Maria Amadea Blonay (303)

[218] 303Maria Amadea Blonay (15. Juni). Die gottselige Maria Amadea94, Tochter des im Waadtlande und in der Chablais begüterten Claude de Blonay und seiner Gemahlin Dionysia, geb. de Livron, erblickte als das jüngste unter neun Geschwisterten am 13. Dec. 1590 das Licht der Welt auf dem Landgute St. Paul unweit Erian in der Nähe des Genfersee's. Wie fromm ihre Eltern waren, ist nicht bloß aus der Gastfreundschaft zu schließen, in welcher sie zum heiligen Franz von Sales standen, sondern auch aus dem Umstande, daß der Vater nach dem frühzeitig erfolgten Tode der Mutter, in den geistlichen Stand trat, ohne deßhalb die Erziehung seiner Kinder aus den Händen zu geben. So wuchs die kleine Columba Amadea in Frömmigkeit und Tugend auf. In ihrem zwanzigsten Jahre erhielt sie vom hl. Franz von Sales den Ruf zum Eintritt in den von ihm gestifteten Orden. Am 25. Jan. 1612 wurde sie eingekleidet, am 10. Februar des nächsten Jahres machte sie Profeß. Nachdem sie eine Zeit lang als Krankenschwester beschäftiget gewesen, wurde sie mit Beginn des Jahres 1615 zur Stiftung eines neuen Hauses von Annecy nach Lyon gesendet. Hier wurde sie im J. 1622 zur Oberin gewählt. Dieses Amt bekleidete sie von da an öfter, jedesmal mit ebenso viel Demuth als Weisheit. Ihren großen Einfluß benutzte sie zur Errichtung verschiedener neuer Klöster. So zu Marseille, Avignon, Bellecour, Paray, Antiquaille und Bourg-en-Bresse. Dieses große Vertrauen war nur die Folge ihrer großen Tugenden, die ungeachtet ihres Strebens nach Verborgenheit, dennoch von ihren Mitschwestern wohl bemerkt wurden. Vom hl. Stifter hatte sie gelernt, wie die Sünde eine Abkehr von Gott, ein Widerstand gegen die göttliche Gnade sei, und daß auch die läßliche Sünde zwischen Gott und der Seele ein Hinderniß setze. Daher flößte ihr auch der Schein jeder Sünde große Furcht ein. Etwas Höheres kannte sie nicht, als in allen Dingen Jesus zu dienen. Sie liebte es eben deßhalb, recht oft zur Beichte zu gehen und pflegte sich, so oft sie am Beichtstuhl vorüberging, zu verneigen, weil er der Ort sei, wo die barmherzige Gerechtigkeit Jesu Christi gegen die Sünder sich offenbare. Sie pflegte auch zu sagen: wer reumüthig und aufrichtig beichte, thue damit dem Teufel so weh, als ob man Jemanden die Zähne ausbreche, und die übernatürliche Reue über die Sünden sei dem bösen Geiste empfindlicher, als wenn Einem das Herz aus dem Leibe gerissen werde. »Ich würde verdienen«, sagte sie, »alle Foltern auszustehen, wofern ich mich erdreisten sollte, dieses köstliche Wasser zu trüben, aus dem wir gereinigt heraussteigen sollen, um das unbefleckte Lamm zu genießen«. Ihre Gebetsübungen entsprachen vollkommen ihrer Gottesfurcht. Sie las wenig, betrachtete aber desto mehr. Ihre Bücher waren das Evangelium, die Ordensregeln und die Psalmen; mehr, sagte sie, [218] sei für sie nicht nöthig, das Evangelium enthalte die Grundlagen des Glaubens, die Regel sei das Mittel, das Evangelium recht in Uebung zu bringen, die Psalmen aber seien ihre geistliche Erquickung. Die Wissenschaft, deren Ordensfrauen bedürfen, faßte sie in den Worten zusammen: »Wir müssen Alles wissen, was Gott will und Alles thun, was Er geboten hat, mit Ihm im Gebete verkehren, aufhören unser zu seyn, um gänzlich Gott zu gehören, buchstäblich Alles halten wozu wir uns verbindlich gemacht, und uns in allen Dingen verdemüthigen«. Daß sie gegen sich selbst eine außerordentliche Strenge übte, ist selbstverständlich. Hiemit hatte sie schon als Kind den Anfang gemacht. Sie brachte es so weit in der Abtödtung, daß sie manchmal nicht mehr als drei Unzen Brodes genoß; selbst den Durst wollte sie sich nicht stillen; ihre Selbstpeinigungen wurden allmählig so stark, daß sie verpflichtet werden mußte, reichlichere Nahrung zu nehmen und für ihren Körper besser zu sorgen. Als sie am Sterben war, konnte sie sagen: »Ich danke Gott für die Gnade, daß Er meinen Geist von den irdischen Dingen so sehr abgelöst hat, als wäre ich eben erst geboren«. Kurz vor ihrem Tode erbat sie sich von ihrer Oberin als besondere Gunsterweisung, daß nichts über sie geredet würde, als um für sie zu beten; »wir sollen ja«, setzte sie hinzu, »wie im Leben, so auch im Tode die heilige Demuth üben«. Sie starb zu Annecy am 15. Juni 1649 unter den Gebeten der Kirche.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 218-219.
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