[880] S. Pharaldis (4. Jan.), eine Frau und zugleich Jungfrau in Brabant, war nach der Ueberlieferung eine Tochter des Herzogs Theodorich von Lothringen und der heiligen Amelberga1. Letzteres ist aber (nach Ram, vie des Saints etc. S. 36) noch ungewisser, als das Erste. Ihre Geburtszeit fällt in die Mitte des 7. Jahrhunderts. Die heil. Gertrudis soll ihre Erzieherin und Taufpathin gewesen sein. Von Jugend auf war sie fromm und eingezogen und brachte die meiste Zeit mit Gebet und Lesung heiliger Schriften zu. Auch in den Wissenschaften und der schönen Literatur wurde sie unterrichtet. Viele Männer suchten sie zur Gattin zu erhalten. Wider ihren Willen wurde sie mit einem gewissen Guido aus vornehmem Geschlechte verlobt. Aber auch im Ehestand bewahrte sie ihre Jungfrauschaft, da durch Gottes Gnade in ihr jede Begierlichkeit ausgelöscht und in ihrem Gatten unterdrückt wurde. Dreißig Jahre lang ging sie alle Nacht in das Kloster zur Mette und ließ sich durch nichts davon abhalten. Es ist sicherlich falsch, daß die Heilige später zwar von ihrem Manne verlangt worden, sie aber ihm so fest widerstanden sei, daß sie lieber Schläge und Mißhandlungen erduldete, als ihm zu willfahren. Letzteres scheint zwar vorgekommen zu sein, aber aus Eifersucht, nicht wegen ehelichen Ungehorsams. Als ihr Mann gestorben war, setzte die fromme Wittwe ihr strenges, andächtiges und liebethätiges Leben fort bis in ein Alter von 90 Jahren. Wo sie starb, ist ungewiß, am wahrscheinlichsten scheint die Vermuthung, die auf das Schloß Lotryck in Brabant hinweist; die Angabe apud Lotharingos, bei den Lothringern, wäre hiedurch am besten erklärt. Agilfridus (Egelfridus), Bischof von Lüttich, der [880] der da mals noch Abt bei St. Bavo in Gent war, brachte ihren heiligen Leib, als er von Rom zurückkehrte, nach Gent in die dortige Abteikirche. Sie steht daselbst bis auf den heutigen Tag in Verehrung. Die zu ihrer Ehre um d.J. 930 erbaute Kirche daselbst wurde im 16. Jahrh. profanirt. Am 21. Juni 1073 kamen ihre Reliquien in einen neuen Schrein, nachdem sie vorher vor den Einfällen der Normannen nach Nesle in der Picardie in Sicherheit gebracht worden waren. Ihr Hauptfest wird am 4. Januar und das ihrer Translation am 7. Oct. gefeiert. Sie wird abgebildet mit einer Trappgans entweder in der Hand oder neben ihren Füßen, wahrscheinlich wegen des Handels, der vor Zeiten zu Gent mit diesen Vögeln getrieben wurde. Nach der Legende hat sie dieselben eines Tags vom Felde nach Hause getrieben, als wären sie zahme Vögel, und eine derselben, die schon gekocht und aufgespeist war, dadurch wieder lebendig gemacht, daß sie die gerupften Federn und die Beine neben einander legte. In früheren Zeiten war an ihrem Hauptfeste großer Kindermarkt in Gent, denen man zu Ehren der Heiligen Geschenke gab. Eine alte ihr geweihte Kirche befindet sich auch zu Bruay bei Valenciennes. Hier hat die Heilige, wie die Volkssage erzählt, eines Tags ihren dürstenden Schnittern mit einem Fußtritt auf freiem Feld eine reichlich fließende Quelle, deren Wasser in Kinderkrankheiten heilsam ist, eröffnet. Die Kapelle zu Strenockerzeel bei Vilvorde, neu erbaut i. J. 1839, soll ursprünglich von ihr selbst gebaut worden sein. (Sante-Varelden-Kapelle genannt; das Volk nennt sie gewöhnlich Sinte Veerle, Veirle oder Vaerle.) Ein altes Propstei-Siegel vom J. 1386 zeigt zu Füßen der Heiligen einen jungen Mann, der ihr knieend eine Gans reicht. (I. 170.)