Anno 1711
§ 113

[273] Bei dem allen so geriet ich dazumal in schrecklichen Streit mit mir selber, so daß ich zwei bis drei Tage den Schlüssel der Resolution nicht finden, und auch vor Sorge, und vor den wider einander laufenden, streitenden Gedanken nicht schlafen konnte; indem ich nicht wußte, ob ich das Rectorat annehmen, oder das Ende und Ausgang meiner Sache in Leipzig erwarten sollte. In der größten Angst ergrieff ich auch einst die Bibel, mit dem Entschluß, dasjenige vor einen Rat und Antwort Gottes anzusehen, was ich beim Aufschlagen derselben am ersten finden, und antreffen würde. Und siehe, ich fand einen Ort, da Gott dem Propheten verhieß, daß er sein Prediger sein, und auf ihren Höhen einhergehen werde [vgl. Jer. 15,19; 5. Mos. 33,29], der mich in meinem Vorsatz vollends stärkte, von hier nicht wegzugehen, bis man mich erwählet, oder verworfen hätte. Ist es eine Versuchung Gottes gewesen, so hoffe ich, Gott wird mir den Fehler zu gute gehalten haben, weil ich wegen des Streits pro und contra, den ich in meinem Gemüte hatte, der Beraubung des Verstandes schon ziemlich nahe war. Ja ich bot mich im letzten Briefe an D. Thebesium an, wenn man in Hirschberg die Veranstaltung treffen sollte, daß ich bei dem Rectorat alle 8 oder 14 Tage zugleich einmal predigen könnte, sollte ich auch nichts davor bekommen, so wollte ich die Vocation annehmen, ohne auf Leipzig zu warten. Da ich aber auf die Antwort des Herrn Thebesii noch wartete, welche auch nicht erfolget, so gieng die Wahl nochmals in Leipzig am heiligen Weihnachts-Abend vor, und den Tag nach den Feiertagen wurde mir die Wahl durch Herr Bürgermeister Wincklern kund getan, und Sonnabends darauf die Vocation eingehändiget.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 273.
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