Ysarnus, S.

[842] S. Ysarnus (Isarnus). Abb. Conf. (24. Sept.). Dieser hl. Abt von St. Victor in Marseille war in diesem Kloster erzogen worden, erhielt vom Abte Guifredus (Sifredus, Wifredus) das Ordenskleid, und wurde dessen Nachfolger. Sein Geburtsort (Fredelesium) war ein Flecken in der Nähe von Toulouse. Er hatte schon die Jahre der Standeswahl erreicht, als ein Benedictinerabt, Namens Gauscelinus, welcher im Uebrigen unbekannt ist, eines Tages in diesem Orte predigte, und ihn bewog, den Ordensstand zu ergreifen. Seine Abtwahl hatte beinahe etwas Wunderbares an sich. Die benachbarten Aebte, welche dieselbe vornahmen, konnten sich nämlich lange nicht einigen. Da ließ der Abt Arghinricus von Montmajeur (St. Peter bei Arles) die Knaben, welche im Kloster erzogen wurden, herbeirufen, nahm den jüngsten derselben bei der Hand und sagte zu ihm: »Mein Söhnlein, sage uns im Namen Jesu Christi, wen hältst du für würdig. daß er dieser Abtei vorstehe?« Das Kind nannte den Ysarnus. Unter seinen Tugenden glänzt im höchsten Lichte seine Demuth und seine Liebe gegen die Armen. Er scheute sich nicht, um Bettler kleiden zu können, in die Zellen seiner Mönche zu treten, und ihnen das nächste beste Kleid aus dem Kasten zu nehmen. Freilich ließ er ihnen dafür später ein besseres wieder zurückgeben. Als das Kloster Lerins von den Sarazenen geplündert, und die Mönche in die Gefangenschaft geschleppt wurden, kaufte er sie los. Der heil. Abt Odilo von Clugny nannte scherzweise den Abt von St. Victor einen Heuchler, da er unter einer gewöhnlichen Außenseite die erhabensten Tugenden verberge. Auch in der Enthaltsamkeit übte er gegen sich die größte Strenge. In der Fasten pflegte er Montags, Mittwochs und Freitags gar nichts zu genießen. Unter den außerordentlichen und wunderbaren Dingen, welche die Biographie von ihm erzählt, eine Auswahl zu treffen, ist schwer. Sein nach Innen begnadigtes Leben zeigte sich als solches auch nach Außen. Aber doch prüfte ihn der Herr, ehe Er ihn zu steh nahm, mit außerordentlichen Schmerzen. Vier volle Monate lag er krank, magerte vollständig ab, und wurde so schwach, daß er ohne fremde Hilfe sich nicht von der einen auf die andere Seite legen konnte. Doch bewahrte er bis zur letzten Stunde den Geist der Selbstbeherrschung und der Gottesfurcht. Sein Hinscheiden war so erbaulich wie sein ganzes Leben. Die Mönche umstanden weinend sein Sterbelager, während er sie in feuriger Ansprache ein letztes Mal zur Weltverachtung und zur Liebe der himmlischen Dinge ermahnte, und die ihm anvertrauten Schafe dem treuesten Hirten Jesus Christus empfahl. Dann empfing er die göttliche Wegzehrung und übergab am 24. Sept. des J. 1048 seinen Geist in die Hände Gottes, zu dessen Ehre er sein ganzes Leben lang gewirkt und gelitten hatte. (Mab. Saec. VI. p. 1. fol. 532–549.).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 842.
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