Duldsamkeit

[157] Duldsamkeit (Toleranz) ist die Anerkennung fremder Ansichten und Grundsätze, besonders auf religiösem und konfessionellem Gebiete. Die Toleranz ist eine Pflicht jedes einzelnen wie auch des Staates, da keine Partei behaupten kann, im Besitze der Wahrheit zu sein, und jeder Mensch als moralische Person das Recht hat, religiös zu denken, was er will, wenn er damit nicht gegen das Strafgesetzbuch oder die Sittlichkeit verstößt. Echte Toleranz entspringt nicht aus Gleichgültigkeit gegen Religion und Moral, sondern aus Humanität und Einsicht. Die Toleranzidee hat sich philosophisch in England und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt und zur Zeit unserer klassischen Dichtung auch in Deutschland ihre bedeutenden Vertreter, wie Lessing gefunden. (Vgl. Lessings »Nathan«). In der verhetzten und gespaltenen Gegenwart hat sie viele fanatische Gegner gefunden.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 157.
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