Anno 1707
§ 94

[240] Ehe dieses geschahe, und ehe M. Hartmann von hier weg, und nach Hause reisete, wäre ich bald im Feuer umgekommen. Das Dorf Mucke, so eine halbe Meile von hier gelegen, und dem Herrn Appellation-Rat Plazen gehörte, geriet in Brand. Ich sahe das Feuer im roten Collegio, allwo ich auf den Wall hinaus wohnte, aufgehen, und ward begierig, so geschwind ich konnte, weil es gut Wetter, einen Spazier-Gang hinaus zu tun, um den Brand mit anzusehen, und gute Bewegungen in meinem Herzen zu bekommen, die ich bei dergleichen Fällen zu bekommen pflegte, auch wohl nach meinem wenigen Vermögen den Abgebrannten eine Gabe mitzuteilen. Gott ist manchmal im Feuer, und läßt alsdenn seine wunderbare Regierung sehen, nach welcher er den einen Menschen samt seinem Hause und Gütern wunderbar zu erhalten, und den andern auf eine handgreifliche Weise zu strafen, und zu verderben weiß. Ich kam an, da das Dorf noch in vollem Brande stund. Vorne gegen Leipzig, und gegen das Hällische Tor zu, stunden auf beiden Seiten noch einige wenige Häuser, bei welchen die Bauren genug zu wehren, und zu löschen hatten. Ich gieng ins Dorf hinein, so weit ich konnte, und drang mich durch das Volk durch, und kam so weit, wo kein Mensch mehr auf freier Gasse vor Hitze stehen kunte, weil auf beiden Seiten die Häuser, Scheunen, und Ställe in der Asche[240] lagen, und ganz darnieder gebrennet, und wie feurige Ofen anzusehen waren. Die, so mit mir giengen, und anfangs gesonnen waren gewesen, auf mein Einraten durch das ganze Dorf durch, und bis an das andere Ende desselben zu gehen, wo gleichfalls noch etliche Häuser auf beiden Seiten stunden, hatten vor Hitze mir nicht nachfolgen können, sondern waren gar bald wieder umgekehret. Mir aber, da ich mitten ins Dorf kam, fieng die Hitze nach dem Kopfe an zu greifen, und ich wußte nicht, ob ich weiter fort, oder zurücke gehen sollte. Vor dem vielen Rauch, der mich in die Augen biß, konnte ich kaum sehen. Ich meinte die Hitze würde abnehmen, wenn ich tiefer ins Dorf hinein gienge, allein sie wurde noch größer. Es überfiel mich in dieser Verwirrung die schrecklichste Todes-Angst, und ich meinte gänzlich, es kostete mein Leben. Fieng mich demnach an Gotte zu befehlen, und wollte mich mit dem Angesichte auf die Erde niederlegen, und den Tod erwarten, weil ich vor Hitze keine Luft mehr hatte. Indem ich mich aber niederlegte, so geschahe es beinahe durch Gottes Schickung, daß ich mich umwandte, und mit dem Gesichte noch einmal nach der Stadt und nach dem Orte, wo ich her kommen war, umsahe; und siehe, so schwach der Wind auch war, der damals gieng, dennoch weil derselbe vom Morgen [Osten], und mir, sobald ich mich wendete, in Rücken kam, so bekam ich dadurch ein wenig Luft, und damit zugleich ein Herze alle Kräfte zu sammlen, und zurücke zu laufen, so schnelle ich kunte. Es gelunge mir auch, daß ich nach zwölf oder fünfzehn Sprüngen wieder zu Menschen, und an die vördersten Örter des Dorfes kam, wo man vor Hitze bleiben kunte. Was ich an demselben Tage vor Freuden über dieser wunderbaren Errettung gehabt, ist nicht genugsam zu beschreiben. Ich sahe mich an, als einen rechten Brand, der aus dem Feuer war gerissen worden. Insonderheit preisete ich Gott, daß ich mich nicht dazu resolviret [entschlossen], was mein Verderben und gewisser Tod würde gewesen sein. Denn in der größten Angst, da ich nicht wußte, ob ich fort, oder zurücke gehen sollte, erblickte ich auf der einen Seite eine Brand-Stelle, wo ein klein Bauer-Häusgen mochte gestanden haben. Im Hofe lagen zwar glühende Kohlen gehäuft, doch nicht in so großer Menge, wie in andern Bauer-Höfen. Ich kunte über die Brand-Stätte weg in grünen Garten sehen, und der Weg durch den kurzen Hof war gepflastert. Hier war ich nun schon im Begriff von der Gasse schnelle durch diesen Hof durchzuspringen, um in den grünen Garten zu kommen; ich würde aber unfehlbar vor Hitze[241] um gefallen sein, sobald ich in Hof gekommen wäre. Denn die Gasse des Dorfes ist sehr breit, und da vor Hitze in der Mitte derselben kein Mensch bleiben kunte, so mußte dieselbe unstreitig viel größer in den Häusern selbst, und bei den Brand-Stellen sein.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 240-242.
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