[455] 1B. Michelina (Michaela), Vict. (19. Juni). Die selige Michelina mit dem Zunamen Metelli war zu Pesaro um d.J. 1300 von angesehenen und wohlhabenden Eltern geboren und erhielt von ihnen eine zwar standesgemäße, aber keineswegs christliche Erziehung, die ihr einen ehrenvollen Platz im Reiche dieser Welt, aber keinen im Reiche Christi versprach. Schon im zwölften Jahre trat sie mit einem Herrn von Malatesta in die Ehe, und lebte in diesem Stande zwar im Frieden, aber keineswegs gottesfürchtig und tugendhaft. Als Wittwe nahm sie um d.J. 1335 eine fromme Frau, die das Kleid des dritten Ordens des hl. Franz von Assisi trug, in ihr Haus auf. Diese Liebesthat war der Anfang ihrer Bekehrung. Sie fing an, ihre Gedanken ernstlich auf die Ewigkeit zu richten und entsagte, nachdem auch ihr einziger Sohn gestorben war, allem Besitze; nur den Herrn und nichts als Ihn wollte sie in vollkommener Armuth und Abgeschiedenheit ihr Eigen nennen, und trat deßhalb in den dritten [455] Orden des hl. Franz von Assisi. Ihre Gottseligkeit erschien bald ihren Eltern und Verwandten als Irrsinn; sie ging nämlich baarfuß, bettelte, lebte nur von Almosen, fastete, betete und wachte so zu sagen unaufhörlich, weßhalb sie von ihnen, mit Ketten belastet, in einen Thurm gesperrt wurde. Da sie standhaft blieb, und die Beschuldigung und Leiden einer Närrin geduldig und stillschweigend ertrug, hatte man aber Mitleid mit ihr und gab sie frei. Nun widmete sie ihr ganzes Vermögen den Werken der christlichen Barmherzigkeit und unternahm sogar eine Wallfahrt ins heilige Land. Ihr bußfertiges Leben brachte manchen Sünder zur Besinnung und Lebensbesserung. Wie die niedrigste Magd diente sie den Kranken, sa so weit ging ihre Liebe, daß sie die Wunden der Aussätzigen küßte. Einige Male lohnte der Herr diese Ueberwindung durch wunderbare Heilungen. Sie erreichte ein Alter von 56 Jahren. Am Feste der hl. Dreieinigkeit d.J. 1356 übergab sie ihre bußfertige und fromme Seele in die Hände ihres Schöpfers. Ihr Wohnhaus zu Pesaro wurde im J. 1580 in eine Kirche umgewandelt. Bei ihrem Grabe brannte eine ewige Lampe. Ihr hl. Leib ruht in der Kirche des hl. Franciscus zu Pesaro. Doch hat sie im Franciscaner-Orden nur das Officium de Comm. non Virg., kein eigenes. Papst Clemens XII. hat im J. 1737 ihre Verehrung bestätiget, denn sie »leuchtete (Mart. Rom. Seraph.) im Leben und nach dem Tode durch Wunderzeichen.« (III. 925).
Heiligenlexikon-1858: Michelina (2)