Anno 1729
§ 149

[368] So sehr als ich auch sonst von Natur zur Lust und Freude geneigt bin, wie diejenigen wissen, die jemals mit mir umgangen sind, oder noch umgehen, so ist mir doch der Müßiggang, der sonst eine Frucht der Wollust ist, eine saure und unerträgliche Sache jederzeit gewesen. Ich wußte also nicht, was ich Anno 1729 anfangen, und womit ich mir die Zeit vertreiben sollte. Predigen war mir verboten, und Collegia halten durfte ich auch nicht: ich fiel also aufs Bücher-Schreiben. Weil ich mein Collegium Morale nicht mehr lesen kunte, so entschloß ich mich, es in Druck heraus zu geben. Auf einmal zu ediren wäre zuviel Zeit erfordert worden; ich nahm mir demnach vor, es Stück-weise[368] heraus zu geben, und schrieb also von 1729 bis 1730 den bekannten Tractat, Stand der Sicherheit, Stand der Knechtschaft, und Stand der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes genannt, in welchen Tractat ich den ersten und andern Teil meines Collegii brachte. In dieses Jahr gehöret, was mir einst bei Gelegenheit des Abend-Segens aus Arndts Paradies-Gärtlein begegnet, und welches ich in meinem Tractat, Leben des Glaubens genannt, p. 402, bereits er zählt habe, und also hier nicht von neuem erzählen will.


Anno 1730

Anno 1730 nach Trinitatis lagen mir viel Studiosi an, daß ich ihnen die Morale, und auch einige Collegia Homiletica lesen sollte. Ich wagte es, und fieng an zu lesen, in Hoffnung, die Herren Theologi würden etwan, wie ehedessen, mir solches zu halten nicht hinderlich sein. Ich consulirte auch einen derer Herren Ministrorum, in der Jubilate Messe, wegen der Privatissimorum, der der Meinung war, wenn sich ja jemand widersetzen sollte, so käme doch im Ober-Consistorio die Sache zum Vortrag, und so wollte er denn alsdann vor mich das Wort reden. Allein da die hiesige Facultät hernachmals wider mich einkam, so war niemand, der sich meiner wollte annehmen, so daß wegen drauf erfolgten Verbots ich das Collegium morale nicht hinauslesen, und absolviren kunte, sondern um Weihnachten dasselbe beschließen mußte. Von derselben Zeit an habe mich Gottes, und der Menschen Willen in diesem Stücke nur unterwerfen müssen, und weiter an keine Collegia mehr denken dürfen.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 368-369.
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