Phileas, S.S.

[882] S. S. Phileas et Soc. M. M. (36. Nov. al. 4., 18. Febr.). Der heil. Phileas, bei Beda irrig Philates geschrieben, war erst Hauptmann der kaiserlichen Truppen, dann Bischof zu Thmuis in Aegypten, und litt zu Alexandria um d.J. 306. Die Geschichte seines Martyriums ist sehr erbaulich und ihre Aechtheit steht außer Zweifel. Der Präses, unter welchem er vollendete, hieß Culcianus. Folgendes ist der Wortlaut des umständlichen gerichtlichen Verhörs, das mit dem Heiligen vorgenommen wurde. Der Präses sagte: Du könntest wohl auch nüchtern werden! Der Heilige: »Ich bin immer nüchtern, und lebe nüchtern.« Euleianus sprach: Opfere den Göttern! Phileas antwortete: »Ich opfere nicht.« Warum nicht? Phileas: »Weil die heiligen und göttlichen Schriften sagen, daß ausgerottet werden solle, wer den Göttern, [882] nicht aber dem alleinigen Gott, opfert.« Culcianus sagte: Opfere also dem alleinigen Gott! Wieder antwortete Phileas: »Ich opfere nicht, denn Er will nicht solche Opfer. Nicht die Menge der Opfer – das Verbrennen der Böcke, das Fest der Lämmer, das Blut der Opferthiere, nicht einmal Brodopfer – befriediget Ihn.« Einer der Beisitzenden unterbrach ihn und sagte: Entweder zeigst du Näheres über das Brodopfer an oder du setzest dein Leben aufs Spiel! Culcianus aber ging hierauf nicht ein, sondern sagte: Welche Opfer gefallen also deinem Gott? Phileas antwortete: »Ein reines Herz, aufrichtige Gesinnung, Wahrheit in Reden.« Culcianus sagte: So opfere jetzt! Phileas entgegnete: »Nein, ich habe es nicht gelernt.« Culcianus: Hat denn Paulus nicht geopfert? Phileas: »Durchaus nicht!« Und Moses? »Die Juden allein durften Schlachtopfer darbringen, aber nur in Jerusalem, und nur dem Einen Gott; die Juden, welche setzt an andern Orten opfern, versündigen sich.« Calcianus: Lassen wir die unnöthigen Worte! Opfere! Phileas antwortete: »Ich werde meine Seele nicht beflecken.« Der Präses sagte: Könnten wir je einmal die Seele verlieren? Phileas: »Ja wohl, Leib und Seele.« Culcianus: Diesen hier gegenwärtigen Leib? Phileas: »Eben diesen Leib.« Culcianus: Dieses Fleisch soll also wieder auferstehen? Phileas: »Allerdings«. Culcianus: Hat nicht auch Paulus Christum geleugnet? Phileas: »Nein, das sei ferne.« Culcianus: Schwöre mir das! Phileas: »Wir sollen nicht schwören, unsere Rede soll sein: Ja und Nein!« Culcianus sagte: War Paulus nicht ein Verfolger? ein Idiot? ein Syrier? disputirte er nicht in Syrischer Sprache? Phileas erwiderte: »Nein, er war ein Hebräer und disputirte in griechischer Sprache; seine Philosophie hat jede andere übertroffen.« Culcianus: Am Ende wäre er größer gewesen, als Plato? Phileas antwortete: »Nicht bloß größer als Plato, sondern als alle Philosophen, denn auch sie hat er überwunden. Wenn du willst, bin ich bereit, dir Reden von ihm mitzutheilen.« Culcianus: Machen wir's kurz, opfere! Phileas: »Nein.« Culcianus: Gewissens halber? Phileas: »Ja.« Culcianus sagte: Warum erfüllst du nicht auch die Pflichten, die dein Gewissen dir gegen Weib und Kind auferlegt? Phileas antwortete: »Weil der Gehorsam gegen Gott im Gewissen vorgeht.« Culcianus: Gegen welchen Gott? Darauf streckte der Heilige seine Hand gen Himmel und sprach: »Gegen den Gott, der den Himmel und die Erde und das Meer und Alles was darin ist gemacht hat, den Schöpfer und Bildner aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge, den Unaussprechlichen, der allein Gott ist und bleibt in alle Ewigkeit! Amen.« Die Beisitzenden wehrten ihm, so Vieles zu sprechen und fragten: Warum widersprichst du dem Präses? Phileas antwortete: »Ich beantworte nur seine Fragen.« Culcianus sagte: Sprich nicht so viel und opfere! Phileas antwortete: »Nein, um meiner Seele willen, ich opfere nicht, denke an Socrates! Auch er starb neben Frau und Kindern!« Culcianus erwiederte: War etwa Christus Gott Phileas: »Ja!« Culcianus: Wie bist du davon überzeugt worden? Phileas: »Er hat Blinden die Augen geöffnet, Taube hörend gemacht, Aussätzige gereiniget, Tode erweckt, Stummen die Sprache gegeben und viele Krankheiten geheilt.« Culcianus: Er ist Gott und wurde gekreuzigt? Phileas antwortete: »Um unsers Heiles willen ist Er gekreuzigt worden. Er wußte es im Voraus und gab sich selbst in alles Leiden hin um unsertwillen! Die hl. Schriften, welche die Juden zu halten glauben, aber nicht halten, hatten dieses prophezeit. Wer es lesen will, mag kommen und sehen, ob es nicht so ist.« Culcianus sagte: Gedenke der Rücksicht, die ich dir erwiesen! In deiner eigenen Stadt konnte ich dich entehren lassen; ich that es nicht, weil ich deine Ehre schonte. Phileas antwortete: »Ich danke dir, aber mache deine Gnade vollkommen!« Was willst du? »Handle nach deiner Vermessenheit und thue, was dir befohlen ist!« Culcianus sagte: Du wolltest ohne Ursache sterben? »Nein, nicht ohne Ursache, sondern für Gott und für die Wahrheit.« Culcianus sagte: War Paulus auch Gott? Phileas: »Nein.« Culcianus: Wer denn? Phileas: »Ein Mensch wie wir, aber es lebte in ihm der Geist Gottes und in diesem Geiste that er Wunder und Zeichen«. Culcianus sagte: Ich gebe dich frei und deinen Brüdern zum Geschenke. Phileas antwortete: »Mache dein Wohlwollen vollkommen, gebrauche deine Verwegenheit, thue was dir [883] befohlen ist.« Culcianus sprach: Ich hätte keine Schonung für dich, wenn ich wüßte, daß du arm, und auf diese Weise in diesen Wahnsinn gerathen wärest; aber du bist so reich, daß nicht bloß du, sondern beinahe die ganze Provinz sich von deinem Besitze nähren könnte, und daher schone ich dich, und rathe dir, zu opfern. Phileas antwortete: »Ich opfere nicht und schone mich auf diese Weise selbst.« Die Beisitzenden sprachen zum Präses: Er hat im Phrontisterium (öffentliche Schule) bereits geopfert. Phileas sagte: »Gewiß, ich habe nicht geopfert.« Culcianus: Deine bemitleidenswerthe Gattin erwartet es von dir. Phileas: »Der Erlöser aller Seelen ist der Herr Jesus Christus, dem ich diene in meinen Banden. Er ist mächtig, auch sie zu der Erbschaft der Glorie zu berufen, zu welcher Er mich berufen hat.« Die Beisitzenden sagten zum Präses: Er bittet um Aufschub. Culcianus sprach zu Phileas: Ich gebe dir Aufschub zum Nachdenken. Phileas erwiderte: »Ich habe bereits nachgedacht und bin zum Entschlusse gekommen, für Christus zu leiden.« Umsonst drangen die sämmtlichen Beamten in ihn, sich seiner trostlosen Familie zu erbarmen; umsonst umfaßten die Verwandten seine Füße, für Frau und Kinder Sorge zu tragen; er blieb unbeweglich wie ein Stein, den die Wasserwelle anspült, spie die eiteln Schwätzereien von sich, richtete sein Gemüth auf Gott und wollte in diesem Augenblick keine anderen Verwandten anerkennen, als die hl. Apostel und Martyrer. Unter den Anwesenden war auch ein Kriegshauptmann, Namens Philoromus. Als er sah, wie Phileas von seinen weinenden Anverwandten umringt und von der schlauen Fragweise des Präses ermüdet wurde, aber doch sich nicht biegen oder brechen ließ, rief er laut: »Warum machet ihr euch die fruchtlose Mühe, die Standhaftigkeit dieses Mannes auf die Probe zu stellen? Warum wollet ihr ihn, der seinem Gott getreu ist, zur Untreue verleiten? Warum zwingt ihr ihn, der Menschen wegen von Gott abzufallen? Sehet ihr nicht, daß seine Augen eure Thränen nicht sehen, daß seine Ohren eure Worte nicht hören, daß er durch irdische Thränen nicht gerührt wer, den kann, weil seine Augen die himmlische Herrlichkeit anschauen.« Nach diesen Worten kehrte sich der Zorn Aller auf Philoromus; beide, verlangten sie, müßten das gleiche Urtheil erfahren. Der Richter erklärte bereitwillig seine Zustimmung und befahl ihre Hinrichtung durch das Schwert. Selbst auf dem Wege zur Richtstätte machte der Bruder des Phileas, der Einer der Beisitzenden war, nochmals einen vergeblichen Versuch, ihn zu retten: Phileas, schrie er, bittet um Vernichtung des Urtheils. Culcianus rief ihn zurück und sprach: Worin besteht deine Berufung? Phileas antwortete: »Ich habe keine Berufung ergriffen, höre nicht auf diesen Unglücklichen! Vielmehr erstatte ich den Königen und dem Präses großen Dank, daß sie mich auch zum Miterben Jesu Christi gemacht haben.« Nun ging er hinaus. An dem Orte der Hinrichtung angekommen, streckte Phileas seine Hände gegen Sonnenaufgang und sprach: »Meine theuersten Söhne, ihr Alle, die ihr Gott suchet, wachet über eure Herzen, weil unser Widersacher wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, wen er durchbohre. Noch haben wir Nichts gelitten, jetzt beginnen wir erst zu leiden, setzt fangen wir erst an, Schüler unsers Herrn Jesu Christi zu sein. Merket, Geliebteste, auf die Gebote unsers Herrn Jesu Christi. Rufen wir Ihn an, den Unversehrten, den Unbegreiflichen, der über den Cherubim thronet, den Schöpfer aller Dinge, welcher der Anfang ist und das Ende, dem Ehre ist in Ewigkeit. Amen.« Nachdem er so gesprochen hatte, vollzogen die Scharfrichter das Urtheil und lösten aus den mit dem Schwerte durchhauenen Nacken die unerschütterlichen Geister beider Kämpfer durch die Gnade unsers Herrn Jesu Christus, der mit dem Vater und dem heil. Geist als Gott lebt und regiert in Ewigkeit, Amen. In dieser Weise erzählen wörtlich die Acten ihren glorreichen Hintritt. Von Einigen wird behauptet, daß mit ihnen noch eine große Zahl anderer Christen den Tod erduldeten. (I. 459–465.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 882-884.
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