Syphilis

[395] Syphilis, Lustseuche, venerische Seuche, ist eine durch Ansteckung mittelst des in der Regel unter der Form von Eiter od. Jauche sichtbaren, in den Kreislauf gebrachten Giftes entstehende Krankheit, die sich zunächst an dem Orte, der Infection, gewöhnlich den Zeugungstheilen, unter der Form von Pusteln u. Geschwüren bemerklich macht, in der Folge jedoch jedes anatomische System und jeden Ort des menschlichen Körpers und zwar unter der verschiedensten Form zu seinem Sitze auswählen kann. Die gewöhnliche Art der Ansteckung ist die bei dem Beischlaf vorkommende Mittheilung von Körper zu Körper. Zuerst ist diese Seuche am Ende des 15. Jahrh. in Europa bekannt geworden. Zweierlei Meinungen haben sich bezüglich des ersten Auftretens u. der Entstehung dieser Krankheit hauptsächlich geltend gemacht. Die Einen leiten das Uebel von Amerika her, von wo es die Genossen des Columbus nach Europa gebracht haben sollen. Die Andern, namentlich die meisten gleichzeitigen Schriftsteller geben an, daß diese Krankheit während der Invasion der Franzosen nach Neapel unter dem Herzog von Anjou i. J. 1493 entstanden sei, weßwegen die Franzosen dieses Uebel mal de Naples, die Italiener aber mal francese genannt hätten. Die Krankheit soll damals epidemisch aufgetreten u. die Ansteckung nicht auf die derzeit gewöhnliche Art entstanden sein. Auch soll die Seuche damals den Charakter u. die Form einer Hautkrankheit gehabt haben. Erst mit der Zeit habe die Seuche die jetzige Form u. Ansteckungsweise angenommen. Die Theorie dieser Krankheit wie auch die Behandlungsweise der S. hat ihre umfangreiche Geschichte. Die Gesammterscheinungen der S. werden eingetheilt in: 1) primäre S., unter der Form von Pusteln od. Geschwüren als Schanker auf Schleimhäuten od. der äußeren Haut u. zwar unmittelbar am Orte der Infection. Ist der Verlauf regelmäßig, so entsteht einige Tage nach der Infection am Orte der Ansteckung, gewöhnlich den Zeugungstheilen, eine kleine Pustel mit tief rothem indurirtem Hofe, diese platzt nach vielleicht 24 Stunden und ergießt die syphilitische Jauche. Bis dahin hält man das Uebel noch für rein örtlich u. Aetzmittel nebst strenger Diät innerlich für [395] genügend zur Heilung. Auf Schleimhäuten z.B. der Harnröhre u. Vagina (syphilitischer Tripper), erscheint keine Pustel, sondern sogleich das syphilitische Schleimhautgeschwür. Eine einfache Behandlung bei gehöriger Diät, mit oder ohne Quecksilber, genügt; 2) die secundäre S. tritt auf unter der Form von Geschwüren, Feigwarzen, Condylomen od. Bubonen (Zellgewebs- u. Drüsenabscesse) und zwar nicht nur am Orte der Ansteckung, sondern zugleich oder blos an ganz hievon entfernten Orten z. Bin der Mund-, Rachen-, Nasenhöhle. Gegen diese secundären Symptome hauptsächlich kommen die Ptissonen aus Quajac und Sarsaparill, die Hungercuren, die rein vegetabilische Diät (arab. Cur), das Quecksilber in seinen stärkeren Präparaten u. vor Allem das Jod in Anwendung. 3) Die tertiären Symptome (die eigentliche lues venerea) sind Hautausschläge (Syphiliden), Knochenleiden aller Art, krebsähnliche Degenerationen, Neurosen. Sie alle erfordern die eindringlichsten Curen. Das Quecksilber taugt für diese Symptome meistens nicht mehr, desto besser aber die Holztränke, das Zittmannische Decoct, der Pollinische Trank, der Syrup von Laffecteur, sodann aber wiederum eine ausgedehnte Anwendung des Jod u. endlich sind die Kaltwassercuren hieher zu zählen, ebenso der Gebrauch von Salzbädern. Schwefelthermen u. Stahlquellen. Als Palliative sind die Narcotica unentbehrlich.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 395-396.
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