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1. Zu keiner Zeit hat der allmächtige gütige Gott aufgehört, die Wunder Seiner Gnade zu erneuern und durch Verleihung geistiger und himmlischer Gaben die Unendlichkeit Seiner Güte zu erweisen. So hat Er, um die Gemüther der Menschen aus Lauheit und Sorglosigkeit zu reißen und sie zu heiligem Eifer für ihr ewiges Heil zu entflammen, dieselben seit Jahrtausenden nicht blos durch Worte zu bewegen, sondern auch durch Beispiele zu ziehen gesucht und uns daher in den Heiligen verschiedene Tugendbeispiele als eben so viele Heilmittel vor Augen gestellt, so daß Jeder nach seiner Schwachheit an dem für ihn passenden Beispiele sich aufrichte, belebe, stärke und auf diese Weise sein Heil in Sicherheit bringe. Daher gehen uns in der Nacht dieses Lebens so viele geistige Gestirne auf, als uns Großthaten der Heiligen vorgestellt werden, die in wunderbarem Wechsel im Laufe des Jahres so auf einander folgen, daß einer dem andern die Hände reicht und unsere Finsternisse erleuchtet. Wir lesen im alten Bunde (2. Mos. 13, 21. 22), daß der Herr vor dem Volke Israel herging, des Tags in einer Wolkensäule und des Nachts in einer Feuersäule, als dasselbe Aegypten verließ, durch das rothe Meer zog und in der Wüste wandelte. Dasselbe geschieht eigentlich auch heute noch; denn was ist die Feier des Gedächtnisses so vieler heiliger Martyrer und Bekenner anders, als ein Wandeln unter der Wolken- oder Feuersäule zum Durchgang durch dieses Leben, um von denen erleuchtet und entflammt zu werden, durch deren Blut wir unsern Weg geröthet sehen, durch deren Lehren wir die Hitze dieser Welt abkühlen müssen. Und damit wir nicht verzagen, als könnten wir das nicht erreichen, was jene erlangt haben, hören wir nicht blos von jungfräulichen Triumphen, sondern erblicken auch Wittwen und Eheleute, wie sie Palmen in den Händen tragen, und zwar nicht blos aus alter Zeit, sondern auch aus den jüngsten Tagen, so daß wir keine Entschuldigung haben, die wir durch so viele Heilmittel aufgerichtet werden.1
2. Indem wir nun im vorliegenden Werke die Sterne unseres geistigen Himmels der Reihe nach aufzählen – und zwar so viel möglich alle, nicht blos die hellleuchtenden, welche uns durch ihren Tugendglanz zum Guten entflammen, sondern auch die für unsere menschlichen Augen weniger sichtbaren, von denen wir kaum mehr als den Namen wissen, die aber jedenfalls vor Gott leuchten und, wenn wir sie näher kenneten, auch für uns hell glänzen würden – erachten wir es für angemessen, etwas Weniges über die Lebensbeschreibung der Heiligen selbst vorauszuschicken, und zwar
I. von den Acten der Martyrer und
Heiligen Gottes überhaupt;
II. von den verschiedenen Sammlungen
dieser Acten insbesondere, und
III. von den kirchlichen Heiligenbüchern
oder Martyrologien etc. etc.
3. In den ersten drei Jahrhunderten wurden die Christen von den Herrschern der [1] Welt als öffentliche Verbrecher angesehen, und der Name »Christ« war hinreichend, die Person den grausamsten Peinen und dem Tode Preis zu geben. Jeder Statthalter oder Richter hielt sich für befugt, die Christen überall, wo er sie nur antraf, mit Feuer und Schwert zu verfolgen, den wilden Thieren vorzuwerfen, an's Kreuz zu schlagen oder auf eine andere ihm beliebige grausame Art zu tödten Tertullian und die übrigen Apologisten entwerfen ein schauderhaftes Bild von den Christenverfolgungen und den unmenschlichen Todesarten, welche im Laufe derselben angewendet wurden. Dabei war die gerichtliche Procedur zwar manchmal ziemlich ausführlich, öfters aber ganz einfach und summarisch; denn das einfache Bekenntniß: »Ich bin ein Christ« galt in den meisten Fällen als hinreichende Ursache schneller oder langsamer Todesvollziehung. Die bei diesen Gerichten gepflogenen Verhandlungen nun, die Fragen der Richter und die Antworten der Christen, dann der Ausspruch des Urtheils, wurden kurz von dem Gerichtschreiber aufgefaßt oder von den gegenwärtigen Zeugen schriftlich aufgezeichnet. Diese Protokolle oder Register nennt man die »Martyrer-Acten« (Acta Martyrum), welche Benennung dann später auch auf die Lebensgeschichten der hhl. Bekenner und Jungfrauen, die nicht gemartert wurden, überging, weßhalb diese Lebensbeschreibungen schlechtweg Acta Sanctorum genannt werden, ohne daß ihnen in allen Fällen ein richterliches Gepräge oder der Charakter von öffentlichen Schriften zukäme.
4. Es läßt sich denken, daß die Christen sich sehnten, schriftliche Nachrichten über das heldenmäßige Bekenntniß und heilige Ende ihrer Martyrer zu besitzen. Sie bestrebten sich daher, Alles niederzuschreiben, was in den gerichtlichen Verhandlungen, im Kerker und auf dem Kampf- oder Marterplatze vorgefallen war. Unter dem Beifall der Bischöfe erkauften sie mit schwerem Gelde die von den öffentlichen Notaren verfaßten Protokolle. Zuweilen boten die Notare den Christen die Abschriften dieser Protokolle selbst zum Kaufe an, oder brachten, wenn sie geheime Christen waren, den Priestern und Bischöfen dieselben als kostbare Geschenke dar, wie wir ein Beispiel an dem hl. Genesius von Arles haben, von dem die Bollandisten am 25. August handeln. Sehr oft drangen die Christen selbst unter der großen Volksmenge bis in die Gerichtsstuben, um zu sehen und zu hören, was vorging, und das Vorgefallene Anderen mündlich oder schriftlich mittheilen zu können. Dieß wagten sogar zarte Frauen, wie unter Andern die Acten der hl. Febronia bei den Bollandisten am 25. Juni darthun.
5. Noch eine andere Weise der Entstehung der Acten war mitunter in Geltung. Die hhl. Martyrer legten bisweilen selbst ihr Bekenntniß schriftlich nieder und verfaßten im Kerker von den gerichtlichen Verhandlungen, den erlittenen Peinen und dem ersten Bekenntnisse eine kurze Geschichte, welche nachher durch die nächsten Freunde derselben vollendet wurde. So z.B. kommen die Acten der hhl. Perpetua und Felicitas größtentheils von diesen hhl. Frauen selbst, sowie von ihrem hl. Gefährten Saturus her und wurden von einem Vertrauten derselben vervollständigt. Auch der hl. Dionysius von Alexandria hinterließ zwei Briefe, worin er seine und der Freunde Leiden schildert.
6. Frühzeitig jedoch nahmen die Bischöfe und Vorsteher der Kirche das Geschäft der Abfassung der Martyrergeschichten in die Hände und regelten es, um die Gläubigen vor Irrthum zu bewahren. So hat der hl. Papst Clemens I. zu Rom einige Geheimschreiber oder Notare für gewisse Bezirke bestellt, welche das getreu aufzeichnen sollten, was täglich mit den Martyrern in den Kerkern, oder öffentlich in den Gerichtsstuben, oder auf den Kampfplätzen vorfiel. Diesen sieben Notaren setzte der Papst Fabian sieben Subdiakone vor, deren Amt es unter Anderm war, die von den Notaren verfaßten Acten durchzusehen, zu berichtigen und dann dem Oberhaupte der Kirche zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen; die bewährt befundenen ließ der Papst in dem Kirchenarchiv aufbewahren. Hieraus erkennen wir die große Vorsicht der römischen Kirche, welcher dann andere Kirchen darin nachfolgten und sich auf alle Weise bemühten, die Martyrer-Acten von unzuverlässigen Thatsachen und Erzählungen rein zu erhalten und auf die sorgfältigste Weise aufzubewahren. Denn die geschwornen Notare schrieben sie, die bestellten Subdiakone untersuchten, durchsahen und prüften sie, und endlich genehmigte sie der Bischof unter Leitung des hei Geistes, wie Papst Pius I. in seinem Brief [2] sich ausdrückt.3 Die nämliche Vorsicht beobachteten auch die andern vornehmsten Kirchen, z.B. Karthago in Afrika, Smyrna in Asien, Lyon und Vienne in Gallien, wie wir dieß aus einigen Zeugnissen ersehen, die sich erhalten haben und von den Bollandisten (Praef. Tom. I. Jan.) mitgetheilt werden. Nachdem der Bischof die Acten genehmigt hatte, ließ er sie abschreiben und diese Abschriften der Hauptkirche der Provinz oder der Patriarchalkirche, wie auch den befreundeten andern Kirchen mittheilen, damit sie die Großthaten der Gläubigen kennen lernten, die Feste der Martyrer feierlich begehen könnten und zur Nachahmung aufgemuntert würden. Heilige Ueberbleibsel dieser Kirchengemeinschaft sind die Sendschreiben der Kirche von Smyrna über den Martyrtod des hl. Polykarpus, und der Kirche von Lyon und Vienne in Gallien über die Marter des hl. Pontinus und seiner Gefährten. Weil die römische Kirche ihres mächtigen Vorrangs wegen mit allen andern Kirchen des Orients und des Occidents in Verbindung stand, so hatte sie die beste Gelegenheit, die Martyrer-Acten aus der Ferne zu erhalten. Ja sogar die Laien gingen, wie wir am hl. Martyrer Bonifacius (14. Mai) sehen, von Rom aus an jene Orte, wo die Verfolgung am stärksten wüthete, um Reliquien zu sammeln, eine Abschrift der Urtheile zu erhalten, oder einen authentischen Bericht über den Muth- und die Standhaftigkeit der Martyrer, über die Art des Todes und über die Grausamkeit der Richter und Landpfleger abstatten zu können.
7. Bollandus weist am angeführten Orte aus einigen Beispielen nach, daß schon früher die Sitte bestand, die Acten der Martyrer zur Bestätigung nach Rom zu senden. So habe der hl. Bischof Dionysius von Paris befohlen, alles, was er zu leiden habe, was bei seinem Verhöre in den Gerichtshöfen gesprochen werde, genau zu Papier zu bringen und es an das Oberhaupt der Kirche nach Rom zu schicken, und er selbst, der hl. Dionysius, habe die Acten des hl. Bischofs Eutropius von Saintes (Santonum) an den Papst geschickt. Auch noch andere Beispiele dieser Pietät gegen Rom ließen sich anführen, wir müssen sie aber der Kürze halber übergehen und dabei einfach auf unsere Quelle verweisen. Jetzt ist überhaupt die Anordnung getroffen, daß ein Martyrer nicht eher als solcher in der Kirche anerkannt und verehrt werden darf, als bis sein Leben und setn Martyrium vom hl. Vater untersucht, geprüft und bestätigt worden ist.4
8. Aber nicht nur das Leben und der Tod der hhl. Martyrer, sondern auch eine Geschichte der herrlichen Thaten Solcher, welche nach einem heil. Leben im Rufe der Heiligkeit gestorben und von Gott nach ihrem Tode durch Wunder verherrlicht worden waren, pflegte man frühzeitig schon abzufassen, und nahmen öfters die Bischöfe dieses Geschäft selbst in die Hände, indem sie rechtschaffene Männer beauftragten, eine Lebensgeschichte solcher hhl. Männer zu verfassen. Daß dieß wirklich der Fall war, zeigt eine Menge von Beispielen aus den ersten Jahrhunderten, wie sie zerstreut bei den Bollandisten sich finden.
9. Leider sind wohl die meisten solcher Acten der Martyrer und der Lebensgeschichten der Heiligen durch die Ungunst der Zeiten verloren gegangen; nur wenige sind noch vorhanden. Man kann aber mehrere Ursachen angeben, woher es komme, daß nur mehr wenige Acten, besonders der Martyrer, auf uns gelangten. Nach Ruinart sind die vorzüglichsten Ursachen folgende:
1) Die Martyrer-Acten theilen überhaupt mit andern (besonders kleinern) Schriften der ersten Zeit ein gleiches Schicksal. Wie viele Schriften sind nicht durch die Länge der Zeit verloren gegangen?! Man sieht das so recht bei dem Kirchenhistoriker Euseb ius, von dem sich nicht nur manche Schrift gar nicht mehr vorfindet, sondern aus dem es auch hervorgeht, daß er manche Actenstücke zu Handen hatte, von denen wir nichts mehr wissen. Er selbst klagt aber schon, daß manches schöne Monument der Vorzeit gänzlich verschwunden und vielleicht für immer vernichtet sei.
[3] 2) Mit den Acten der Martyrer hat es außerdem noch eine besondere Bewandtniß. Mit dem Eifer, womit die Christen sie abfaßten, oder aufsuchten und verbreiteten, mit demselben Eifer suchten die Feinde der Christen sie zu vertilgen. Nachdem die Kaiser einmal in Erfahrung gebracht hatten, welchen Werth die Christen auf die Acten ihrer Martyrer legten, wodurch nicht nur das Christenthum bestätigt, sondern auch das Heidenthum beschämt, die Kaiser und Richter selbst der Grausamkeit beschuldigt wurden, wandten sie allen Fleiß an, diese Urkunden durch Feuer zu vertilgen oder doch den Händen der Christen zu entreißen. Einige Statthalter befahlen sogar, die gerichtlichen Urkunden gleich nach dem Vollzuge des Urtheils zu vernichten, damit sie der Oeffentlichkeit entzogen würden. Die ersten Christen klagen häufig über dieses Verfahren der Richter, die nicht einmal die Namen der treuen Bekenner der Nachwelt vergönnten. Dieß scheint z.B. bei den Acten des hl. Vincentius (22. Jan.) der Fall gewesen zu seyn; denn in dem, was über ihn auf uns gekommen ist, lesen wir: »Es dient wahrlich zur Vermehrung der Glorie des hl. Martyrers Vincentius, daß, nachdem seine Martern aufgeschrieben worden waren, der Feind des menschlichen Geschlechtes ihn um den Titel (eines Martyrers) beneidete. Daher haben wir eine ganz getreue Geschichte seiner Thaten entworfen, was der Richter nicht gestatten wollte, und nicht mit Unrecht fürwahr, weil er sich hätte schämen müssen, als Besiegter angesehen zu werden. Einer natürlichen Vorsicht gemäß suchen nämlich die auf dem Irrwege sich Befindenden die Zeugnisse der Rechtschaffenheit zu vertilgen.«5 Auch Prudentius beklagt sich in dem Hymnus auf die hhl. Martyrer Emetherius und Chelidonius, daß die Acten ihres Martyrtodes vertilgt und der Nachwelt entrissen worden seien.
3) Zwar geht dieß zunächst die richterlichen Acten an; allein auch die von den Christen verfaßten waren der Nachstellung unterworfen. Die Heiden wußten, wie hoch sie von den Gläubigen geschätzt wurden; sie hatten erfahren, welche Wirkung sie hervorbrachten, wie eifrig sie in der Versammlung gelesen wurden. Ihr Augenmerk war daher auf diese ebenso, wie auf die heil. Schriften gerichtet, die sie allenthalben auf suchen und verbrennen ließen, wie Arnobius bezeugt, der (lib. contra Gent. cap. ult.) an die Heiden die Frage richtet: »Warum haben es unsere Schriften verdient, dem Feuer überliefert zu werden?« Unter Diokletian und Maximian wüthete die Verfolgung am heftigsten gegen die Bücher, deren sich die Christen bei dem öffentlichen Gottesdienste bedienten, wie Eusebius (Kirchengeschichte, VIII. B. 11. Kap.) bezeugt und unter Andern aus den Acten der hhl. Saturninus, Dativus, Agape, Chionia und Irene hervorgeht. In diesen letzten wirst der Statthalter der hl. Irene vor: »Jetzt erscheint deine Thorheit im wahren Lichte, da du so viele Rollen, so viele Bücher und Bände, so viele Blätter und Papiere von den Schriften aufbewahrest, welche alle von der Religion der Christen handeln, die von jeher bis auf diesen Tag gelebt haben.« Auch der Vandalenkönig Genserich ließ alle Bücher wegnehmen, damit den Christen, wie Victor berichtet, die Waffen entrissen würden, welche sie in ihrer Standhaftigkeit befestigten. Wer wird nun die Zahl der Acten berechnen können, die in diesen Verfolgungen eingezogen und vernichtet wurden?! Wenn man dieses reiflich erwägt, dazu noch die politischen (für literarische Werke stets nachtheiligen) Kriege der verschiedenen Länder in's Auge faßt, so muß man sich billig wundern, daß wir noch so viele ächte Martyrer-Acten besitzen, die den Verfolgungen, den Nachstellungen, den Verheerungskriegen entgangen sind und dem verzehrenden Zahne der Zeit Trotz geboten haben.
4) Ueberdieß ist es gewiß, daß nicht von allen Martyrern der christlichen Vorzeit schriftliche Urkunden verfaßt worden sind, noch verfaßt werden konnten. Einige litten zu den Zeiten, wo die Christen nicht einmal in den Höhlen und Gräbern für einen Augenblick Ruhe hatten. In solchen Bedrängnissen gehörte eine Abfassung von Acten zur Unmöglichkeit. Zuweilen waren die Verfolgungen so stürmisch, daß Mehrere auf einmal, wie [4] in einer Feldschlacht (quasi jure belli, nach Eusebius), ohne Verhör, ohne Untersuchung, ohne Urtheil, haufenweise dahingeschlachtet, in den Kirchen verbrannt oder in der Tiefe des Meeres ersäuft wurden (vgl. Euseb. Kirchengesch. VIII. Buch, 6. und 9. Kap.). Merkwürdig ist, was dieser Schriftsteller im 6. Kap. von Christen am Hofe, die den Martyrtod erlitten haben, sagt: »Die kaiserlichen Beamten hielten für nöthig, ihre eigenen Herren, die nach dem Tode auf gebührende Weise zur Erde bestattet wurden, ausgraben und in's Meer werfen zu lassen, damit sie von Niemand, wenn sie in ordentlichen Gräbern lägen, wie sie glaubten, angebetet und vergöttert werden möchten.« Nach Lactantius wurden die Christen verschiedener Provinzen, der entlegensten Gegenden, verschiedenen Geschlechtes, Standes und Alters zusammen verbrannt, hingerichtet und in's Meer geworfen. Derselbe Schriftsteller sagt auch, wenn er hundert Zungen, hundert Lippen und eine eiserne Stimme hätte, so wäre er nicht im Stande, alle Arten der Martern, alle Namen der Qualen, womit die Christen verfolgt wurden, auszudrücken. Wenn zuweilen Einer vor Gericht geschleppt wurde, ergriff man zugleich mehrere der Umstehenden und Zuschauer, weil sie Mitleiden gezeigt und dadurch sich den Verdacht, als seien sie Christen, zugezogen hatten. Ja, selbst die Namen derselben waren nicht immer bekannt. In den Acten der hl. Fides (Tom. III. Boll. 6. Oct. pag. 289) lesen wir: »Vieler Namen kennen wir nicht, die an demselben Tage beim Anblick der Standhaftigkeit dieser Heiligen dem Götzendienste entsagten (a sacrilego daemoniorum jugo pia colla solventes), an den Herrn Jesus Christus glaubten und die herrliche Martyrkrone erlangten.« Die heidnischen Landleute, welche besonders fest am Götzendienste hielten, und die Götzenpriester griffen zu, wo sie einen Christen antrafen, und tödteten ihn. Der hl. Dionysius von Alexandria sagt von dem Lande Aegypten, welches so unendlich viele Martyrer zu Tage förderte, viele Andere seien in den Landstädten und Dörfern von den Heiden getödtet worden (Euseb. lib. II. cap. 11), und schreibt in seinem Briefe an Domitius und Didymus (bei Euseb. l. c.): »Es ist überflüssig, die Unsrigen namentlich aufzuführen, da ihrer Viele und diese dazu noch unbekannt sind. Indessen wisset, daß Männer und Weiber, Junge und Alte, Mädchen und alte Mütter, Soldaten und Bürger von verschiedenem Geschlechte und Alter, theils durch Geißel und Feuer, theils durch das Schwert im Kampfe gesiegt und die Krone empfangen haben. Wer hätte auch von all diesen Bekennern die Namen aufzeichnen und ihre Geschichte und den Martyrtod beschreiben sollen?!«
5) Zuletzt sei als Ursache, warum so wenige Martyrer-Acten auf uns gekommen, noch erwähnt, daß in den ersten Jahrhunderten die größte Zahl der Christen aus dem gemeinen Volke bestand, das weder lesen noch schreiben konnte. Bei allen Verfolgungen wurden zuerst die Bischöfe und Priester mit den übrigen Kirchendienern verhaftet, und nach diesen die Reichern und Gebildeten; sonach blieben oft nur jene übrig, welche keinen schriftlichen Aufsatz verfassen konnten.
10. Uebrigens besteht ein Unterschied unter den auf uns gekommenen Martyrer-Acten. Nach Honoratus a S. Maria6 können dieselben in fünf Klassen eingetheilt werden:
Zur ersten Klasse gehören die eigenhändigen authentischen gerichtlichen Protokolle, Acta autographa judiciaria, oder proconsularia, praesidialia genannt, weil sie von den Richtern oder Statthaltern bei ihrer Amtsverrichtung dictirt und von den Gerichtsschreibern aufgezeichnet wurden. Sie enthalten die Fragen der Richter, die Antworten der Martyrer und den Urtheilsspruch. Auf welche Art die Gläubigen zu diesen Acten kamen, ist oben gezeigt worden; hier sei nur noch bemerkt, daß diese Acten nach glücklich bestandenen Martern von den Bischöfen oder Kirchendienern mit den nähern Umständen des Todes vervollständigt wurden, wobei gewöhnlich eine kleine Vorrede vorausgeschickt wurde, worin Stand, Amt und die Lebensweise des Martyrers beschrieben wurden, wie wir aus 18 von Ruinart mitgetheilten Acten dieser Klasse deutlich ersehen.
Die zweite Klasse begreift jene Verhandlungen in sich, welche von den Martyrern selbst im Kerker aufgezeichnet wurden. Hinsichtlich ihrer Autorität stehen sie auf einer Linie mit den Urkunden der ersten Klasse; wir besitzen jedoch wenige, und diese [5] sind durch Andere vervollständigt, vielleicht auch durch einige Zusätze vermehrt worden. Acten der hhl. Perpetua und Felicitas, der hhl. Montanus und Flavianus, zu denen noch die Briefe des hl. Dionysius von Alexandria an den Bischof Fabian von Antiochia gerechnet werden können.
Zur dritten Klasse gehören die Urkunden oder Geschichten, welche von den Zeugen des gerichtlichen Verhöres oder den Umstehenden und Zuschauern des Bekenntnisses und des Todes nach Beendigung des Kampfes aufgezeichnet wurden, und diese enthalten oft die kleinsten Umstände, die in die gerichtlichen Protokolle nicht eingezeichnet wurden. Hieher sind zu rechnen die Leidensgeschichte des hl. Bischofs und Martyrers Cyprian, von seinem Diakon Pontius verfaßt, und die Leidensgeschichte der hl. Febronia, von ihrer Vorsteherin Thomais geschrieben. In Ruinart's Sammlung zählt man zwölf Martyrergeschichten dieser Klasse.
Die vierte Klasse von Acten bilden jene, welche erst später verfaßt wurden. Bei dem größten Sturme der Verfolgung, der gewöhnlich die Bischöfe und Priester zuerst traf, ließen sich nicht immer die einzelnen Leidensgeschichten und das, was sich ereignet hatte, aufzeichnen. Erst bei eingetretenem Stillstande fing man an, aus den noch übrig gebliebenen Fragmenten der gerichtlichen Urkunden, oder aus dem, was man von bewährten und glaubhaften Männern gehört hatte, eine kurze Darstellung zu entwerfen, oder das schriftlich aufzuzeichnen, was allgemein bekannt war. Leicht ist es in dieser Art Acten zu erkennen, was aus den gerichtlichen Protokollen ausgehoben worden ist. Hieher gehören die Acten der hl. Symphorosa und ihrer Söhne, wo der Verfasser am Schlusse sagt: »Hierauf ruhte die Verfolgung ein Jahr und sechs Monate, in welchem Zeitraume die heiligen Leiber aller Martyrer verehrt wurden.« In der Sammlung Ruinart's finden sich 25 Acten dieser Klasse.
Endlich kommt noch eine fünfte Klasse zu erwähnen. Bekanntlich wurden viele Christen in den ersten Zeiten ohne besonderes gerichtliches Verhör sogleich nach dem Bekenntnisse hingerichtet. Davon hatte man keine gerichtlichen Acten. Von andern hhl. Martyrern sind die Acten verloren gegangen. Das Andenken dieser hhl. Martyrer bewahrtyrertodes theils die Reden oder Homilien der hhl. Väter, theils einige auf solche Martyrer verfaßte Hymnen, sowie auch die Kirchengeschichtschreiber. Daß man sich auf diese schriftlichen Denkmale der Vorzeit verlassen kann, darüber dürfte um so weniger ein Zweifel bestehen, als weder die Einen noch die Andern in ihren öffentlichen Vorträgen oder in ihren Werken Thatsachen würden angeführt haben, die zweifelhaft schienen oder wovon sie nicht anderswoher ganz versichert waren. Dazu beziehen sich die hhl. Väter gar häufig auf die ihnen bekannten Acten, die aber für uns jetzt verloren gegangen sind, und ist es gewiß, daß z.B. der hl. Ambrosius und Prudentius im Besitze der Martyrer-Acten der hl. Agnes waren. Auch der Bischof Theodor von Ikonium spricht deutlich von den Acten der hhl. Cyricus und Julitta, die aber durch Märchen entstellt waren. Ruinart's Acten-Sammlung, auf die wir später zu sprechen kommen, besteht zur Hälfte aus Reden, Hymnen und Briefen der Kirchenväter über gewisse hhl. Martyrer.
11. Auch Bollandus unterscheidet (Praef. Tom. I. Jan.) unter den Acten der Heiligen überhaupt vier Klassen, die von verschiedener Autorität und Geltung sind.
Den ersten Rang nehmen nach ihm jene Lebensbeschreibungen der Heiligen ein, welche von Augenzeugen herrühren, wie z.B. das Leben des hl. Augustin, welches von seinem Schüler und Freunde Possidius verfaßt wurde. Die zweite Klasse begreift jene Lebensgeschichten in sich, welche solche zu Verfassern haben, die zwar nicht selbst mit den betreffenden Heiligen umgingen und Zeugen ihres Wandels und ihrer Thaten waren, die aber das, was sie niederschrieben, aus dem Munde glaubwürdiger Zeugen vernommen haben. Zu dieser Klasse gehört z.B. das Leben des hl. Franciscus, welches den hl. Bonaventura zum Verfasser hat, das des hl. Hilarion von Hieronymus und das der hl. Clara von einem Unbekannten, der jedoch in der Dedication an Papst Alexander IV. sagt, er habe sich mit den Jungfrauen zu Assisi, die mit der hl. Clara lebten, in Verbindung gesetzt und genau Alles aufgezeichnet, was er aus ihrem Munde über sie vernommen habe. »Es ist nicht erlaubt,« setzt er bei, »die Lebensgeschichte eines Menschen zu schreiben,[6] es sei denn, man habe zuerst diejenigen vernommen, welche Augen- und Ohrenzeugen seiner Thaten gewesen.« Die dritte Stelle nehmen nach ihm diejenigen Lebensgeschichten ein, welche die Aussage derjenigen zur Grundlage haben, die es von Augen- und Ohrenzeugen gehört hatten. Dahin gehört Vieles, was in dem Buche »geistliche Wiese« von Johannes Moschus, in den Dialogen des hl. Gregor des Großen und in der englischen Geschichte von Beda enthalten ist. Endlich rechnet Bollandus zur vierten Klasse diejenigen Lebensgeschichten (Vitae) der Heiligen, welche in späterer Zeit verfaßt und aus bewährten Schriftstellern oder aus andern schriftlichen Denkmälern zusammengetragen worden sind. Die meisten der von ihm und seinen Nachfolgern in der Fortsetzung des großen Werkes, betitelt Acta Sanctorum, mitgetheilten Lebensbeschreibungen gehören dieser Klasse an.
Zu diesen vier Hauptklassen rechnet er noch zwei andere Klassen von geringerem Werthe, wovon die Eine solche Leben der Heiligen enthält, die in späterer Zeit aus dem Munde des Volkes niedergeschrieben wurden, und die Andere aber solche, in denen Wahres mit Falschem untereinander vermischt ist und gleichfalls von späteren Autoren herrührt. – Wenn auch den Lebensbeschreibungen der letztern zwei Klassen geringere Bedeutung zukommt, so glaubt Bollandus doch, daß sie um des Wahren willen, das sie enthalten, nicht ganz zu verwerfen sind.
12. Schon in den allerersten Zeiten der christlichen Kirche wurden die Acten einzelner Martyrer verfälscht, und besonders waren es die Häretiker, welche sich dieses Geschäft zur Aufgabe machten, neue Acten erdichteten und zur Verbreitung ihrer Irrlehre unter ihre Anhänger austheilten. Daher sahen sich die Kirchenvorsteher schon frühzeitig veranlaßt, dießbezüglich auf der Hut zu seyn und Vorkehrungen zu treffen, damit die Gläubigen nicht in den Irrthum geführt würden. So heißt es in einem Kanon eines römischen Concils, welches unter Papst Gelasius im Jahre 494 gehalten wurde (Decret. Grat. Pars I. dist. 15. can. 3. Sancta Romana), von den Büchern, die beim öffentlichen Gottesdienste gelesen werden sollen: »Item gesta sanctorum Martyrum, qui multiplicibus tormentorum cruciatibus et mirabilibus confessionum triumphis irradiant. Quis ita esse Catholicorum dubitet, et majora eos in agonibus fuisse perpessos, nec suis viribus, sed gratia Dei et adjutorio universa tolerasse. Sed ideo secundum antiquam consuetudinem singulari cautela in sancta Romana Ecclesia non leguntur, quia et eorum, qui conscripsere, nomina penitus ignorantur, et ab infidelibus aut idiotis superflua, aut minus apta, quam rei ordo fuerit, scripta esse putantur, sicut cujusdam Quirici et Julittae, sicut Georgii, aliorumque hujusmodi passiones, quae ab haereticis perhibentur compositae. Propter quod, ut dictum est, ne vel levis subsannandi oriretur occasio, in sancta Romana Ecclesia non leguntur. Nos tamen cum praedicta Ecclesia omnes Martyres et eorum gloriosos agones, qui Deo magis quam hominibus noti sunt, omni devotione veneramur. – Der Kanon 63 der sechsten allgemeinen Synode schloß jene Gläubigen von der Kirchengemeinschaft aus, welche die von den Häretikern verfaßten unächten Martyrer-Geschichten lesen und annehmen würden. Quae, heißt dieser Kanon, a veritatis hostibus falso confictae sunt Martyrum historiae, ut Dei Martyres ignominia afficerent et, qui eas audituri essent, ad infidelitatem deducerent, in Ecclesia non publicare jubemus, sed eos igni tradi: qui autem eos admittunt, vel tanquam veris his mentem adhibent, anathematizamus«. Aber zuweilen trieb auch ein unzeitiger Eifer oder eine gewisse Wundersucht selbst die rechtgläubigen Christen an, das Wahre mit dem Falschen zu vermischen und so der wahren Geschichte das ganze Ansehen zu entreißen. Dieser Fehler haftet besonders auf den spätern Zeiten, wie z.B. auf dem Mittelalter, wo man sich in der Kunst zu üben schien, Wunder auf Wunder zu häufen, und jene Acten gar nicht achtete, welche kein auffallendes Wunder enthielten. Von einigen Kritikern wird Simeon Metaphrastes, von dem später (Nr. 23) die Rede seyn wird, genannt, durch den viele Unrichtigkeiten und Uebertreibungen in die Lebensgeschichten der Heiligen gekommen seien; allein gewichtige Autoren, wie Leo Allatius, sprechen ihn von aller Schuld frei und weisen bezüglich dieser Fälschungen auf spätere Schriftsteller.
13. Um in den Martyrer-Acten das Rechte von dem Unrechten zu unterscheiden, [7] stellen die Gelehrten einige Regeln auf, die hier in Kürze angegeben werden sollen:
1) Nach Baronius gilt als erste Regel: »Je einfacher und kürzer die Martyrer-Acten sind, desto mehr haben sie Glaubwürdigkeit und Werth.« Dieß hat jedoch nur Bezug auf die richterlichen oder proconsularischen Acten; denn wollte man diese Regel mit Tillemont auf alle Martyrer-Acten anwenden, so würden wohl wenig ächte Geschichten übrig bleiben. Uebrigens versteht sich diese Regel in Bezug auf die Genannten von selbst. Die Richter machten bei den einzelnen Verhören der Martyrer nicht viel Umstände, stellten in der Regel sehr kurze Fragen, worauf eben so kurze Antworten erfolgten, ließen die Christen selten viel reden, und wenn sie dieß aus Nachgiebigkeit erlaubten, so nahmen sie doch die längeren Reden nicht in die Protokolle auf. Längere Reden und eine einläßlichere Darstellung der Vorgänge finden sich nur in jenen Acten, welche von Christen als Zuschauern oder Zeugen verfaßt wurden, wie in der Martyrergeschichte des hl. Pionius.
2) Wenn gleich im Anfange eines Actes die Regierungsepoche der Consuln oder Kaiser genannt wird, so ist sicher anzunehmen, daß man es mit einem gerichtlich verfaßten Acte zu thun habe. So z.B. fangen die Acta proconsularia des hl. Cyprian mit den Worten an: Imperatore Valeriano quartum et Gallieno tertium Consulibus, tertio Kalendarum Septembrium ...; die des hl. Sper atus und seiner Genossen: Existente Claudio Consule quarto decimo Kalendas Augustas ... In den Acten zweiter und dritter Klasse kommt die Regierungsperiode seltener gleich am Anfange vor.
3) Deßgleichen liegt ein proconsularischer Martyrer-Act vor, wenn in demselben kein Wunder verzeichnet ist. Die Verfolger und Richter nahmen die Wunder als Wirkungen geheimer Zauberei nicht in ihre Protokolle auf, während diese in den Acten zweiter und dritter Klasse, weil zum Plane des Verfassers passend. umständlicher erzählt werden. Durch diese Wunder wurde Gottes Macht verherrlicht, die Wahrheit der Religion bestätigt. der Muth der Martyrer gestärkt, der Gläubige in der Religion befestigt und zur Verachtung der Peinen angefeuert, und der Heide zur Annahme des Christenthums bewogen. Je stärker die Verfolgung und je schwächer der Verfolgte war, desto mehr Wunder wirkte oft die göttliche Allmacht. Daher sind die vielen in den Acten bisweilen vorkommenden Wunder keineswegs als ein Zeichen der Unterschiebung anzusehen, vielmehr beweisen sie, wie dieß Honoratus a S. Maria (l. c.) gegen Tillemont darthut, die Aechtheit der Acten, da Gott bei seinen treuen Bekennern oft verschwenderisch in Wundern war.
4) Eine weitere Regel ist: »Allzugroße Zierlichkeit im Styl, gezwungene Eleganz und überhäufte Bibeltexte machen die Acten sehr verdächtig.« Der hl. Geist, der nach der Lehre Jesu Christi den Martyrern das Wort in den Mund legte, liebt die Einfalt und drückt sich nicht in künstlich überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft aus, damit der Glaube sich nicht auf Menschenweisheit, sondern auf die Kraft Gottes gründe (I. Kor. 2, 4). Noch vielweniger warfen die hhl. Martyrer die »Perle den Schweinen« vor; nur herrscht in dieser Beziehung bei einzelnen Verfolgungen der besondern dabei obwaltenden Umstände wegen eine Ausnahme. Denn die unter Diokletian besonders gegen die heil. Bücher gerichtete Verfolgung gab mehreren Martyrern Veranlassung, von den heiligen Schriften zu reden, ihre Göttlichkeit und Heiligkeit hervorzuheben und aus denselben einige Texte anzugeben, wie wir dieß aus den Acten des hl. Bischofs Philippus zu Heraklea und der hhl. Jungfrauen Irene, Agape und Chionia ersehen.
5) Die Namen der Kaiser, Consuln und Landpfleger sind besonders scharf in's Auge zu fassen und mit der Zeit und dem Orte der Verfolgung genauest zu vergleichen, indem hier die Kritik nicht selten den sein angelegten Betrug der Verfälscher entdecken kann. Indeß kann man hier die Vorsicht auch zu weit treiben, wie dieß der öfter genannte Tillemont gethan, der alle Acten als unächt verwirft, in welchen von einem Verfolgungsedict Trajans, des Antoninus und Marcus Aurelius Erwähnung geschieht, weil diese Kaiser kein Edict wider die Christen erlassen haben. Allein obschon diese Kaiser kein allgemeines Edict erließen, wie Eusebius l. c. lib. V. cap. 1 schreibt, so ist es doch selbst aus mehreren von Tillemont als ächt anerkannten Acten gewiß, daß sie den Landpflegern oder Statthaltern einzelne Verfolgungsbefehle [8] zuschickten. Von Trajan bezeugt es unter Anderm der berühmte Brief des jüngern Plinius an diesen Kaiser und die Martyrergeschichte des hl. Ignatius; von Antonin berichtet selbst der Präfect in den Acten der hl. Felicitas: »Unser Herr, der Kaiser Antonin, befahl, ihr sollet den allmächtigen Göttern opfern;« und von Marcus Aurelius' Regierung wissen wir aus der Kirchengeschichte des Eusebius (lib. 4. cap. 26), daß unter ihr eine Verfolgung besonders in Asien gewüthet habe. – In einigen Acten werden allerdings die beiden Verfolger Decius und Valerianus zusammen aufgeführt, und könnte dieß über deren Aechtheit Verdacht erregen, weil diese zwei Tyrannen nicht zusammen regiert haben; allein es kommt zu erwägen, daß in den betreffenden Acten eine vereinte Regierung dieser Kaiser mit keinem Worte angedeutet wird, sondern weil beide Verfolgungen schnell auf einander folgten und die betreffenden Martyrer in beiden Verfolgungen litten, so konnte der Verfasser dieser Acten der Kürze halberdas mit einander verbinden, was an sich getrennt war. So z.B. sagt der hl. Hieronymus in dem Leben des hl. Eremiten Paulus: »sub Decio et Valeriano persecutoribus.« Auf den ersten Blick möchte man diese Vita des hl. Paulus beanstanden, weil die beiden Verfolger Decius und Valerian gleichzeitig genommen werden; allein es kommt zu bemerken, daß Decius während seines Zuges nach Persien oder gegen die Gothen den Valerian als seinen Stellvertreter zu Rom zurückgelassen hat, der nach dem Beispiele seines Herrn die Christen hinrichten ließ. Nach Baronius, der dem Trebellius folgt, wurde Valerian vom Senat als Bevollmächtigter des Decius während dessen Abwesenheit ernannt.
14. Endlich wollen wir noch den Gebrauch angeben, welchen die Kirche und ihre Gläubigen von den Acten der Martyrer und Heiligen machten. Den Tag, an welchem ein Martyrer seinen Kampf glücklich bestand und sein Leben für den Glauben an Jesus dahingab, sahen die Gläubigen als den glücklichsten, als den Anfang des wahren Lebens an. Bonum est, schrieb der hl. Martyrer Ignatius, a mundo ad Deum occidere, ut in ipso oriar, oder wie die alte Leseart hat: Bonum est proficisci a mundo ad Deum, ut in ipso exoriar. Sie feierten aus dieser Ursache auch nie den Geburtstag, sondern den Sterbetag, weil dieser das Ende der zeitlichen Schicksale und Versuchungen und der Anfang des ewigen Lebens war. »Wir feiern nicht,« sagt der unbekannte Verfasser des III. Buches der Commentare über Job, »den Tag der Geburt, weil er der Anfang aller Schmerzen und Versuchungen ist, sondern wir feiern den Tag des Todes, da an ihm alle Schmerzen aufhören und man an ihm allen Versuchungen auf immer entgeht. Auch feiern wir deßhalb den Todestag, weil diejenigen nicht sterben, welche dem Tode zu erliegen scheinen.« Den Sterbetag eines Heiligennannteman deßhalb den Geburtstag (dies natalis), weil er an diesem Tage dem Himmel geboren worden. Anton Pagi, der kritische Bemerkungen zu den Annalen des Cäsar Baronius herausgab, ist indeß der Meinung, die Kirche feiere durchgehends die Feste der Martyrer an einem andern Tage, als an welchem sie gelitten hätten. Nach dieser Ansicht bedeuten die Natalitia nicht die eigentlichen Sterbetage, sondern nur die Tage, an welchen die Feste der Martyrer begangen werden. Pagi gibt als Grund seiner Meinung an, weil man in den Zeiten der Verfolgung die eigentlichen Sterbetage nicht genau hätte in Erfahrung bringen können, oder weil die Tage, an welchen die Reliquien erhoben wurden, berühmter waren als die Sterbetage. Allein es liegen zu viele Zeugnisse vor, aus denen hervorgeht, wie die Gläubigen mit allem Eifer den Todestag eines Martyrers zu ermitteln suchten, um denselben jährlich begehen zu können, als daß man nur einen Augenblick der Ansicht des Pagi beistimmen könnte. Die Erhebungen und Versetzungen der heil. Reliquien nahmen erst unter Constantin dem Großen ihren Anfang, wie Paulinus in dem XI. Gedichte bezeugt:
Ut Constantino primum sub Caesare factum est,
Tunc famulis retegente suis, ut sede priori
Martyris accitos transferrent in nova terrae Hospitia ...
Die römischen Gesetze erlaubten nämlich nicht, die Gräber zu öffnen und die Gebein der Verstorbenen herauszunehmen. Als aber unter Constantin das Heidenthum durch den christlichen Glauben verdrängt wurde, fing man an, die Kämpfer dieses Glaubens durch Verehrung ihrer Gebeine zu erheben und dieselben als die kostbarsten Schätze zu versetzen, entweder um den Kranken und Presthaften durch die Fürbitte der Heiligen, deren Reliquien versetzt wurden, beizustehen, oder [9] um die Verehrung dadurch zu erhöhen, oder aus mehreren andern Ursachen.7
15. Was nun die Fei er an diesen Sterbetagen der Martyrer und Heiligen betrifft, so bestand sie vornehmlich in der Darbringung des hl. Meßopfers über dem Grabe des Martyrers und in der Ablesung der Acten der Martyrer, damit an ihrem Jahrtage zugleich ihre Thaten in's Gedächtniß gerufen wurden. Es war nämlich, sagt Ruinart, ein uraltes Herkommen in der kathol. Kirche, die Thaten derjenigen Martyrer, deren Feste eben gefeiert wurden, in den Versammlungen vorzulesen. In der afrikanischen Kirche war diese Sitte allgemein durch eine Conciliarverordnung angenommen (can. 46. bei Labbeus Tom. 2. Concil.), weßhalb sich der hl. Augustin in seinen Reden oft auf die vorgelesenen Acten bezieht. Dieser Concilienbeschluß fand Beifall beim Papst Hadrian, der in seinem Briefe an Karl den Großen ihn besonders hervorhebt wider die Einwendungen, welche gegen die 7. Generalsynode vorgebracht wurden. Auch in der fränkischen Kirche war diese Uebung, an den Festen der Martyrer die Acten vorzulesen, wie dieß aus der 95. Rede des hl. Cäsarius von Arles hervorgeht, worin sich der hl. Bischof beklagt, daß, während er doch nur den Kränklichen oder mit andern Leiden Behafteten den Rath gegeben habe, beim Ablesen längerer Leidensgeschichten oder größerer Lesestücke (quando aut Passiones prolixae aut aliae Lectiones prolixiores legerentur) sich niederzusetzen, doch einige aus den Töchtern, die ganz gesund seien, dasselbe zu thun wagten. Nach dem hl. Bischof Avitus von Vienne in dem auf uns gekommenen Fragmente einer Homilie wurde »aus Pflicht der Gewohnheit« (ex consuetudinis debito) das Leiden der Martyrer von Agaunum vorgelesen, und finden sich in der von Mabillon herausgegebenen altgallischen Liturgie einige Martyrer-Acten eingestreut. Dasselbe sagt mit ausdrücklichen Worten Hilduin in seinem den Areopagiticis vorgedruckten Briefe an Ludwig den Frommen, wo er die uralten Missalbücher anpreist, welche die Meßordnung nach führung des Christenthums in Gallien bestanden. Er schreibt: »In diesen Büchern finden sich zwei Messen vom hl. Dionysius, welche unter der hl. Handlung die Leiden des hl. Martyrers und seiner Gefährten kurz anführen, ganz nach dem Beispiele der übrigen darin enthaltenen Meßformularien auf die hhl. Apostel und andere Martyrer, deren Leiden sie gleichfalls enthalten.« Dieselbe Sitte finden wir auch in den spanischen Kirchen, wie dieß nicht nur aus ihren liturgischen Büchern hervorgeht, sondern auch aus einer Aeußerung des Bischofs Braulo von Saragossa in der Vorrede zum Leben des hl. Aemilian, wo er sagt, er habe dieses Leben geschrieben, damit man es bei der Feier der hl. Messe lesen könne, so oft man wolle. Nicht minder war diese Sitte auch in den Klöstern herrschend, wie dieß die Klosterregeln einiger Väter bezeugen. Der Bischof Aurelian von Arles verordnete, daß an den Festen der hhl. Martyrer drei oder vier Missae (d.h. nach ihm Lectiones) stattfinden sollen, davon Eine aus dem Evangelium genommen werden soll, die übrigen aber aus den Leidensgeschichten der hhl. Martyrer. Dasselbe verordnete der hl. Cäsarius in der Klosterregel für Jungfrauen (vgl. Boll. Tom. I. 12. Jan. Nr. 69). Doch fand dieser Gebrauch Mißbilligung von Bischof Agobard von Lyon im 9. Jahrhundert, indem er fest darauf bestand, daß in Officio divino keine andern Lectionen gelesen werden sollen, als die aus den kanonischen Büchern entnommen sind. Ebenso haben wir aus dem oben angeführten Decret eines römischen Concils unter Gelasius ersehen, daß in der römischen Kirche die Lesung der Martyrer-Acten in den öffentlichen Versammlungen nicht gestattet war. Doch hat bezüglich dieses Kanons Mabillon in seiner Disquisit. de Cursu Gallicano § 1 nachgewiesen, dieses Verbot erstrecke sich nur auf die Laterankirche zu Rom und gelte einzig von jenen Martyrer-Acten, deren Verfasser nicht bekannt waren. Daß übrigens selbst in der römischen Kirche die Uebung bestand, während des öffentlichen Gottesdienstes die Vitas Sanctorum vorzulesen, geht aus dem schon bemerkten Briefe Hadrians an Karl den Großen hervor, wo [10] es heißt: Vitae Patrum sine probabilibus auctoribus minime in Ecclesia leguntur. Nam ab Orthodoxis titulatae et suscipiuntur et leguntur. Dasselbe ersehen wir auch aus der Vorrede des Diakons Johannes zum Leben des hl. Gregor des Großen an Papst Johann VIII. Dieser Gebrauch der Martyrer-Acten, sowie der übrigen Heiligen, findet sich somit in allen alten Liturgien, der Gallicanischen, Mozarabischen und auch Gregorianischen Liturgie, wie dieß auch aus dem ersichtlich ist, daß die Contestationen oder Präfationen in der Messe die vorzüglichsten Thaten und Martyrergeschichten der hhl. Blutzeugen enthielten. Weil jedoch in derlei Contestationen oder ächten Acten die herrlichen Thaten der hhl. Martyrer meistens so gelesen wurden, daß sie vom Volke nicht leicht verstanden werden konnten, pflegten die Bischöfe an den Festtagen der Martyrer deren Tugenden und Großthaten dem Volke nach dessen Fassungskraft zu erklären, woher sich die Uebung schreibt, auf die hhl. Martyrer Lobreden zu halten, von denen sehr viele auf uns gekommen sind.
16. Aber nicht blos in den öffentlichen Versammlungen und während des Gottesdienstes wurden die Martyrer-Acten und die Lebensgeschichten heiliger von Gott verherrlichter Männer vorgelesen, sondern die Gläubigen pflegten dieselben auch privatim für sich zu benützen und bewiesen darin einen sehr großen Eifer. Diese Lectüre empfahl der hl. Nilus, ein Jünger des hl. Chrysostomus, sehr eindringlich seinem Schüler, dessen Namen nicht näher genannt wird, und Cassiodor erklärte in seinem Werke de Institutione divinarum litterarum cap. 32, es gäbe nichts Nützlicheres und Ersprießlicheres für die Besorgung des Seelenheiles, als die Lesung dieser Acten und Geschichten. Wilhelm, Abt von St. Theodoric, schreibt in seinem Tractat an die Brüder zu Mont-Dieu (de Monte Dei) vor, es seien den Novizen die Thaten und Leiden der Martyrer in die Hände zu geben, weil in diesen Geschichten gar Vieles enthalten sei, wodurch das Gemüth zur Liebe Gottes und Verachtung seiner selbst entflammt werde. Der hl. Stephan, der Gründer der Mönche von Granmont (Grandimontensium), las, während seine Brüder beim Tische sich erquickten, ihnen im Refectorium auf der Erde sitzend die Leidensgeschichten der Heiligen vor. Ja so groß war die Liebe einiger hhl. Männer gegen diese Art schriftlicher Denkmäler, daß sie immer und selbst auch auf Reisen die Lebensgeschichten der Heiligen bei sich trugen, wie wir dieß vom hl. Sigirannus und vom hl. Bischof und Martyrer Bonifacius, dem Apostel Deutschlands, wissen, und zweifelsohne ist es diese Lectüre, wodurch sich der Letztere zur Ertragung des Martyrtodes vorbereitete. Wunderbar ist es, was wir vom hl. Anastasius, einem Martyrer aus Persien, in seinen von der7. Generalsynode approbirten Acten lesen, daß er nämlich, während er die Kämpfe und Siege der Martyrer gelesen, die Bücher mit Thränen benetzt und sehnlichst gewünscht habe, auch solche Leiden für Christus erdulden zu können, weßwegen er denn auch fast alle seine Zeit auf das Lesen der Martyrergeschichten verwendet habe. Dasselbe erzählt Ulsinus Boëtius im Leben des hl. Junianus, Abtes von Mariacy (Mariacensis). Er sagt von ihm, daß er neben den apostolischen Schriften auch häufig das Leben und Leiden der hhl. Väter, Martyrer und Jungfrauen gelesen, durch ihre Beispiele seinen Geist immer bewaffnet und dieselben nachzuahmen gesucht habe. Daher, meint Ruinart, sei der Gebrauch entstanden, die Heiligen Gottes abzubilden, damit nach der Aeußerung der hhl. Väter die gemeinen und des Lesens unkundigen Leute solch' herrlicher Beispiele nicht verlurstig gingen. Es ließen sich noch viele Beispiele aus der Kirchengeschichte anführen, die alle einen wunderbaren Eifer für die Lectüre der Martyrer-Acten und Lebensgeschichten der Heiligen Gottes an den Tag legten, wie z.B. die hl. Theresia etc.; aber das Angeführte genüge, und wir fügen nur noch an, was Jos. Scaliger, ein berühmter calvinistischer Schriftsteller, von den Acten einiger Martyrer der ersten Kirche spricht. Er schreibt in seinen Bemerkungen zu der Geschichte des Eusebius zum I. 478: »Das Lesen dieser (Acten) macht auf fromme Seelen einen solchen Eindruck, daß sie das Buch nie ohne Wehmuth weglegen. Jeder kann sich hievon durch eigene Erfahrung überzeugen. Was mich betrifft, so gestehe ich hier ein, daß nichts in der ganzen Kirchengeschichte mich so sehr rührt. Wenn ich diese Acten lese, komme ich ganz außer mir selbst.«8
17. Bei einer solchen Werthschätzung der Acten der Martyrer und Heiligen Gottes, wie wir sie aus dem Vorhergehenden kennen gelernt haben, kann man wohl annehmen, daß die Gläubigen sich schon frühzeitig alle Mühe gegeben haben werden, eine Sammlung der einzelnen Acten ihres Bezirkes oder ihrer Diöcese zu erhalten. Derlei Sammlungen mögen gleich im Beginne der christlichen Kirche angelegt worden seyn, wurden aber ganz sicher von den einzelnen Kirchen bewerkstelligt, als nach den Verfolgungen die Kirche den Frieden erhielt und die Festtage der Martyrer öffentlich und feierlich begangen werden durften. Bei der Art und Weise, wie das Andenken der hhl. Blutzeugen begangen wurde, war eine solche Sammlung später, als das Christenthum die herrschende Religion zu werden anfing, ein wahres Bedürfniß. Wie daher Dionysius von Alexandria eine kurze Geschichte der in Aegypten unter Decius vorgefallenen Begebenheiten und gegen die Christen verübten Grausamkeiten abfaßte, so mögen dieß vielleicht auch andere Bischöfe von ihren Kirchen und Provinzen gethan haben. Allein dieß war immer nur eine Particular-Geschichte eines oder des andern Landes, oder nur von einer Verfolgung. Man hatte größere, umfassendere Sammlungen der Marter- und Lebensgeschichten der Heiligen Gottes nothwendig, und diese wurden denn auch im Laufe der Zeiten veranstaltet.
18. Indem wir hierauf näher eingehen, reden wir
A. von den griechischen Sammlungen, dann
B. von den lateinischen,
und unter diesen besonders
C. von dem großen Werke der Bollandisten, Acta Sanctorum, so weit es in der Oeffentlichkeit erschienen ist;
D. von einigen Special-Sammlungen und bedeutenderen Bearbeitungen des Lebens der Heiligen Heiligen Gottes in neuerer Zeit.
1) Von Eusebius
19. Bald nach erlangtem Frieden der Kirche erschien eine Sammlung der Martyrer-Acten aus verschiedenen Ländern und aus allen Christen-Verfolgungen. Nämlich Bischof Eusebius von Cäsarea in Palästina nahm nicht nur in seine Kirchengeschichte mehrere Martyrergeschichten auf, sondern verfaßte auch zwei Werke über die Martyrer selbst. Dieser Eusebius (mit dem Beinamen Pamphili, wie er sich zu Ehre seines Lehrers Pamphilus nannte, oder wie Andere es deuten, φίλος παμφίλου) wurde unter der Regierung des Kaisers Gallienus zwischen 260–268 n. Chr. geboren. Weder der Ort seiner Geburt, noch seine Abkunft, noch sein Vaterland sind uns bekannt; es ist jedoch höchst wahrscheinlich, daß er in Palästina geboren war.9 Als seine Lehrer nennt er am Ende des 7. Buches seiner Kirchengeschichte den Bischof Meletius aus Pontus, der zur Zeit der Verfolgung nach Palästina geflohen war, und den Presbyter Pamphilus zu Cäsarea. Er war zuerst Lehrer zu Cäsarea, begab sich aber nach dem Martyrtode des Pamphilus nach Tyrus und Aegypten, und wurde später Bischof von Cäsarea. Um das Jahr 315 nahm Eu sebi us als Bischof von Cäsarea Theil an der Kirchenweihung zu Tyrus, wo er eine Rede hielt, und verfaßte vermuthlich um diese Zeit seine Kirchengeschichte, sowie seine Demonstratio evangelica. Leider verfiel er in die Ketzerei des Arius, der alle seine gelehrten Freunde in Palästina, Syrien und Kleinasien angehörten, und starb gegen das Jahr 399, nach Andern, wie Gams10, im Jahre 338.
20. Da er bei Hof wohl gelitten und durch Gelehrsamkeit in allen Zweigen der Theologie ausgezeichnet war, standen ihm nicht nur alle Bibliotheken in den Städten, [12] sondern auch die Archive in den Kirchen und kaiserlichen Palästen offen. Daher war es ihm möglich, eine größere Sammlung von Martyrer-Acten zu verfassen. Das erste seiner Werke dieser Art enthält eine Uebersicht der Ereignisse in Palästina, von welchen er selbst größtentheils Augenzeuge war, oder über welche er doch von zuverlässigen Männern genaue Kunde erhalten hatte. Dieses Werk führt den Titel: »De Martyribus Palaestinae,« und es ist ungewiß, ob es von Eusebius selbst, oder von einem Andern, etwa vom hl. Hieronymus, seiner Kirchengeschichte einverleibt worden sei. In einigen Ausgaben dieser Kirchengeschichte vermißt man es ganz, und es kann vielleicht als Beweis gelten, daß es ein besonderes für sich bestehendes Werk gewesen. Einige Editoren reihen die zwölf Kapitel, aus welchen dieses Werk besteht, nach dem eilften Kapitel des 8. Buches ein, und hier ist es allerdings an seinem Platze, weil Eusebius in diesen eilf Kapiteln von der Verfolgung unter Diokletian handelt; allein Andere, wie du Valois, trennen es in ihren Ausgaben von der Kirchengeschichte und geben es abgesondert von dieser heraus.
21. Das zweite Werk des Eusebius führt den Titel: »Synagoge Martyrum«.11 Dieses Werk, welches die ächten Leidensgeschichten vieler u. zwar der vorzüglichsten Martyrer enthalten zu haben scheint, ist leider nicht mehr auf uns gekommen.12 Doch sollen nach der Ansicht einiger Gelehrten manche Stücke aus diesem kostbaren Werke in dem »Leben der alten Väter«, das den Namen des hl. Hieronymus führt, enthalten seyn, und nach Anderen soll auch Simeon Metaphrastes aus ihm geschöpft haben. Der Bollandist Papebroch glaubt, die Acten des hl. Justinus und seiner Gefährten (Tom. I. Junii, Boll. pag. 20), wie auch die Martyrergeschichte der zehn Martyrer in Aegypten (ibid. pag. 420) seien Bruchstücke aus diesem größeren Werke des Eusebius. Deßgleichen vermuthet Ufferus, die aus dem Griechischen in's Lateinische übertragenen Acten des hl. Lucian bei Surius und Bollandus (am 7. Januar) seien ebenfalls von Metaphrastes aus diesem Werke gezogen worden. Wie dem auch sei, das Werk selbst, das nach dem Zeugnisse des Verfassers der »Acten des hl. Silvester« aus eilf Büchern bestanden haben soll, ist schon längst verschwunden, und mögen allerdings sich da und dort Bruchstücke davon finden. Schon im 6. Jahrhundert ist diese Sammlung des Eusebius zu Rom unbekannt gewesen; denn als der Patriarch Eulogius von Alexandria dieselben von Papst Gregor I. begehrte, antwortete dieser: Ago gratias, quia sanctissimae vestrae doctrinae scriptis eruditus, coepi scire, quod nesciebam. Praeter illa enim, quae in ejusdem Eusebii libris de gestis sanctorum Martyrum continentur, nulla in Archivio hujus nostrae Ecclesiae, vel in Romanae Urbis Bibliothecis esse cognovi, nisi pauca quaedam in unius codicis volumine collecta. Oder soll das Letztere doch auf einige Stücke aus diesem Werke schließen lassen?13
22. Gleiches Schicksal wie das genannte, größere Werk des Eu seb ius über die Martyrer theilt ein anderes, dessen der hl. Theodor Studita Erwähnung thut. Er schreibt, nämlich in seinem zweiten Briefe an Plato (lib. I. ed. Sirmondi, pag. 181) von einem aus zwölf Bänden bestehenden Werke der Martyrer-Acten, dessen Verfasser er aber nicht nennt. In multa Martyria incidi, lauten seine Worte, duodecim voluminibus descripta, ita ut cor obstupesceret, nec me aliquid pro Christo passum dicere auderem. Aller Wahrscheinlichkeit nach fand Theodorus dieses Werk zu Constantinopel, wo er Vorsteher im Kloster Stirdium [13] war; ob aber dasselbe die vollständige Sammlung des Eusebius gewesen, darüber kann auch nicht einmal vermuthungsweise geredet werden; wahrscheinlich jedoch dürfte es seyn, daß es dem Simeon Metaphrastes zur Quelle diente, woraus er sein Werk de Actis Sanctorum zusammengetragen hat.
2) Von Simeon Metaphrastes
23. Dieser Simeon Metaphrastes wird als der Zweite unter den Griechen genannt, welcher sich um die Sammlung der Acten verdient gemacht hat. Er hatte diesen Beinamen Μεταφραστής (d.i. Umschreiber, Uebersetzer etc.) von seinem Amte als Geheimschreiber oder Secretär, und wird gewöhnlich auch Log oth et es (d.i. Kanzler) genannt,14 dessen Amt eines der höchsten am kaiserlichen Hofe zu Constantinopel war. Nach dem Leben der hl. Theoetisía von Lesbos (10. Nov.), welches nach Leo Allatius von ihm herrührt, wurde er von Kaiser Leo VI. (886–911) dem kaiserl. Gesandten auf der Insel Kreta, welche damals die Araber (Saracenen) inne hatten, beigegeben, und mochte nach Bollandus ein Jüngling von 20 Jahren gewesen seyn, als er seine diplomatische Laufbahn antrat. Unter Leo's Sohn und Nachfolger, dem Constantinus Porphyrogenitus (912–959), verfaßte er nicht nur das oben erwähnte Leben der hl. Theoetisía, sondern gab auch die Sammlung der Acten der Heiligen heraus; denn in jenem Leben nennt er den Kaiser Leo VI. μακαρίτην, d.h. »sel. Andenkens«, auf welche Weise wir von den Verstorbenen zu reden pflegen. Wenn wir dem jüngern Psellus (der Constantin hieß und von Einigen auch, wie der ältere, Michael genannt wird, der auch auf Simeon Metaphrastes eine Lobrede hielt und im Jahre 1057 blühte) folgen dürfen, stammte Simeon Metaphrastes von vornehmer Familie ab, besaß große Reichthümer und war so sehr durch Gelehrsamkeit berühmt, daß er vom Kaiser in hohen Ehren gehalten wurde und zu den höchsten Aemtern und Würden gelangte, denen er nach dem genannten Psellus mit ausgezeichneter Treue, Rechtschaffenheit, Dienstbefliessenheit und Bescheidenheit vorstand. Interessant ist, was derselbe Schriftsteller von dem sagt, wie Simeon Metaphrastes zur Bearbeitung und Sammlung der Leben der Heiligen Gottes kam und was er von diesem Werke überhaupt berichtet: er habe nämlich gesehen, wie manche Lebensgeschichten der Heiligen so ungeschickt verfaßt seien, daß sie Niemand lesen wollte, und da Andere Besseres theils nicht vorbringen wollten, theils nicht konnten, so habe er mit jugendlichem Muthe sich an's Werk gemacht etc.15 Uebrigens erfreute er sich bei Uebernahme und Ausführung dieses großen Werkes aller möglichen Hilfe und Unterstützung. Nicht nur der Kaiser ermunterte ihn dazu (Leo VI. sowohl, unter dem er sich nur mit dem Plane getragen haben mochte, als dessen Sohn Constantin), sondern es stand ihm auch ein herrlicher Apparat von Büchern, sowie eine Menge Geschwind-und Abschreiber zu Gebot; nur Eines scheint ihm der vielen ihm obliegenden Staatsgeschäfte wegen gemangelt zu haben, nämlich die Möglichkeit, das Gesammelte und Dictirte auch durchzusehen etc. Von seinem Tode, der noch zur Regierungszeit des Constantin Porphyrogenitus erfolgt zu seyn scheint (und zwar nach Bollandus im I. 957 oder höchstens 960), schreibt Psellus, er sei zu Gott aufgestiegen und in die Chöre derjenigen aufgenommen worden, deren Sitten und Leben er hier beschrieben habe; denn noch am Ende habe er gezeigt, welches Leben er geführt habe. »Non enim«, heißt es weiter, »eum veluti abscissum aut divisum fuisse dicunt ii, qui viderunt; sed videbatur veluti a quodam vinculo liberari et hilari nutu se extendere ad ducentes Angelos et quodammodo seipsum tradere illorum manibus, ut cito emigraret e corpore.«16
[14] 24. Was sein Werk selbst betrifft, so läßt sich darüber nur sagen, daß er aus frühern Quellen geschöpft zu haben scheint, wenigstens beweist der ungleiche Styl, daß er es vielleicht größtentheils aus anderen Werken, die ihm zur Verfügung standen, zusammengetragen habe. Daß er, wie Autbertus Miracus meint, die vorhandenen »Acta« und, »Vitas« nur nach den Monatstagen geordnet habe, läßt sich aus dem Ganzen nicht absehen, wohl aber, daß er die älteren Lebensbeschreibungen, die er in elegantem Style abgefaßt vorfand, umschrieb (transscripsit, woher vielleicht auch der Name Metaphrast) entweder mit Beibehaltung der ursprünglichen Ausdrücke, oder mit geringen Einschiebseln oder Interpolationen. Letzteres kann man deutlich aus dem Leben des hl. Simeon des Styliten (5. Jan.) ersehen, dessen größern Theil er aus dem Philotheus des Theodoret entnahm, dem er aber zur Anregung der Aufmerksamkeit der Leser und zur schönern Verbindung der Perioden Einiges beifügte. Indeß sind doch etliche Lebensbeschreibungen (Vitae) von ihm entweder neu verfaßt und zusammengestellt, wie wir bereits oben ein Beispiel angeführt haben, oder ganz umgearbeitet worden. Einige sind der Meinung, Metaphrastes habe nur die Lebensbeschreibungen der Heiligen in der Orientalischen Kirche gesammelt, und diese allein werden in den Kirchen der Griechen gelesen; allein beides ist nach unserm Gewährsmanne Bollandus falsch, indem in seiner Sammlung Heilige ohne Unterschied der Länder vorkommen, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß die Heiligen der griechischen Kirche besonders bedacht worden sind. Was aber ihren Gebrauch in der griechischen Kirche anbelangt, so ist aus den Menäen ersichtlich, daß nur ein geringer Theil der von ihm mitgetheilten Leben in denselben berücksichtigt worden ist.
23. Cardinal Bellarmin fällt von dem Metaphrasten und seinen Leistungen für die Sammlung der Acta Sanctorum gar kein besonders günstiges Urtheil. Er macht ihm zum Vorwurfe, daß er den Lebensgeschichten der Heiligen Vieles aus sich beigefügt, und die Dinge erzähle, nicht wie sie wirklich geschehen seien, sondern wie sie hätten geschehen können. Auch tadelt er an ihm die willkürliche Aufnahme so vieler Gespräche und Wunder bei den Gerichtshandlungen, denen man es ansähe, daß sie in Wirklichkeit nicht stattgefunden haben können etc.17Der Umstand jedoch, daß seine übrigen hinterlassenen Schriften in ihm einen Mann von gediegenen und umfassenden Kenntnissen verrathen, lassen dieses Urtheil als zu strenge um so mehr erscheinen, als sein Werk im Laufe der Zeiten sicher manche Zusätze erhalten hat, die ihm selbst nicht zur Last fallen können. Es enthält dasselbe mehr als hundert Martyrer-Acten und Lebensbeschreibungen der Heiligen, von denen aber Leo Allatius nur etwa 122 dem Metaphrastes zueignet; die andern (559 an der Zahl) sollen später von verschiedenen Verfassern beigefügt worden seyn. Es fehlt daher keineswegs an Autoren, welche den Metaphrasten, aus dem auch die Kirche viele ihrer zweiten Nocturnen im römischen Brevier aufnahm, als einen zuverlässigen Schriftsteller hochschätzen, dessen Fleiß wir noch manches Actenstück zu verdanken haben, und unter diesen stehen die gediegensten Alterthumsforscher oben an, nämlich Leo Allatius, Bollandus und Papebroch.18Der gelehrte [15] Bollandist Papebroch bemerkt (Boll. Tom. I. Maji, in Ephem. Graeco-Mosch. p. XI.), beinahe alle Heiligenleben des Metaphrastes gehörten zu den Monaten September (damals Anfang des griechischen Neujahrs), October, November, December, wenige zum Januar, nur ein Paar zum Februar und März. Von den andern Monaten hat man aber doch auch einige Vitae; allein der ganze Heiligen-Jahrescursus der griechischen Kirche rührt nicht von Metaphrastes her. Aus dem Morgenlande kamen die metaphrasiischen Legenden in das Abendland und fanden in den Sammlungen des Bischofs Lipoman, des Surius, der Bollandisten (die ihn indeß nur mit Vorsicht gebrauchten) und Anderer Aufnahme. Endlich sei noch bemerkt, daß Molanus (Joh. Vermeulen, Prof. in Löwen, † 1585) im 16. Jahrh. das Werk des Metaphrastes aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt herausgab.
1) Sammlungen vom 6. – 12. Jahrhundert.
26. Auch im Abendlande fehlte es nicht an Solchen, welche sich die Sammlung der Acten und Leben der Heiligen zur Aufgabe machten, wiewohl vor Lipomanus und Surius kein Werk existirte, das den Namen einer Sammlung der Martyrer-Acten verdiente. Im 6. Jahrhundert schrieb Gregor von Tours zwei Bücher »De gloria Martyrum«; allein sie enthalten nur wenige Martyrergeschichten. Im 7. Jahrhundert soll der hl. Bischof Ceraunius von Paris eine Sammlung angefangen haben, wovon Warnaharius (Warner) in einem Briefe an Bollandus Erwähnung macht. Früher verfaßte der hl. Hieronymus einige Lebensbeschreibungen der hhl. Väter und brachte solche, die er vorfand, in eine Sammlung, wie dieß Bollandus im Leben des hl. Antonius (17. Jan.) auseinander setzt; weil jedoch diese Sammlung später viele Zusätze erhielt, kann sie hier umgangen werden. Der unbekannte Verfasser der Lebensgeschichte des hl. Severin und Victorin (8. Jan.) veranstaltete, wie er selbst sagt, gleichfalls eine solche Sammlung. Er sagt nämlich dortselbst, er sei bisher dem hl. Hieronymus gefolgt, nun aber wolle er selbstständig erzählen, was er bei Andern über die Tugenden der Heiligen vorgefunden.19 Im 9. Jahrhundert übersetzte der Bibliothekar Anastasius einige griechische Martyrer-Acten in's Lateinische, und zu gleicher Zeit sammelte der römische Diakon Johannes solche Acten und Lebensgeschichten, wie sich aus einem Schreiben des Bischofs Gaudericus von Velletri (Veliternum) an Papst Johannes VIII. schließen läßt. Hieher kann man auch den Flodoard, einen Kanoniker von Rheims, zählen, der um die nämliche Zeit ein Werk in Versen schrieb unter dem Titel: De triumphis italicis Martyrum et Confessorum, das aus fünfzehn Büchern bestand, von denen jedoch nur zwölf Bücher auf uns gekommen sind (Mabillon, Annal. Ord. S. Bened. Saec. III. Part. 2.). Besonders waren es die Mönche, welche derlei Werke verfaßten, theils zum öffentlichen Gebrauche, theils auch zur Beförderung der Privaterbauung in ihren Klöstern. So nennt Wicelius in der Vorrede zu [16] seinem Hagiologium zwei Mönche von Fulda, quorum alter Ruggerus, wie er sagt, pietate et doctrina praestantissimus, sex ingentia volumina composuerit circa annum 1156. Ante Ruggerum, setzt Wicelius bei, hunc diligentissimum scriptorem, sudarat in eodem lucubrandi studio Aruodulphus coenobita facundissimus. Beide jedoch scheinen nur frühere Werke dieser Art vermehrt herausgegeben zu haben. Dieß, sowie eine Sammlung, die Notker Balbulus gehabt hat, und welche die Geschichte der Apostel Petrus und Paulus, Andreas und Jakobus (des Bruders des hl. Johannes), sowie auch des Jakobus, des sogenannten Bruders des Herrn, enthielt, beweisen, daß es schon im 10. und 11. Jahrhundert eine Sammlung von Martyrer-Acten in Deutschland gegeben habe.
2) Sammlungen vom 13. – 15. Jahrhundert.
27. Im 13. Jahrhundert begegnen wir abermals zwei Schriftstellern, welche Geschichten der Heiligen herausgegeben haben. Es ist dieß Vincenz von Beauvais aus dem Dominicanerorden und Jakobusde Voragine, Bischof von Genua, der Verfasser dersogenannten »goldenen Legende«. Der erste schrieb unter Anderm einen Geschichtsspiegel (Speculum historiale) von Erschaffung der Welt bis auf seine Zeit (nämlich bis zum Jahre 1144), welchem Werke er das Meiste aus den Acten der Heiligen einverleibte. Erhat den Beinamen von Beauvais (Bellovacensis) – nicht weil er daselbst, wie Einige meinen, das Licht der Welterblickte, sondern weil er sich dort die längste Zeit aufgehalten hat. Die »goldene Legende«, oder wie sie auch heißt, die »lombardische Geschichte« des Jakob von Viraggio (Lat. Vorago, inis, eine kleine Stadt an der ligurischen Küste, unweit Genua), gleichfalls aus dem Orden des hl. Dominicus, war wohl am längsten in Aller Händen und überaus hochgeschätzt. In der Stadt Viraggio um das Jahr 1230 geboren, trat er 1244 zu Genua in den Dominicanerorden und wurde 1267 nicht so fast wegen seiner Gelehrsamkeit, als vielmehr wegen seines musterhaften Charakters Provincial dieses Ordens in der Lombardei. Wie er ein beliebter Prediger war, so wurden auch seine Vorlesungen in verschiedenen Klöstern und Schulen gerne gehört. Besonderes Verdienst erwarb er sich durch die Beilegung der Streitigkeit zwischen Genua und dem hl. Stuhle, und in Anerkennung dessen wurde er im Jahre 1292 zum Erzbischof von Genua erwählt. Solange er auf diesem Stuhle saß (er starb 1298), war er ein Vater der Armen und Hilfsbedürftigen. Um den Krieg zu hintertreiben, zu dem sich die Venetianer und Genueser 1295 rüsteten, ließ ihn Bonifaz VIII. nach Rom kommen, um mit ihm die Friedensverhandlungen zu leiten, die auch guten Erfolg hatten; daß aber der genannte Papst mit ihm am Ende zerfiel, überhaupt ihm einmal am Aschermittwoch die gesegnete Asche, statt unter den gewöhnlichen Worten auf's Haupt zu streuen, in's Gesicht geworfen habe mit den Worten: »Gedenke, o Mensch, daß du ein Gibelline bist und mit deinen Gibellinen in das Nichts zurückkehren wirst«,20 ist unrichtig, und ist dieß vielleicht seinem Nachfolger, dem Erzbischof Spinola, der mit Bonifaz VIII. nicht gut stand, begegnet. Von diesem Jakobde Voragine nun stammt die goldene Legende (Legenda aurea) her, so genannt wegen des Ruhmes, den sie lange Zeit genoß. Sie wird auch, wie bemerkt, historia lombardica genannt, deßhalb, weil sie am Ende eine kurze Geschichte der Lombardei gibt. Diese Legende, von welcher über 100 Ausgaben und Uebersetzungen in allen Sprachen vorhanden sind, umfaßt 177 Abschnitte, deren jeder einen Heiligen oder ein Fest behandelt, nach der Reihenfolge des Kalenderjahres, und hielt sich ihr Verfasser dabei theils an kirchenhistorische Werke, wie die historia tripartita, theils an den Sagenkreis, wie er sich im Volksglauben rücksichtlich der Heiligen gebildet, sodaß Vieles darin vorkommt, was vor der gefunden Kritik nicht besteht. Eben des letztern Umstandes halber geben manche Kritiker, wie Melchior Canus, kein günstiges Urtheil von ihm ab, und sagt Joh. Ludwig Vives einfach, diese Legende sei geschrieben worden von einem Menschen eisernen Mundes, bleiernen Herzens und eines wenig klugen und ernstgemessenen Gemüthes.21 Weil diese Legende [17] sehr viele Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Heiligen, besonders aber die unter ihnen enthielt, welche im römischen Kalender vorkommen wurde sie, wie schon bemerkt, fleißig abgeschrieben und verbreitet, wie auch häufig aufgelegt. In der Folge wurde sie mit Zusätzen vermehrt und erweitert, wobei leider auch viele ungeeignete und geschmacklose Namenserklärungen vorkommen, die häufig dieses sonst treffliche Werk in unverdienten Mißcredit brachten.22 Im Jahre 1519 gab Claudius Rota, aus demselben Orden und Professor der Theologie, diese goldene Legende heraus.23 Jetzt ist sie nicht mehr im Gebrauch, und mag nur hie und da noch in den Bibliotheken gefunden werden als eine Speise der Würmer.
28. Gleich im Beginne des 14. Jahrhunderts begegnen wir abermals einem hagiologischen Schriftsteller, nämlich Petrus Calo von Chioggia (Claudia, Clodia, Fossa Claudia), einer Stadt auf der gleichnamigen Insel bei Venedig. Zwar schreibt Volaterranus, dieser Petrus Calo habe nur eine Geschichte jener Heiligen verfaßt, welche von Jakobus von Voragine übergangen wurden; allein derselbe sammelte nicht blos die Lebensgeschichten der von diesem übergangenen Heiligen, sondern verfaßte vielmehr ein neues Werk, dem eine andere Methode zu Grunde lag und das einen größern Umfang hatte, wie dieß Petrus a Natalibus in seinem Prologe zum Kataloge der Heiligen bezeugt.24 Nach Albertus Leander, einem Schriftsteller aus demselben Orden, lebte Petrus Calo im Jahre 1300, und wird seine Sammlung vom Leben der Heiligen, die zwei Bände umfaßte, in der Bibliothek des Dominicanerklosters zu Bologna aufbewahrt. – Um dieselbe Zeit lebte Bernardus Guido aus dem nämlichen Orden, der im Jahre 1324 auf den bischöflichen Stuhl von Lodeve im narbonnensischen Gallien erhoben wurde und i. J. 1331 starb. Ausgezeichnet durch Gelehrsamkeit und Tugend, arbeitete er mit allem Eifer an der Ausrottung der Ketzerei der Albigenser und schrieb mehrere Werke, die in der Ordensbibliothek zu Toulouse aufbewahrt wurden. Unter diesen waren nun einige Bände Lebensgeschichten der Heiligen, die er aus älteren Acten gesammelt hat. Diese Acten jedoch theilte er nicht unverändert mit, sondern kürzte in ihnen Manches ab, und ließ all dasjenige weg, was ihm nicht gefiel. Noch zu Zeiten des Bollandus waren hie und da Exemplare dieses Werkes zu finden, und wurden demselben durch Freundes-Hand einige Leben daraus abschriftlich mitgetheilt.
29. Im 15. Jahrhundert erwarb sich Petrus de Natalibus, Bischof von Aquila (Equilinus) im Venetianischen, durch die Herausgabe eines höchst umfangreichen Heiligenkatalogs, in welchem er von jedem Heiligen einen kurzen Auszug oder Inbegriff seines Lebens gab, viele Verdienste. Er schreibt in der Vorrede zu diesem großen Kataloge, der im J. 1493 zu Vicenza herauskam und später öfter aufgelegt wurde, er habe aus mehreren Codices und anderen Büchern (wie den Passionarien), die er nur immer finden konnte, die Namen aller möglichen Heiligen gesammelt und die Leben derselben, ihre Leiden und Schicksale kurz angegeben.25 Wicelius gibt ein günstiges [18] Urtheil über dieses Werk, das sich durch seine Kürze auszeichne und in hohem Ansehen gestanden sei. Andere ziehen es der goldenen Legende von Jakobus de Voragine weit vor; Bollandus stimmt letzterer Meinung nur in Bezug auf die Zahl der Heiligen, die darin aufgeführt werden, bei, im Uebrigen aber vermißt er die gehörige Sichtung des Stoffes und hält dafür, es sei Manches darin cum grano salis zu lesen. Gleichzeitig mit Petrus de Natalibus gaben Johann Gilemann und Antonius Gentius, letzterer Prior des Klosters Roththal (Rubea-valle) bei Brüssel in Brabant, ersterer Subprior daselbst, Sammlungen von Leben der Heiligen heraus.26 Gilemann starb im Jahre 1487, und Gentius 1543.
3) Im 16. Jahrhundert
30. Zu keiner Zeit aber geschah so viel für die Sammlung der Acten der Martyrer und Heiligen Gottes überhaupt, als im 16. und 17. Jahrhundert. Nur die vorzüglichsten Sammlungen sollen hier angemerkt werden. Boninus Mombritius aus Mailand gab zwei starke Bände heraus, in welchen er die in verschiedenen ihm zu Gebote stehenden Codices enthaltenen Acten der Heiligen zusammenfaßte und letztere so treu wiedergab, daß er sogar ihre Fehler unverbessert abdruckte. Letzterer Umstand macht zwar die Benützung dieses Werkes etwas unangenehm, allein dabei ist zu erwägen, daß hier die Acten in ihrer Unversehrtheit mitgetheilt werden. Das Ganze hat den Titel »Sanctuarium« und ist dem Ritter Cicho Simoneta, Secretär des Herzogs von Mailand, gewidmet.27 An ihn reiht sich Jakobus Faber Stapu lensis, der eine größere Sammlung von Martyrer-Acten unter dem Titel: Martyrum agones antiquis ex monumentis genuine descripti, veranstalten wollte, der aber nur einen Band, welcher den Monat Januar umfaßt, im Jahre 1525 herausgab. – Im Jahre 1541 gab ein gewisser Georg Wicelius, den wir schon öfter angeführt haben, mehrere Werke heraus, in denen er die Irrthümer der Neuerer aufdeckte und die gedrückten Gemüther der Katholiken aufrichtete, und unter diesen das hagiologische Werk, welches den Titel führt : Hagiologium, seu de Sanctis Ecclesiae, historiae Divorum toto terrarum orbe celeberrimorum, e sacris Scriptoribus summa fide ac studio congestae, ac juvaudo pariter ac ornando Christianismo, in Presbyterorum pie doctorum manus missae. Dieses Hagiologium ist dem Cardinalerzbischof und Churfürsten von Mainz, Albert von Brandenburg, gewidmet; doch klagt er, daß ihm zur Ausführung desselben die nöthigen Bücher und Hilfsmittel gemangelt haben.28
31. Größern Werth als die bisherigen hat die Sammlung, welche von Al oys Lipomanus, zuerst Bischof von Modon, dann von Verona und hernach von Bergamo, veranstaltet wurde. Derselbe wurde zu Venedig im Jahre 1500 aus einer vornehmen Familie geboren, besaß tüchtige Sprachkenntnisse, war sehr bewandert in der Geschichte, und wurde wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften zu den wichtigsten Geschäften verwendet. Als das Concil von Trient nach Bologna verlegt wurde, erhielt er den Auftrag, nach Rom zu reisen und diesen Schritt vor dem Papste zu rechtfertigen; bei der Unterbrechung desselben aber ging er als Nuntius nach Deutschland, wo er zwei Jahre verweilte. In den Jahren 1550–55 war er besonders in Polen thätig und machte sich hier durch seinen Eifer für die Erhaltung und Ausbreitung der wahren Religion bei den Protestanten so verhaßt, daß sie ihm mehrmal nach dem Leben trachteten. Er starb den 15. August 1559. Unter seinen zahlreichen Schriften befindet sich auch ein Werk, Vitae Sanctorum betitelt. Was er in dieser Beziehung nur immer an Lebensbeschreibungen erhalten konnte, nahm er in seine Sammlung auf, ließ zu diesem Zwecke durch den [19] nachmaligen Cardinal Wilhelm Sirlet, ferners durch den Canonicus Gentian Hervet von Rheims und andere gelehrte Männer aus dem Metaphrastes mehrere Acten und Lebensbeschreibungen der Heiligen in's Lateinische übersetzen, und fügte seine Scholien an. Der erste Band erschien im Jahre 1551 in vier Büchern, welche 163 Leben der Heiligen enthalten; der zweite im Jahre 1553 mit 225 Vitae; der dritte im Jahre 1554 in drei Theilen, wovon der erste verschiedene Lebensbeschreibungen, der zweite die Historia Lausiaca von Palladius, worin viele Heilige abgehandelt werden, der dritte das Werk Gregors von Tours De miraculis Martyrum in sich begreift. Der vierte Band erschien ebenfalls im Jahre 1554 und umfaßt 270 Lebensgeschichten; der fünfte im Jahre 1556 mit den Leben der Heiligen in den Monaten November, December, Januar und Februar, aus Metaphrastes von Gentian Hervet in's Lateinische übersetzt; der sechste im Jahre 1558, mit den Leben der Heiligen in den Monaten Mai bis October einschlüssig, von demselben Autor und Uebersetzer; der siebente Band erschien ebenfalls im J. 1558 in drei Theilen, von denen der erste die Leben der Heiligen aus Metaphrastes in den Monaten März und April, von Petrus Franciscus Zino aus Verona übersetzt, in sich begreift, der zweite einige andere Leben aus Manuscripten der Crypta-Ferrata, durch Sirlet übersetzt, und der dritte das Pratum spirituale von Johannes Moschus. Den achten Band, den er als Bischof von Bergamo verfaßte und der in vier Theile getheilt ist, gab nach seinem Tode sein Neffe Hieron. Lipomanus im J. 1560 heraus. (Von Einigen wird er Lippoman geschrieben.)
32. Doch weitaus die meiste Berühmtheit erlangte in diesem Jahrhunderte das Werk des Carthäusers Laurentius Surius in 7 Foliobänden. Surius wurde im J. 1522 zu Lübeck von sehr angesehenen katholischen Eltern geboren, wodurch die noch in neuester Zeit wiederholte Angabe, er sei ein abgefallener Lutheraner gewesen, sich als irrig darstellt. Nach Einigen soll er eine Zeitlang Soldat gewesen seyn, was aber aller Begründung entbehrt. Nachdem er zu Frankfurt an der Oder die Humaniora absolvirt hatte, widmete er sich am Montaner Gymnasium zu Köln der Philosophie, wo er im Jahre 1539 Baccalaureus wurde und den berühmten Petrus Canisius zum Mitschüler hatte. Auf Zureden des Letztern vermied er den Umgang mit den Kölner Protestanten und trat den 23. Febr. 1540 daselbst in den Carthäuserorden, in dem er ein so strenges Leben führte, daß sich Papst Pius V. veranlaßt sah, seinen Prior zu beauftragen, für die durch Fasten, Nachtwachen und ununterbrochene Studien geschwächte Gesundheit des Surius alle mögliche Sorgfalt zu tragen. Im Jahre 1547 berief ihn der Prior der Mainzer Carthause zu sich; doch kehrte er bald wieder nach Köln zurück, wo er sein ganzes übriges Leben verblieb und mit wissenschaftlichen Arbeiten sich befaßte. Zur Förderung des christlichen Lebens unter seinen Zeitgenossen gab er mehrere Schriften der ausgezeichnetsten Asceten – wie des Tauler, Heinrich Suso, Gropper, Eisenring und Anderer – heraus, bekämpfte mit vielem Geschick den Protestantismus, edirte Kirchenväter und veranstaltete eine Conciliensammlung; besonders aber erwarb er sich hohe Verdienste durch seine berühmt gewordene Sammlung der Leben der Heiligen, die nach der uns vorliegen Editio von Mosander vom Jahre 1581 den Titel führt: »De probatis Sanctorum historiis, partim ex tomis Aloysii Lipomani, doctissimi Episcopi, partim etiam ex egregiis manuscriptis codicibus, quarum permultae antehac nunquam in lucem prodiere, optima fide collectis per F. Laurentium Surium, Carthusianum domus Coloniensis.«
33. Aus diesem Titel ist schon von selbst ersichtlich, was das bezeichnete Werk Eigenthümliches besitzt und wodurch es sich von andern unterscheidet. Surius nahm die von Bischof Al. Lipomanus veröffentlichten Vitae Sanctorum in sein Werk auf, theilte sie aber nach Monatstagen ab, ließ das ihm darin unpassend Scheinende hinweg, setzte überdieß aus verschiedenen Codices, die ihm theils von dem Rechtsgelehrten Gervinus Calenius (seinem Verleger, wie es scheint) gesammelt, theils von frommen, der guten Sache dienen wollenden, gelehrten Männern zugeschickt worden waren, ganz neue, bisher noch nicht edirte Lebensbeschreibungen hinzu, und übergab so das Werk sechs Foliobände stark 1570 und den folgenden fünf Jahren der Oeffentlichkeit. Ueber die Tendenz sowohl, die ihn dabei leitete, als über die Weise seines Verfahrens läßt er sich in der Vorrede[20] dahin vernehmen, daß er sagt, er habe vorzüglich darnach getrachtet, nichts in sein Werk aufzunehmen, was unstichhaltig oder erdichtet erscheinen könnte. Dieß sei auch der Grund, warum er gar viele Lebensbeschreibungen ganz übergangen habe, zwar nicht deßhalb, weil sie ihrer Natur nach keine Beachtung verdienen, sondern einzig, um den Irrgläubigen keinen Anlaß zu geben, seine Arbeit zu verdächtigen und die Kirche Gottes zu bespötteln. Dabei habe er vorzüglich die Lebensbeschreibungen unbekannter Verfasser in einem elegantern Style gegeben, und an den Leben bekannter Autoren manchmal etwas gefeilt, um die Lectüre derselben angenehmer zu machen.29 Hienach werden die Vitae Sanctorum nicht in unveränderter Form mitgetheilt, sondern theils verkürzt, theils erweitert, großentheils aber mit verändertem Styl, was Alles dazu beiträgt, daß die Surische Sammlung nicht wenig an Werth und Bedeutung verliert, wozu noch kommt, daß manche Stücke darin unächten Quellen entnommen sind.30
34. Das hagiologische Werk des Surius fand jedoch nicht nur den Beifall der Päpste Pius V. und Gregors XIII., sondern hatte auch einen so reißenden Abgang, daß schon nach ein paar Jahren die ganze Auflage vergriffen war und sich der Verfasser genöthigt sah, an eine neue Bearbeitung zu denken. Er war eben mit der Durchsicht und Verbesserung beinahe bis zum Ende des Monats Juni, sonach bis zur Hälfte gekommen, als er von einer schmerzlichen Krankheit (Magenverhärtung) ergriffen wurde, die sich in Folge übler ärzlicher Behandlung immer verschlimmerte, bis er am 23. Mai 1578 in seinem 56. Jahre in's bessere Leben einging. Die Herausgabe der zweiten Auflage besorgte nun Jakob Mosander, gleichfalls Carthäuser zu Köln, vermehrte die übrigen drei noch der Durchsicht bedürftigen Theile, und fügte einen siebenten Band, zu dessen Herausgabe bereits Surius ein großes Material aufgehäuft und zu dem er selbst manche schätzenswerthe Beiträge gesammelt hatte, als Supplementband hinzu mit dem Martyrologium von Ado. Als auch diese zweite Ausgabe bald vergriffen war und starke Nachfrage nach dem Werke geschah, wurde von Einigen, die unbekannt bleiben wollten, eine dritte Auflage besorgt, die im Jahre 1618 in zwölf Bänden bei Joh. Krepsius und Herrmann Milius in Köln erschien. Bei all dem blieb das Werk des Sur ius immer noch sehr mangelhaft, und wenn es auch für lange den Bearbeitern des Lebens der Heiligen in allen Ländern und Sprachen als Quellenwerk diente, so sank es doch mit jedem Jahrzehnt bei den Kritikern an Ansehen herab, besonders weil die alten Martyrer-Acten und Lebensgeschichten der Heiligen ihre originelle Eigenschaft verloren und in vielen Stücken eine namhafte Veränderung erfahren hatten, nichts zu melden von dem vielen Unächten, das in ihm enthalten war und eigentlich noch ist. Es that ein Werk Noth, welches mehr oder minder allen Bedürfnissen entsprach und mit der möglichsten Vollständigkeit eine gesunde Kritik und einläßliche Behandlung der einzelnen Acten verband, und ein solches Werk, woran freilich Jahrhunderte lang die ausgezeichnetsten Männer gearbeitet haben, ist
35. Der erste und intellectuelle Urheber dieses wahrhaft immensen Werkes, dessen kurze Geschichte wir hier geben wollen,31 ist Heribert Rosweydius (Rosweyd, [21] Rosweid, auch Rosweide), geboren zu Utrecht den 24. Januar 1569 und Mitglied der Gesellschaft Jesu – ein Mann, wie Bollandus schreibt, von scharfem Verstande, kräftiger Darstellungsgabe und ausgezeichnet in in allen Doctrinen und Wissenschaften (acer judicio, stylo robustus, omnibus disciplinis et doctrinis politus ac perfectus). Schon im Beginne seiner wissenschaftlichen Laufbahn gab er Beweise, aus denen leicht zu erkennen war, was er einst in der christlichen Alterthums-Wissenschaft überhaupt und in der Behandlung der Acten der Heiligen insbesondere leisten werde. Denn als er noch Scholasticus der Gesellschaft Jesu zu Duai war und die ersten Jahre sich dem Studium der Philosophie widmete, ging er, während seine Commilitonen auf Spaziergängen im Freien sich erholten, in die benachbarten Klöster und durchsuchte die alten längst unbeachteten Codices ihrer Bibliotheken zum nicht geringen Nutzen für die kirchliche Wissenschaft. Als Professor der Philosophie und der heil. Schrift zu Duai und Antwerpen wendete er sich der Schriftstellerei zu und förderte auf diesem Gebiete im Jahre 1607 als erste Frucht seiner Studien das zwar kleine, aber höchst mühevoll zu verfassende Büchlein zu Tage, betitelt: Fasti Sanctorum, quorum Vitae in Belgicis bibliothecis manuscriptae. Hier gab er schon die Grundzüge eines größern Werkes an, welches er zu bearbeiten gedachte, und welches in 18 Bänden das Leben Jesu, der seligsten Jungfrau und der Heiligen Gottes mit ihren Festen und einer Abhandlung über die verschiedenen Martyrologien enthalten sollte.32 – Als Cardinal Bellarmin, ein Zeitgenosse des Rosweid, von diesem Plane Kenntniß erhielt, soll er gefragt haben, wie alt wohl der sei, welcher solches Werk in Aussicht gestellt habe. Als er aber vernommen, dieser stehe nun beinahe im 40. Jahre, soll er gesagt haben, 200 Jahre seien erforderlich, um ein solches Werk zu gutem Ende zu bringen. Doch dieß schreckte Rosweid nicht im Geringsten ab, er machte sich vielmehr muthig an's Werk, sammelte Acten und Lebensbeschreibungen, soviel er nur erhalten konnte, arbeitete mit unverdrossenem Eifer fort, und war eben daran, sein Material zu ordnen, und an die Ausarbeitung des ersten Bandes zu gehen, als er mitten unter seinen Entwürfen zu Antwerpen am 5. Oct. 1629 in seinem 60. Lebensjahre vom Tode ereiltwurde. Alle seine Bemühungen in dieser Richtung wären vergeblich gewesen, wenn es nicht die Vorsehung gefügt hätte, daß durch Andere in's Werk gesetzt werde, was er mit so löblichem Eifer unternommen und zum Theil vorbereitet hatte.
36. Heribert Rosweid hatte mit vielem Fleiße und großen Opfern eine Unmaße von Acten und Lebensgeschichten der Heiligen gesammelt. Was war zu thun? Soll man sie unberührt liegen und eine Beute der Würmer werden lassen, oder soll man an die Fortführung des nun einmal begonnenen Werkes schreiten und sich nach einem Manne umsehen, der Fähigkeit und Geschick besaß, da fortzufahren, wo jener es gelassen? So deliberirten, wie Papebroch im Leben des Joh. Bollandus (Tom. I. Mart. p. VII. n. 8) sagt, die Vorsteher des Ordens in Belgien und wählten endlich das Letztere, dabei ihr Augenmerk auf drei Männer richtend, die sie zur Fortsetzung des Werkes für geeignet hielten, nämlich: P. Maximilian van Habbeeck, Johan nes Bollandus und noch einen dritten, dessen Name nicht genannt wird. Alle drei standen im Rufe hoher Gelehrsamkeit, und berechtigten durch ihre gediegenen Kenntnisse zu den Erwartungen, die man von ihnen hegte. Da aber P. Max, der zu Antwerpen das Predigtamt versah, schwer zu vermögen war, ein ihm neues und ganz fremdes Feld zu bearbeiten, ward Johannes Bollandus dazu ausersehen und sofort beauftragt, von Mecheln, wo er sich eben aufhielt, nach Antwerpen zu kommen, und persönlich von dem ungeordneten Nachlasse Rosweid's Augenschein zu nehmen. Er war damals 34 Jahre alt, da er am 13. August 1596 zu Tillemont in den Niederlanden geboren ward. Bei der Durchsicht des rosweidischen Rücklasses überzeugte er sich bald, daß allerdings Material zu einem keineswegs bereuenswerthen Werke vorhanden sei, nur mußte man ihm, was Plan und [22] Ausführung betrifft, freie Hand lassen und ihm alle Hilfsmittel herbeischaffen, welche er läßlich fand. Die Ordensobern gaben zu beidem ihre Zustimmung und erwarteten, daß er alsogleich zur Herausgabe des Werkes schreite; denn sie glaubten, es sei nichts Anderes mehr nöthig, als den Rücklaß zu ordnen und zu sichten, und sofort zur Drucklegung zu schreiten, in der Weise, wie dieß bei Herausgabe der oben erwähnten Fasti Sanctorum von Rosweid der Fall war; allein sie täuschten sich sehr, denn, sagt Papebroch im Leben des Bollandus, weder der Provincial, noch seine Rathgeber hatten einen Begriff von der Größe und Schwierigkeit des Unternehmens, und dieß war gut; denn wenn sie geahnt hätten, welche Mühe und Arbeit darauf zu verwenden war, weder die Obern, noch Bollandus selbst wären zu bewegen gewesen, das Werk fortzusetzen. Wenigstens erklärte Letzterer nachmals, als der Monat Januar bereits vollendet war und die Vorbereitungen zum Drucke des nächsten Monats außerordentlich viel Mühe gekostet hatten, öfter, wenn er dieses vorhergesehen, er wäre zurückgebebt vor einem Werke, bei dem die Welt sich verwundern müsse, wie es von einer oder zwei Personen, nicht etwa ausgeführt, sondern wie es von ihnen auch nur ausgedacht werden konnte.33
37. Wie bemerkt, hatte sich Bollandus bei Uebernahme des Rosweid'schen Werkes die Freiheit gewahrt, ganz nach Belieben und eigenem Ermessen den Plan desselben abzuändern. Und das war klug gethan; denn bald stellte sich heraus, daß sich das vorhabliche Werk in der von Rosweid beabsichtigten Weise nicht durchführen lasse. Rosweid hatte für's Erste den Plan, nur die Heiligen aufzunehmen, von denen Lebensgeschichten entvorhanden wären. Eine so enge Gränze wollte sich Bollandus nicht setzen; »denn«, sagte er, »wenn auch das Leben der größten und der Zahl nach bei weitem der meisten Heiligen nicht schriftlich abgefaßt wurde oder gänzlich verloren gegangen ist, so werden ihre Namen doch häufig bei andern Schriftstellern gefunden; warum sollte es nicht erlaubt seyn, anzuführen, was sich bei diesen von ihnen vorfindet.«34 Und er hatte Recht. Sodann hatte Rosweid den Plan, die Acta der Heiligen zuerst ohne alle Anmerkungen und Erörterungen herauszugeben, und erst in den letzten drei Bänden über Manches in denselben, wie z.B. über Zeit und Ort der Geburt und des Todes, über die Verehrung eines Heiligen, also getrennt von den Acten, Untersuchungen anzustellen. »Ich aber,« sagt Bollandus, um den zu verfolgenden Plan darzulegen, »ich aber hielt es für angemessener, das, was in Bezug auf irgend eine Vita angemerkt zu werden verdient, nicht auf eine andere Zeit zu verschieben, sondern die Bemerkung gleich beim Leben selbst anzubringen, da auf diese Weise Zweifeln und Bedenken, die über das Eine oder Andere in einem Leben dem Leser aufsteigen könnten, am Besten begegnet werden kann.«35 Indeß behielt Bollandus alles Uebrige im Plane des Rosweid bei, wozu namentlich dieß auch gehört, die Acten, wenn solche vorhanden, in unverändertem Original zu geben.
[23] 38. Wohl könnte man sich aus diesen wenigen Grundzügen einen Begriff von dem Werke machen, das von Bollandus den Namen trägt; allein zur Vervollständigung desselben wird es gut seyn, dessen innere und zudeuten. In dem Werke des Bollandus werden die Heiligen nach den Monatstagen aufgeführt, und zwar jeder derselben an seinem Todestage, sofern sich dieser ermitteln läßt, oder an dem Tage, an welchem ein Heiliger von jeher im Mart. Rom., von dem er jedoch öfter auch abwich, gefeiert wird. Bei jedem Monatstage sind nun aber vorne gleich beim Beginne zuerst die Namen aller Heiligen aufgeführt, deren Heiligkeit oder kirchliche Verehrung unzweifelhaft ist, und zwar werden sie, deren oftmals gegen zwanzig oder dreißig, ja wohl (besonders wenn es Martyrer sind) dem Hundert nach vorkommen, in chronologischer Ordnung aufgeführt. Nun aber gibt es auch Heilige, welche in den verschiedenen Martyrologien, Kalendern, Sammlungen und Legenden gleichfalls an einem bestimmten Monatstage vorkommen, ohne daß jedoch ihr Todestag auf denselben trifft. Derlei Heilige werden an diesem Tage von den Bollandisten nicht abgehandelt, kommen aber doch nach der Reihenfolge der Abzuhandelnden vor, und zwar unter der Rubrik: »Praetermissi« und »Rejecti« Zu den Praetermissi (Uebergangene) werden jene gerechnet, deren kirchliche Verehrung sich nicht nachweisen läßt, und zu den Rejecti diejenigen, deren kirchliche Verehrung zwar sicher, aber an einem andern Tage, auf den dann verwiesen wird, stattfindet. Nach diesem Eingange (resp. Titel) geht es nun an die Behandlung der einzelnen Heiligen, oder, wenn es sich gerade zutrifft (besonders bei Martyrern), der einzelnen Gesellschaften von Heiligen, gleichviel ob Acta von einem Heiligen da seien, oder nicht. Voraus geht stets ein Commentar, der, wenn Acta vorhanden sind, Commentarius praevius (Sylloge, Praefatio etc.) genannt wird. Dieser Commentarius praevius befaßt sich zuerst mit der Frage, ob und wo ein Heiliger oder die Heiligen nachweisbar kirchliche Verehrung genossen haben oder noch genießen. Ist dieses sicher gestellt, so wird an die Untersuchung gegangen über die Aechtheit oder Unächtheit der vorhandenen Acta oder Vitae und an die Erörterungen chronologischer oder historischer Schwierigkeiten in denselben, die oftmals nicht nur angedeutet, sondern in meisterhafter Weise und mit einem staunenswerthen Aufwande von Gelehrsamkeit gelöst werden. Ist nun das Leben eines Heiligen nach allen Seiten geprüft, geordnet und sicher gestellt, so wird dasselbe selbst im Original mitgetheilt, und sind es mehrere, auch diese, mit Varianten, Glossen und Adnotationen unter Beifügung der Geschichte der Wunder, Reliquien und Uebertragungen, wenn solche vorhanden sind. Außerdem gibt es noch viele Martyrer und Heilige, deren Acta oder Vitae verloren gegangen sind, und die entweder nur hie und da bei Schriftstellern vorkommen, oder deren Namen nur in Martyrologien, Menäen, Kalendern aufgeführt werden. Bei diesen ist der besagte Commentar etwas kürzer, und befaßt sich bei den Ersteren mit der Zusammenstellung und der Kritik dessen, was sich von ihm bei andern Schriftstellern findet; bei den Letztern aber mit Lesearten und Vergleichungen der verschiedenen kirchlichen Martyrerbücher. Dieß ist der gewöhnliche Gang und die Methode, womit die Bollandisten das Leben eines oder mehrerer Heiligen behandeln, und so wird es in allen Bänden des ganzen großen bisher erschienenen Werkes gehalten. Ein Unterschied besteht bei den Bänden nur in längern oder kürzern Erörterungen und kritischen Untersuchungen, die in den ersteren Bänden viel geringer ausgefallen, als in den letzteren. Nur ungern gab Bollandus mit seinen unmittelbaren Nachfolgern in Fortsetzung des Werkes dem Wunsche einiger Freunde (wie des Abtes Winghius zu Lessies, der das Unternehmen von Anfang an, wie es scheint, mit bedeutenden Geldopfern unterstützte und dem auch der erste Band dedicirt ist), nur kurze Commentare zu liefern, nach; in der Folge aber gingen sie davon ab, und so kam es, daß der Monat Januar nur zwei, die Monate Februar, März und April nur je drei Bände haben, während die folgenden Monate 6–8 Bände haben, und der Monat October, der nur bis zum 20. Tage reicht, allein in acht Bänden erschienen ist. Daher kommt es auch, daß die ersten Monate ziemlich mangelhaft sind und einer Ergänzung nach allen Beziehungen sehr bedürften. Indeß werden, wie aus mehreren Andeutungen bei den Bollandisten hervorgeht, nach Vollendung des ganzen Werkes Supplementbände herausgegeben werden. Damit man aber [24] sehe, in welcher Weise Bollandus und alle seine Nachfolger das Leben eines Heiligen behandelt haben, sollen hier seine Worte angeführt werden. Nachdem er von der Uebersicht der Heiligen eines Tages und der Rubrik der Praetermissi und Rejecti gesprochen, fährt er fort: »Drittens gehen den einzelnen Lebensbeschreibungen Abhandlungen voraus, in welchen der Ort der Verehrung und der Geburt, die Zeit, in der er lebte, die Heiligkeit, in deren Ruf er starb, die Reliquien und Anderes von ihm, der Verfasser und die Zeit der Abfassung des Lebens, das auf uns gekommen, behandelt werden, bei deren Aufnahme ich jedoch so gewissenhaft verfahren werde, daß ich nur jene Vita wiedergebe, welche von einer Kirche oder einem Kloster acceptirt worden ist.«36 Bezüglich der äußern Einrichtung eines Bandes ist zu sagen, daß bei jedem Heiligen oder bei jeder Gesellschaft von Heiligen der Tag und das Jahr des Todes zu einer Seite und zur andern der Name des Verfassers des Lebens angeführt, und daß jeder Band sechs Indices hat, nämlich einen Index der Heiligen und den chronologischen am Anfange, den historischen, topographischen, onomastischen und moralischen aber am Ende.
39. Die beiden ersten Bände der Acta Sanctorum erschienen durch Johannes Bollandus zu Antwerpen im J. 1643, nachdem er dreizehn Jahre ununterbrochen daran gearbeitet hatte. Um aber die Fortsetzung des Werkes zu beschleunigen, gaben ihm seine Obern den als Gelehrten ausgezeichneten Gottfried Henschenius (Henschen), geb. den 21. Jan. 1600 zu Venrad in Geldern, als Gehilfen. Im J. 1658 gaben Beide zusammen die drei Bände des Monats Februar heraus. Papebroch (Papebrock), Sohn eines reichen Hamburger Kaufmanns, der sich in Antwerpen niedergelassen hatte, beigesellt, und nun nahm die Fortsetzung des Werkes einen etwas raschern Verlauf. Bollandus starb zu Antwerpen den 12. Sept. 1665, nachdem er 34 Jahre an den Acta Sanctorum gearbeitet hatte, und in dieser Zeit nur 8 Bände theils von ihm selbst, theils unter seiner Leitung zu Stande gekommen waren. Nach ihm erhielten alle seine Nachfolger, die an diesem Werke arbeiteten, den Namen Bollandisten, welchen auch die neueren Bearbeiter heute noch tragen. Auf die Einladung des Papstes Alexander VII. hatten sich seine beiden Mitarbeiter im Jahre 1660 nach Rom begeben, um die alten Urkunden zu untersuchen, welche daselbst aufbewahrt werden und die für ihr Unternehmen dienen könnten. Nach zwei Jahren kehrten sie mit reichen Schätzen, die sie in Rom, in Deutschland und Frankreich gesammelt hatten, zurück und gaben im Jahre 1668 drei neue Bände, den Monat März umfassend, heraus; 1675 folgten drei andere Bände (April), und 1680 erschienen wieder drei Bände (Mai). Henschenius starb den 11. Sept. 1681, nachdem er 46 Jahre am großen Werke gearbeitet, und an der Ausarbeitung von 24 Bänden thätigen Antheil genommen hatte. Trotz dieses Verlurstes erschienen doch im Jahre 1685 der 4. und 5. Band des Monats Mai, und im J. 1688 der 6. und 7. Band desselben Monats; der erste Band des Juni erschien erst 1695, der zweite 1698, der dritte 1701, der vierte 1707, der fünfte 1709, der sechste und siebente 1715–1717. Nach der Herausgabe des 5. Bandes des Monats Juni im Jahre 1709 zog sich der Pater Papebroch, der vor lauter Arbeiten blind geworden war, von der Redaction zurück, und starb den 28. Juni 1714 in einem Alter von 86 Jahren, von denen er 55 auf die Acta Sanctorum verwendet hatte. Er nahm an 19 Bänden thätigen Antheil. Die folgenden Bände vom Monat Juli bis zum October erschienen ziemlich regelmäßig von zwei zu zwei Jahren, und haben daran folgende Mitglieder der Gesellschaft Jesu gearbeitet: 4) Conrad Janningus, geboren zu Gröningen den [25] 16. Nov. 1650, in die Gesellschaft Jesu eingetreten im Jahre 1670 und gestorben den 13. Aug. 1723, nachdem er 44 Jahre bei der Redaction gewesen und an 13 Bänden gearbeitet hatte; – 5) Franc. Baërtius, geboren zu Ypern den 25. Aug. 1651, Jesuite 1670, gestorben den 27. Oct. 1719, nachdem er 38 Jahre bei der Redaction gewesen und an 10 Bänden eifrig gearbeitet hatte; – 6) Joh. Bapt. Sollerius, zu Herseau in Flandern am 28. Febr. 1669 geboren, Jesuite 1687, gestorben am 27. Juni 1740, nachdem er 38 Jahre an 12 Bänden gearbeitet hatte; – 7) Joh. Pinius aus Gent, geboren den 13. Dec. 1678, Jesuite 1696, gestorben am 19. Mai 1749, 35 Jahre bei der Redaction und eifriger Mitarbeiter an 14 Bänden; – 8) Wilh. Cuperus aus Antwerpen, geboren den 1. Mai 1686, Jesuite 1704, gestorben am 2. Febr. 1741, 21 Jahre lang bei der Redaction und Mitarbeiter an 11 Bänden; – 9) Petrus Boschius aus Brüssel, geboren am 19. Oct. 1686, Jesuite 1705 und gestorben den 14. Nov. 1736, nachdem er 15 Jahre bei der Redaction gewesen und nur an 7 Bänden mitgearbeitet hatte; – 10) Joh. Stiltingus aus Vicodurum in der Provinz Utrecht, geboren den 24. Febr. 1703, Jesuite 1722 und gestorben den 28. Febr. 1762, war 25 Jahre bei der Redaction und arbeitete an 11 Bänden; – 11) Constant. Suyskenus, geboren zu Herzogenbusch (Silvadux) am 20. Aug. 1714, Jesuite 1732, gestorben am 28. Juni 1771, war 26 Jahre in der Congregation und arbeitete an 11 Bänden; – 12) Joh. Perierus aus Cortracum, geboren den 29. Aug. 1711, Jesuite 1732, gestorben den 23. Juni 1762, war 15 Jahre in der Congregation, aber arbeitete nur an 7 Bänden; – 13) Urban Strickerus aus Dunkerk, geboren den 25. Sept. 1717, Jesuite 1733, gestorben am 28. October 1753, war nur 2 Jahre bei der Redaction und lieferte Beiträge in einem Bande. Hiezu kommen noch: 14) Joh. Limpenus aus Aalbeck in Limburg, geboren den 19. Nov. 1709, Jesuite 1726; – 15) Joh. Veldius aus Antwerpen, geboren den 17. Sept. 1710, Jesuite 1727; – 16) Joh. Cleus aus Antwerpen, geboren den 20. Aug. 1722, Jesuite 1740, welche drei später aus der Redaction austraten und sich einem andern Berufe widmeten, und zwar der Erste im Jahre 1750, nachdem er 9 Jahre an 3 Bänden, der Zweite, nachdem er 5 Jahre an 2 Bänan 3 Bänden gearbeitet hatte.37 Eben als die Bollandisten eifrigst an der Fortsetzung des Werkes arbeiteten, traf die Gesellschaft Jesu ein harter Schlag und mit ihr auch die Congregation der Bollandisten; denn die Jesuiten in Belgien wurden aufgehoben, als eben die drei ersten Bände des Monats October erschienen waren. Der letzte Band der alten Bollandisten, der 50. des ganzen Werkes, erschien im Jahre 1770.
40. Ohne bedeutende Hilfsmittel wären Bollandus und seine Nachfolger nicht im Stande gewesen, dieses großartige, alle Zeiten und Orte umfassende hagiologische Werk zu der Bedeutung zu erheben, die es wirklich erlangt hat. Wohl hatte Bollandus eine reiche Sammlung von Acten und Lebensbeschreibungen im Rücklasse des Heribert Rosweid vorgefunden; allein dieselbe war nicht ausreichend, um das vorgesteckte Ziel nur zum Theil zu erreichen. Es blieb ihm daher nichts übrig, als seine Blicke nach auswärts zu richten, und die Gelehrten seiner Genossenschaft, die sich damals schon über ganz Europa verbreitet hatten, in einem lebhaften [26] literarischen Briefwechsel zur Einsendung des Benöthigten aufzufordern. Dieser Briefwechsel bot reiche Ausbeute. Uebringens wurdederselbe auch von seinen Nachfolgern auf das Eifrigste fortgesetzt; denn wenn der Bearbeiter eines Lebens alles mögliche Material vor sich hatte, so ereignete es sich doch nicht selten, daß in dem einen oder andern Stücke Schwierigkeiten obwalteten. In diesem Falle sah er sich genöthigt, mit den Gelehrten des betreffenden Ortes oder der Gegend sich in Verbindung zu setzen, und sich nähere Aufschlüsse zu erholen.38 Ein zweites Hilfsmittel, welches ihnen die Uebernahme und Fortsetzung eines so weit greifenden Werkes möglich machte, waren die literarischen Reisen, welche Einzelne aus der Gesellschaft in die verschiedenen Länder Europa's unternahmen. Schon oben haben wir vernommen, wie Henschen und Papebroch einer Einladung des Papstes Alexander VII., der dem Unternehmen allen Vorschub leistete, folgend, sich nach Rom begeben hatten, daselbst die Archive nach allen Seiten durchsuchten und mit reicher Beute beladen wieder in ihr Vaterland zurückkehrten. Die Nachfolger traten eifrig in ihre Fußstapfen; denn schon Janningus blieb, nachdem er vier Jahre zu Rom mit allem Eifer den theologischen Disciplinen obgelegen, auch noch das fünfte Jahr in Italien und durchsuchte jeden Winkel dieses weiten Landes (vom Jahre 1681–1686), um Acten und Lebensbeschreibungen der Heiligen zu erhalten. Derselbe unternahm auch mit Baërtius i. J. 1668 eine Reise durch Deutschland und Böhmen, begab sich im Jahre 1697 wieder nach Italien, und verweilte abermals drei Jahre daselbst, unabläßig nach Codices und Manuscripten suchend, welche auf das Leben der Heiligen Bezug hatten. Im Jahre 1715 ging Sollerius als Gefährte des Cardinal-Erzbischofs Thomas ab Alsatia nach Oesterreich zu gleichem Zwecke, und kehrte reich versehen mit Manuscripten nach Hause zurück. Die Reihe der Wanderungen schlossen Stilting und Suyskensim J. 1752 durch eine Reise nach Frankreich, Italien, Deutschland und Ungarn, und brachten abermals einen keineswegs unansehnlichen Schatz von Documenten in das hagiographische Museum zu Antwerpen zurück.39
41. Daß zur Fortführung dieses Werkes große Summen Geldes nothwendig waren, läßt sich begreifen, wenn man bedenkt, was die Herbeischaffung von Acten, die Reisen einzelner Mitglieder, der Druck der Bände u.s.w. kostete. Anfänglich bezogen die Unternehmer reichliche Geldunterstützung von Fürsten, Bischöfen und Aebten. Auch Papebroch verwendete viel Geld auf die Fortsetzung des Werkes; denn sein Vater hatte ein bedeutendes Vermögen hinterlassen und was ihm davon zufiel, verwendete er, um Manuscripte und Bücher für die besondere Bibliothek der Bollandisten anzuschaffen. Allein die Geldunterstützungen hörten in Folge der hart bedrängten Zeiten bald auf, und sie mußten auf andere Mittel denken, zumal es mehr und mehr Bedürfniß wurde, die Hagiologen, die im armen Profeßhaus zu Antwerpen wohnten, von der Pflicht des Predigtamtes in dieser Stadt zu befreien, indem sie dadurch in ihren historisch-kritischen Arbeiten sehr gestört wurden. Man darf daher sagen, bis zum Jahre 1688 hatte das Institut der Bollandisten keine sichere feste Begründung nach dieser Seite; alle ihre Einkünfte bestanden aus dem Erlös der verkauften Exemplare der Acta Sanctorum und den Geschenken großmüthiger Gönner, von denen wir oben einen angeführt haben, und denen zum Danke dafür die einzelnen Bände [27] dedicirt wurden. Diese Einnahmen aber waren sehr gering im Vergleich zu den bedeutenden Ausgaben für den Druck eines so kolossalen Werkes etc., und es war dringend geboten, sich nach andern und zwar bleibenden Hilfsquellen umzusehen. Im J. 1688 begab sich nun Einer von ihnen, nämlich P. Janning, nach Wien und übergab dem Kaiser Leopold eine Bittschrift, worin er – unter der Verpflichtung, alle später erscheinenden Bände dem Kaiser und den Prinzen und Prinzessinen seines Hauses40 zu widmen – im Namen Aller um eine bleibende Pension nachsuchte. Der Kaiser bewilligte ihm auch, aber nur mündlich, eine jährliche Pension von 1000 Rthlr. Da aber diese Summe nicht ausbezahlt wurde, so ging der genannte P. Janning im J. 1700 wieder nach Wien und erhielt vom Kaiser einen förmlichen Erlaß, wornach auch die Rückstände ausbezahlt werden sollten. Indessen wurde weder die Pension selbst, noch wurden die Rückstände pünktlich ausbezahlt, und im Jahre 1715 belief sich die ganze Summe auf 33,000 fl. Endlich befahl Kaiser Karl VI. im Jahre 1716, daß für den ganzen Rückstand die Summe von 6000 fl. und eine jährliche Pension von 1500 fl. auf eilf bis zwölf Jahre sollte ausbezahlt werden. Hiemit war die ausdrückliche Verpflichtung für die Bollandisten verbunden, alle zwei Jahre drei Bände herauszugeben. Obwohl diese Bedingung nicht erfüllt wurde und auch, wie man sich leicht denken kann, nicht wohl erfüllt werden konnte, so wurde ihnen doch diese Pension bis zur Aufhebung des Ordens ausgezahlt. Durch diesen Beitrag, sowie durch Geschenke hatten die Bollandisten unter Anwendung einer weisen Sparsamkeit am Ende ein Kapital von 136,000 fl. erworben, und bezogendaraus eine bedeutende jährliche Rente, wozu noch 2400 fl. als Erlös aus verkauften Exemplaren kamen. Bei all dem hatten sie doch große Ausgaben an das Profeßhaus zu Antwerpen zu entrichten gehabt, um daselbst ein eigenes Bibliothek- und Arbeitszimmer zu erhalten. Auch hatten sie ein besonderes Haus gekauft, worin sie eine eigene Druckerei besaßen etc.
42. Anfangs schritt die Herausgabe diesam vorwärts. Bollandus wurde mit Beginn des Jahres 1630 zur Herausgabe des von Rosweid angefangenen Werkes berufen, und hatte, wieschon bemerkt, 13 Jahre nöthig, bis er die ersten zwei Bände des Monats Januar, und denen noch dazu viele Heilige fehlen, der Oeffentlichkeit übergeben konnte. Er und sein Gehilfe Henschen arbeiteten sich jedoch mit jedem Tage immer mehr hinein, und so kam es, daß die weitern Bände in kürzern Zwischenräumen erscheinen konnten. Uebrigens erforderten die 50 Bände, die bis zur Aufhebung der Gesellschaft Jesu erschienenwaren, einen Zeitraum von 150 Jahren, und haben zweiunddreißig Gelehrte,41 alle (mit Ausnahme von 6) aus der [28] Gesellschaft Jesu, mit unermüdlichem Fleiße daran gearbeitet. Man wird sich über dieses langsame Fortschreiten keineswegs wundern, wenn man den weitausgreifenden Plan in's Auge faßt, der verfolgt wurde, und die Gründlichkeit, mit welcher sie zu Werke gingen. Wie Papebroch im Leben des Bollandus bemerkt, führten sie keinen Zeugen an, den sie nicht zuvor strengstens geprüft hatten. Was irgend zur genaueren Kenntniß eines Heiligen gehörte, wurde von ihnen auf das Genaueste untersucht; jedem noch so dunklen Ort, der in den Acten genannt ist, jeder Gegend, jedem Volke widmeten sie ihre vollste Aufmerksamkeit und suchten namentlich die Geschichte jedes Bisthums, jeder Stadt, jedes Klosters zu ergründen etc.42 Was hier Papebroch, der mit der Fackel der Wissenschaft allen seinen Mitbrüdern voranleuchtet,43 von der Art und Weise, wie die Bollandisten arbeiteten und von dem sagt, was sie auf dem Felde der Hagiographie geleistet haben, wird jeder unterschreiben, der nur in Etwas dieses immense Werk durchgegangen hat; aber daraus wird zugleich ersichtlich, wie es komme, daß zu dessen Herausgabe ein so langer Zeitraum erforderlich war. Schon geraume Zeit verstrich mit den Vorstudien, die jeder der Bollandisten zu machen hatte, und in denen er es zur Meisterschaft gebracht haben mußte. Denn in allen Fragen, dieauf Geschichte, Geographie, Chronologie, Diplomatik (Urkunden-Wissenschaft), Theologie u. Philosophie Bezug haben, wollten sie nicht Andern nachbeten, sondern als Meister ihre entscheidende Stimme abgeben. Das aber verzögerte das Werk bedeutend, und wer wird sie deßhalb anklagen wollen?!
43. Versetzen wir uns eine Weile in ihre gelehrte Versammlung im Profeßhause zu Antwerpen, und sehen wir, wie sie zu Werke gehen. Anfänglich war, wie wir gesehen haben, nur Einer, Bollandus, von dem Alles ausging; allmählig aber treten Mitarbeiter (Socii) ihm zur Seite und endlich sehen wir drei oder vier als die Meister in dieser wissenschaftlichen Tafelrunde. Wenn dieselben an einen bestimmten Tag des Monats gekommen waren, hielten sie Conferenz, zeichneten aus allen ihnen zugekommenen Martyrologien die Heiligen auf, welche an diesem Tage von der Kirche verehrt werden, berathschlagten dann über diejenigen Heiligen des Tages, von welchen gehandelt werden sollte, und von welchen nicht, entweder weil man bereits über sie gehandelt hatte, oder weil man erst später, oder auch weil man gar nicht über sie handeln wollte. In dem Werke selbst legte man dann hierüber Rechenschaft ab. War sonach die Liste der auf einen Tag treffenden Heiligen bereinigt, so ging man daran, sich in die Arbeit zu theilen, und jeder Einzelne übernahm einen odermehrere Heilige dieses Tages. Wenn auf diese Weise ein Bollandist das Leben eines Heiligen bearbeitet hatte, so wurde dasselbe in den Druck gegeben und in Heften von 4 Blättern gedruckt. Hievon wurde Ein Exemplar abgezogen und dem Verfasser zur Correctur übergeben. War die Correctur besorgt, dann erhielten die übrigen Bollandisten der Reihe nach diese Arbeit. Jeder prüfte dieselbe und machte seine Bemerkungen. War das Exemplar von Allen gelesen und geprüft, dann versammelte man sich wieder und berathschlagte über die zu machenden Abänderungen, wenn solche nöthig schienen, und stimmteab, wobei der Verfasser bei Stimmengleichheit die entscheidende [29] Stimmehatte. Dieser erste Abdruck kam nun wieder in die Hände des Druckers, der nun ein zweites und drittes Exemplar abziehen ließ, und wenn dieses die Revision und Superrevision des Verfassers bestanden hatte, wurden 800 Exemplare davon rein abgedruckt. Die Bände der Acta Sanctorum wurden sogleich nach ihrem Erscheinen nach allen Enden der Welt versendet, und blieben nur Einzelne in dem Magazin der Bollandisten zurück. Nach der Aufhebung der Gesellschaft Jesu in Belgien brachte die Regierung etwa 15 complete Exemplare in diesem Lande zusammen, wovon das Stück für 1000 Brabanter Gulden verkauft wurde. I. J. 1780 besaß die Regierung nur noch 9 davon, die zusammen an den Buchhändler Ermens zu Brüssel für die Summe von 4650 fl. verkauft wurden.
44. Im Jahre 1773 bei der Aufhebung des Jesuiten-Ordens waren Cornelius Byeus, 45 Jahre alt, Jakobus Bueus, 45 Jahre alt, Joseph Ghesquierus, 41 Jahre alt und Ign. Hubenus, 35 J. alt, in der Congregation der Bollandisten und erklärten sich bereit, das Werk fortzusetzen, wenn ihnen die nöthigen Mittel an die Hand gegeben würden. Allein die Feinde der Jesuiten boten Alles auf, das Beisammenbleiben von Jesuitenpatres und die Fortsetzung des Werkes zu hintertreiben; sie brachten vor, die Hagiographen hätten damit keine andere Absicht, als mit der Zeit ihr kleines Häuslein zu vergrößern, und was das Werk der Acta Sanctorum betreffe, sei es des Geldes nicht werth, das man darauf verwende, weil es nur Aberglauben verbreite und keineswegs zur Aufklärung des Volkes diene etc. Lange währten die Verhandlungen hierüber, während welcher die Bollandisten ihr Profeßhaus (1775) verlassen mußten und bei welchen am Ende die Unterordnung unter die Akademie von Brüssel von ihnen verlangt wurde, bis endlich die Kaiserin Maria Theresia, als Herrin von Belgien, i. J. 1776 dem Streite ein Ende machte, und dem Conseil des Jesuites (Conventus jesuiticus) durch den Statthalter Fürsten von Stahremberg bedeuten ließ, es sei ihr Wille, »daß das hagiographische Werk durch die alten Bollandisten fortgesetzt werde und zwar so, daß sie keineswegs von der Akademie zu Brüssel abhängig seyn sollte.« Zugleich gab die Kaiserin den Auftrag, einer der Bollandisten habe die Art und Weise anzugeben, wie das Werk am füglichsten in Angriff genommen und beendigt werden könne. Dieß geschah auch. Weil aber das Profeßhaus mittlerweile in eine Militärschule verwandelt worden war, so wurde den Bollandisten durch ein Decret des Prinzen Carl von Lothringen zu ihrem Aufenthalte die Abtei Coudenberg (frigidus mons) bei Brüssel angewiesen, und von den oben genannten Jesuiten, unter denen Ghesquière allein die Fortsetzung der von ihm gegründeten Analecta Belgica übernahm, erhielt hier Jeder, außer einer jährl. Pension von 800 fl., freie Wohnung und freien Tisch. Da mit dem Ausscheiden des Ghesquier nur mehr ihrer drei waren, und Hubernus schon kränkelte, nahmen sie als Gehülfen zwei jüngere Gelehrte, nämlich denregulirten Chorherrn Joh. Bapt. Fonson aus Brüssel und Reynders oder Rayé, gleichfalls aus Brüssel, welcher letzterer jedoch später wieder von ihnen ausschied. Im Jahre 1778 zogen sie in ihren neuen Bestimmungsort ein, und gaben i. J. 1780 den 51. Band des ganzen Werkes, den 4. des Octobers heraus, an welchem außer ihnen noch Const. Suyskenus gearbeitet hatte. Als im J. 1781 P. Hubenus gestorben war, wurde 1784 an seine Stelle Anselmus Berthodus, Benedictiner aus der Congregation von St. Vannes (S. Vitoni), Großprior von Luxeuil und Mitglied der Akademie zu Besançon und Brüssel, berufen, derauf alle äußern Ehren verzichtete, um in der Verborgenheit sich seinen Lieblingsstudien zu widmen. Er leistete jedoch nicht viel und entsprach keineswegs den Erwartungen, die man von ihm hegte; denn obgleich er schon i. J. 1784 in die hagiographische Gesellschaft eintrat, so findet man doch im fünften Bande des October, der i. J. 1786 erschien, nirgends seinen Namen, während die sechs Lebensbeschreibungen, welche im VI. Bande von ihm bearbeitet wurden, keine gar große Gelehrsamkeit erforderten, mit Ausnahme des hl. Bischofs und Martyrers Pantalus, eines Gefährten der hl. Ursula.
45. In stiller Verborgenheit arbeitete die Gesellschaft der Bollandisten an der Herausgabe der weitern Bände des Monats October, als neue Stürme über sie hereinbrachen. Inzwischen war die Kaiserin Maria Theresia gestorben, und ihr Sohn Kaiser Joseph II. in der Regierung der österreichischen Lande ihr gefolgt. Er war dem hagiographischen Werke nicht so günstig gestimmt, wie seine edle Mutter; vielmehr gab er auf[30] alle mögliche Weise seine Abneigung gegen dasselbe zu erkennen. Schon der Umstand, daß er es verweigerte, auf eigene Kosten, wie die frühern Herrscher gethan, das Bild des kaiserlichen Prinzen (des Erzherzog Franz, nachmaligen Kaisers Franz II.) für den neuen Band in Kupfer stechen zu lassen, brachte die Bollandisten auf den Gedanken, daß sie von ihm nichts Gutes zu erwarten hatten. Was sie fürchteten, traf auch bald ein. Im Jahre 1786 wurde die Abtei Coudenberg mitvielen andern Abteien und Klöstern des Landes durch einen einfachen Federzug des aufklärungssüchtigen Kaisers aufgehoben, die Bollandisten mußten den bisherigen Ort verlassen und in das Gebäude der Exjesuiten in Brüssel ziehen, wo auch in demselben Jahre noch der 52. Band (der 5. des October) erschien, und endlich wurde am 1. Nov. 1788 die Gesellschaft der Bollandisten selbst aufgehoben.44
46. Die kaum constituirte Gesellschaft der Bollandisten bestand also nicht mehr; was man aber mit dem Bücher-Verlage, der aus 6000 Bänden bestand, und mit der Bibliothek, die 8000 Bände umfaßte und lediglich zum Zwecke der Hagiographie angelegt war, anfangen sollte, um sie für einen guten Preis zu verwerthen, dafür wußte man keinen Rath. Aufgefordert, in dieser Hinsicht Mittel und Wegeanzugeben, machte der Bollandist Cornel de Byeden Vorschlag, das Ganze ins Kloster St. Blasius im Schwarzwald zu transferiren, wobei er sich anheischig machte, an den gelehrten Abt Martin Gerbert zu schreiben, und ihm seine und seines Mitgenossen Bue Bereitwilligkeit zu erklären, jüngere Mitglieder jenes Klosters heranzubilden, wenn er das Ganze käuflich an sich bringe und das Werk zu Ende führe. Auf das Schreiben, das er dahin sendete, erfolgte keine Antwort, und als noch ein Uebereinkommen mit den Maurinern in Frankreich, die Alles aufboten, um die Fortsetzung der Acta Sanctorum zu erhalten, nicht zu Stande kam, so unterblieb einstweilen alles Weitere. Endlich überließ die Regierung i. J. 1789 die Bibliothek und die gelehrten Materialien der Bollandisten der Prämonstratenser-Abtei Tangerloo in Brabant, wohin sich auch diese selbst noch in demselben Jahre begaben, und hier war es denn auch, wo sie i. J. 1794 nach vielen im Orte und in den Zeitumständen liegenden Schwierigkeiten in Gemeinschaft mit den Prämonstratenser-Patres Siardus Dyckius aus Tangerloo, Cyprian Goorius aus Turnholt (der einzige, der die Zeit der Neobollandisten erlebte und sein Kloster wieder aus der Asche sich erheben sah) und Matth. Stalsius aus Maeseyk (Mosacum) in Limburg, welche der Jesuit Jacobus Bue zu diesem Zwecke unterrichtet hatte, und die zu großen Erwartungen berechtigten, den 6. Bd. des Monats October herausgaben, den 53. des ganzen Werkes und letzten der älteren Bollandisten, der übrigens äußerst selten zu finden ist.45 Schon war die französische Revolution ausgebrochen, und die wilden Horden standen an den Gränzen des Landes, um in Belgien einzufallen. Unter diesen Umständen war der genannte Band erschienen, und wie sehr die Bollandisten mit dessen Herausgabe eilten, zeigt deutlich das Wort »Dies«, welches als »Weiser« (Custos, Blatthüter) am Ende der letzten Seite 632 steht, und mit welchem die folgende Seite hätte beginnen sollen, woraus hervorgeht, daß auch noch der 15. Oct. (Dies scil. decimus quintus Octobris) in denselben aufgenommen werden sollte, daß sie aber nicht mehr damit zu Ende kamen. Am 1. Oct. 1795 wurde Belgien der französischen Republik einverleibt; am 19. Aug. 1796 wurden die Kirchen- und Klostergüter eingezogen, und am 6. Dezbr. desselben Jahres erschien ein Commissär, der das Kloster Tangerloo aufhob. Hierauf zerstreuten sich die Mönche im Lande. Die Jesuiten de Bye und der Historiograph Ghesquiere gingen nach Deutschland, wo sie bald hernach starben; der dritte Jesuit de Bue und die Tangerlooer Mönche Fonson und Heylen, sowie die übrigen van Dyk, van der Goor und [31] Stals, blieben im Lande, wo sie theils für sich lebten, theils in der Seelsorge sich verwenden ließen.
47. Bei der Aufhebung des Klosters Tangerloo, das übrigens mehr als alle andern Abteien des Landes von den Franzosen zu erdulden hatte, ging ein großer Theil der kostbaren literarischen Schätze, welche die Klosterbibliothek enthielt, verloren; doch konnte noch Manches gerettet werden; namentlich wurde von den hagiographischen Materialien Vieles in Sicherheit gebracht. Noch unter der französischen Regierung wurden daher Schritte gethan, die Acta Sanctorum fortzusetzen, und Herr von Herbouville, Präfect des »Departement des deux Néthes«, suchte (1800–1801) die im Lande gebliebenen Bollandisten Bue, Fonson und Heylen zur Fortsetzung ihrer Arbeiten zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Im Jahre 1803 suchte die französische Akademie (Institut) dieselben neuerdings zu bewegen, entweder selbst an's Werk zu gehen, oder ihren Vorrath an Materialien Anderen käuflich zu überlassen; allein sie weigerten sich dessen aus unbekannten Gründen,46 und als i. J. 1810 selbst Kaiser Napoleon um die Sache sich interessirte, erhielt er die Nachricht, man müsse alle Hoffnung bezüglich der Fortsetzung dieses Werkes aufgeben, wenn nicht die vielen (damals noch verborgenen) Manuscripte etc. aufgefunden würden.
48. So stand die Sache im Anfange dieses Jahrhunderts, und es geschah von da an nichts mehr, bis endlich im Jahre 1836 gegen Ende Septembers in Belgien das Gerücht ging, es habe sich zu Paris eine Gesellschaft von Gelehrten zusammengethan, um die Acta Sanctorum fortzusetzen, und dieselben erfreuen sich der Unterstützung des Ministers Guizot und der französischen Bischöfe. Während man nun in Frankreich mit diesem Plane umging, glaubte Herr de Ram, Rector der kath. Universität zu Löwen, der die Fortsetzung der von Ghesquière angefangenen Acta Sanctorum Belgii übernommen hatte, ihr Streben vereiteln zu sollen, und er schrieb deßhalb an den belgischen Minister des Innern, was man in Frankreich vorhabe, und wie es ihm dünke, man solle die Palme bezüglich der Fortsetzung der in Belgien begonnenen Acta Sanctorum nicht Fremden überlassen; denn es gäbe in Belgien, und namentlich in der Gesellschaft Jesu, Leute genug, die diesem Geschäfte gewachsen wären. Dieses Ansinnen fand den Beifall des Ministers, und so übertrug dann die belgische Regierung i. J. 1837 dem Jesuitenorden die Fortsetzung dieses Werkes, zu welchem die Jesuiten Joh. Bapt. Boone, damals Rector des Collegiums zum hl. Michael in Brüssel, Jos. van der Moore, Rector des Collegiums zur heil. Barbara in Gent, Prosper Coppens, Professor der Theologie und Jos. van Hecke, Professor des canonischen Rechtes als Leiter des Geschäftes von dem Ordensprovinzial Petrus van Lil ausersehen wurden. Mit diesen Männern, welche wir zum Unterschiede von den ältern und alten Bollandisten die Neo-Bollandisten nennen, deren Anzahl aber inzwischen auch schon wieder sich geändert hat, beginnt eine neue Aera für das große Werk. Sogleich knüpften dieselben auf Reisen und durch Briefe überall die nöthigen Verbindungen an, suchten und kauften Manuscripte und Bücher, und veröffentlichten endlich am 25. März 1838 von Brüssel aus ein Programm unter dem Titel: De prosecutione operis Bollandiani, quod »Acta Sanctorum« inscribitur, in welchem sie sich näher über ihr Unternehmen aussprechen und am Ende ein Verzeichniß (»Elenchus«) der Heiligen etc. beifügen, deren Acten noch bearbeitet werden sollen – nämlich jener Heiligen etc. deren Andenken in verschiedenen Martyrologien vom 15. Oct. bis 31. December gefeiert wird; dann jener Diener Gottes, welche seit dem Beginne des Werkes in die Zahl der »Heiligen« und »Seligen« aufgenommen wurden oder höchst wahrscheinlich noch werden aufgenommen werden.47
[32] 49. Die belgische Regierung, die sich's zur Ehre rechnete, das großartige Werk zur glücklichen Vollendung zu bringen, sicherte durch Decret vom 13. Juni 1837 einen jährlichen Zuschuß von 6000 Francs zu, der auch fortan ohne allen Anstand ausbezahlt wurde, sowie sie auch den Unternehmern bereitwilligst die Bibliotheken des Landes öffnete. Das Werk schritt langsam vorwärts, und so erschien dann i. J. 1845 zu Brüssel (typis Alphonsi Greuse) der erste Band der Neo-Bollandisten, der siebente des Octobers, und der 54. des ganzen Werkes, in zwei Abtheilungen, nur den 15. u. 16. Oct. umfassend, und herausgegeben von Van der Moere und Jos. Van Hecke. Ein weiterer Band seit der Errichtung dieser Gesellschaft, der 8. des Octobers und der 55. des ganzen Werkes, erschien i. J. 1853 ebenfalls zu Brüssel unter den Namen Jos. Van Hecke, Benjam. Bossue, Vict. de Buck und Ant. Tinebrock – beide Bände höchst umfangreich und auf das Eleganteste ausgestattet. Die Einrichtung ist ganz dieselbe, wie in den frühern Bänden, und was den wissenschaftlichen Werth betrifft, so stehen sie nach unserm Urtheile in Nichts denselben nach.
50. Das ist in Kürze die Geschichte, Einrichtung und Verfassung der großen Sammlung der Bollandisten, Acta Sanctorum genannt, bei welchem Werke wir länger als bei den übrigen verweilen zu müssen glaubten, weil es einzig in seiner Art dasteht, weil zwei Jahrhunderte an ihm gearbeitet, und besonders weil wir es uns bei Abfassung unseres Lexikons zur durchgängigen Richtschnur gewählt haben, so daß diese Acta Sanctorum unsere Hauptquelle und diese gelehrten Bollandisten unsere vorzüglichsten Gewährsmänner sind, die uns aber leider in den (bisher noch nicht erschienenen) letzten Monaten des Jahres verlassen. Das Urtheil aller Gelehrten über den hohen Werth dieses Werkes ist einstimmig, und selbst Protestanten, wie Leibnitz, der sich über viele Fragen mit Papebroch in brieflichen Verkehr setzte, sind des Ruhmes voll, so daß Ghesquière mit Recht von diesen sagen konnte, es habe unter ihnen keinen gegeben, welcher dieses Werk getadelt hätte.48 Der berühmte Bibliograph rarhistoriker, gibt über den Werth der Bollandisten folgendes Urtheil ab: »Was zum Verständniß und zur Beurtheilung der Originalnachrichten nothwendig war, ist in kurzen, aber gehaltreichen Wort- und Sacherläuterungen und in historisch-kritischen Einleitungen und Abhandlungen beigefügt. Und so lieferten, auf rein historischem Wege fortschreitend, die Bollandisten ein Werk, welches sowohl durch seinen in alle Fächer der Geschichte einschlagenden Inhalt, als auch durch die Art seiner Bearbeitung nicht nur bisher schon mannigfaltigen Nutzen gestiftet hat, sondern auch überhaupt stets einen bleibenden Werth haben wird.« Auch in Pierer's »Universal-Lexikon« ist in dem Artikel, »Acta Sanctorum« das Geständniß niedergelegt: »Dieses Werk ist ausgezeichnet durch Treue, Fleiß und Kritik, enthält die besondern Lebensbeschreibungen der Martyrer und Heiligen, und die aus allen alten Originalien gesammelten Notizen.« Manchmal allerdings sind sie in ihrem Urtheile hyperkritisch und erscheinen etwas einseitig; allein das begegnet nur in seltenen Fällen, im großen Ganzen aber herrscht darin ein hoher, ächt wissenschaftlicher Geist, der vor keiner Schwierigkeit zurückbebt und mit Meisterhand die Knoten löst, die sich im Laufe der Jahrhunderte um die Acta Sanctorum gebildet, weßhalb man aus voller Seele dem gelehrten Papste Benedict XIV. beistimmen muß, wenn er bei Gelegenheit der Approbation der Feier des Andenkens der hl. Jungfrau und Kaiserin Pulcheria (Tom. IV. Sept. pag. 778) für den Jesuitenorden von den Bollandisten, auf deren Autorität hin er dieses Fest bewilligte, sagt, daß sie sich in der Herausgabe der Lebensbeschreibungen der Heiligen das größte Verdienst erworben haben und auch von Seite des apostolischen Stuhles alles Lob verdienen etc.49
.51. Beinahe gleichzeitig mit dem großen Werke des Bollandus erschienen einige Specialsammlungen des Lebens der Heiligen aus verschiedenen Orten und Orden, und zwar von verschiedenen Verfassern, von welchen wir ebenfalls Einiges anführen wollen, da sie in unserm »Heiligen-Lexikon« auch öfter citirt werden. Hieher gehören unter Andern folgende:
1) Gabriel Bucelinus, geboren zu Diessenhofen in Turgau im Jahre 1599, dann Benedictiner im Kloster Weingarten, wo er im Jahre 1691 starb. Er verfaßte unter Anderm die Annales Benedictini, welche im J. 1655 zu Wien und im J. 1656 zu Augsburg herauskamen; dann das Menologium Benedictinum (Feldkirch 1655), in welchem Buche das Leben heiliger Benedictiner nach Monatstagen (daher »Menologium«) kurz beschrieben wird. Im J. 1773 hat Robert Schindler, Mönch und Bibliothekar zu Weingarten, einen zweiten Theil herausgegeben, welcher als Supplement des ersten gilt und als solcher auch in unserem Werke citirt wird. Es ist mit vielem Fleiße bearbeitet, und enthält viele Heilige, Selige und Fromme des Benedictiner-Ordens, die dei Bucelin vermißt werden. Uebrigens ist es gerade so eingerichtet, wie der erste Theil. Dieses Werk wird auch von den Bollandisten öfter benützt.
2) Artur (Artus) du Monstier (Mounstier), ein Mitglied des Franciscanerordens, geboren zu Rouen im Anfange des 17. Jahrhunderts, verfaßte unter andern Werken auch ein Martyrologium Franciscanum (Paris 1653), in welchem vorzüglich Heilige aus dem Franciscaner-Orden aufgeführt werden, sowie ein Gynaeceum, in welchem Legenden heiliger und seliger Frauenspersonen, und zwar nicht blos aus dem Franciscaner-Orden, vorkommen. Die Bollandisten führen beide Werke sehr häufig an, sprechen sich aber nicht zu deren Gunsten aus, vorzüglich deßwegen nicht, weil ihr Verfasser ohne alle Kritik verfuhr und Allen ohne Unterschied den Titel Beatus oder Sanctus gab.
3) Hueber Fortunat, Franciscaner der Provinz Bayern, gab gleichfalls ein Martyrologium und Menologium seines Ordens heraus, von denen uns nur das letztere zu Gebote stand, und welches nebst den von der Kirche anerkannten Ordensheiligen noch alle Frommen und Gottseligen der drei Orden enthält. Das Menologium ist im Jahre 1698 zu München erschienen und hat den Titel: Menologium, seu brevis et compendiosa illuminatio, relucens in splendoribus Sanctorum, Beatorum, Miraculosorum, Incorruptorum, Extáticorum, Beneficorum, et quocumque sanctimoniae vel virtutis fulgore Illustrium, Singularium aut Praecclientium famulorum famularumque Dei, Martyrum, Confessorum, Virginum, Viduarum, Poenitentium; ah initio Minoritici Instituti usque ad moderna tempora; ex triplici ordine, per modum Martyrologii, juxta dies Obitus et Anni Periodos compilatum, vulgatum, et publicae utilitati aedificationique authentice consecratum autore P. Fr. Fort. Hueber etc. Dieses Menologium wird von den Bollandisten häufig citirt und sehr belobt, hauptsächlich deßwegen, weil Hueber sich gewissenhaft der Bezeichnung S. oder B. enthielt, wenn ein Ordensheiliger von der Kirche nicht als heilig oder selig anerkannt war, was, wie schon bemerkt, bei Artur du Monstier nicht der Fall ist, der allen ohne Unterschied den Titel heilig oder selig gab.
4) Tanner Matthias, geboren zu Pilsen in Böhmen im Jahre 1630, wurde Jesuit im J. 1646 und ward, nachdem er längere Zeit als Professor gewirkt hatte, im Jahre 1675 nach Rom als Procurator gesendet. Sein Todesjahr ist uns unbekannt. Er schrieb unter Anderm eine Geschichte der Martyrer aus der Gesellschaft Jesu unter dem Titel: Societas Jesu usque ad sanguinis et vitae profusionem militans (Prag 1675); dann eine Geschichte der Gesellschaft Jesu, sive Vitae et gesta praeclara Patrum Soc. Jesu (Prag 1694).
5) Weißbacher Martin, Vicar bei Unserer Lieben Frau auf der Alp, im Salzburgischen Decanate Saalfeld, gab im Jahre 1737 in drei Foliobänden eine Legende der heil. Petrin er heraus, d.h. Lebensbeschreibung der Heiligen etc. aus dem Weltpriesterstande von der ersten Weihe bis zur päpstlichen Würde. Diese höchst interessante und brauchbare Legende, welche besonders für die Weltgeistlichkeit verfaßt wurde, erschien zu Augsburg und Gratz, und ist das [34] erweiterte und verbesserte Werk desselben Verfassers: »Heiliges Petriner-Jahr« vom Jahre 1726. – Wichtiger und bekannter als diese sind:
6) D'Achery und Mabillon, welche die Acta Sanctorum Ordinis S. Benedicti in Saeculorum classes distributa herausgaben; dann
7) Ruinart, der Herausgeber der Acta primorum Martyrum sincera et selecta; ferner
8) Assemani, der Verfasser der Acta sanctorum Martyrum orientalium et occidentalium; und endlich
9) Alban Butler, der das »Leben der Väter, Martyrer und anderer vorzüglicher Heiliger« (The Lives of the Fathers, Martyrs and other principal Saints) bearbeitete, welches Werk dann von Godescard aus dem Englischen ins Französische frei übersetzt und später von Räß und Weis nach dem Französischen für Deutschland bearbeitet und sehr vermehrt vom J. 1823 bis 1827 in Mainz erschien. – Diesen schließen wir noch an
10) das von Abbé Pétin verfaßte und von Abbé Migne im J. 1850 herausgegebene französische Werk unter dem Titel: Dictionnaire hagiographique etc.
Von diesen letzteren fünf Werken wollen wir in den folgenden Nummern (52–56) etwas ausführlicher sprechen.
52. D'Achery Johannes Lucas (auch Dacherius kurzweg genannt), einer der gelehrtesten Benedictiner Frankreichs aus der Mauriner-Congregation, wurde im Jahre 1609 zu St-Quentin in der Picardie geboren, widmete sich frühzeitig dem religiösen Leben und trat noch sehr jung in seiner Vaterstadt in den Orden des hl. Benedictus in der Abtei d'Isle. Da ihm aber hier das Leben der Mönche der Ordensregel des hl. Stifters nicht ganz gemäß schien, so ging er in seinem 23. Jahre in die strengere Congregation von St. Maur desselben Ordens über, und legte den 4. Oct. 1632 in der Abtei der heiligsten Dreifaltigkeit zu Vendome die feierlichen Gelübde ab. Seine Kränklichkeit war die nächste Ursache, weßhalb ihn seine Obern nach Paris in die Abtei St-Germain-des-Prés schickten, wo er das Amt eines Bibliothekars erhielt und bis zu seinem den 29. Apr. 1685 erfolgten Tode bekleidete. Sein ganzes Leben war zwischen Gebet, Uebungen der Frömmigkeit und den Studien der kirchlichen Literatur und Alterthumskunde getheilt, und er ist es, der ganz im Geiste seiner Congregation die gelehrten Bestrebungen der Mauriner anregte und mit allen seinen Kräften unterstützte. Er versammelte um sich in seiner Krankenstube, in die er größtentheils gebannt war, die jungen Genossen seines Ordens, theilte ihnen seine Ansichten mit, unterstützte sie mit seinen Kenntnissen, zeigte ihnen die Quellen, aus denen sie schöpfen könnten, versah sie mit Büchern und Manuscripten und hielt es für den größten Vortheil seines Amtes, Gelegenheit zu haben, Andern nützlich zu werden. Die ihm anvertraute Bibliothek bereicherte er durch eine Menge der seltensten Bücher und Handschriften, versah sie mit verfertigten Katalogen, munterte überall zum Fleiße und zu gelehrten Arbeiten auf, und nicht nur sein Schüler Johannes Mabillon, sondern auch viele andere französische Gelehrte verdankten ihm ihre literarische Größe. Weniger selbst productiv, befaßte er sich damit, schon vorhandene Geisteswerke zu sammeln und zu erhalten, und verborgene an den Tag zu ziehen. Derlei Sammlungen und Werke von ihm sind mehrere auf uns gekommen und sind überaus schätzbar. Hier sei nur erwähnt, was er in hagiographischer Beziehung gethan hat. Er sammelte nämlich das Material für die ersten sechs Jahrhunderte der Geschichte des Benedictiner-Ordens, welches sein Schüler und Ordensbruder Mabillon ordnete und mit gelehrten Einleitungen und Anmerkungen versehen unter seinem und seines Lehrers Namen als Acta Sanctorum Ordinis S. Benedicti in Saeculorum classes distributa (Paris 1668 bis 1701) in 9 Foliobänden herausgab. – Joh. Mabillon, der berühmteste Benedictiner der Congregation von St. Maurus und Schüler des Vorigen, wurde den 23. Nov. 1632 zu Pierremont in der Diöcese Rheims geboren und erhielt seine erste Bildung in dem Hause seines Oheims, eines Pfarrers in der Nachbarschaft. Da sich aber in dem Knaben besondere Fähigkeiten entwickelten, wurde er nach Rheims geschickt, wo er durch seinen außerordentlichen Fleiß, sein Geschick und durch seine Frömmigkeit sich die Liebe seiner Lehrer erwarb. Schon lange hatte der Orden des hl. Benedict und besonders das rühmliche Wirken der Maurinercongregation, welche die Abtei St-Denis zu Rheims besaß, [35] seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und das wahrhaft religiöse Leben dieser Benedictiner sagte vor Allem seinem frommen Gemüthe zu. Daher trat er den 5. Sept. 1653 in die Benedictinerabtei St. Denis und legte am 6. Sept. 1654 die Profeß ab. Seiner Kränklichkeit wegen, die er sich durch seine geistigen Arbeiten zugezogen hatte, wurde er in's Kloster Nogent, zwischen Laon und Soissons, geschickt, kam von da nach Corbei in der Picardie und erhielt, als man seine gelehrten Bestrebungen sah, im Jahre 1664 den Auftrag, nach Paris in die Abtei St-Germain zu gehen und daselbst den D'Achery in seinem Amte zu unterstützen. Hier arbeitete er nicht nur unabläßig an der Herausgabe der Kirchenväter, welche die Mauriner besorgten, sondern machte sich auch an die Bearbeitung der Geschichte des Benedictiner-Ordens, und begann dann, von der Liebe zu den Heiligen des Ordens bewogen, mit dem Leben und Wirkender Heiligen des selben, wovon im Jahre 1668 der erste Band erschien, dem bis zum J. 1702 noch weitere acht folgten. Dieses Werk, obwohl allenthalben mit großem Beifall aufgenommen, erregte dennoch den Unwillen einiger seiner Ordensbrüder, die, von unmäßigem Eifer getrieben, glaubten, Mabillon sei bei der Kritik der alten Acten der Heiligen zu weit gegangen, und habe dadurch, daß er die Heiligen, deren Acten ihm verdächtig schienen oder die bei genauerer Untersuchung dem Orden gar nicht angehörten, als Dubios und Extraneos darstellte, der Ehre des Ordens durchaus nicht Rechnung getragen, ja sie legten dem Generalcapitel selbst eine Klageschrift vor und verlangten den Widerruf Mabillons. Allein dieser vertheidigte sich auf eine so überzeugende Art, daß das Ordenscapitel den unzeitigen Eifer seiner Ankläger mißbilligte und seiner Liebe für die Wahrheit das verdiente Lob spendete, er also nicht nöthig hatte, einen Widerruf zu leisten. Von nun an arbeitete er ungestört an der Geschichte des Ordens sowohl, als seiner Heiligen, die vom hl. Benedict († 534) bis zum Jahre 1100 n. Chr. gehen, und in deren Bearbeitung ihm in den letzten Bänden Ruinart verhilflich war. Die Behandlung der Acten ist in diesem Werke dieselbe, wie bei den Bollandisten, nur sind die Präfationen der einzelen Acten kürzer und bündiger, als bei diesen. Der zehnte Band, welcher dieses Werk beenden sollte, wurde nach Mabillons Tod, der am 27. Dec. 1707 zu St-Germain-des-Prés erfolgte, von dem Mauriner Franz de Texier geschrieben, blieb aber bisher ungedruckt, und soll sich noch das Manuscript davon im genannten Kloster befinden.
53. Ein weiteres Feld bearbeitete sein Schüler Theodoricus Ruinart, aus demselben Orden, geboren zu Diviocortorum im Gebiete von Rheims den 10. Juni 1657, indem er sich zur Aufgabe machte, die ächten Martyrer-Acten herauszugeben. Sein Werk führt den Titel: Acta primorum Martyrum sincera et selecta, und enthält die Acten ganz rein und ohne alle Zusätze, während er jedesmal »Admonitiones« vorausschickt, worin der Verfasser die Zeit des Martyrtodes, die Aechtheit der Acten, die Verehrung des Martyrers und einige andere Momente, die beim Lesen der Acten oft aufstoßen, abhandelt. Diese herrliche Sammlung erschien zuerst in Paris im J. 1689, dann bald nach dem Tode Ruinarts zu Amsterdam im Jahre 1713 ohne neue Zusätze. Ihre beste Ausgabe ist die von Verona, worin die Acten der hhl. Firmus und Rusticus aus den besten Handschriften von Verona beigedruckt sind, und wovon der Fürstbischof Bernard Ga lura von Brixen († 19. Mai 1856, 93 Jahre alt) bei Rieger in Augsburg 1802 eine neue Auflage veranstaltete. Obgleich Rui narts Sammlung den Titel »Acta sincera« führt, so gibt der Verfasser doch in seiner Vorrede (§ 1. n. 11) zu verstehen, er habe nur Acta sinceriora aufgenommen, ohne übrigens damit erklären zu wollen, daß er alle andern, die in seiner Sammlung fehlen, für unächt halte. In der That ließ Ruinart manche Acten hinweg, deren Aechtheit unbestritten ist; wenigstens zählt Honorata S. Maria deren so viele auf, daß man ganz gut einen zweiten Band zu der ersten Sammlung liefern könnte, zumal durch die Bollandisten seit Ruinarts Tod, der den 27. Sept, 1709 zu Paris erfolgte, viele ächte Acten aufgefunden und herausgegeben wurden.
54. An Ruinart schließt sich Stephan Evodius Assemani, ein Maronit und Erzbischof von Apamea in part., der im J. 1748 zu Rom die Acta sanctorum Martyrum Orientalium et Occidentalium in zwei Foliobänden herausgab, die jedoch in Deutschland [36] wenig gefunden werden, und die auch wir leider nicht erhalten konnten. Uebrigens haben wir die vorzüglichsten dieser Heiligen auch in anderen Quellen gefunden. – Wenn aber hier von »Acten orientalischer und occidentalischer Martyrer« die Rede ist, darf man darunter nicht Morgenland und Abendland nach unsern Begriffen verstehen, sondern unter den Martyrern des Orients sind die persischen, und unter denen des Occidents die Palästinensischen Martyrer gemeint. Die Ersten haben den hl. Maruthas, einen Bischof von Mesopotamien, zum Verfasser; die andern aber scheinen das Werk des Euseb ius über die Martyrer in Palästina zu seyn, wovon schon früher die Rede war. Stephan Evodius Assemani50 hat sie nach einer chaldäischen Handschrift, die in einem Kloster in Oberägypten gefunden worden, herausgegeben. Diese, wie viele andere köstliche Handschriften, die er mitgebracht, wurden auf Befehl und Kosten des Papstes Clemens XII. gekauft.
55. Großes Verdienst um die Hagiologie erwarb sich Alban Butler durch Herausgabe seines »Lebens der Väter, Martyrer und anderer vorzüglichen Heiligen.« Derselbe wurde geboren im Jahre 1710 zu Appletree in der englischen Grafschaft Northampton und machte seine Studien zu Douay im Colleg der englischen Priester, wo er Priester wurde und in der Folge die Humaniora, die Philosophie und Theologie lehrte. Nach der Rückkehr in sein Vaterland wurde er im Jahre 1763 Aumonier des Herzogs von Norfolk, ersten Pairs von England, und folgte einige Jahre darauf dem Abbé Talbot (Bruder des Grafen von Shrewsbury, ersten Grafen von England) als Präsident des englischen Collegs zu St-Omer nach, welche Stelle ihm nach der Auflösung der Gesellschaft Jesu in Frankreich (1763) von dem Parlament von Paris zugesprochen ward. Butler starb daselbst am 15. Mai 1773 (nach Andern 1782), nachdem er das Vertrauen vieler ausgezeichneten Personen genossen hatte. Wenn wir hier sein hagiographisches Werk unter den Sammlungen der Acten und Lebensbeschreibungen der Heiligen anführen, so geschieht es nicht deßhalb, weil es diese Acta etc. in getreuer (englischer) Uebersetzung wiedergibt, sondern weil es eine der umfassendsten neuern Be arb ei tung ender Heiligen bildet, und in den kritischen Erörterungen viel Neues, besonders über die englischen und irischen Heiligen zu Tage gefördert hat, abgesehen davon, daß es der früher üblichen Legenden-Fabrikation den Todesstoß versetzt zu haben scheint, und diesem Zweige der Literatur eine bessere Richtung gab.51 Da es in der neuern Zeit außer den Bollandisten, welche weniger in den Privatbesitz kamen, das einzige größere Werk über die Heiligen ist, so erschienen nicht nur in England mehrere Auflagen desselben, sondern es wurde auch in fast alle europäische Sprachen übersetzt. Eine der wichtigsten Uebersetzungen ist die französische von dem Abbé Joh. Franz Godescard, geboren am 30. März 1728 zu Rocquemont, einer Pfarrei des Bisthums Rouen, gestorben in Paris im Jahre 1800. Der erste Band dieser Uebersetzung erschien zu Villefranche im Jahre 1763, und sie wurde so vortrefflich gefunden, daß ihr Verfasser in der Folge unter die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften und schönen Künste aufgenommen ward. In den Jahren 1786–1788 erschien zu Paris eine neue durch Godescard umgearbeitete Ausgabe, und seitdem wurde dieses Werk in Frankreich mehrmals neu aufgelegt. Die Siècles littéraires (Tom. II. pag. 415) fällen über dieselbe folgendes Urtheil: »Man darf diese Uebersetzung nicht unter jene trockenen und buchstäblichen zählen, wo man der Pünktlichkeit Alles aufopfern und sogar die Fehler der Ursprache verehren zu müssen glaubt. Ohne sich ängstlich an's Original anzuschmiegen, hat sich der Verfasser erlaubt, umzuarbeiten, Zusätze zu machen, abzuschneiden, so oft es ihm zur Vervollkommnung seines Werkes nothwendig schien, und man kann sagen, daß er es mit eben soviel Einsicht als glücklichem Erfolge [37] gethan hat.« Demnach ist das Butler'sche Werk unter Godescards Händen fast ein anderes geworden, hat aber durch die beigefügten vielen trefflichen kritischen Bemerkungen nur gewonnen. Diese französische Uebersetzung ist es denn, welche die HH. Dr. Räß und Dr. Weis, von denen jener hochwürdigste Herr gegenwärtig den bischöfl. Stuhl von Straßburg und dieser den von Speier ziert, ihrer deutschen (sehr vermehrten) Bearbeitung zu Grunde legten. Diese deutsche Uebersetzung umfaßt mit einem Anhang und dem Register 21 Bände; zwei weitere Bände enthalten die »Feste des Herrn.« Dieses vortreffliche Werk ist immer gemeint, wenn wir in unserm »Heiligen-Lexikon« der Kürze halber blos den Butler citiren.
56. Wenigstens theilweisenach Godescard bearbeitet ist das Dictionnaire hagiographique, welches von Abbé Pétin, einem Priester der Diöcese St-Dié, verfaßt und von dem Abbé Migne zu Paris im Jahre 1850 herausgegeben wurde. Dieses Werk, auf das wir durch den hochw. Bollandisten P. Joseph van Hecke aufmerksam gemacht worden sind und welches wir unter dem Namen Migne (Mg.) öfter citiren, enthält in zwei großen Octav-Bänden längere oder kürzere Lebensbeschreibungen von den Heiligen und Seligen, welche seit dem Entstehen des Christenthums bis auf unsere Tage verehrt werden, zugleich mit einem Anhange, welcher die heiligen Personen des alten und neuen Testaments enthält, denen man keine öffentliche Verehrung erweist, oder deren Festtag unbekannt ist. Laut der Vorrede enthält dieses »hagiographische Lexikon« (denn es ist auch alphabetisch bearbeitet) gegen 8000 Artikel, während das Godescard'sche Werk nur deren 3000 habe. Es ist zu bedauern, daß nicht einmal in der Vorrede die Quellen angegeben sind, aus welchen der Verfasser geschöpft hat. Es wird nur gesagt, daß es gute Quellen seien; manchmal aber scheinen sie doch nicht ganz zuverläßig zu seyn. Besonders sind die französischen Heiligen darin stark vertreten. Wir haben das Werk vorzüglich bei jenen Heiligen benützt, deren Feste auf die von den Bollandisten noch nicht bearbeiteten Tage fallen. Auch haben wir daraus die französische Benennung der Heiligen genommen, nämlich dann, wenn dieselbe von der lateinischen und deutschen sehr verschieden ist.
57. Wie wir bereits oben gehört haben, war die Verehrung der hhl. Martyrer schon in der ersten Zeit der Kirche auf's engste mit dem Cultus verbunden. Es ist hier nicht der Ort, den innigen wesentlichen Zusammenhang beider ausführlicher zu erörtern, wir weisen deßfalls auf jene Schriften, welche das innere Leben des kathol. Cultus behandeln; hier sei nur bemerkt, daß die Kirche mit allem Eifer den Todestag der Martyrer beging und die Namen der hhl. Blutzeugen nach ihren Sterbetagen in eigene Bücher eintrug, die bei den Lateinern Kalendarii oder Fasti hießen, bei den Griechen aber Diptycha.52 Jede Kirche ließ es sich angelegen seyn, die Sterbetage ihrer hhl. Bischöfe und Martyrer anzumerken, und waren hiezu von dem Bischofe meistens eigene Kleriker der Diöcese beauftragt. Wir sehen dieß aus einer Stelle des 37. Briefes des hl. Cyprian an seine Geistlichen, worin er ihnen befiehlt, die Tage genau aufzuzeichnen, wann die Bekenner im Kerker gestorben seien, oder auf dem öffentlichen Platze gelitten hätten, damit die Kirchen jährlich diese Tage durch Opfer und heil. Gebete feiern könnten. Aus diesen Kalendern oder Fasti entstanden bei den Lateinern die Martyrologien, und bei den Griechen aus den Diptychendie Menologien.
58. Die Martyrologien enthalten nicht, wie die Kalender, die einfachen Namen des Martyrers, sondern auch den Ort, wo er gelitten und nicht selten die Art des Martyrthums selbst mit einigen nähern Umständen; auch enthalten sie nicht nur die Martyrer einer einzelnen Kirche, sondern dehnen sich auf mehrere, oder auch auf die ganze Kirche Gottes aus; auch bezeichnen sie nicht allein jenen Martyrer, dessen Fest gerade gefeiert wird, sondern überhaupt Alle, welche an diesem Tage gelitten haben, soweit sie zur Kenntniß des Sammlers gekommen sind. Anfänglich[38] wurden, was schon der Name besagt, den Martyrtod erlitten haben; allein bald kamen dazu auch die hhl. Bekenner, die hhl. Bischöfe, endlich die Beichtiger, Mönche, Jungfrauen und überhaupt Alle, welche die Kirche als Heilige anerkannte. Als dann die Sitte aufkam, ausführlichere Lebensbeschreibungen der Heiligen bei öffentlichen Gottesdiensten vorzulesen, so unterschied man dabei zwischen Passionalia (Leben der hhl. Martyrer) und Legenda (Leben der Heiligen überhaupt). Die Griechen nannten solche zum Vorlesen beim Gottesdienste bestimmte Heiligen-Leben Synaxaria, entweder nach dem Gottesdienste (Synaxis) so genannt, oder weil sie nicht ganz, sondern nur im Auszuge, etwa wie die Lectionen der II. Nocturn unseres Breviers, vorgelesen wurden. – Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch von den verschiedenen Gattungen der Heiligen, wie wir sie eben genannt haben, Einiges anführen: Martyrer53 stammt vom Griech. Μάρτυρ und heißt eigentlich ein »Zeuge«, dann »Blutzeuge«. So wurden in den ersten christlichen Jahrhunderten nichtblos diejenigen genannt, welche für das Bekenntniß Jesu Christi ihr Blut vergossen und den Tod erlitten hatten (eigentliche Blutzeugen), sondern auch solche, welche um des Glaubens willen nur körperliche Mißhandlungen, Schmerzen und Martern erduldeten, oder im Gefängniß und in der Verbannung gestorben waren. »Bekenner« hießen dann diejenigen, welche den christlichen Glauben vor dem Richter muthvoll bekannten, ohne dafür Martern zu erdulden. Später nannte man nur die eigentlichen Blutzeugen »Martyrer«, die übrigen aber »Bekenner«, und als die Christen-Verfolgungen aufhörten, wurde der Name »Confessor« (»Bekenner«, in älterer Sprache auch »Beichtiger« genannt) auf jene Heiligen übertragen, welche ihr Bekenntniß des Glaubens und der Liebe zu Christus durch einen heiligen Lebenswandel bis zum Tode abgelegt haben, so daß jetzt in der kirchlichen Liturgie der Name »Confessor« sämmtliche männliche Heilige bezeichnet, die nicht den Martyrern (Blutzeugen) angehören. Diese Confessores sind nun entweder »Bischöfe« (Pontifices), oder nicht Bischöfe (non Pontifices), unter welchen alle übrigen männlichen Heiligen (Priester, Aebte, Mönche, Einsiedler etc.) verstanden werden. Die »Jungfrauen« (Virgines) sind entweder Martyres oder non Martyres; zu den weiblichen Heiligen gehören dann auch noch die hhl. Wittwen (Viduae) und die hhl. Büsserinnen (Poenitentes).
59. Das älteste Beispiel solcher Martyrologien haben wir aus Afrika, wo auf Betreiben des hl. Cyprian Verzeichnisse der Martyrer verfaßt wurden; doch gleichen sie anfänglich noch mehr den Kalendarien oder Diptychen, als unsern Martyrologien, indem häufig der Ort und die Art der Marter fehlen, was daher kam, daß man wegen der zu großen Zahl der Martyrer bei den stürmischen Zeiten Anfangs nur die Namen aufschrieb, in der Hoffnung, bei einem günstigern Zeitpuncte das Uebrige zu ersetzen. Aus den Verzeichnissen der einzelnen Kirchen entstanden mit der Zeit die größern Martyrologien, die, sich nicht beschränkend auf einzelne Gegenden, die Namen der Martyrer aus allen Ländern und Provinzen, aus allen Zeiten etc. mit Beisetzung des Ortes, des Kaisers oder Landpflegers und der Art, wie sie gelitten, auffaßten. Einsolches Martyrologiumbestand in Rom schon zu Gregors des Großen Zeiten, wie dieß aus dem schon erwähnten Briefe an den Patriarchen Eulogius von Alexandria hervorgeht, worin er ganz deutlich sagt, daß sie daselbst ein Verzeichniß aller hhl. Martyrer haben, in dem nicht nur die Namen der Martyrer, sondern auch der Ort und die Zeit ihres Martyriums angegeben werden und die auf die einzelnen Tage vertheilt sind.54 Hienach [39] war zu seiner Zeit bei der römischen Kirche ein kurzes Verzeichniß der Martyrer aus verschiedenen Ländern und Provinzen, wie auch Dabei wird noch weiter klar, daß dieses Martyrologium kein Privatverzeichniß bloßer römischer Martyrer gewesen sei, sondern ein allgemeines, enthaltend die Martyrer aus verschiedenen Ländern und Provinzen; es war also ein wahres Martyrologium, aber ein kurzes, ohne Angabe der Art, wie Jeder gelitten hat. Es ist dieses das uralte römische.
60. Ist es nun aber außer Zweifel gestellt, daß die römische Kirche zur Zeit des hl. Gregor des Großen (590–604) ein Martyrologium in unserm Sinne, wenn auch nicht dem Namen nach, gehabt habe, so entsteht die Frage, wer wohl dessen Verfasser sei? Einige Gelehrte schreiben die erste Anfertigung desselben dem Bischofe Eusebius von Cäsarea zu; allein mit Unrecht, da Eusebius wohl, wie wir gehört, eine Sammlung von Martyrer-Acten herausgegeben, keineswegs aber ein Martyrologium. Weder Eusebius selbst, noch Hieronymus, wo er auf die Schriften des ersten zu sprechen kommt, erwähnt eines solchen Martyrologiums. Gregor der Große kannte ebenfalls kein Martyrologium des Eusebius, sonst würde er gewiß von ihm in dem Briefe an Eulogius Erwähnung gethan haben. Walafrid Strabo und Beda sind der Ansicht, Hieronymus sei der Verfasser dieses römischen Martyrologiums; denn er habe aus der Sammlung der Martyrer-Acten des Eusebius einen kurzen Auszug, ein kleines Verzeichniß verfertigt, und dieß sei fragliches Martyrologium, das hinsichtlich des Stoffes dem Eusebius, der Form oder Abfassung nach aber dem Hieronymus angehöre. Aber weder Hieronymus selbst in dem Verzeichnisse seiner Schriften, noch Gennadius de Scriptoribus ecclesiat. melden etwas davon. Der Erste, der dem Hieronymus ein Martyrologium zuschreibt, ist der Senator Cassiodorus, der im Anfange des 6. Jahrhunderts lebte. Wenn seinem Zeugnisse Glauben zu schenken ist (und es ist kein Grund vorhanden, ihm diesen zu versagen, da er in der damaligen Literatur sehr bewandert war, und sicher keinem Schriftsteller ein Werk zueignete, das ihm nicht gehörte), so ist gewiß, daß damals ein Martyrologium unter dem Namen des hl. Hieronymus im Umlauf, und Hieronymus höchst wahrscheinlich der Verfasser desselben war, weßhalb viele Kritiker das Martyrologium des hl. Hieronymus als das älteste ansehen. Nun aber entsteht die Frage, ob dieses Martyrologium des hl. Hieronymus dasselbe sei, welches, wie wir gehört haben, die römische Kirche im Gebrauche hatte, oder ein neues. Einige sind für die Identität; wir sind es im Ganzen auch, müssen aber dem Cardinal Baronius beistimmen, welcher sagt, das Martyrologium, welches das »römische« heißt und dessen auch im besagten Briefe des hl. Gregor Erwähnung geschieht, sei das uralte, von den Zeiten des Papstes Clemens I. herstammende, das im Laufe der Zeit die nöthigen Zusätze erhalten, die wahrscheinlich größtentheils vom hl. Hieronymus unter Benützung des Werkes des Eusebius herrühren. Heribert Rosweid gab unter dem Namen »Vetus Martyrologium Romanum« ein Martyrologium heraus, und war der Ansicht, es sei das uralte römische Martyrologium, welches dem hl. Hieronymus bei Ausarbeitung des seinigen zur Grundlage gedient; allein der gründliche Bollandist Sollerius hat schlagend nachgewiesen, daß die Zeit seines Ursprungs in das 8. Jahrh. falle. Uebrigens stimmt Sollerius der Ansicht des französischen Hagiologen Chastelain55 bei, der da glaubt, das von Rosweid bekannt gemachte Martyrologium habe das alte des hl. Hieronymus verdrängt und zuerst in Rom und dann auch in den übrigen Kirchen dessen Stelle eingenommen.
61. Im 7. und 9. Jahrhundert vermehrten sich die Martyrologien. Beda in England, Florusin Frankreich, Rhabanus, Notker und Wandelbert in Deutschland verfertigten Martyrologien für ihren Privatgebrauch oder für ihre Klöster; Ado aber und Usuard scheinen bei Abfassung solcher Werke mehr das allgemeine Interesse [40] im Auge gehabt zu haben. – Das Martyrologium des hl. Beda (vgl. den Artikel S. Beda1) zeichnet sich besonders dadurch aus, daß es die Namen der Richter und Landpfleger, unter denen, und die Art und Weise, wie die Martyrer gelitten haben, genau angibt, wobei jedoch mehrere Tage leer gelassen wurden. – Ein anderes Martyrologium rührt von Florus her. Dieser wurde geboren gegen das Ende des 8. Jahrhunderts, ob aber in oder bei Lyon, oder nach Andern in Spanien, darüber läßt sich nichts Näheres angeben; zuverläßige Nachrichten über ihn erhalten wir erst von da an, wo er zu Lyon Diakon geworden und mit der Leitung der Domschule daselbst betraut wurde. In dieser Stellung zeichnete er sich eben so sehr durch seinen edlen Charakter, durch Frömmigkeit und Tugend, wie durch seine gelehrten und ausgebreiteten Kenntnisse, die er in vielen Schriften an den Tag legte, aus, weßhalb er sich der Freundschaft der bedeutendsten Männer seiner Zeit erfreute. Er starb um das Jahr 860. Nach dem Zeugnisse des Bischofs Ado hat Florus das Martyrologium des Beda nur neu bearbeitet und vermehrt, wodurch es schwer wird, das, was von Beda ist, von den Beisätzen des Florus zu unterscheiden. Die Bollandisten Papebroch und Henschen fanden einige Exemplare unter dem Namen des Beda mit der Ergänzung des Florus, die sie nach den schärfsten Regeln der Kritik prüften. Dieses gelehrte Werk ließen sie dem zweiten Band des März unter dem Titel »Martyrologium Ven. Bedae Presb. ex octo antiquis Mss. acceptum, cum Auctario Flori, ex trium codicum collatione discreto« vordrucken, und man freute sich, hier die reine Arbeit des Beda wieder zu finden, und die Zusätze des Florus kennen zu lernen; allein nach mehr als 40 Jahren entdeckte der Bollandist P. Sollier eine neue Klippe, woran die ganze Kritik Papebroch's und Henschen's scheiterte. In der Mitte des 9. Jahrhunderts unternahm der hl. Ado, nachmals Erzbischof von Vienne, ein Schüler des Alcuin, ein neues Martyrologium und benützte als Quellen die Martyrologien des Hieronymus und Beda, sowie ein anderes, das zu Aquileja aufgefunden und wahrscheinlich das kurze oder alte römische Martyrologium war. Nach dem Plane, den er sich gemacht hatte, gab Ado bei vielen Heiligen, die berühmt waren, eine ganze Lebensbeschreibung; bei andern aber die weniger bekannt waren, blos die Namen, wodurch eine Ungleichheit im Werke selbst, die bald eine Verbesserung nöthig machte, entstand. Die neueste und beste Edition der Arbeit des hl. Ado verdanken wir dem Jesuiten Heribert Rosweid, der die gedruckten Ausgaben mit mehreren alten Handschriften verglich und nach denselben ausbesserte.
62. Berühmter als Ado's Werk ist das Martyrologium von Usuard, welches achtzehn Jahre später erschien und eine bessere Ordnung und Methode beobachtete. Usuardus war ein Mönch und Priester in der Abtei St-Germain-des-Prés und reiste im Jahre 858, von seinem Abte Hilduin beauftragt, nach Spanien, um in den Ruinen von Valencia die Reliquien des hl. Martyrers Vincentius zu suchen. Aber die Mauren hatten alle Zugänge besetzt, und so mußte er nach Cordova zurück, wo er die Leiber der hhl. Martyrer Georgius, Aurelius und Natalia erhielt. Mit diesen Reliquien nach Paris heimgekehrt, erhielt er von Karl dem Kahlen, dem die Kenntnisse Usuard's in der Kirchengeschichte bekannt waren, den Auftrag, ein Martyrologium zu schreiben, was in jener Zeit großes Bedürfniß war, indem die vorhandenen Martyrologien nicht allen Bedürfnissen genügten. Sein Martyrologium ist dem Könige dedicirt. Er starb im J. 876 oder 877. Die Quellen, die er benützte, waren nebst dem Martyrologium des Hieronymus das des ehrw. Beda und des Florus, welches aber, nach Sollier's Bemerkung zu Usuard's Martyrologium, nichts anderes war, als das Martyrologium des Ado. Usuard stellte hier die Leben der Heiligen zusammen, Alles, wie er selbst sagt, nach genauer Untersuchung, und sein Bestreben ging dahin, die Fehler seiner Vorgänger zu verbessern, die Trockenheit der Einen und das Ueberladene der Andern zu vermeiden. Seine Arbeit gefiel so sehr, daß es bald in den meisten Kirchen und Klöstern Frankreichs, Italiens, Englands und Spaniens angenommen wurde; nur setzte jede Kirche ihre eigenen Heiligen hinzu, so daß Usuard's Werk in jedem Kloster und in jeder Kathedrale eigenthümliche Zusätze erhielt. Zum erstenmale wurde dieses Werk, das vielleicht die Grundlage des römischen Martyrologiums in seiner jetzigen Gestalt bildet, im Jahre 1475 zu Lübeck gedruckt, [41] und es ist dieß die von den Bollandisten unter dem Titel »Maxima Lubecana« citirte Edition. Die erste kritische und beste Ausgabe des Usuard'schen Martyrologiums, bearbeitet nach den schärfsten Regeln der Kritik und verglichen mit allen frühern und spätern Martyrologien, sowie mit den besten Handschriften, verdanken wir dem öfter genannten Bollandisten Sollier, der dieses Martyrologium mit seinen kritischen Notizen im Jahre 1714 zu Antwerpen herausgab und es später in seinem großen Werke dem fünften und sechsten Bande des Juni anreihte.56 Vor Ado und Usuard hatten schon der berühmte Erzbischof Rhabanus-Maurus von Mainz (geboren gegen 776 und gestorben 856) und der Mönch Wandelbert von Prüm (813–870) an einer Vervollständigung der Martyrologien des hl. Hieronymus und des ehrw. Beda gearbeitet; ihre Arbeiten hielten sich aber innerhalb der Mauern ihres Klosters und scheinen den spätern Martyrologisten nicht bekannt gewesen zu seyn. Wandelbert's Martyrologium ist in Versen abgefaßt und hat die Arbeit des Beda und Florus zur Grundlage. In der Vorrede gibt der Verfasser die Zahl der Verse an, aus welchen das Martyrologium besteht, und sagt, daß es 940 Verse enthalte. Heinrich Canisius gab nebst dem des Rhabanus auch das Martyrologium des Notker57 heraus, das eine Zusammensetzung aus Rhabanus und Ado ist, wovon aber die Monate November und December fehlen. – Endlich sei noch eines Schriftstellers gedacht, des Bischofs Ditmar von Merseburg in Sachsen. Er erwähnt in Lib. VII. Chronic. eines von ihm verfaßten Martyrologiums, das aber wahrscheinlich verloren gegangen ist. Wir schließen diesen Abschnitt mit den Worten des Bollandus: »Es existiren noch viele andere Martyrologien, die auf Zuthun frommer Bischöfe verfaßt worden sind, da kaum eine Kirche in der katholischen Welt seyn wird, die nicht ihr eigenes Martyrologium hat oder es doch von anderswoher bezog.« – Namentlich werden in unserm »Heiligen-Lexikon« öfters englische und irische Martyrologien angeführt, und unter den letztern das von Tamlact, von dem wir jedoch eine nähere Notiz nicht zu geben vermögen, da die Bollandisten dasselbe zwar öfter benützen, aber etwas Näheres über dasselbe nicht erwähnen.
63. Nicht minder verdienen hier die spätern Martyrologien angeführt zu werden. Nach der Bemerkung Bellarmins waren die letzten Jahrhunderte desto reicher an hhl. Bekennern, Ordensgeistlichen und Jungfrauen, je mehr die Kirche in denselben von der Häresie Einbuße erlitt. Wie diese Helden ihren Platz im Himmel hatten, so sollten sie auch hier auf Erden den ältern Helden des Glaubens im Buche des Lebens beigefügt werden. So wuchsen nicht allein die alten Martyrologien an, sondern man verfertigte für jedes Land, für jeden Orden eigene. Daher entstand der Unterschied zwischen dem allgemeinen Martyrologium (Martyrologium universale), womit man das neue unter Papst Gregor XIII. von Baronius58 revidirte römische Martyrologium versteht, und zwischen den besondern Martyrologien der verschiedenen Länder, Provinzen und Orden (Martyrologia particularia), von welchen letzteren wir hier noch Einiges anführen wollen.
64. Die vorzüglichsten der Particular-Martyrologien sind, nach besonderen Ländern geordnet, folgende:
[42] 1) Das Martyrologium Africanum von Stephan Anton Morcelli, der aus der afrikanischen Geschichte jenes Martyrologium verfertigte, worin auf jeden Tag des Monats hhl. Martyrer aus Afrika vorkommen;
2) das belgische Martyrologium unter dem Titel: Natales et Indiculus Sanctorum Belgii von Molanus,59 ein treffliches Werk;
3) ein Martyrologium deutscher Heiligen von Walasser vom Jahre 1562, und ein anderes von Canisius60 vom J. 1573, beide in Augsburg erschienen. Ein älteres haben wir von Friedrich Beck, gedruckt zu Augsburg im J. 1687, besonders merkwürdig wegen des beigefügten Commentars;
4) Martyrologium Gallicanum von Andreas Sauffay, mit vielem Scharfsinn bearbeitet und im Jahre 1638 in zwei Foliobänden erschienen;
5) Martyrologium Lusitanum zu Coimbra gedruckt;
6) Martyrologium Anglicanum von Johann Wilson, gedruckt im Jahre 1608. Uebrigens hatte (nach Concil. Lemovicens. Tom. VI. Conc. Harduini, collect. 865) England schon im 11. Jahrhundert ein besonderes Martyrologium;
7) ein Martyrologium von Sicilien unter dem Titel: »Idea operis de Vitis Sanctorum Siculorum« von Octav. Cajetani, im Jahre 1617. Größeren Werth hat der Commentarius in vetus marmoreum S. Neapolitanae Ecclesiae Calendarium von Alex. Symmachus Mazochius, 3 Bände, gedruckt zu Neapel.
8) Endlich sind hier noch einige kleinere Martyrologien zu nennen, nämlich a) Florarium Sanctorum sive Promptuarium, dessen Verfasser nach der Meinung des Bollandus Ant. Gentius oder Joh. Gilemanus, die wir schon früher genannt haben, seyn soll; b) Viola Sanctorum und Panis quotidianus, zu Hagenau im Elsaß in den Jahren 1508 und 1509 erschienen; c) Topographia Sanctorum von Franc. Maurolycius, Abt zu Messina, Venedig 1586.
65. Die Particular-Martyrologien der Orden kann man nach den Hauptzweigen der religiösen Orden eintheilen, und zwar: 1) das Martyrologium Benedictinum von Arnold Wion, in dem Buche »Lignum vitae« 1595 enthalten;61 2) das Martyrologium Praemonstratense, verfaßt von Joh. Chrys. van der Sterrre; 3) Martyrologium Canonicorum regularium von Const. Chinius im J. 1621; 4) Calendarium Ord. Cisterciensis vom Jahre 1617; 5) Martyrologium Praedicatorum im Jahre 1616; 6) Martyrologium Franciscanum von Artur du Mounstier, Recollect zu Rouen. 2. Aufl. Paris 1653.
66. Alle diese Martyrologien für die Orden hatten, weil sie nur von Privatpersonen herrührten, auch nur Privatansehen. Mit der Verbesserung des römischen Martyrologiums trat auch eine neue Epoche für die Ordens-Martyrologien ein. Papst Gregor XIII. hatte erlaubt, daß jene Heiligen, die an besondern Orten oder in Privat-Kirchen verehrt wurden, in ein von dem römischen Martyrologium abgesondertes Verzeichniß eingetragen werden konnten. Sonach dienten die Ordens-Martyrologien als Supplement des römischen, in welches jedoch nicht jeder im Rufe der Heiligkeit Verstorbene, sondern nur Jene, deren Verehrung vom Oberhaupte der Kirche oder von der heil. Congregation der Riten durch ein feierliches Decret genehmigt war, eingetragen und aufgezeichnet wurden. Dem römischen Martyrologium des Papstes Benedict XIV. (und auch dem auspice et patrono Gregorio XVI. zu Regensburg im J. 1846 erschienenen, welches wir in unserem »Heiligen-Lexikon« immer benützen) sind daher beigedruckt:
1) Martyrologium Ord. S. Basilii;62
2) Mart. pro Canonicis regularibus:
3) Mart. Ordinis S. Benedicti, dem sich das für die Camaldulenser, Vallumbrosaner, Cistercienser und Silvestriner anschließt;
[43] 4) Mart. Ordinis SS. Trinitatis;
5) Mart. Ord. Praedic. S. Dominici;
6) Mart. Trium Ordinum S. Francisci;
7) Mart. Ord. Fratr. Minor. Convent.;
8) Mart. Carmelitarum calceatorum et discalceatorum;
9) Mart. Ordinis S. Augustini;
10) Mart. Ord. Servorum Β. M. V.;
11) Mart. Capucinorum;
12) Mart. Ordinis S. Hieronymi.
67. Wie wir gehört haben, sind die Martyrologien aus den Diptychen hervorgegangen und nahmen auch, als diese außer Uebung kamen, ihre Stelle ein. Daher wird von ihnen schon frühzeitig in den Officien Gebrauch gemacht. In der größern Regel Chrodegangs schon wird die Vorlesung des Martyrologiums angedeutet, indem wir daselbst lesen: »Nach der Lectio (Lesung, in der Prim nämlich) sollen der Monatstag und die Namen der Heiligen gelesen werden, deren Feste auf den kommenden Tag fallen, und darauf soll der Versikel ›Pretiosa in conspectu Domini ...‹ folgen.« Ebenso wird in dem Concil zu Aachen vom J. 817 im 69. Cap. verordnet, »daß zum Capitel zuerst das Martyrologium gelesen und dann der Vers gesagt werde.« Diese Verordnung scheint allgemeine Aufnahme gefunden zu haben, denn der Verfasser des Werkes: Οrdο qualiter agendum sit monachis in monasterio constitutis, das man dem hl. Benedict von Aniani (sieh S. Benedictus3) zuschreibt, bezeugt, daß wenigstens in den Klöstern bei der Prim das Martyrologium allenthalben vorgelesen wurde. Aus den Klöstern ging dieser Gebrauch auf die andern Kirchen über und seit unfürdenklichen Zeiten wird bis auf den heutigen Tag im Officium divinum bei der Prim nach der Oration »Domine Deus omnipotens ...« das Martyrologium gelesen, jedoch nur wenn das Officium im Chor gebetet wird.
68. Wichtig ist noch die Frage, welches Ansehen die Martyrologien, und insbesondere das römische, in der Kirche haben. Anfänglich besaßen sie an sich kein besonderes Ansehen, da sie meist von Privaten gesammelt und verfertigt wurden. Die Kirche nahm sie eben auf, wie jedes andere geschichtliche Buch, ohne ihnen dadurch ein höheres, noch viel weniger ein unfehlbares Ansehen zuzugestehen. Dieß beweist schon der öftere Wechsel derselben, die unternommenen Abänderungen, Zusätze und Ergänzungen, ja selbst ihre die Martyrologien im Chore vorlesen, aber ohne eines aus den Vielen eigens dazu vorzuschreiben. Die Auswahl derselben überließ sie den Bischöfen und den Vorstehern der Klöster; denn nie bis auf Gregor XIII. hat die Kirche durch ein feierliches Decret ein Martyrologium genehmigt, und selbst nachher, als die Päpste Gregor XIII., Urban VIII. und Benedict XIV. eine strenge Verbesserung anbefohlen und das Verbesserte durch eine Bulle bestätigt haben, weigerten sich dieselben doch, diesen verbesserten Martyrologien ein unfehlbares Ansehen zuzueignen. Papst Benedict XIV. spricht sich in seinem berühmten Werke de Canonizatione (Lib. IV. p. II. c. 17. § 9) gleichfalls darüber aus und sagt geradezu, der apostolische Stuhl sei weit entfernt, Alles, was in dem Martyrologium Romanum enthalten sei, für sichere und unumstößliche Wahrheit auszugeben.63 Wenn indessen von einer Unfehlbarkeit des Martyrologium Romanum keine Rede seyn kann, so gebietet es schon die Pietät gegen die römische Kirche, dieser Mutter aller Kirchen, die so viel Fleiß auf die Verbesserung des Martyrologiums verwendet hat, nicht vorschnell[44] über die historischen Daten und Angaben desselben abzusprechen, und rein von dieser Pietät geleitet, haben wir bei Abfassung unsers Lexikons dann, wenn die Bollandisten ziemlich scharf über manche solcher Daten jenes einmal kirchlichen Buches sich ausließen, uns einfach damit begnügt, blos die Verschiedenheit der Meinungen anzugeben.64
69. Uebrigens richtet sich der geschichtliche Werth eines Martyrologiums nach dem Ansehen des Verfassers und den Quellen, woraus er sein Material geschöpft hat. Unstreitig behauptet das Martyrologium des hl. Hieronymus die erste Stelle, weil es nichts anderes ist als, wie wir gehört, das vermehrte uralte römische Martyrologium. Nach diesem käme das sogenannte kurze oder alte Martyrologium Romanum, von Rosweid hera sgegeben, das zugleich als Quelle der Uebrigen betrachtet werden könnte, wenn die Behauptung des Bollandisten Sollier, als stamme es erst aus dem 8. Jahrhundert, auf Unrichtigkeiten beruhte. In kir chlicher Hinsicht aber gehört die erste und vorzüglichste Stelle dem der römischen Kirche angehörigen und in derselben noch jetzt geltenden allgemeinen Martyrologium, das, wie wir unter Nr. 59 und 60 gezeigt, kein anderes ist, als das uralte, aus den Zeiten des Papstes Clemens I. herstammende, vom hl. Hieronymus mit Zusätzen aus Eusebius vermehrte, in der Folge abermals erweiterte Martyrologium, auf welches seiner Zeit höchst wahrscheinlich auch das Martyrologium des Usuard (Nr. 62) einen bedeutenden Einfluß übte. Gregor XIII. (1572 bis 1590) war unsers Wissens der erste Papst, der das römische Martyrologium einer genauern Prüfung unterwarf und es allgemein in der Kirche zum Gebrauche vorschrieb. Später unterzogen die Päpste Urban VIII. (1623–1644) und Clemens X. (1669 bis 1676) das römische Martyrologium einer abermaligen Durchsicht und Prüfung, worauf dann dasselbe von dem gelehrten Papste Benedict XIV. (1740–1758) vermehrt und verbessert herausgegeben wurde. Daher führt das jetzigerömische Martyrologium folgenden Titel: Martyrologii Romani, Gregorii XIII. jussu editi, Urbani VIII et Clementis Χ. auctoritate recogniti Nova editio, a SS. Domino nostro Benedicto. XIV. Pont. Max. aucta et castigata etc. – Benedict XIV. schickt dieser Ausgabe ein längeres Schreiben an König Johann V. von Portugal voraus, in welchem er sich nicht blos über das Mangelhafte der frühern Editionen ausspricht, sondern auch die Verbesserungen, die er vorgenommen, angibt. Auf dieses Schreiben folgt eine Abhandlung über das römische Martyrologium von Cäsar Baronius, welcher unter Papst Gregor XIII. die Revision desselben zu besorgen hatte.
70. Es wäre hier auch noch der Ort, von den griechischen Menologien und Menäen das Geeignete zu erwähnen;65 allein über sie weiß man sehr wenig zu berichten, und zudem sind sie, besonders die neuern, sehr behutsam aufzunehmen, da sie zweifelsohne schismatische Heilige enthalten. Leider konnten wir kein Μηναῖον erhalten, welches die unirten Griechen zu ihrem kirchlichen Gebrauche haben. – Deßgleichen wäre noch etwas über die sogenannten Legenden zu sagen; allein da sie hier zunächst von untergeordnetem Werthe sind, so soll über dieselben im Allgemeinen nur kurz Folgendes [45] bemerkt werden: Unter Legenda (d.i. Vorzulesendes) verstand man ursprünglich, wie schon oben bemerkt, eine Zusammenstellung von kurzen Lebensbeschreibungen einzelner Heiligen (besonders der Nicht-Martyrer), wie sie öffentlich bei gottesdienstlichen Versammlungen im Laufe des Jahres vorgelesen wurden. Später wurden auch größere Lebensbeschreibungen von Heiligen »Legenden« genannt, wenn sie gleich nicht zum kirchlichen Gebrauche bestimmt waren. Sie beruhten, wie jede andere Biographie, auf streng historischer Glaubwürdigkeit und hatten besonders die christliche Erbauung etc. zum Zwecke. Nach und nach wurden aber solche Lebensbeschreibungen immer mehr ausgeschmückt, namentlich wenn sich die Poesie derselben bemächtigte, und so kam es denn, daß im Laufe der Zeit die »Legende« ziemlich gleichbedeutend mit »Sage«, ja selbst mit »Mährchen« wurde, und sich von diesen nur dadurch unterschied, daß diese mehr mit profanen, die »Legende« aber mehr mit heiligen Gegenständen sich beschäftigte und z.B. einzelne charakteristische Züge aus dem Leben eines Heiligen besonders hervorhob, wobei denn auch öfter mancher Schwank mit unterlief. Heutzutage tritt die ernstere Bedeutung des Wortes immer mehr in den Vordergrund, die sie bei den Katholiken wohl niemals verloren hat, und so versteht man denn unter »Legende« ein Buch, in welchem eine oder mehrere Lebensbeschreibungen von Heiligen in freier Bearbeitung enthalten sind, entweder nach Monatstagen oder nach anderen Systemen geordnet. Manchmal sind Nutzanwendungen oder Lehrstücke am Ende beigefügt, worin eine oder die andere Tugend, durch die sich der Heilige besonders auszeichnete, zur Nachahmung aufgestellt und empfohlen wird. Die bekanntesten und bedeutendsten Legenden sind aus älterer Zeit die von Petrus Ribadeneira, Dionysius von Lützenburg, Martin von Kochem etc., aus neuer und neuester Zeit die von Sch mitt, Weinzierl, Pfister, Matthäus Vogel, Simon Buchfelner, Anton Mätzler, Michael Sinizel, Alban Stolz, Georg Ott etc. etc. Sie haben für die christliche Erbauung sehr viel Gutes und sind aus diesem Grunde wohl zu empfehlen. Von diesen Legenden unterscheidet sich unser »Heiligen-Lexikon« besonders dadurch, daß dieses nicht einzelne, sondern alle Heilige, Selige etc. behandelt, und zwar nicht blos zum Zwecke der geistlichen Erbauung – obwohl auch diese nicht ausgeschlossen ist, wie ja das Leben eines Heiligen schon an und für sich erbaut und zur Nachahmung aufmuntert –, sondern auch noch in mehreren anderen Beziehungen, wie wir sie auf dem Titel und im Prospecte angegeben haben.
1 Aus dem Prolog zum Leben des hl. Aquilinus (19. Oct.).
2 Bei der Darstellung dieses Gegenstandes sind wir vorzüglich der gediegenen Abhandlung Binterim's gefolgt (Bd. V. Abth. 1), die Alles enthält, was bei Ruinart, Bollandus und Anderen zerstreut sich vorfindet.
3 »Spiritu Sancto duce martyria probabat«, heißt es bei Saussay in der Einleitung zum französischen Martyrologium. – Wir führen diese Stelle an, um erkennen zu lassen, wie die heutige Art und Weise der Heiligsprechung dem Wesen nach schon im höchsten Alterthume vorhanden war. Wahrscheinlich hatte diese Approbation der Martergeschichte durch den Papst die Folge, daß der betreffende hl. Martyrer öffentlich verehrt werden durfte.
4 Ueber die gegenwärtige Art und Weise der kirchlichen Heiligsprechung werden wir in einem folgenden Bande das Wesentlichste angeben.
5 »Probabile satis est ad gloriam Vincentii Martyris, quod descriptis passionis ejus geslis titulum invidit inimicus. Unde reddimus fide plena rel ationem gestorum, quae litterarum apicibus annotari judex non immerito noluit, quia victum se erubescebat audiri. Naturalis siquidem providentia est male errantium, auferre de medio testimonium probitatis.« Bolland. Acta Sanctorum. Tom. II. Januarii, de S. Vincentio Mart.
6 Dissertat. de Actis Martyrum Tom. I. Animadvers. in regul. et usum critices.
7 Dergleichen Translationen kommen besonders unter den fränkischen Königen in großer Zahl vor, und man hat Ursache zu zweifeln, ob vor der fränkischen Epoche ein Translationsfest in der lateinischen Kirche war. Von dieser Zeit fing man auch an, für diese Tage der Uebertragung besondere Feste unter der Benennung Elevatio oder Translatio anzuordnen, weil Gott bei den feierlichen Erhebungen der Gebeine die Heiligen öfters durch viele Wunder verherrlicht hat.
8 Horum (sc. Actorum) lectione piorum animus ita afficitur, ut nunquam satur inde recedat. Quod quidem ita esse unusquisque pro captu suo et conscientiae modo sentire potest. Certe ego nih il unquam in historia ecclesiastica vidi, a eujus lectione commotior recedam, ut non amplius meus esse videar.
9 Gams sagt in Wetzer und Welte's Lexikon geradezu, er sei um das Jahr 270 in Palästina geboren worden.
10 Dieser tritt auch der günstigern Meinung bei und hält dafür, es sei noch nicht entschieden, ob er wirklich ein Arianer gewesen.
11 Eusebius erwähnt dieses Werkes öfters in seiner Kirchengeschichte. Lib. 4. cap. 14, gegen Ende, wo er vom hl. Pionius handelt, nennt er es: τοĩς τῶν ὐρχείων συναχϑεῖσιν ἡμῖν μαρτυρίοις ἐντεταγμένην d.i. Martyria veterum collecta; lib. 5. cap. 1. nennt er es: τὴν τῶν μαρτύρων συναγωγὴν, d.i. collectio Martyrum; ebenso lib. 5. cap. 4.; cap. 20 dieses Buches nennt er es ἀναγραφὴν, d.h. Aufschreibung (descriptio).
12 Einige glauben aus einem (unächten) Briefe des hl. Hieronymus schließen zu können, Eusebius habe die Acten aller Martyrer gesammelt, welche auf dem ganzen Erdkreis um Christi willen ihr Leben dahingegeben haben; allein dieß ist nicht glaubbar, denn man könnte dann mit Baronius kühn behaupten, daß nicht Ein Buch, nicht hundert, nicht tausend hingereicht hätten (Baron. in apparatu ad Martyrolog. cap. 6.). Höchst wahrscheinlich enthielt diese Sammlung nur die Acten der berühmtern Blutzeugen, und von diesen auch wieder nur so viele als er erhalten konnte.
13 Einige, wie Ruinart, meinen, dieses kostbare Wert sei irgendwo verborgen, und lasse sich mit der Zeit doch noch finden. Es hat daher nicht an Solchen gefehlt, welche Nachsuchungen hielten, aber leider nicht zum Ziele gelangten.
14 Nach ihm wurde später überhaupt Jeder, welcher das Leben der Heiligen ausführlicher bedandelle, Metaphrast genannt.
15 His ille (scil. Simeon) doctrinae fortunaeque praesidiis ornatus, cum cerneret et gloriosa Martyrum certamina et Monachorum praeclaras exercitationes ita imperite et inordinate traditas esse litteris, ut multi ne legere quidem eas vellent, quidam etiam risu exciperent, meliora autem afferre alios propter animi socordiam nolle, alios, quod opus esset immensi studii, et cui ne tota quidem viri vi ta sufficeret, non posse: juvenile aggreditur facinus, vel felicem potius actionem, quam nullus omnium gessit feliciter, per quam ille evasit clarior omnibus, qui sunt ubique, eruditis, et Deo consecravit ea, quae sunt omnium pulcherrima, Martyrum certamina et cursus. et Monachorum abstinentiam atque patientiam ornavit et decoravit.
16 Bollandus, Tom. I. Jan. Praef. p. XV. seq. – Baronius setzt den Tod des Metaphrasten früher, nämlich in das Jahr 859. und zwar darum, weil er unter jenem Psellus, der eine Lobrede auf den Metaphrasten hielt, den ältern Psellus versteht, welcher der Lehrer Leo's des Philosophen war und lange vor Simeon Metaphrastes lebte, wie Bollandus des Näheren nachgewiesen hat. Es ist aber hier Psellus junior zu verstehen, der zur Zeit des Michael Stratonikus VI. (1056–1057) starb.
17 Illud au tem observandum est, a Metaphraste scriptas fuisse historias de vi tis Sanctorum multis additis ex proprio ingenio, non ut res gestae fuerunt, sed ut geri potuerunt; addit Metaphrastes mu lta col loquia sive dialogos Martyrum cum persecutoribus, aliquas etiam conversiones adstantium Paganorum in tanto numero, ut incredibi les videantur; den ique mi racula plurima et maxima in eversione templorum et idolorum, et in occisione persecutorum. quorum nulla est mentio apud veteres historicos. (Boll. Tom. I. Jan. Praef.).
18 Weil in unsern Tagen noch Simeon Metaphrastes, von dem seine Zeitgenossen nicht Rühmliches genug sagen zu können vermeinten, im üblen Rufe steht, wollen wir die ganze Stelle hier anfügen, in welcher Bollandus denselben gegen das strenge Urtheil Bellarmin's in Schutz nimmt.»Vellem,« sagt Bollandus, »mitius de viro magno vir maximus pronuntiasset. Unde constat, eum non vetera secutum esse monumenta? Omisisse potius multa, quae non omnino probaret, existimo, quam aliquid addidisse ex proprio ingenio. Retulerit tamen in suos commentarios aliquid, quod cum probatis veterum Patrum scriptis minus congruere videatur, homo erat. falli poterat. Colloquia Martyrum cum persecutoribus unde constat habita non esse? Amplificarit ea sane ad legentium utilitatem ac voluptatem: quis jure id reprehendat? An est quisquam, qui id non permittat historico? Livio ceterisque licet, Ducum orationes suos ad proeli um adhortantium concinnare, sacro scri ptori non licebit, Mysteria nostrae religionis Gentilibus tradita ipsorumque confutatas superstitiones explicatius proponere? Nam magno numero conversos ad fidem nostram, visis quae Sancti patrarent miraculis, nunquam equidem sm admiratus: quî enim alioq ui tot ac tantae provinciae tantillo tempore subjici Christo potuissent?! Miracula omnia, etiam quae nunc fiunt, si suis commentariis insererent, qui modo ecclesiasticas historias tradunt, quanta singularum moles existeret! quantum offensionis haberet atque fastidii! Neque nulla neque omnia narrant, sed quaedam maxime illustria vel testium celebritate, vel consecuti fructus amplitudine. Idem veterum studium fuit: qui propterea frequenter tradunt multa et magna, ad Sanctorum vel testandam ac munerandam sanctitatem, vel dicta confirmanda, edita esse divina virtute miracula, neque ullum tamen commemorant. At si quis ex professo Sancti cujuspiam historiam scribat, nihil eum praeterire consulto fas est, qnod sit ab eo dictum aut factum praeclare, aut ejus causa susceptum a mortalibus, aut denique patratum a Deo (Tom. I. Jan. Praef.).«
19 Hucusque nos Patris Hieronymi dicta referentes per interpretem locutos lector advertat; reliquum opus, ut sermo noster est, vestra caritas libenter audiat. Quae enim singulis de Sanctis fideli auctore comperimus, in historiam misimus, ne laterent homines, quorum Deum non latuere virtutes.
20 Memento homo, quia Gibellinus es et cum tuis Gibellinis ad nihilum reverteris.
21 Ab homine oris ferrei, cordis plumbei, animi certe parum severi et prudentis. Uebrigens behaupten Einige, er sei der Erste gewesen, der die Bibel in's Italienische übersetzt habe (Sixt. Senen. in Biblioth. S. lib. IV.), was jedoch noch nicht so ganz ausgemacht ist.
22 So z.B. wird Aegidius abgeleitet von e d.i. aus, ge d.i. Erde, und dius d.i. göttlich; Timotheus von Timor und deus; Hippolytus von ὐπέρ = über und λίϑος = Stein; Sixtus von Sios = Deus und status; Vedastus = vere dans aestus etc. etc.
23 Ad vetustorum exemplarium, wie es auf dem Titel heißt, fidem castigavit, additisque aliquot Sanctorum historiis auctius reddidit.
24 Novissimus omnium fratrum Petrus Calo Venetus ej usdem Ordinis (Praedicatorum) Sanctorum mul torum, quorum Vi tas, Passiones et nomina undecumque sumere valuit, grandi volumine et diffuso opere dilatavit, quod ej us prolixitate nedum commendare memoriae, sed nec intente legere quis poterit, nisi longaevitate temporis et assiduitate lectionis.
25 Haec igitur attendens ego Petrus de Venetiis, Equi linus Episcopus, inter Sacerdotes minimus et Ecclesiae Praelatos indignus, Sanctorum exigui tatem Ecclesiae notam, ex praenominatis omnibus codicibus et voluminibus, nec non ex aliis pl uri bus diversarum Ecclesiarum antiquis li bris et passionariis, quoscumque invenire potui, non sine multis laboribus crebrisque vigiliis studiosius recollectam et per consequens ceterorum Bea torum nobis ignotam infinitam multidudinem, brevi opusculo cupiens, ut Deus annuerit, honorare; quaten us eorum meritis post agonem coronam excipiam, et ne talentum mihi qualiscumque gratiae creditum terrae suffodiam; quin imo Domino, etsi non quincuplatum, vel saltem restituam duplicatum, ad utilitatem filiorum militantis Ecclesiae, Sanctorum omnium novi et veteris Testamenti nomina, gesta, vitas, passiones et recollecta ... ... ... praesenti catalogo curavi retexere et brevissima oratione narrare.
26 Multum sane Gentio et Joan. Gilemanno, schreibt Valerius Andreas in Bibliotheca Belgica, universa debet Ecclesia, ob Vitas Sanctorum plurimas ab interitu vindicatas.
27 Ruinart sagt von diesem Hagiologen, primus omnium ejusmodi Actorum edidit collectionem, acta verbotenus ex Mss. codicibus expressit.
28 Wir können nicht beurtheilen, ob dieser Wicelius identisch ist mit Georg Witzel, der zur Zeit Luthers lebte, zum Lutherthum übertrat, sich aber wieder bekehrte und viele Schriften hinterlassen hat.
29 In id sum mopere incubui, ne quid vanum, aut commentitium, aut parum graviter conscriptum in meos tomos admitterem. Quae etiam causa fuit, ut plerasque, imo permultas historias omiserim, non quod contemnendas putem, sed ne habeant ullam occasionem ad maledicendum nati haeretici nostri, vel calumniandi labores meos, vel Ecclesiae Dei insultandi. Equidem ut etiam erudito lectori gratificarer, Vitas aliquot rudi stylo conscriptas, aliquando latiniores reddidi, maxime quarum auctores nondum comperi: nonnumquam vero etiam illas nonn ihil elimavi, quae habent suos quidem auctores, sed sic scriptae erant, ut delicatas aures eorum, qui sermonis elegantia delectantur, facile offenderent.
30 Optaudum vero fuerat, schreibt der Jesuit Schütz in seinem kritischen Commentarius de scriptis et scriptoribus hist. etc. Ingolstadii 1761. Artic. Surius, ut hasce vitas, quales apud primaevos Scriptores repererat, tales etiam Surius non immutatas relinqueret neque ornatiorem recentioremque calamum suum in iis non raro substitueret.
31 Unter vorzüglicher Benützung des Proömiums im VII. Bande des October, dem ersten der Neo-Bollandisten, wo sie sich über Ratio universa operis Bollandiani auslassen.
32 Ueber das Verfahren, welches er dabei beobachten wollte, äußerte er sich in folgender Weise: Modus tractandi hic est: 1)conquirere undique Vitas ab aliis editas, ut Aloysio (Lipomano), Surio; 2) easdem Vitas cum Mss. et veteribus libris conferre ....; 3) Vitas nondum editas undequaque conquirere et aliis recognitis inserere; 4) Vitas omnes tam editas quam ineditas illustrare, obscura explicare, pugnantia conciliare, et alia praestare.
33 Nempe ut molem futuri operis necipse nec consiliarii sui ne minima quidem intelligebant ex parte, ita exigui fore laboris censebant, et subcaesivis horis facile absolvendum, sicut ea, quae antehac Rosweidus alia non magno opere et labore ediderat, fructu tamen plausuque non minimo. Fuit divinae providentiae opus, quod non modo Provincialis (Jacobo Stratio nomen erat, antiquae probitatis viro) haud satis sciret quid esset hoc, quod Bollando imponeret; sed nec ipse, qui onus suscipiebat, illius molem, quanta erat, animo comprehenderet. Fassus est enim postea non semel de se, cum videret excusum Januarium, quantoque molimine porro opus foret, ut vel proximus Februarius, nedum menses alii venirent ad prelum: id si praevidere cogitando potuisset, consternandum fuisse operis propemodum immensi magnitudine, quod orbis universus miratus ab homine uno duobusve, non dico sperari efficiendum, sed vel cogitari optandum potuisse. (Tom. I. Mart. in Vita Bollandi.)
34 Tam angustas mihi metas non pono. Nam cum maximorum etiam Sanctorum, et quidem plurimorum, mandata litteris acta non sint, aliorum interciderint, extet tamen utrorumque frequens apud scriptores memoria; cur non licebit hic gesta eorum ex iisdem accepta scriptoribus commemorare?
35 Ego vero, sind seine Worte, satius esse duxi, ad singulas id Vitas agere, neque sat tuto in aliud tempus differri. Fieri enim potest, ut in vitam incidat quispiam, quae illi videatur vel ab aliquo probatae fidei historico dissentire, vel receptae chronologiae non satis apte congruere, vel loca continere vulgo ignota, ideoque aut nunquam exstitisse Sanctum illum, aut ficta esse et commentitia illius acta; occurendum igitur istius modi opinionibus est.
36 Tertio loco Praefationes sunt, sive προλεγόμενα, aut praeviae de Vitis singulis dissertationes. In his locum, in quo praecipue Sancti singuli coluntur, quove orti, aut in quo aetatem egere, vel quem su is reliquiis consecravere, expono; tempus, quo vixere, ex certis characteribus, siquidem ii suppetunt, eruo; sanctitatem publice celebratam, ex Actis canonisationis, Martyrologiis, veterum scriptorum testimoni is, templis eorum honori dicatis, reliquiarum legitimis translationibus, atque aliis monumentis affirmo. Vita, a quo scripta, quo tempore, quibus probata, citata, a quo accepta, commemoro. Atque in hoc extremo capite ita sum religiosus, ut nullam omnino vitam edam, quin a qua Ecclesia aut coenobio accepta sit, indicem; expressis etiam privatorum nominibus, qui vel suos codices commodarunt, vel sua manu ex alienis acta vel unius Sancti descripserunt.
37 Es wäre allerdings am Platze gewesen, von jedem Einzelnen der Bollandisten einige Notizen aus ihrem Leben zu geben; da uns aber dieselben zu weit geführt hätten, da ferner das Leben der Einzelnen so ziemlich gleichförmig verlief und von dem Einen, wie von dem Andern nur hätte gesagt werden können, da und dort hat er studirt, solange war er Professor der Philosophie und Theologie u.s.w.; so glaubten wir von diesen Notizen Umgang nehmen zu dürfen. Wer übrigens von jedem Einzelnen Näheres erfahren will, den verweisen wir auf die Acta Sanctorum. wo von ihnen in den betreffenden Bänden eine kurze Biographie enthalten ist, und zwar 1) von Bollandus Tom. I. Mart.; 2) von Henschenius Tom. VII. Maji; 3) von Papebrochius Tom. VI. Junii; 4) von Janningus Tom. III. Julii; 5) von Baërtius Tom. II. Julii; 6) von Sollerius Tom. V. Aug.; 7) von Pinius Tom. III Sept.; 8) von Cuperus Tom. VI. Aug.; 9) von Boschius Tom. III. Aug.; 10) von Stiltingus Tom. I. Oct.; 11) von Suyskenus Tom. IV. Oct.; 12) von Perierns Tom. I. Oct.; 13) von Strickerus Tom. V. Sept.; 14) von Limpenus wurden keine Notizen gegeben; 15) von Veldius Tom. V. Sept.; 16) von Cleus Tom. VII Oct. – Noch sei bemerkt, daß nebst den ersten drei hier genannten besonders Sollier, Stiltiug, Cuper und Suysken die bedeutendsten Schriftsteller dieser Congregation sind, und daß weiter unten (Nr. 42) noch andere Mitarbeiter genannt werden.
38 Auch von Augsburg aus wurden den Bollandisten treffliche Documente über einzelne Heilige mitgetheilt, wie wir dieß aus dem Leben der hl. Afra und des hl. Udalrich ersehen. Doch gelang es ihnen nicht, einige schwierige Fragen zu lösen, weil sie sich zu sehr an die Vorarbeiten hielten und dieselben nicht genug der Kritik unterwarfen. So ist es z.B. in Bezug auf das Grab der hl. Afra. worüber wir übrigens die Schwierigkeit unter dem Artikel Afra (S. 62) bereits gelöst haben, und wenn wir zum hl. Ulrich kommen, werden wir über so Manches in seinem Leben in ähnlicher Weise, wie wir glauben, Aufschluß ertheilen können.
39 Die Bollandisten haben gleich Anfangs so durchreist, mit einziger Ausnahme von Spanien, wohin Cuperus und Pinius erst im Jahre 1721 kamen, und zwar darum, weil sie früher die spanische Inquisition fürchteten. Papebroch, ein kritisches Genie ohne Gleichen, war mit den Karmelitern wegen Heiligen aus diesem Orden in literarische Fehde gerathen, und es stand ihm nahe, auf den römischen Index zu kommen. Dieses Uebel ward wohl glücklich abgewendet, dagegen aber wurden die Acta Sanctorum von der spanischen Inquisition mißliebig angesehen und, wie wir einmal gelesen zu haben glauben, wohl gar eine Zeitlang verpönt.
40 Dieß ist denn auch geschehen, und zwar vom 20. Bande bis zum 52., welcher dem Erzherzoge Franz, nachmaligem Kaiser, gewidmet ist. Der 53. und letzte Band der ältern Bollandisten ist dem Papst Pius VI. gewidmet.
41 Wir haben bisher (sieh Nr. 30) nur 16 derselben kennen gelernt; dazu kamen aber noch 9, von denen wir später noch reden werden, nämlich 1) Cornel Byeus, geb. zu Eiverdinghe in Flandern am 1. Oct. 1727, in die Gesellschaft Jesu eingetreten i. J. 1745, gest am 11. Aug. 1801, 33 Jahre in der Congregation der Bollandisten und bei 6 Bänden thätig; 2) Jacob Bueus, geb. zu Hall (Hallis) am 11 März 1728, Jesuit 1743, gest. 29. Sept. 1808, 32 Jahre und bei 7 Bänden thätig; 3) Joseph Ghesquierus, geb. zu Cortrac am 27. Febr. 1731, Jesuit 1750, gest. 23. Jan. 1802, 10 Jahre und bei 4 Bänden thätig; 4) Ign. Hubenus, geb. zu Antwerpen am 12. Dec. 1737, Jesuit 1755, gest. 18. Juli 1782, 10 Jahre und bei 2 Bänden thätig; 5) Joh. Bapt. Fonsonus, geb. in Brüssel am 27. Febr. 1757, regulirter Chorherr (Canonicus regularis) von Caudenberg, gest. den 14. Sept. 1826,7 Jahre und bei 2 Bänden thätig; 6) Anselm Berthodus, geb. zu Rupi im Seine-Gebiet am 21. Febr. 1733, Benedictiner, gest. den 19. März 1788,4 Jahre und bei einem Bande thätig; 7) Siard Dyckius, geb. zu Tangerloo in Brabant den 10. Nov. 1759, Prämonstratenser, gest. den 1. Sept. 1830, 5 Jahre und bei 1 Bande thätig; 8) Cyprian Goorius, geb. zu Turnholt den 17. Dec. 1759, Prämonstratenser, gest. 25. Juli 1839, 5 Jahre und bei 1 Bande thätig – der einzige, welcher noch lebte, als die Neo-Bollandisten i. J. 1838 das große Werk der Fortsetzung von Neuem begannen und endlich 9) Matth. Stalsius, geb. zu Maeseyck am 12. Oct. 1761, Prämonstratenser, gest. den 2. Febr. 1826, welcher 4 Jahre der Redaction angehörte und bei 1 Bande thätig war. Die nähern Umstände ihres Lebens finden sich im VII. Bande des October, dem ersten der Neo-Bollandisten, von welchen weiter unten (Nr. 48) die Rede seyn wird. Die übrigen sieben, welche der Congregation der Bollandisten nur kurze Zeit als Gehülfen, Uebersetzer, Abschreiber etc. angehörten und hier der Vollständigkeit wegen den übrigen beigezählt werden, waren: 1) Daniel Cardon aus Antwerpen, 2) Heinr. Thilleul, 3) Nikol. Rayé aus Brüssel, 4) Franc. Verhoeven aus Brügge, 5) Petrus Dolmans aus Limmel bei Tungern (Traj ectum ad Mosam), von dem sich Notizen Tom. V. Sept. sinden, 6) Jakob Trentecamp von Adenard und 7) der Prämonstratenser Adalbert Heylen.
42 Nullum, quem non ipsi inspexissent legissentque testem, praesumebant adducere, et singulorum, quibus primario nitebantur, aetatem, veracitatem prudentiamque in scribendo sibi declarandam existimabant. Nihil eorum, quae ad Sancti alicujus pleniorem notitiam pertinebant, volebant inconcussum relinquere; nullum locum tam obscurum, tam ignobilem gentem, tam remotam praeterire regionem, quae Sanctos aliquos coleret aut coluisset aliquando, nullam denique vocem tam barbaram, quo suam non extenderent diligentiam, quantum quidem per editos ineditosque auctores, per litterarum commercia, per obsequia conciliatorum ubique amicorum humanus potest labor obtinere. Non illi tantum generalem quandam Ecclesiae et regionum historiam ordinabant, quamvis et in hac saepe iis multumque fuerit desudandum, sed particulares quorumcunque episcopatuum, civitatum, monasteriorum, religiosorum Ordinum origines, successiones, historiasque scrutabantur et pro viribus explanabant. (Tom. I. Mart. in Vita Bollandi, pag. XX.)
43 Mabillon sagt in seinem Werke de re diplomatica l. 1. c. 4. von Papebroch: Nullus ad hoc usque tempus tractatione peculiari rem (diplomaticam) aggressus fuerat ante Danielem Papebrochium S. J., editis Sanctorum Actis clarissimum virum,
44 Die Neo-Bollandisten bemerken hiebei: Fuerunt illo tempore non pauci, qui Kalendas Novembres, quibus annua Omnium Sanctorum solemnitas recurrit, assignatas ideo suspicati fuerint, ut ludibrio abolitio cumularetur.
45 Von den 53 Bänden erschien zu Venedig i. J. 1734 ff. in 52 Foliobänden ein Nachdruck, der aber nicht ganz correct ist, und nach einer neuerlichen Ankündigung scheint ein neuer Abdruck davon gegenwärtig auch in Frankreich oder Belgien veranstaltet zu werden. Die Originalausgabe kommt selten ganz vollständig vor; sie wird daher auch ganz theuer bezahlt. Von dem oben bezeichneten sechsten Bande des Octobers, der höchst selten ist, weil die ganze Auflage beim Einfalle der Franzosen in Tangerloo zu Grunde gegangen zu seyn scheint, wurde von den Neo-Bollundisten in neuester Zeit ein Abdruck besorgt.
46 Die Neobollandisten sagen: Quaecunque fuerint viris gravissimis rationes, neutram conditionem admittendam censuerunt.
47 Dieser Elenchus, welcher uns durch die besondere Güte des H. Bollandisten Joseph van Hecke mit einem sehr freundlichen Briefe dd. Brüssel den 24. Mai 1855 und den neuesten Bänden auf unsere deßfallsige Bitte zugesendet wurde und welchen wir bei Abfassung unseres Heiligen-Lexicons in Ermangelung anderer Quellen häufig benützen, enthält allein circa 4000 Namen von Heiligen etc. nebst Angabe des Ortes, wo sie gelebt haben, oder verehrt werden. Zugleich werden darin Alle, denen diese heilige Sache am Herzen liegt, eingeladen, ihnen das mittheilen zu wollen, was auf das Leben und die Verehrung dieser oder anderer Heiligen Bezug hat, namentlich spezielle Lebensbeschreibungen von Heiligen, besondere Martyrologien, Kalender etc., solche Mittheilungen aber zuvor anzuwas sie ohnehin schon haben etc.
48 Non inventum esse inter eos quemquam eruditum prudentemque virum, qui ipsum institutum modumque tractandi in intorum Belgii, Praef. pag. 10.)
49 Eos de Beatorum Sanctorumque gestis actibusque in lucem emittendis, vindicaudis, condignoque honore habendis meritissimos esse et apostolicae etiam praedicationis encomiis laudandos.
50 Er ist wohl zu unterscheiden von seinem Oheim Joseph Simon Assemani (geboren in Syrien im J. 1687, gestorben in Rom am 14. Jan. 1768), welcher erster Präfect (Custos) der Vaticanischen Bibliothek war. Es gab überhaupt noch zwei Gelehrte dieses Namens: Joseph, Professor der syrischen Sprache zu Rom, gestorben den 9. Febr. 1782, und Simon, geboren zu Tripolis in Syrien im J. 1749, gestorben als Professor der Orientalischen Sprachen zu Padua den 7. Apr. 1821.
51 Der Neffe des Alban Butler, der Rechtsgelehrte Karl Butler (geboren in London am 14. Aug. 1750), bereicherte das Werk seines Onkels durch Fortsetzungen im J. 1823. Er starb 82 Jahre alt, im J. 1832.
52 Δίπτυχος heißt eigentlich »doppelt gefaltet, doppelt zusammengelegt«; davon Diptycha = eine Schreibtafel aus zwei Blättern, auf deren inneren mit Wachs überzogenen Seiten die Namen der Kaiser etc., und dann in der Kirche die Namen der Martyrer, Bischöfe etc. geschrieben waren.
53 Einige schreiben »Märtyrer« oder »Märterer«; wir haben die Schreibart, »Martyrer«, die wir bei vielen guten Schriftstellern fanden, vorgezogen. Manchmal gebrauchten wir auch den Ausdruck »Martyr«, namentlich bei »Martyrtod« statt »Martyrertod« oder »Martertod«, dann bei »Martyrthum« statt »Marterthum«, für welch letzteres Wort wir auch hie und da »Martyrium« setzten, das bei christlichen Schriftstellern nebstdem auch noch den Ort bezeichnet, wo ein Heiliger gemartert wurde etc. (Vgl. Aschbach, Kir chen-Lexikon.)
54 Nos autem paene omnium Martyrum disti nctis per dies singulos passionibus collecta in uno codice nomina habemus, atque sarum solemnia agimus. Non tamen in eodem volumine qualiter quis sit passus indicatur, sed tantummodo nomen, locus et dies passionis ponitur. Unde fit, ut multi ex diversis terris atque provinciis per dies ut praedixi, singulos cognoscantur martyres coronati. Sed haec habere vos beatissimos credimus..
55 Claudius Chastelain, der in unserm Werke auch öfter erwähnt wird, war geboren um das J. 1639 in Paris, wo er später Canonicus wurde, und starb im Jahre 1712 in einem Alter von 73 Jahren. Er war sehr befreundet mit dem Bollandisten Papebroch, und hat sich namentlich um die Bearbeitung des Lebens der französischen Heiligen viele Verdienste erworben.
56 Der Titel dieses großartigen Werkes ist: Martyrologium Usuardi monachi, ad excusa exemptaria quatuordecim, ad codices Mss. integros decem et septem, ad alios ferme quinquaginta collatum, ab additamentis expurgatum, castigatum et quotidianis oservationibus illustratum. Ueberhaupt hat P. Sollier Licht in die Martyrologien, die er in der Vorrede abhandelt, gebracht und durch seine gründliche Arbeit seinen Nachfolgern in der Fortsetzung der Acta Sanctorum bedeutend vorgearbeitet, was diese im Laufe des Werkes gar oft mit Dank anerkannten. – Jakob Bonillart folgte ihm im Jahre 1718 mit seiner Ausgabe auf Grund eines Manuscripts zu St-Germain-des-Prés.
57 Balbulus Notker, ein Benedictiner-Mönch im Kloster St. Gallen, welcher sich namhafte Verdienste um die Verbesserung des Kirchengesangs und der Kirchenmusik erwarb und auch als Dichter sich auszeichnete, starb im J. 912. Er ist zu unterscheiden von Notker Labeo, welcher ebenfalls ein Mönch von St. Gallen war und im J. 1022 starb. Dieser übersetzte mehrere lateinische Autoren in die deutsche Sprache; auch einige biblische Werke übersetzte er paraphrastisch in's Deutsche und streute erläuternde Noten ein.
58 Cäsar Baronius, der berühmte Verfasser der kirchengeschichtlichen Annalen, wurde am 31. Oct. 1538 geboren zu Sora in Neapel, trat später in den Orden des hl. Philippus Neri, ward im Jahre 1596 Cardinal und starb endlich am 30. Juni 1607 in einem Alter von 69 Jahren.
59 Wie oben Nr. 25 S. [16] bemerkt ist, hat dieser berühmte Gelehrte auch an einer Acten-Sammlung sich betheiligt, wie vor ihm Alois Lipoman (zuerst Bischof von Modon, dann von Verona und zuletzt von Bergamo, wo er i. J. 1559 starb).
60 Dieser Heinrich Canisins ist wahrscheinlich der Neffe des berühmten Jesuiten Peter Canisius. Er war zu Nimwegen geboren, studirte an der Universität Löwen, wurde im J. 1590 als Professor des kanonischen Rechtes nach Ingolstadt berufen und zeichnete sich durch geschichtliche Sammlungen aus.
61 Eine sehr gute Ausgabe des Benedictiner Martyrologiums mit einiger Erweiterung der Notizen über das Leben der Ordensheiligen hat P. Petrus Lechner, Prior des Benedictinerstifts Scheyern in Oberbayern (Augsburg, bei Kremer 1855) besorgt, welches wir auch öfter benützt haben.
62 Voraus gehen die Namen der Heiligen, die besonders im Kirchenstaat verehrt werden.
63 Es ist interessant, des gelehrten Papstes eigene Worte hieher zu setzen. Er schreibt l. c.: Asserismus Apostolicam Sedem non judicare, inconcussae esse et certissimae veritatis, quaecumque in Martyrologium romanum inserta sunt; uti animadvertitur in citata Dissertat. Christiani Lupi nec non animadvers. super regul. et usum critic. editis a P. Honorato de S. Maria Tom. II. lib. 1. Dissert. 2. § 3 in fine. Quod et optime colligitur ex mutationibus et correctionibus a Sancta ipsa Sede demadatis. Nec vero urgent apostolicae literae Gregorii XIII. Martyrologio romano praefixae, in quibus dicitur, emendatum fuisse Martyrologium romanum, idque esse legendum in Choro, nec aliud ulla in re minutum, auctum aut mutatum esse edendum. Ex hoc etiam recte non infertur, omnes et singulos errores fuisse a Martyrologio sublatos, nec viris in ecclesiastica historia peritis prohibitum dici potest confugere ad S. Sedem, si novae correctionis fundamenta suppetant; quod ea ipsa colligitur sanctae Sedis disciplina, quae etiam post litteras apostolicas supra memoratas Gregorii XIII. novas Martyrologii correctiones demandavit et admisit. In ähnlicher Weise spricht sich Papebroch über die Autorität des Martyrologium Romanum in Tom. IV. Junii, pag. 177. 178 aus; dann auch der Bollandist Wilhelm Cuperus Tom. I. Aug. pag. 428.
64 Gewiß ist, daß alle im römischen Martyrologium enthaltenen Heilige und Selige etc. als solche verehrt werden dürfen; aber eben so gewiß ist auch, daß nicht alle Heilige etc., welche verehrt werden dürfen und wirklich verehrt werden, in demselben enthalten sind. Im neuesten Mart. Rom. finden sich – und zwar in dem allgemeinen die Namen von circa 4600, in den besonderen aber die von circa 1000 Heiligen etc., während in unserem Heiligen-Le xikon die Namen von circa 20,000 Heiligen vorkommen werden, wobei freilich auch die »Ehrwürdigen,« »Frommen« etc, deren Andenken von der Kirche nicht öffentlich gefeiert, sondern nur sonst irgendwo in der Kirche geehrt wird, ebenfalls eingeschlossen sind, ganz abgesehen von den vielen Heiligen, die oft in großer Anzahl gemartert wurden, deren Namen aber nicht bekannt sind.
65 Die Menologien der Griechen entsprechen unsern Martyrologien und heißen eigentlich Monatsregister (von μὴν = der Monat), weil die Heiligen darin nach Monaten und Tagen geordnet sind. Verschieden davon sind die griechischen (auch russischen) Menäen, die zwar das nämliche Etymon haben und auch Kirchenbücher sind, aus zwölf Folio- (Quart-) Bänden, den zwölf Monaten analog, bestehend, die aber mit den Legenden der Heiligen auch die Officia Sanctorum und Hymnen in sich befaßen. Das berühmteste griechische Menologium ist das auf Befehl des Kaisers Basilius Macedo im 9. Jahrhundert veranstaltete und im Jahre 1727 von Cardinal Hannibal Urbini herausgegebene, von welchem auch in unserm Heiligen-Lexikon einige Male Erwähnung geschieht.
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