Mathildis, S. (1)

[303] 1S. Mathildis, Reg. Vid. (14. März). Die hl. Mathildis, eigentlich Mahthildis, zuweilen Mechtildis aber auch Mahilda, Mahilla genannt, Gemahlin des Königs Heinrich, des Vogelstellers, leitet ihr Geschlecht von dem berühmten Witikind (Widukind) ab, der unter Carl dem Großen [303] als Anführer der Sachsen sich rühmlich hervorthat, und nach seiner Unterwerfung ein eben so gläubiger und frommer Christ als treuer Unterthan wurde. Ihr Vater war Dietrich, Graf in Westfalen (Thietricus, Ditericus, Thidericus, Theodericus),138 ihre Mutter Reinhildis stammte aus einem Dänisch-Frisischen Geschlechte. Ihre Großmuttervon väterlicher Seite Mathildis, Abtissin in Herford139, übernahm ihre Erziehung. Näheres ist von ihrer Familie nicht bekannt. Die kleine Grafentochter wurde an diesem heiligen Orte (sancta Herfordia) in Lesung der heiligen Bücher wie in Handarbeiten, im Psalmensingen wie in der Gottesfurcht unterrichtet. In allem dem machte Mathildis glänzende Fortschritte: obwohl zart an Alter zeigte sie eine gereifte Frömmigkeit, und schritt ebenso in den Schulgegenständen wie in Handarbeiten vorwärts. So entfaltete sich mehr und mehr ihre innere und äußere Schönheit und ihre Tugenden wurden ein Gegenstand allgemeinen Lobes. Sie war so sittsam, demuthsvoll, freigebig, daß sie allen Gespielinnen in allem dem vorauseilte. Herzog Otto von Sachsen beschloß deßhalb für seinen Sohn Heinrich, genannt der Vogelsteller, der damals 33 Jahre zählte, um ihre Hand anzuhalten. Graf Thietmar begab sich in seinem Auftrage ins Kloster, sah die Jungfrau und nahm, von ihrer Liebenswürdigkeit und Majestät begeistert, schon am nächsten Tage auch den jungen Heinrich mit, damit er die Braut sehe, die der Vater ihm geben wollte. Als er sie im Bethaus erblickte, ihr Psalmbuch in der Hand, in Ehrfurcht gebietender frommer Andacht, stand sein Entschluß fest, bei der Großmutter in ihrer Gegenwart um ihre Hand zu bitten. In ausgewählter, seiner Geburt angemessener Kleidung betrat er mit zahlreichem Gefolge zum zweiten Male das Heiligthum und begehrte die Abtissin des Klosters zu sprechen. Sie empfing ihn und sein Gefolge mit Freude und ließ auf seine Bitte auch die Enkelin kommen. Als sie erschien mit der heitern Stirne, mit dem freundlichen Angesichte, weiß wie die Lilien und roth wie frische Rosen, erfüllte sich sein Herz mit der innigsten Liebe, so daß er inständig bat, daß die Jungfrau ihm möchte verlobt werden. Die Aebtissin schwankte, indem sie nicht wisse, ob ihre Eltern nicht bereits sie einem Andern verlobt hätten, da gar Viele, durch Geburt und Schönheit hervorleuchtend, Verlangen nach ihr trügen. Aber schon am folgenden Tage führte Heinrich seine Braut durch die Städte seines Vaters. Er gab ihr zum Brautgeschenk Wallhausen (an der Helme) in Thüringen und was dazu gehörte. Hier wurde im J. 909 auch das Beilager gehalten. Drei Jahre später starb ihr Schwiegervater Otto, der sie wie sein eigen Kind geliebt hatte. Er erlebte noch die Geburt eines Enkels, der auch Otto genannt wurde. Durch Fügung Gottes sollte sie noch höher steigen. Am Anfang d.J. 919, nach Königs Conrad, des Saliers, kinderlosem Tode, bestieg ihr Gemahl den deutschen Königsthron. Sie selbst bemühte sich von Tag zu Tag an Demuth zuzunehmen. So kam es, daß ihr heiliges Leben ihr größere Berühmtheit verschaffte, als die Königskrone. Je erhabener sie war an Macht und Ansehen vor den Menschen, desto mehr erniedrigte sie sich und ertrug die Ehren der Krone wie eine Last. Sie bedachte stets die Rechenschaft, welche sie einst vor Gott werde ablegen müssen. Wenn sie ausging, sagt ihre Lebensbeschreibung, trug sie ein Kleid von Seide, geschmückt mit Edelsteinen, aber im Herzen trug sie den köstlichern Schmuck der vollkommenen Gottergebenheit. Ihr Wille fing in Gott an und endigte wo er angefangen hatte: in Gott. Man kann sagen, Mathildis habe sich in wunderbarer Weise das Königsschloß zum Kloster umgeschaffen und auf demselben alle Uebungen vorgenommen, welche man von einer Ordensfrau würde erwarten dürfen. Ihrer Umgebung erschien sie nie als Herrin, sondern war Allen eine liebe Mutter, die man, auch wenn sie weniger hoch gestellt gewesen wäre, hätte ehren und lieben müssen. Nie wendete sich ein Trauriger an sie, der nicht fröhlich von ihr weggegangen wäre. Jeder erhielt was er begehrte. Selbst der [304] Verurtheilten erbarmte sie sich und erwirkte ihnen, wo sie nur konnte, durch inständiges Bitten die Begnadigung. Mit ihrem Mann lebte sie in solchem Frieden, daß beide nur ein Leib und eine Seele zu seyn schienen. Sie liebten sich beide gleich sehr in Christo, hatten beide gleiche Neigung zur Ausübung des Guten, waren beide gleich geneigt, den Willen Gottes als das einzige Gesetz ihres Willens zu erkennen und zu achten, hatten beide gleiche Liebe zum Nächsten, gleiches Mitleid für die Unglücklichen, gleiche Sorgfalt für ihre Unterthanen. Oefter entfernte sie sich in der Stille der Nacht heimlich von der Seite ihres Gemahls und lenkte ihren Geist zum Gebete, und der König, um sie nicht zu stören, that, als sähe er sie nicht. Alles, nach dem sie Verlangen trug, gewährte er, denn sie begehrte nie etwas als was gut und löblich war. Die Lust, welche die Welt ihr darbot, schätzte sie gering um der Liebe Christi willen. Ihn ehrte und liebte sie auch in ihrem Gemahl, und so wurde ihre Gattenliebe die reinste, hingebendste und vollkommenste, die man sich denken kann. Heinrich erhielt von ihr fünf Kinder: Otto, Ger berga, Haduwin, Heinrich und Bruno. Die zwei letzten gebar sie, als ihr Gemahl bereits König war. Den König Heinrich nahm Gott am 2. Juli 936 zu Meinleben zu sich; er bezeugte seiner tief betrübten Gattin in rührenden Worten seine Dankbarkeit und sagte unter anderm: »Nie hat Einer ein Weib genommen, dessen Treue zuverlässiger, dessen Eifer für alles Gute erprobter gewesen wäre. Habe Dank dafür, daß du mich besänftigtest wenn ich erzürnt war, daß du in allen Dingen mir heilsamen Rath gegeben, öfter von der Unbilligkeit zur Gerechtigkeit und Milde geführt und mich an den Unterdrückten Erbarmen zu üben gemahnt hast. Ich empfehle dich und unsere Kinder dem allmächtigen Gott und der Fürbitte seiner Auserwählten und so auch meine Seele, die nun von dieser Erde scheiden wird.« Nach seinem Tode ließ die fromme Königin sogleich Nachfrage halten, ob noch ein Priester da wäre, der nichts genossen hätte, um für die Seele des Königs den Gottesdienst zu halten. Es fand sich einer Namens Adeldac. Sie gab ihm zur Belohnung ihre beiden mit bewunderungswürdiger Kunst gefertigten goldenen Armringe. Er wurde später Erzbischof von Hamburg und Beremen und ist auch dadurch merkwürdig, daß er die ersten Bischöfe für Dänemark ordinirte. Ihre Trauer um den verstorbenen Gemahl war so beschaffen, daß sie aufrichtig und ernst, und doch von tiefer Gottergebenheit durchdrungen war. Sie zeigte nun ihren Söhnen die Leiche ihres verstorbenen Vaters mit den Worten: »O meine liebsten Söhne, ich bitte und beschwöre euch wiederum bei der Leiche eures Vaters: fürchtet Gott, dienet nur Ihm allein, in dessen Hand alle Reiche ruhen. Nie streitet miteinander um einer so flüchtigen und hinfälligen Ehre willen. Sehet, so endet alle irdische Herrlichkeit: glückselig wer sich ewige Güter erwirbt, die nie aufhören!« Dann ließ sie den Gemahl im Servatii-Münster zu Quedlinburg, wie er gewünscht hatte, durch den Bischof Bernhard von Halberstadt königlich bestatten. Das Frauenstift in Winithehusen, dessen Zucht gesunken war, wurde hieher verlegt, und die Stiftsfrauen verpflichtet, des Königs beständig im Gebete zu gedenken. Als Wittwe beging sie den Fehler, daß sie ihren liebsten Sohn Heinrich, später Herzog von Bayern, vor ihrem Sohne Otto, der vom Vater als Nachfolger auf dem Königsthrone bezeichnet war, bloß deßhalb bevorzugte, weil dieser, der Erstgeborene, schon auf die Welt gekommen war, da der Vater nur erst Herzog war, während er jenen als König erzeugt hatte. Es kam zum Bruderkampfe, der mit Heinrichs Niederlage endigte. Nachdem er einige Zeit zu Ingelheim gefangen gesessen, versöhnte er sich mit seinem Bruder und erhielt von ihm im I. 946 das Herzogthum Bayern. Bis dahin hatte die fromme Mutter viel Schmerz und Herzenleid zu ertragen. Der drittgeborene, der hl. Bruno, später Erzbischof von Cöln, studirte noch als der Vater starb. Wittwe geworden, suchte die selige Mathildis in der Frömmigkeit es Allen zuvorzuthun. Die Lebensbeschreibung erschöpft sich im Lobe ihrer Gottesfurcht, Geduld, Starkmüthigkeit, Barmherzigkeit, Friedensliebe, Schamhaftigkeit und Andacht. Einen großen Theil der Nacht brachte sie im Gebete zu. Wenn sie eine kurze Zeit geschlafen hatte, so weckte sie das Kammermädchen und ging mit ihr in die Kirche, um zu beten. Oft ging sie dann erst beim Morgengrauen aber ohne Geräusch in ihr Gemach zurück und legte sich in ihr Bett. Wurde das Zeichen zur Andacht vor Tages Anbruch gegeben, so erhob sie sich rasch und ging wieder in die Kirche zum Gebet. [305] Speise und Trank genoß sie nur so viel, als die Natur nothwendig erforderte. Selten sah man sie erzürnt oder auch nur stark erregt, denn sie war streng nur gegen sich, nicht gegen Andere. Bei Tage sah sie Niemand auch nur kurze Zeit müssig. Im Almosengeben war sie so verschwenderisch, daß ihre Söhne Otto und Heinrich ihre Dotalgüter mit Sequester belegten und sie anwiesen, sich in ein Kloster zu begeben. Demüthig fügte sie sich und wählte den Ort ihrer Kindheit, die Villa Enger (Angria) bei Herford zu ihrem Aufenthalte. (Die Gegend zwischen Ems und Weser heißt ditio Angerinensis.) Zuweilen wohnte sie auch in der Burg Grohnde (Gruona, Grona, Gremonata) bei Hameln an der Weser. Diese Zurückgezogenheit betrachtete die selige Mathildis als eine Fügung Gottes, die Er zu ihrer Besserung über sie verhängt habe. Sie bewies sich stark im Unglück, bis ihre Söhne zunächst auf Bitten Editha's, Otto's II. Gemahlin, die Maßregel reuig zurücknahmen. Sie weilte in dem Kloster Pöhlde (Polten, Palidum), nahe bei Herzberg am Fuße des Harzes, als ihr Liebling Heinrich sie zum letzten Mal besuchte. Seinen Tod voraussehend, ermahnte sie ihn zu gründlicher Bekehrung. Er starb bald darauf zu Regensburg am 1. Nov. 955. Einige Jahre vorher war Editha, die Gemahlin Otto's I., die sich für die Zurückrufung der Königin Mutter verwendet hatte, gestorben. Der König verehlichte sich zum zweiten Mal mit Adelheid, der Wittwe des Königs Lothar (932 –950), die er gegen die Bedrückungen Berengars geschützt hatte. Als die Nachricht vom Tode des Herzogs Heinrich der heiligen Mathildis hinterbracht wurde, befand sie sich eben in Quedlinburg. Sie wurde blaß im Gesichte, kalter Schauer durchlief ihre Glieder, sie ließ das Angesicht in das Buch sinken, mit welchem sie eben beschäftiget war, brach in Thränen aus, und konnte den ganzen Tag nicht mehr aufhören zu weinen, noch einen Bissen Nahrung zu sich nehmen. Sie ordnete an, daß für den Verstorbenen gebetet würde und betete selbst für ihn, »der so selten freudenvoll lebte und fast alle Tage seiner irdischen Pilgerfahrt in Angst zugebracht hat.« Dieser Todesfall benahm ihr aber vollends alle Anhänglichkeit an die irdischen Dinge. Nichts Vergängliches hatte ferner einen Reiz für sie. Sie wollte keine weltlichen Gesänge mehr hören und kein Vergnügen mehr genießen; sie las nur mehr geistliche Schriften, besonders solche die vom Leiden Christi und den lieben Heiligen handelten. Sie erstieg allmählich die letzte Stufe der Vollkommenheit. Sie redete nur was nothwendig und nützlich war. Den Waisen, Wittwen und Pilgern war sie eine zweite Mutter. Zweimal täglich theilte sie in Person Speisen an die Armen aus, indem sie Christum in ihnen zu nähren glaubte. Den Kranken, welche nicht zu ihr kommen konnten, schickte sie Obst und die besten Speisen, wobei es manchmal geschah, daß dieselben durch die von ihr gesendete Erquickung geheilt wurden. Diese fromme Liebe dehnte sie auch auf die unvernünftigen Thiere aus: ein Hahn war der Gegenstand ihrer besondern Pflege, »weil er durch sein Krähen die Christgläubigen zum Dienste Christi erwecke.« Den Vögeln ließ sie Brodkrummen und andere Nahrung aufstreuen, damit sie »den Namen ihres Schöpfers preisen.« Wie wohlgefällig dieß der liebe Gott sah, zeigte sich eines Tags an einem wunderbaren Vorfalle mit der jungen Hirschkuh, welche in den Mauern des Klosters zu Quedlinburg zahm gehalten wurde. Dieselbe verschluckte nämlich das goldene Weinkrüglein, in welchem die Heilige den Wein zum heiligen Opfer darzubringen pflegte. Umsonst versuchten die erschreckten Anwesenden durch Schlagen, Drohen, Händeklatschen den Raub wieder zu erlangen. Da hielt die Königin ihre Hand an den Mund des Thieres und sprach mit sanfter Stimme: »Gib her; was du genommen gehört uns!« Kaum hatte sie dieß gesagt, als das Thier das verschluckte Gefäß wieder von sich gab. Wenn sie eine Reise machte, so ließ sie Kerzen mittragen, die sie an die Capellen und Kirchen verschenkte, an welchen sie vorüberkam, und Speisen für die Armen, welche ihr etwa auf dem Wege begegneten. Wenn sie las oder schlief, hatte Richburgis, ihre Hofdame, den strengsten Auftrag, es für sie zu thun. Im Winter sorgte sie allenthalben für offene Wärmestuben, damit die Armen nicht frieren dürften, für Laternen, damit sich in der nächtlichen Dunkelheit Niemand verirre. Auch Bäder ließ sie den Armen zubereiten, die sie öfter selbst bediente. Immer war sie mit Handarbeiten beschäftigt; bevor sie ihr selbst auferlegtes Pensum verrichtet hatte, pflegte sie nichts zu essen. Stets las oder betete sie oder hielt Betrachtung oder that irgend etwas [306] Nützliches und dem Nächsten Zuträgliches. Auch war sie dabei eifriger für Andere in nützlicher Thätigkeit, als für sich. An sich selber dachte sie immer zuletzt. Zu der heil. Messe, die sie keinen Tag versäumte, brachte sie jedesmal die Oblation (Brod und Wein) für das Wohl und den Nutzen der ganzen heiligen Kirche. Sie stiftete drei Klöster: Nordhausen in Thüringen, Quedlinburg im Herzogthum Sachsen und Pöhlde ( Poled), die ersten beiden für Frauen, das letzte für Männer. Oefter besuchte sie die Klosterschulen, um sich von den Fortschritten der Zöglinge zu überzeugen. Wie alle Heiligen, so hatte auch Mathilde die Gabe der Thränen. Anfänglich flossen sie freilich am öftesten wegen irdischer Leiden, aber die Gnade des Herrn wandelte sie allmählich in Thränen der heiligen Liebe um, indem sie sowohl ihre eigene Unvollkommenheit, als auch die Leiden der Mitmenschen beweinte. Aber die Güte des allmächtigen Gottes wirkte sogar Wunderthaten mit ihr. Als sie einmal zu Quedlinburg in der Tiefe des Thales einen Armen erblickte, der am Jahrtage ihres Gemahls Heinrich leer ausgegangen war, ergriff sie hurtig ein Stück Brod, machte das Kreuzzeichen darüber, rief den Namen Christi an, und warf es aus der Höhe hernieder. Das Brod sprang von einer Stelle zur andern abwärts über Felsen und Zäune und fiel zuletzt dem Armen in den Schoos, dem sie es zu geben beabsichtigt hatte. Daß ihr die Gabe des Hellsehens und der Weissagung zu Theil geworden war, zeigt ihre Lebensbeschreibung durch mehrere Beispiele. Als ihr Enkel Otto auf die Welt kam, beugte sie ihre Kniee zur Erde, rief die Gott dienende Schaar zusammen, ließ Lobgesänge anstimmen, die Kirchenglocken läuten und sprach: »dieser wird einst an Ruhm die Andern überstrahlen und uns Eltern zur Zier gereichen.« Nach Ostern des J. 965 sah sie zum letzten Male in diesem Leben alle ihre Lieben zu Cöln. Kaiser Otto I. war mit seinem Bruder Bruno, seinen Söhnen Otto und Wilhelm dahin gekommen. Auch Gerberga mit ihren Söhnen Lothar und Carl, vielleicht auch die Abtissin Hedwig, war erschienen. Die alte Königin bildete des Festes Mittelpunkt. Von ihren Sprößlingen mit hohen Ehren empfangen, brachte sie Christo Preis und Dank für das Wohlergehen Aller, besonders aber dafür, daß ihr kaiserlicher Sohn wohlbehalten in solcher Herrlichkeit aus Italien zurückgekommen war. Sie empfahl ihnen neben andern Dingen vorzüglich die Einrichtung und Vollendung des Klosters zu Nordhausen. Hier sah sie etwa im Juli 966 nochmal ihren Sohn, den Kaiser Otto I., welcher nach siebentägigem Aufenthalte sich nach Anhörung der hl. Messe von ihr verabschiedete. Sie küßten sich gegenseitig und weinten; auch Alle, die dabei waren zerflossen in Thränen. Die Königin eilte darauf in die Kirche zurück und küßte weinend die Stelle, an welcher ihr Sohn während der Meßfeier gestanden hatte. Als dieß dem Kaiser gemeldet wurde, kehrte er wieder zurück und abermals kamen sie ins Gespräch, das die fromme Mutter zuletzt mit den Worten abbrach: »Was frommt es uns, länger zu verweilen. So sehr wir widerstreben mögen, müssen wir uns doch von einander losreißen. Wenn wir einander noch länger anschauen, so werden wir unsere Betrübniß nicht mindern, sondern vielmehr erhöhen. So gehet nun im Frieden Christi!«140 Ihr Sohn Bruno, Erzbischof von Cöln, war noch im J. 965 am 11. Oct. zu Rheims gottselig gestorben. Die hl. Mathilde, obwohl sehr angegriffen, faßte sich in Geduld, um als »elende Sünderin« in immer tieferer Verwaisung die Last des Lebens zu tragen. Als sie ihr Ende nahen fühlte, begab sie sich von Nordhausen in das Stift Quedlinburg, ihre und ihres Gemahls Lieblingsstiftung. Nochmals befahl sie zum Heile ihrer Seele reiche Spenden an die Armen, Klöster und Kirchen zu vertheilen. Der Bischof Wilhelm von Mainz, ihr Enkel, der selbst, ohne es zu wissen, dem Tode näher stand, als die hl. Mathildis, versah sie mit den hl. Sacramenten – obiturus obituram. Sie schaute im Geiste sein frühes Ende und sagte es ihm voraus. Als er ihr nämlich nach dreitägigem Verweilen seinen Caplan zu weiterer Hilfeleistung zurücklassen wollte, sprach sie: »Es ist nicht nöthig, Ihr bedürfet seiner mehr als ich. Gehet im Frieden Christi, wohin sein Wille es bestimmt hat.« So war es: der Bischof starb plötzlich auf der Reise zu Radulferode am 2. März 968. Umsonst suchte man der hl. Mathildis diesen Todesfall zu verheimlichen. »Ich weiß«, [307] sprach sie, »daß Bischof Wilhelm aus dieser Welt gewandert ist, und dieß vermehrt meine Schwäche. Lasset die Glocken läuten und die Armen zusammenkommen, damit sie Almosen empfangen zur Fürbitte bei Gott.« Auch ihre treue Dienerin Richburgis, nun Abtissin von Nordhausen, hatte sie an ihr Sterbebett gerufen. Am Samstag nach dem ersten Sonntag in der Fasten beichtete sie nochmal und empfing aufs Neue die hl. Communion. Hernach bat sie, die Nähe des Todes fühlend, alle Umstehenden für ihre hinscheidende Seele zu beten, und mit Ablesung des Evangeliums und Psalmengesang so lange fortzufahren, bis die Seele sich vom Leibe getrennt hätte. Sie hob Augen und Herz gen Himmel, und betete unablässig mit ausgebreiteten Händen. Unterdessen war es neun Uhr geworden. Jetzt befahl sie, daß ein härenes Gewand auf den Boden gebreitet und ihr sterbender Leib darauf gelegt werde; sie streute mit eigener Hand Asche auf ihr Haupt und verschied mit dem Zeichen des hl. Kreuzes. Die Lebensbeschreibung, der wir dieß entnommen haben, schließt mit den schönen Worten: »Der Herr sei in ihr gepriesen und sie in dem Herrn. Er, dessen Lob ihr Mund unaufhörlich pries, ist auch ihr Lob. Ihm gebührt Ehre und Herrlichkeit, Ruhm und Macht ewiglich.« Ihr Hinscheiden erfolgte am 14. März 968, zu der Stunde, in welcher sie sonst die Armen erquickte. An diesem Tage steht ihr Name auch im Mart. Rom., dessen deutsche Ausgabe sie in folgender Weise aufführt: »Zu Halberstadt in Deutschland (statt des Todesortes ist hier der Name des Bisthums gesetzt) das Entschlafen der heiligen Königin Mathildis, des Kaisers Otto I. Mutter: sie war in Demuth und Geduld vortrefflich.« Sogar Giesebrecht kann nicht umhin, hier der Wahrheit Zeugniß zu geben und sich für ihr Lob zu begeistern, indem er schreibt: »Selten hat sich weltlicher Ruhm und irdische Höhe so wahr und aufrichtig dem Dienste des Herrn ergeben, als es in dieser ausgezeichneten Frau der Fall war. Ihr Beispiel und ihre unermüdliche Thätigkeit haben für die Gesittung und christliche Erweckung des Sachsenvolkes mehr gethan als man sagen kann. Mit Freude und Stolz muß der Deutsche setzt noch ihren Namen nennen, denn mit demselben sind die schönsten und rühmlichsten Erinnerungen unserer Geschichte innigst verknüpft.« Ihr Leib ruht neben dem ihres Gemahls, zur Zeit ohne Verehrung, in der Krypta der Schloßkirche zu Quedlinburg. Vor dem steinernen Altare, der als Ruine noch steht, sind die Grabsteine der beiden königlichen Gatten. Mit der Reformation ging in den Ländern, welche ihr zufielen, das Bedürfniß und das Verständniß, Gott in seinen Heiligen zu ehren, verloren. Das zu Quedlinburg gestiftete adelige Kloster wurde um diese Zeit in ein »freiweltliches adeliges Stift« verwandelt. Die Damen, welche in ihm lebten, und ihre Vorsteherinnen hatten den Geist und den Glauben ihrer hl. Stifterin eingebüßt. Im ganzen Stift wurde der katholische Cultus verboten. Es war also kein Nachtheil für die Religion, daß im J. 1803 diese »Abtissinnen« und »Stiftsdamen« zu bestehen aufhörten, und der westphälische König Jerome im J. 1812 dem Stift selbst ein Ende machte. Später wurde eine Waisenanstalt an dessen Stelle gegründet (Heyer'sche Stiftung), welche noch besteht. Gegenwärtig befindet sich wieder eine kleine katholische Gemeinde in Quedlinburg, welche mit vieler Mühe sich ein Kirchlein erbaut hat. Nordhausen ist jetzt eine preußische Stadt; von der zu Ehren der Mutter Gottes und des hl. Kreuzes gemachten Stiftung der Heiligen ist aber keine Spur mehr vorhanden. Nur ihr Standbild beim Hochaltare des Doms hat sich durch die Ungunst der Zeiten bis auf unsere Tage gerettet. Das Kloster Pöhlde kam später an Prämonstratenser-Nonnen, ist aber jetzt gleichfalls aufgehoben. Auf Abbildungen erscheint Mathildis in ihrer zweifachen Eigenschaft als Königin und Klosterstifterin, manchmal auch als Wohlthäterin der Armen. (II. 356–370).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 303-308.
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