[216] Weil in Breslau von meinen Predigten, so ich daselbst gehalten, schon viel Redens war, da ich noch gegenwärtig, und auch nach meiner Abreise einer dies, der andere ein anders davon urteilte; so ließ ich, um allen verkehrten Urteilen zu steuren, eine davon den Winter drauf hier in Leipzig drucken, nämlich die Predigt von der Gottesgelassenheit, welche ich im reichen Hospital gehalten. Insonderheit erwählte ich hauptsächlich diese Predigt, weil das Wort Gottgelassenheit schon von vielen vor verdächtig und ketzerisch war gehalten worden. Herr Inspector Neumann mochte von meinem Vorhaben Nachricht bekommen haben; man hatte ihm aber mehr berichtet, als ich zu tun willens war. Es war ein Geschrei [Gerücht] vor seine Ohren kommen, als würde ich alle 16 Predigten, so ich in Breslau gehalten, drucken lassen, und die Vorrede wider ihn richten, und ihm zeigen, auf was vor eine unchristliche Weise er mit mir umgegangen wäre, indem er mich bei dem Rat und allen Hohen der Stadt des Terminismi, Stengerismi etc. beschuldiget hätte. Der Mann mit Furcht und Schrecken eingenommen, gehet den ganzen Breslauischen Rat deshalb an, und läßt ihm nicht Ruhe, bis er an das hiesige Concilium schreibet, und solches ersuchet, mir dergleichen Vorhaben zu untersagen. D. Olearius, der Vater des noch[216] lebenden Professoris, war damals Rector, und er wurde dadurch mein Patron, als er hörete, daß mir dergleichen zu tun nicht in Sinn gekommen, und als ich im Concilio alles erzählte, was mir in Breslau begegnet wäre. Da das Concilium von mir vernommen, daß es mir nie in Sinn gekommen, alle meine Predigten, so ich in Breslau gehalten, in Druck zu geben, vielweniger mit dem Herrn Inspector einen Streit anzufangen, so ließ dasselbe es lange anstehen, auf das Schreiben des Breslauischen Rats zu antworten. Hierüber geriet der Herr Inspector in noch größere Furcht, indem er meinte, das Ansuchen des Rats würde vergebens, und der Herr D. Olearius, als Rector, der es mit den Hallensern hielte, würde mir in meinem Vorhaben nicht zuwider sein. Dem mochte nun sein, wie ihm wollte, so trauete der Herr Inspector mir doch nicht viel Gutes zu. Er hätte seinen Sohn überaus gerne nach Leipzig auf die Academie geschickt, er fürchtete aber, ich möchte mich an demselben rächen, weil ich mich an dem Vater selbst nicht rächen könnte, und ihm allerhand Leides antun; welches wohl eine rechte eitele Furcht, und von mir, als der sein Tage keine Rache leicht an jemanden ausgeübet, gar nicht zu besorgen war.
Dannenhero trachtete er mich mit List von Leipzig wegzubringen, damit er seines Sohnes wegen nichts zu fürchten hätte. Er nahm deshalben in Breslau Gelegenheit mit meinem ehemaligen Hospite [Gastgeber], dem Herrn D. Kaltschmidt, zu reden, stellte sich, als ob er mein größter Patron wäre, gab ihm zu verstehen, wie daß er sich wundere, daß ich stets auf einer Universität bliebe: man hielte nicht viel von denen, die nur auf einer Universität studiret hätten: es wäre in Jena jetzt der vortreffliche Buddeus, warum ich nicht auf ein, oder ein paar Jahre dahin zöhe [zöge]. Wenn ich alsdenn wieder nach Hause käme, so würde das Alte alles vergessen, und an meiner Beförderung gar kein Zweifel sein: er möchte mir doch dieses sein Gutachten schreiben. D. Kaltschmidt tat es. Ich aber antwortete ihm: Ich wäre 7 Jahre in Leipzig, und meine Lehr-Jahre wären nun aus: in Leipzig könnte ich, und müßte von Collegiis [Kursen] leben, und hätte 6 bis 7 Stunden des Tages mit Collegiis besetzt: es wäre ungewiß, ob ich in Jena, wenn ich mich auch daselbst eindisputirte, dergleichen Applausum bekommen würde. Als der Herr Inspector diese meine Resolution kaum vernommen, so weiß er vor Furcht nicht, was er anfangen soll. Tisch und Wohnung war vor seinen Sohn bei Herr Licentiat Günthern schon bestellet, und ausgemacht; er änderte aber von Stund an seinen[217] Sinn, und entschließt sich, seinen Sohn nach Jena zu tun. Ja die Furcht, und vielleicht auch wohl einigermaßen das böse Gewissen, weil er nun wohl selbst mochte überzeugt sein, daß er mir zu viel getan, und mich bei der ganzen Stadt verunglimpfet, brachte ihn dahin, daß er nicht einmal das Herze hatte, den Sohn die Tour durch Leipzig nach Jena nehmen zu lassen; sondern er mußte harte vor Leipzig vorbei gehen: wie mir solches alles derjenige Kaufmann umständlich erzählet, der ihn auf dem Wege nach der Leipziger Messe auf Ansuchung des Vaters in seine Compagnie genommen, und sich engagiret hatte, ohne denselben in die Stadt Leipzig mit zu nehmen, durch gewisse Gelegenheit [Mitfahrgelegenheit] nach Jena zu schaffen. Ich erzählte solches dem Herrn Lic. Günther, der nicht wenig darüber lachen mußte, als er solches hörete. Der liebe Mann hatte dergleichen gar nicht zu befürchten, sondern hätte sich eher alles Gute von mir versprechen können. Dann [Denn] ich, da ich hörete, daß sein Sohn nach Leipzig kommen, und hier studiren sollte, hatte mir schon vorgenommen, ihm alle ersinnliche Dienste und Höflichkeit zu erzeugen, um dadurch des Vaters alte Gunst und Liebe wieder zu erlangen.