Marina, S. (12)

[245] 12S. Marina (Marinus), V. (17. Juli, al. 18. Juni u. 12. Febr.). Diese hl. Marina oder Maria, welche im Allg. Martyrol. in die Mitte des 8. Jahrh. gesetzt wird, gehört zu den wenigen Heiligen, welche als Frauen in männlicher Kleidung gelebt haben. Ihr Vater nämlich war nach dem Tode seiner Frau ins Kloster gegangen und hatte einem nahen Verwandten die Erziehung seines Töchterleins übertragen. Nach einiger Zeit regten sich in ihm die väterlichen Gefühle. Er wollte sein Kind bei sich haben. Der Abt gab ihm die Erlaubniß es zu holen. Um nun sicher zu sein, daß seine Tochter beständig in seiner Nähe bleiben dürfe, gab er ihr den Namen Marinus und legte ihr männliche Kleidung an. Kein Mensch im Kloster als der Vater und die Tochter wußten um das Geheimniß. Letztere erwarb sich das vollkommene Vertrauen des Abtes, so daß er sie auch außer den Klostermauern beschäftigte. Da lag eines Morgens ein kleines Kind vor der Klosterpforte und zwar mit der Angabe, daß der Bruder Marinus dessen Vater sei. Der Abt ließ den vermeintlichen Mönch deßhalb hart an. Die Worte: »Vater, ich habe gesündiget, ich thue Buße für diese Sünde, bitt' für mich«, nahm er als Geständniß der Vaterschaft und verurtheilte den Marinus, an der Klosterpforte das Kind zu nähren. Diese demüthigende Buße nahm Marina ohne Widerrede auf sich und duldete die Verunglimpfungen und Schimpfnamen ihrer Mitbrüder beim Ein- und Ausgange. Endlich, nach langer Buße, durfte sie wieder eintreten, starb aber kurz darauf. Erst bei Besichtigung der Leiche erkannte man das Unrecht, welches man ihr gethan und bewunderte um so mehr ihre freiwillige und strenge Buße. Am nämlichen Tage kam die Mutter jenes Kindes zum Kloster und bekannte die schwere Sünde. Dieß die Legende. Dieselbe nennt, wie wir gesehen haben, weder Ort noch Zeit und ist von der Art, daß man sie, wie die Boll. sagen, zur Nachahmung nicht vorstellen kann. Man meint, ihr Vater könne wohl Eugenius8, dessen in einigen Kalendarien zum 8. Februar gedacht wird, gewesen seyn. Damit ist die Legende zwar um einen Namen aber um keine Thatsache reicher. Man weiß mit demselben so wenig wie ohne ihn. Es wäre zu untersuchen, mit welchem Recht sie Einige auf den Libanon versetzen, Andere aber Bithynien als ihr Vaterland bezeichnen. Eine Heilige dieses Namens wird zu Venedig verehrt. Ob unsere Marina oder eine andere, wagen die Boll. nicht zu entscheiden. In den Menäen steht sie am [245] 12. Februar. Im Mart. Rom. und im Brevier der Kirche von Paris, wo einige ihrer Reliquien verehrt werden, auch bei Butler (VIII. 240), den Boll. (III. 552), u. A. findet sie sich zum 18. Juni. Merkwürdig ist, daß auch diese Marina anderwärts (IV. 287) unter dem Namen Margarita vorkommt. Die Sage ändert sich übrigens gleichfalls. Sie hätte nämlich ihren Bräutigam am Hochzeittag verlassen und hätte sich in Männerkleidung unter dem Namen Pelagius in einem ungenannten Kloster zur Aufnahme gemeldet. In der Nähe befand sich ein Frauenkloster, dessen Pförtnerin ein Kind gebar. Man klagte den vermeintlichen Mönch Pelagius als Vater an und vertrieb ihn aus dem Kloster. Stillschweigend ließ aber Margarita das Unrecht über sich ergehen, bis sie kurz vor ihrem Tode den Schleier des Geheimnisses lüftete. Sie wurde in dem Frauenkloster bestattet. Noch in anderer Form steht die Geschichte, wieder unter dem Namen Marina, im sicilianischen Martyrologium. Zur Ausschmückung der Legende ist hier noch etwas mehr geleistet. Marina geht von Sicilien nach Syrien, wird auf dem Meere von den Schiffleuten, die viel Geld bei ihr vermuthen, ins Wasser geworfen und wunderbar gerettet, worauf sie drei Jahre lang unter dem Namen Marinus in einem Männerkloster zubringt. Natürlich befindet sich nach dieser Version ihre Grabstätte in Sicilien (IV. 288). Abgebildet wird sie als Einsiedlerin, die ein Kind vor sich liegen hat.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 245-246.
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