerben Wratislaw (Wenceslaus s. d.) der hl. Ludomilla, seiner Großmutter, übergeben. Die greise Wittwe Boriwoj's war damals die Freude und Zierde des Landes. Fromm und sanft in allen Dingen, freigebig gegen die Armen, unermüdet im Nachtwachen, andächtig im Gebete, vollkommen in der Liebe, herablassend in der Demuth, immer eifrig in Diensterweisungen gegen die Diener des Herrn, eine Mutter der Waisen, eine Trösterin [915] der Wittwen, eine Freundin der Gefangenen und vollendet in allen guten Werken. In diesem Geiste erzog sie ihren Enkel – einen nachmaligen Heiligen. Um so mehr wuchs die Eifersucht Drahomira's. Auf ihren Befehl wurde die hl. Ludmilla in dem Castell Tetin durch zwei böhmische Edle, Tummia und Gummo (Tuman und Kuman), am 15. Sept. 927 mit einem Schleier erdrosselt. Sie wurde in Tetin begraben. Ihr Enkel, der hl. Wenceslaus, ließ ihre Gebeine in die Kirche des hl. Georgius nach Prag übertragen. Der Bischof Tuto von Regensburg selbst vollzog diese feierliche Handlung. Seit dem J. 1246 wird das Fest in Böhmen am 16. Sept. begangen. (V. 339).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 915-916.
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