[938] 23V. Ludovicus Blosius, (7. Jan.), der vierunddreißigste Abt von Liessies (asceterium Letiense Lesciense235 (nicht Liesse), war ein Sohn Adrians von Blois, Herrn von Jumigni, aus dem Geschlechte der Grafen von Blois, und seiner Gemahlin Catharina von Barbaçon aus Don-Stienne (bei Beaumont im Hainaut). Er wurde Anfangs October des J. 1506 im letztgenannten Schlosse geboren. Er hatte noch fünf Brüder und drei Schwestern. Er war von Natur außerordentlich sanft und freundlich und wurde von zarter Jugend an in aller Gottesfurcht erzogen. Er bewahrte jene kindliche Einfalt und Unschuld, die immer die sicherste Grundlage christlicher Gottseligkeit und wahrer Heiligkeit bleibt. Als er das gehörige Alter erreicht hatte, kam er an den Hof des nachmaligen deutschen Kaisers Karl V., wo er als Page für die böchsten Aemter im Staate gebildet werden sollte. Ein sehr schmerzhaftes Geschwür am Haupte war der nächste Anlaß, daß er den Hof verließ und eine andere Lebensbahn betrat. Als nämlich der Chirurg, ehe er die Operation begann, den jungen Pagen fragte, welche Form er seinem Einschnitte geben solle, sagte derselbe unwillkürlich: »die des Kreuzes von Bourgogne,« eine Aeußerung, die ihn nicht eher ruhen ließ, als bis er die Welt verlassen hatte. Sein ganzes Wesen war mehr für den ausschließlichen Dienst des höchsten Herrn geeignet, als für den Hofdienst. Er trat, 15 Jahre alt, in das Benedictinerkloster zu Liessies. Der Abt des Klosters, Egidius Gippus, erkannte bald die ausgezeichneten Eigenschaften des neuen Zöglings und sendete denselben nach unter Johann Mucerisse vollendetem Noviziate an die Universität Löwen, daß er sich wissenschaftlich ausbilde. Blosius verlegte sich hier zunächst auf das Studium der Sprachen, lernte das Hebräische und Griechische, studirte dann mit ausgezeichnetem Eifer die Schrift, las die Werke der Kirchenväter, machte Auszüge aus denselben und gewann eine besondere Vorliebe für die tiefsinnigen Schriften der deutschen Lehrer des geistlichen Lebens, Tauler und Suso. Nach seiner Rückkehr von Löwen machte ihn der Abt zu seinem Vicar und bestimmte ihn zu seinem Nachfolger. Am 11. Nov. 1530 empfing Blosius die Priesterweihe und zwei Tage darauf ward er, da indessen der Abt am 2. März 1530 gestorben war, ungeachtet seiner Jugend, einstimmig gewählt und als Abt benedicirt. Der Zustand des Klosters forderte durchgreifende Verbesserung. Blosius ging mit großem Eifer an dieß Werk, wurde aber durch Kriegsunruhen verhindert. Die Mönche flüchteten sich nach Mons, er selber mit drei Religiosen nach Ath. Mit diesen begann er hier die Regel des hl. Benedict in ihrer Strenge zu befolgen. Dasselbe suchte [938] er in Liessies noch Beendigung des Krieges von allen seinen Mitbrüdern zu erlangen. Er verfaßte zu diesem Ende sein erstes ascetisches Buch: »der Spiegel für Mönche,« das er unter dem Namen Dakryanus herausgab. Diesem folgte die »Regel des geistlichen Lebens,« worin er weise Rathschläge zur Ueberwindung der Versuchungen und zur allmäligen Vereinigung mit Gott ertheilt. Aus jeder Zeile, die er schrieb, athmet die tiefste, innigste Frömmigkeit. Heiligung des Innern durch unablässigen Umgang mit Gott und brüderliche Liebe gegen Alle mit sorgfältiger Wachsamkeit über sich selbst ist die Summe aller Anforderungen, die er an seine Brüder stellt. Papst Paul IV. approbirte die von Blosius erneute und erklärte Ordensregel und wollte, daß sie in allen Klöstern des hl. Benedict, in welchen Blosius nach dem Auftrage des Kaisers die alte Zucht und Ordnung wieder herzustellen hatte, als Norm gelten sollte. Durch den unermüdeten Eifer des Abtes wurde Liessies eine Schule hl. Zucht für sämmtliche Klöster der Umgebung. Nachdem der erste Widerstand gebrochen und viel Bitteres verkostet war, fügten sich selbst die Hartnäckigsten; denn das Beispiel des Abtes, der mit der ausnahmslosesten Selbstverleugnung ganz für seine Brüder lebte, wirkte mit unwiderstehlicher Gewalt. Seine Liebe und Sorgfalt erstreckte sich aber nicht blos auf die Mitglieder seines Ordens; wo immer sich Jemand mit aufrichtigem Herzen und mit ernstem Verlangen nach Heiligung an ihn wandte, stand ihm das Herz des frommen Abtes offen. Ebenso hat er die Acta S. S., das Hauptwerk der Boll., kräftigst unterstützt; die reiche Bibliothek seines Stifts stand den Vätern der Gesellschaft Jesu zu diesem schönen Zwecke allezeit offen236. Um recht Vielen einen geistlichen Nutzen zu schaffen, schrieb er noch mehrere Büchlein heiliger Belehrung, geistlicher Uebung und himmlischer Tröstung, deren sich die Laien eben so wohl, wie die Geistlichen in und außer den Klöstern zu ihrer Erbauung bedienen konnten237. Siegreich vertheidigte er den tiefsinnigen Theologen Tauler gegen seine Gegner und schrieb auch zugleich mehrere Schriften gegen die neue Lehre der Reformatoren, um die Gläubigen im alten katholischen Glauben zu befestigen und vor dem Abfalle zu bewahren. Bis an sein Ende blieb er in seinem Kloster. Oefter wurden ihm hohe Kirchenwürden und Ehrenstellen angeboten; allein nie konnte man ihn bewegen, seine geliebte Einsamkeit zu verlassen. Kaiser Karl V. bot Alles auf, ihn zur Annahme des Bisthums Cambrai und später der Abtei St. Martin in Tournai zu bewegen, allein es war umsonst. Wo er sein geistiges Leben begonnen, wo er so viele Erfahrungen der göttlichen Gnade und Hilfe gemacht und so Viele zur Gottseligkeit angeleitet hatte, da wollte er verharren bis an sein Lebensende. Dieses kam für ihn am 7. Jan. 1566. Neunundfünfzig Jahre hatte sein Erdenleben gedauert. Von diesen hatte er nahezu 45 im Kloster gelebt und mehr als 35 mit gutem Erfolge die Bürde eines Vorstehers des Klosters getragen. Die Leichenfeier wurde durch Martin Cuperus, Bischof von Chalcedon i. p., Suffragan des Erzbischofs von Cambrai, vollzogen. Die Leiche wurde beim Eingang in den Chor der Abteikirche eingesenkt und der Ort mit einem einfachen Marmorsteine und einer ebenso einfachen Inschrift bezeichnet (1565238 LOYS de Blois, Abbé 34.). Später (im J. 1631) erhielt er in der Mitte des Chores ein schönes Mausoleum mit einer längern Inschrift, welche alle seine Verdienste der Reihe nach aufzählt. (Bei Ram, vies de Saints etc. S. 89 u. 90 abgedruckt.) Kirche und Kloster wurden im J. 1793 von der »schwarzen Bande« verbrannt. Die Ruinen wurden im J. 1836 auf Abbruch versteigert. Mit dem hl. Ignatius von Loyola war er im Briefwechsel [939] gestanden, und die geistlichen Uebungen dieses Ordensstifters waren gleich anfangs im Kloster zu Liessies eingeführt worden. Eine öffentliche Verehrung von der katholischen Kirche ist ihm bisher noch nicht zu Theil geworden; die Benedictiner führen ihn in ihrem Martyrologium mit der Bezeichnung eines »Ehrwürdigen« auf. (Joch. u. Ram.)
Eisler-1912: Vives, Johannes Ludovicus
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