[58] Ja, das ist weiß Gott ein Kapitel für sich!
Wie man mit Männern umspringt, darüber habt Ihr ja wohl genug Erfahrungen gesammelt in den verschiedenen Kriegstänzen! Die weiblichen Lebewesen, madam, panjinka, matka oder auf deutsch kurzweg »Fräulein« genannt, erfordern eine etwas zartere, aber gleichfalls gründliche Behandlung.
Es ist für den Ungeübten in der heutigen Zeit manchmal schwierig, auf den ersten Blick herauszukriegen, wer eine »sie« ist. Da siehst du 'nen Gepäckträger, Schaffner oder sonst jemand auf – – »er«, und du gibst ihm 'ne Zigarre, aber »er« nimmt sie nicht, trotz seiner unten zuen Hosen – dieser – – – »er« ist eben eine »sie«.Und du kratzt' dir deinen Döskopp – wer ist denn nun ein Mann, und wer ist keiner?
Ein Mittelchen will ich dir sagen, ein sicheres, womit schon Karl der Saubere die Geschlechter auseinanderhielt: die Hacken! Läuft der Gepäckfritze auf 10 cm-Hacken, so ist er unweigerlich weiblich. Hat der Schaffner dicke Waden und Pariser Absätze, dann ist er ein Mächen!
Das ist so sicher wie Vater Philipp!
Triffst du aber 'nen Gepäckaugust, der die Hände in den Hosentaschen hat, der rülpst, und dessen Stelzen in schiefgelatschten Kindersärgen stecken, den kannst du ungeniert fragen: »Kamerad, wo geht's denn hier für Männer – –?« – denn das ist einer!
Nun gibt's aber noch weibliche Wesen, die tragen keine Hosen – – – hm, hm – – ich will nichts gesagt haben, man weiß das nicht immer genau und es ist nicht ohne weiteres festzustellen – kurz und gut solche, die man mittels der Röcke, und vor allem mittels der Hüte, bombensicher als schönes Geschlecht feststellen kann. Denen gegenüber fängt nun das feine Benehmen an, Anton, verstehst du mich? Nobel – mit Schmalz und Poesie muß man da auftreten.
Sieh dort, da schwebt eine hin – schon von der Hinterfront sieht man den Engel! Hohe Trittchen, kurze Röckchen (es wird doch nicht ein durchgebrannter Hochländer sein?), um den Hals[61] 'n totes Karnickel, kann auch ein Seehund oder ein Eichkater sein, 'n schiefes Rad mit 'm Gockelschwanz auf dem Köpfchen – – »und am Arm 'ne Handgranate«, sagst du soeben sehr richtig? Dieses aber nämlich ist ein Irrtum, Kamerad, kaum verwandt damit; was der Engel da am Arm schlenkert, ist seine Tasche. Man kann auch sagen »Verlor'nes Glück« oder »Ich laß mich hängen« – denn wer hätte noch keine verlorene oder hängengelassene Damentasche gesehen?
Aber ich denke, wir werden das Tempo mal etwas verlängern, um den Engel auch von der Südfront zu beglotzen. Barmherziger Strohsack, das ist ja die Wally! Mädel, wo kommst du her? Gestatte, daß ich dir meinen Freund Anton Piesicke vorstelle, grade siegreich von Paris gekommen!
Das trifft sich ja prächtig – nun können wir die Erläuterungen gleich am lebenden Objekt vornehmen. Steh, was Fräulein Wally da vorn hat, ist ein Bu – – – »Bunzlauer Tontopf, eben auf dem Töpfermarkt erstanden!« – – – »Danke, Wally, außerordentlich erfreulicher Heeresbericht. Anton, guck' sie dir mal von unten an – du siehst, sie is 'n Mädchen – 10 cm, stimmt's? Solche Stelzen sind verrückt, aber vornehm. Weniger vornehm ist es, Anton, wenn du Fräulein Wally das Paket da selber tragen läßt. Was 'n richtiger Kavalier is, der sagt zu der Dame – – – »Ihr habt wohl heute schon stark gefrühstückt, was –?«[62]
Aber Wally, wie kannst du so was von zwei erlesenen Männern denken! Im konträren Gegenteil, ich wollte eben bloß meinem Freunde Anton erklären, was 'n richtiger Kavalier in dieser Falle, pardon, in deiner Falle – Herrgott nein, in diesem, zurzeit deinem Falle zu tun hat! Da sagt er, indem er den Bibi lüftet und einen Kratzfuß macht – – – »Gehabt Euch wohl, Ihr Frühschoppenbrüder, ich fahre nach Hause!« –
Haste Worte, Anton? Weg is se! Da fährt sie hin und winkt nich mal!
'Ne feine Dame ist das nicht, die Wally! Alle Mädels wollen heutzutage Damen sein, wozu ich bloß sagen kann »'n Piepmatz!«
»Dame« heißt soviel wie »Donna«, und Donna ist bekanntlich eine Küchenfee. Hiermit hat die Sprachforschung einen schwarzen Nagel abgeschossen, denn, Anton, Küchenfee ist das richtige Wort! Hier mußt du den Hebel ansetzen, dann liegt der Hase im Pfeffer! Oder im Notkraut mit Salzkartoffeln, und 'n Topf Münchener spendiert die Lina auch.
Das ist die sogenannte Frauenbewegung, wozu ich nur raten möchte. Man kann sie mittels eines Gemüsekorbes und den Worten »Gestatten, Fräulein« anbahnen. Später wasche man seine Hände in Unschuld, sonst könnte Schiller recht behalten, der in seinem Lied von der Entreeglocke singt: »Der Mensch haßt die Alimente.«
Von demselben Dichter stammt auch die[63] Mahnung. »Der Mensch versuche die höheren Töchter nicht!« Der Mann kannte die Tauentzienstraße! Höhere Töchter, vulgär »Backfisch« genannt, sind überhaupt eine besondere Gattung, zu der ich nur sagen kann »Junge, Junge – –!«
Kampfgenossen, merkt Euch folgendes:
Alle Weiber sind neugierig. Das kann Euch jede Hebamme beschwören, denn bei Zwillingspärchen ist das Mädel immer zuerst da, weil ihr vor Neugier das Fell juckt, wozu sie Beleuchtung braucht. – Weiter: Mädchen mit langen Haaren sind noch lange nicht die klügsten, denn solche, die sich die Haare kurzgeschnitten haben, sind meistens noch viel däml – – – na, ich hätte beinahe was gesagt! Zu erkennen sind sie an ihren blauen Wollstrümpfen und einem Tintenklex in der linken Kniekehle.
Am ratsamsten sind die molligen, kuschligen, die verliebte Schulterblätter und ein blaues Bändchen in der Untertaille haben. Trachtet am ersten nach deren Patschhändchen, so wird Euch solches alles zufallen! – Zufälle sind der beste Anknüpfungspunkt – mit einem gut konstruierten Zufall läßt sich alles deichseln! Und alles drauf schieben – und damit drehen – – –
Der Drehwurm ist ein weibliches Schoßtier, sein Erzeugnis ist der Ball, der als Tennis-, Masken- und Witwenball herumläuft. Auf letzteren beiden wird neben anderen Späßen auch getanzt.[64]
Tanzen ist eine wildgewordene Indianersitte, die aber zum Hell der Welt gehört, 'n Groschen kostet und Schwoof heißt. Den Tanz hat eine lasterhafte Tarantel erfunden. Tanzen ist Genie und Irrsinn im Akkord! Aber die Weiber sagen, Tanzen sei der Aufschrei einer liebenden Frauenseele unter den robusten Kniescheiben des Mannes – und das sei himmlisch! Einzig! Goldig! Zum Verrücktwerden schön!! – Goldig ist der geschmetterte Steiß! Einzig ist das Wirbeln – –! Himmlisch ist das Beinschmeißen – – – –!!!
Manche Mädchen beschäftigen sich leider damit, krumme Beine zu haben. (Dieser Satz ist historisch und stammt von Horatius Kokles, einem Trainfahrer aus der Zeit Karls des Dicken.) Du kannst dir ja das Gegenteil beweisen lassen! Außerdem ist dies ein Ballgesprächsthema, was ich dir hiermit gern ablasse.
Der wichtigste Teil an einem Mädchen ist das Korsett. Näheres darüber zu sagen, verbietet mir meine Olle. Überhaupt steht sie dies Kapitel allmählich nicht mehr gern. Da hab 'ich ihr aber die Leviten gelesen und gesagt »Schluß« der Betrachtung!
Buchempfehlung
In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«
340 Seiten, 14.80 Euro