[255] Handlung (actio) ist eine auf eine Absicht gerichtete Betätigung des menschlichen Willens. Der Handelnde hat ein Motiv und ein Ziel, faßt einen Entschluß und schreitet zur Ausführung. Das Ziel ist die Vorstellung eines Gegenstandes oder Vorganges, welcher durch irgendwelche Mittel realisiert werden muß. Dieses bleibt aber so lange nur eine subjektive Idee, als nicht ein Motiv, d.h. ein Beweggrund, unseren Willen[255] anreizt, die Idee also Kausalität gewinnt. Die Motive wurzeln stets in Gefühlen der Lost oder Unlust, welche sich als sinnliches, ästhetisches, praktisches, religiöses oder ethisches Interesse darstellen. Solange jedoch diese Interessen noch in der Schwebe sind, kommt es noch nicht zum Handeln. Erst wenn das eine Motiv stärker wird als alle übrigen, kommen wir zum Entschlusse. Damit tritt das Handeln in die Außenwelt über. Es folgt die Ausführung, durch welche ebensosehr der Verstand, wie der Villen, wie der Körper in Ansprach genommen wird, um die richtigen Mittel herauszufinden und anzuwenden. Vgl. Zurechnung, Freiheit, Wahl S. Smiles, der Charakter. 1878. – In der Kunst heißt alles Handlung, was Leben und Bewegung zeigt, im engeren Sinne das Auftreten und Benehmen des Menschen, besonders im Epos und Drama, während die Fabel das Ganze der dargestellten Begebenheiten bedeutet; im engsten Sinne enthält das Drama Handlung, d.h. aus Motiven entspringende einheitliche menschliche Tätigkeit, welche gegenwärtig vor uns erscheint und in Entstehung, Fortgang und Abschluß, durch das Wechselwirken bewußter und freier Persönlichkeiten vorgeführt wird. In Skulptur und Malerei bezeichnet Handlung nur Andeutung der Handlung und Bewegung durch Haltung und Stellung.
Kirchner-Michaelis-1907: Tat oder Handlung
Meyers-1905: Strafbare Handlung · Handlung