Buddhaismus

[706] Buddhaismus, der, läuft aus einer geschichtlich nicht genau bestimmbaren Wurzel aus, hat seinen Stamm in Vorderindien, wo er sich noch auf der Insel Ceylon findet, und als Zweige die chinesische Foreligion, wie die Religion der Japanesen, Siamesen, Birmaneu, Tübetaner, Mongolen u. Kalmüken, so daß er gegen 300 Mill. Anhänger zählt. Man hat den B. häufig für ein verkommenes Christenthum gehalten; seine [706] oft auffallende Aehnlichkeit mit letzterem mag ihren Grund darin haben, daß sich in der Religion Brahmas Reste der Uroffenbarung erhielten und Indien von Christi Zeit an der Berührung mit dem Christenthum nicht fremd blieb. Der B. mit allen Zweigen stimmt hinsichtlich der Dogmatik so sehr mit dem Brahmaismus überein, daß er nur eine Reformation desselben genannt werden kann. Aber er anerkannte die göttliche Autorität der Vedas nicht, sondern verwarf die Kasteneintheilung sammt den Ausschweifungen des Schiwakultus und stellte sich dadurch auf den Standpunkt des Rationalismus. Die Folge davon war ein blutiger Religionskrieg der sonst duldsamen Indier, welcher um Christi Zeit die Buddhisten aus ganz Indien diesseits des Ganges vertilgte und vertrieb. Das Prinzip der Sittenlehre des B. ist Nächstenliebe, welcher die wilden Horden Hochasiens zähmte und im Lamaismus am schärfsten ausgesprochen wurde. Sie lehrt nicht 5, sondern 11 Verbote: nicht tödten, nicht stehlen, nicht eines Anderen Weib gewaltsam nehmen, kein falsches Zeugniß geben, nicht lügen, nicht schworen, keine schändlichen Worte gebrauchen, nicht habsüchtig, nicht rachsüchtig sein, keinem Aberglauben d.h. falschen Göttern huldigen und keine berauschenden Getränke trinken. Die Lamas, Bonzen, Rahanen, Talapoinen, Gunnis d.h. Priester leben ehelos in Klöstern, jeder 5. Knabe einer Familie muß für den heiligen Dienst erzogen werden u. damit nach der Stufe eines großen Büßers d.h. eines ganz in Gott Versenkten ringen. Der Oberpriester, Dalai Lama zu Laissa. ist fortwährende Verkörperung Buddhas, der nicht stirbt, sondern nur die Hülle wechselt u. grundsätzlich auch weltlicher Herrscher, weil alle Staatsämter mit Priestern besetzt sind. – Uebrigens ist der B. heute noch ausgearteter als die Religion der Braminen; er vergöttert die Natur, macht einzelne Menschen zu Göttern, indem Götter in die Leiber derselben eingewandert sein sollen u. überläßt die Volksmassen dem abgeschmacktesten und verderblichsten Fetischdienst.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 706-707.
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