[239] In der Michaelis-Messe dieses 1707. Jahres affligirte [traf] mich ein ander Übel, nämlich der Verlust eines gutes Freundes, der wieder in sein Vaterland zog, und aus dessen Umgang ich manches Vergnügen bisher gehabt hatte. Und das war Herr M. Hartmann, dessen ich oben Meldung getan, und der jetzt ohnweit Breslau ein Prediger ist. So betrübt und traurig ich Anno 1702 war, als ich den Herrn Müller, jetzigen Cantor in Bautzen, verlor: so betrübt war ich jetzo über den Wegzug und Verlust dieses Herrn Hartmanns. Er hatte etwas an sich, um welches man ihn nur allzu gerne um sich hatte. Der Amor complacentiæ [zweckfreies Wohlgefallen], der bei einem guten Freunde sich befindet, hat eine große Kraft, einem das Herze zu nehmen. Man ist selten, ja niemals zufrieden, wo man nur von einem geliebet wird amore concupiscentiæ, und um des Nutzens willen, dergleichen Liebe die sogenannten Sauf-Freunde haben; man verlanget auch amorem complacentiæ, und will gerne von seinem Freunde, wenn schon eben nicht hoch, doch wert geachtet, und in dem, was man redet, oder tut, approbiret [anerkannt][239] werden. Es ist solches auch nicht alle mal bald Ambition, und als ein Hochmut, sondern als ein solches Vergnügen, das sich noch wohl entschuldigen läßt, anzusehen, so oft man wahrnimmt, daß auch unsere geringe Gaben und Perfectiones [Vollkommenheiten] von dem andern recht geschätzet, und mit Wohlgefallen erkannt werden. Das konnte dieser Hartmann; wiewohl ich nicht weiß, ob es ihm allemal vom Herzen gegangen, und ob nicht viel Verstellung mit untergelaufen. Doch wie es in der Welt herzugehen pfleget, wer nicht ohne einen guten Freund leben kann, findet bei Verlust des einen leicht einen andern; und wenn er einen auch nicht sogleich findet, so hat er doch wohl Mittel und Wege, einen neuen sich zu machen, an welchem er vielleicht noch mehr antrifft, als an jenem, den er eingebüßet, und dessen Freundschaft auch länger währet, und deren Band durch allerhand Fälle nicht so bald getrennet wird, welches auch ich zur selbigen Zeit erfahren.