[45] anthropocentrisch (vom gr. anthrôpos = Mensch und kentron = Mittelpunkt) nennt man diejenige Weltauffassung, welche den Menschen als das Zentrum der ganzen Welt ansieht, wie es die meisten Religionen, z. B. das Christentum, aber auch manche philosophische Systeme tun, z. B. im Altertum die Lehre des Sokrates, in der Neuzeit die Wolfische [45] Philosophie. Auch in Kants (1724-1804) Erkenntnistheorie liegt eine neue eigentümliche anthropozentrische Wendung, indem sie lehrt, daß die menschliche Vernunft der Natur (sofern sie die Welt der Erscheinungen ist) die Formen und Grundgesetze vorschreibe. Spinozas (1632-1677) Lehre von Gott-Natur ist dagegen theozentrisch, und die gegenwärtige Naturwissenschaft führt ebenfalls seit Kopernikus, Kepler, Newton von der anthropozentrischen Weltbetrachtung ab. Am stärksten vertrat dagegen von den Neueren in seiner Philosophie den anthropozentrischen Standpunkt Wilhelm von Humboldt (1767-1835), dem sich die ganze Wissenschaft zu einer philosophisch-empirischen Menschenkenntnis zusammenfaßte.