[12] Ein Altar, wo wir knieen,
Ein Land, wohin wir ziehen,
Ein Himmel dir und mir.
Die Konfirmation ist der erste wichtige Abschnitt in dem Leben eines jungen Mädchens. Sie ist bis zu derselben für ihre Umgebung noch ein Kind, für ihre Lehrer eine Schülerin gewesen, sie wurde als ein solches behandelt und erzogen von den Eltern, Lehrern, den Angehörigen. Sie besuchte mit ihrer Familie noch keine Gesellschaften, und wo sie sich in geselligen Kreisen bewegte, da galt sie noch für ein Kind und durfte die Rechte der Erwachsenen nicht beanspruchen. Die kürzer getragenen Kleider, Haartracht und Anzug sind ihrem Verhältnis angemessen, kindlich und einfach.
Die Zeit der Vorbereitung zur Konfirmation, die Religionsstunden bei dem Geistlichen sollen aber schon dazu dienen, sie auf den Schritt vorzubereiten, der sie durch die kirchliche Weihe bestätigen läßt, was andere für sie an ihrem Tauftage gelobt haben, der sie aus den harmlosen Tagen der Kindheit hinüberführt in eine neue, der erwachsenen Jungfrau aufgehende Welt.
Diese Stunden sollen ihr nicht bloß Klarheit und Kenntnis in der Religion verschaffen, sondern ihr auch die Pflichten darlegen, die sie der menschlichen Gesellschaft gegenüber als Mitglied derselben zu erfüllen hat. Sie ist eine Christin, sie erneut ihren Taufbund durch den eigenen Schwur, sie gelobt auch, ein christliches Leben zu führen, ein Leben, in dem sie sich selbst achten kann, in dem sie anderen das rechte Beispiel guter Sitten und Wohlanständigkeit gibt.[12]
Es ist daher dem ernsten Sinn der nahenden Feier durchaus angemessen, wenn sie schon die letzten Monate vorher sich frei hält von jeder lauten Festlichkeit; wenn nicht die etwaigen Tanzstunden, oder gar schon kleine Tanzvergnügungen in diese Zeit der Vorbereitung zu einem Tage fallen, dessen hoher, heiliger Ernst einen, durch das Leben bleibenden, tiefen Eindruck auf ein Mädchenherz machen soll.
Die Konfirmation (in katholischen Ländern Firmelung genannt) ist ein rein kirchliches Fest, von dem gleichfalls jede laute Lustbarkeit fern bleiben muß, jeder äußere Prunk entfernt sei.
Es ist in der Jetztzeit Mode geworden, es durch eine große Gesellschaft zu feiern. Naturgemäß ist es ja, daß Verwandte und Freunde sich gern daran beteiligen, dem jungen Mädchen ihre Glückwünsche darzubringen, daß die Eltern im Gefühl ihres Glückes, die geliebte Tochter bis zu diesem Lebensabschnitt geführt zu haben, den Tag auszeichnen; wenn aber die Geselligkeit den Charakter jeder anderen trägt, wenn durch leichte und oberflächliche Unterhaltung die gehobene, weihevolle Stimmung der jungen Christin zerstreut und gefährdet wird, so ist dies nicht angemessen. Wenige Tage nach der Konfirmation geht die Jungfrau mit den Ihrigen in die Kirche zum Genuß des heiligen Abendmahls, welches sie zum erstenmal empfängt. Auch die innere Vorbereitung auf den Ernst dieser kirchlich so heiligen Feier soll ihren Gedanken eine Sammlung, eine innere Weihe geben. Es ist daher am geratensten, den Konfirmationstag nur im Kreise nächster Verwandten und Freunde ohne fremdere Gesellschaft zuzubringen. Eine ernste Stimmung herrsche, in beschaulichen Gesprächen unterhalte man sich; die Konfirmandin selbst, nachdem sie in der Kirche eine sittsame, würdige Haltung sich bewahrt hat, fühle im kindlichen Herzen die Wichtigkeit des im Leben so bedeutungsvollen Tages, und verletze weder durch eilte Freude am äußeren Schmuck, noch durch leichtsinnige Ausgelassenheit den guten Ton.
Haben wir nicht auch leider schon allzu oft den Gesprächen junger Mädchen vor dem herannahenden Konfirmationstage zugehört und bemerkt, welch eine hochwichtige Angelegenheit die Toilettenfrage einnimmt. Die eine möchte gern sich vor[13] der andern hervorthun, und es werden dergleichen Auseinander setzungen nicht bloß unter vertrauten Freundinnen in der Häuslichkeit, sondern auch sogar vor Beginn der Konfirmationsstunden im Hause des Geistlichen verhandelt. Das richtige Taktgefühl verlangt es, sich von solchen Gesprächen auszuschließen und es zu versuchen, auch die anderen in dieser unpassenden Unterredung zu unterbrechen; der Religions unterricht ist Vorbereitung nicht auf den weltlichen Putz und Tand, sondern auf den Schmuck des inwendigen Menschen denn nur er ist köstlich vor Gott.
Ich will nicht ungerecht sein; jede große Feier verlangt auch ihr weltliches Festkleid, aber zu Hause mit der Mutter, der hilfreichen Schneiderin ist der Ort zu den Beratungen darüber. Es wäre unnatürlich, wenn es der erwachsenen Jungfrau ganz gleichgültig erschiene, in welchem Anzug sie sich zum erstenmal öffentlich als Erwachsene zeigte. Nur keine Hauptrolle spiele in den wichtigen Tagen vorher die Beschaffung desselben, weder in der äußeren Thätigkeit dafür und noch weniger im Herzen.
Man wird gut thun, den Stoff des Konfirmationskleides nach den Verhältnissen zu wählen, in denen die junge Dame steht. Vor mehreren Jahrzehnten wurde bei Leuten, welche sich zu den höheren und gebildeten Ständen rechneten, durchaus das schwarze Seidenkleid verlangt, nur die Aermeren erschienen in schwarzer Wolle, eine unnachsichtige Mode, welche selbst den wenig begüterten Eltern die große Ausgabe eines viel kostbareren Stoffes zur unerläßlichen Bedingung machte. Erst in den letzten Jahren ist man darin praktischer geworden, es verstößt nicht mehr gegen den guten Ton, den schwarzen Wollenstoff auch für Töchter derjenigen Eltern zu wählen, die einer höheren Klasse der menschlichen Gesellschaft anzugehören glauben. – Man ist zu der Einsicht gekommen, daß der schwarze Kaschmir, der sich in weichen, gefälligen Falten der jugendlichen Gestalt anschmiegt, viel kleidsamer für sie ist als die starre Seide, welche immer der Trägerin etwas Würdevolles und daher älter Erscheinendes verleiht.
Auch die Wahl eines Tuches oder Umhanges während der kirchlichen Feier ist eine modisch wechselnde. Den einst so beliebten, aber auch kostbaren Shawltüchern, mit deren reellem Wert der jungen Dame gleich eine praktische, schützende[14] Umhüllung für lange Jahre mitgegeben wurde, sind die leichten Paletots und Umhänge gefolgt, die in immer neuem Façon, bald klein und schmal als shawlartige Mantillen, bald als lange, anschließende Ueberziehjacken getragen werden. Es wird jetzt keine Bekleidung für Jahre mehr verlangt; jede Herbst- und Frühjahrssaison bringt neue Moden, ändert Schnitte und Besätze. Für ganz junge Mädchen also zum kleidsamen Konfirmationsschmuck ziemt sich die größte Einfachheit, ist sie am feinsten und kleidet am besten; man vermeide jede Ueberladung durch Kantengarnitur und Schmelzbesatz. Auch den jetzt so viel begehrten Samtumhängen und Paletots für junge Damen rede ich nicht das Wort. Einfachheit ist und bleibt der schönste Schmuck der Jugend, bescheidene Kleidung verrät einen bescheidenen Sinn, ein den Jahren und Verhältnissen sich anpassender Anzug kennzeichnet das richtige Gefühl und den seinen Takt seiner Trägerin. Wenn mit sechzehn Jahren schon schwerer Seidenstoff und Samt getragen wird, welche Stoffe bleiben dann übrig für spätere Jahre? Ebenso sei der Schnitt des Kleides kein auffallender, überladener, die Schleppe an demselben nicht übertrieben lang. Eine solche ist sowohl während der kirchlichen Handlung der jungen, in dem Tragen derselben noch ungeübten Dame lästig und hinderlich, als sie auch einen anspruchsvollen Eindruck hervorruft.
Ein richtiger Takt vermeidet zur kirchlichen Feier ebenso das Anlegen reichen Goldschmuckes, wie glänzender Goldketten, Ohrgehänge und Armbänder. Ein goldenes Kreuz am schwarzen Samtband getragen oder an einer nicht zu prahlerischen, goldenen Kette hängend, ist der passendste Schmuck dazu, auch ist es dem Zartgefühl angemessen, sonst ein unscheinbares Andenken, etwa an eine liebe Verstorbene, wie einen Ring oder einfache Ohrringe aus Pietät für sie zu tragen. Es ist Sitte, daß die Angehörigen und Freunde die Konfirmandin beschenken, schöne Bücher, religiöse Betrachtungen oder Gedichte enthaltend, frische Blumen, auch kleine, selbstgefertigte Arbeiten wählen junge Mädchen am liebsten zu solchen Gaben. – Eltern und Verwandte geben häufig Schmuckgegenstände als ein bleibendes Andenken für das Leben, als eine Zierde für den nun folgenden Eintritt in die Welt und deren Festlichkeiten. – Wollte die[15] Konfirmandin aber von diesem Schmuck an dem Tage selbst Gebrauch machen, oder wohl gar eine neue Uhr anlegen, wäre dies ganz taktlos.
In der Hand trägt sie neben dem Gesangbuch ein frisches Blumensträußchen; es sollte nur aus einer Rosenknospe, dem Sinnbild der Jungfräulichkeit, Myrten, dem Symbol der Reinheit, und den Veilchen, der Bescheidenheit, bestehen. Auch ein kleines Kreuz, von Veilchen gebunden und flach auf das Gesangbuch gelegt, ist gar sinnig, ein Zeichen bescheidener Einfachheit und Glaubenstreue. Gottlob, sind die tellergroßen Kameliensträuße nach französischem Geschmack, in Kanten oder Papier steckend, jetzt aus den Händen der meisten Konfirmandinnen entschwunden, welche dadurch, daß oft noch recht kleine, unentwickelte Gestalten diese Blumenwagenräder kaum in der Hand zu halten vermochten, oft sogar einen lächerlichen Eindruck hervorriefen.
Der sein Gebildete vermeidet mit richtigem Takt alles Auffallende, vermeidet es ganz besonders, wenn er in die Oeffentlichkeit hinaustritt, denn was die Blicke liebevoller Freunde vielleicht übersehen oder doch meistenteils freundlich entschuldigen, das richten fremde Personen mit scharfer, erbarmungsloser Kritik.
In katholischen Ländern, auch auf dem Lande in verschiedenen Gegenden, werden weiße Konfirmationskleider getragen, erst zur Abendmahlsfeier erscheint die Jungfrau im schwarzen Anzug. Auch das Haar wird alsdann mit einem Kranz von Rosen oder Myrten geschmückt. Auch hier sorge die taktvolle Trägerin solchen Schmuckes, daß die höchste Einfachheit ihn kennzeichne, sie nicht in demselben eher einer Balldame gleiche als einer jungen, zum Alta. Gottes gehenden Christin.
In der Kirche selbst, vor und nach der Rede des Geistlichen, trage der Gesichtsausdruck der Konfirmandin den Stempel ihrer ernsten Gesinnung; kein unruhiges Umherblicken, ob sie in ihrem neuen Anzug auch von allen gesehen werde, ob dieser oder jener Bekannte auch gegenwärtig sei, steht ihr wohl an; in stiller, innerer Sammlung blicke sie bescheiden auf oder senke demütig den Blick; Demut vor Gott, das stille Gebet, seinem Altar würdig zu nahen, erfülle sie; aufmerksam folge sie während der Rede[16] ihres Seelsorgers seinen Worten. Sie schäme sich der Thränen nicht, wenn sie in heiliger Rührung ihre Wangen netzen, aber sie vermeide auch jedes unmäßige Aufschluchzen, störe nicht durch lautes Weinen die Andacht ihrer Genossinnen.
Ist in der Familie oder unter den Freunden eine Persönlichkeit, welcher man ganz besondere Hochachtung schuldig ist und welche durch ihr Alter oder durch Krankheit verhindert ist, an der kirchlichen Feier teilzunehmen, so erfordert es der Anstand, daß die Konfirmandin ihr am Nachmittag des Tages selbst, oder doch sehr bald nachher einen Besuch mache. Sind Vater oder Mutter der Konfirmandin gestorben und ist ihr Grab zu erreichen, wird es ein pietätvoller Gang sein, dasselbe bald aufzusuchen und mit einem Kranz zu schmücken.
Dem Geistlichen wird oft bei Abholung des Konfirmationsscheines ein Geldgeschenk überreicht; natürlich muß dasselbe in ein geschlossenes Couvert gelegt werden. Feiner und taktvoller ist es, wenn Vater, Mutter oder, sollten sie fehlen, der Vormund dasselbe übersendet und einige achtungsvolle Worte der Anerkennung und des Dankes hinzufügt für den der Tochter (dem Mündel) gegebenen Unterricht. Doch schließt dies nicht einen baldigen Besuch der Konfirmandin selbst aus, welche in wenigen Worten von ihrem Seelsorger sich verabschiedet und ihm ihre Dankbarkeit ausspricht.
Sehr junge Mädchen sind oft im Aussprechen solcher Gefühle sehr zurückhaltend und ängstlich, und da sie keine Worte finden, glauben sie, für kalt gehalten zu werden. Sie sollen sich darüber nicht betrüben. Wo das Herz wirklich bei der Sache ist, wo es warm und tief empfindet, da genügt ein schüchternes Wort, ein Blick des Auges, ein warmer Händedruck, um denjenigen, dem man Dank und Verehrung ausdrücken möchte, von der Wahrhaftigkeit dieser Gefühle zu überzeugen, und die Schüchternheit ist oft beredter als das Hersagen einer einstudierten, wohlgesetzten Rede. Dem Geistlichen das Gesangbuch zu bringen, mit der Bitte, daß er den Bibelspruch hineinschreibe, den er am Altar vor dem Segen seiner jungen Schülerin mitgegeben, ist eine schöne Sitte.[17]
Wie manche Jungfrau blickt noch nach langen Jahren in stiller Rührung auf die Zeilen von der Hand desjenigen, der nun vielleicht längst zu den Abgeschiedenen gehört, dessen christliche Lehren sich aber mit der dankbaren Erinnerung an ihn eingegraben haben in ihr Herz.
Einige Zeit nach der Konfirmation macht das junge, nun unter die Erwachsenen sich zählende Mädchen, wenn es möglich ist, von der Mutter begleitet, ihre Besuche bei Verwandten und Freunden, welche sich persönlich oder durch ein ihr übersandtes Geschenk, begleitet von schriftlichen Worten, an dem Tage beteiligt haben. Den nicht am Ort anwesenden drückt sie in einem Brief ihre Dankbarkeit aus.
Diese ersten Visiten werden am passendsten im Konfirmationskleide gemacht, sie bedeuten gleichsam ihre Einführung in die Welt, denn wenn sie nun, wie es gewöhnlich geschieht, mit den Eltern in Gesellschaften eingeladen wird, hat sie in ihnen alle Rechte einer erwachsenen Dame. Der seine Takt muß ihr sagen, daß sie sich nicht mit einer für ihre Jahre unpassenden Sicherheit in diesen ersten Gesellschaften bewegen soll. Wie Bescheidenheit stets gefällt, ist sie besonders eine Zierde junger Mädchen. Ebenso mäßige sie sich, daß sie nicht ein allzu lautes Vergnügen an diesen ihr neuen Unterhaltungen zur Schau trage. Sie ist nun kein Kind mehr, darf nicht mehr wie ein Kind ausgelassen umherspringen und in die Hände klatschen; allzu lautes Lachen, hastiges Laufen, besonders bei geselligen Spielen, Kichern und Flüstern mit ihren Nachbarinnen sind Dinge, welche das Kind in ihr noch allzu sehr verraten würden. Ebenso muß sie eine unzeitige Blödigkeit überwinden, denn diese macht linkisch und unbehilflich, und beide sind arge Feinde jener Grazie, welche die unbefangenen, natürlichen Bewegungen der Jungfrau so anmutig erscheinen läßt. Ein schüchternes Kind wird von den Umstehenden ermuntert oder nicht beachtet, eine junge Dame, welche vor Schüchternheit nicht den Mund aufthut, Gegenstände hinfallen läßt, weil ihre zitternden Hände sie vor Aengstlichkeit nicht festzuhalten vermögen, ist in der Gesellschaft eine sehr unangenehme, langweilige Zugabe. Von älteren und anderen Personen angeredet, findet sie entweder gar keine Antwort oder stammelt dieselbe nur ganz verwirrt und undeutlich. Wie[18] leicht ist das Urteil der Welt dann bereit, zu glauben, daß dieses Benehmen aus Dummheit entspringt, daß das niedliche, jugendliche Köpfchen recht leer sei.
Wiederholen muß ich aber noch einmal, daß in den meisten Fällen eine angemessene und nicht übertriebene Schüchternheit viel mehr gefällt als ein für ihre Jugend allzu dreistes, siegesgewisses Auftreten. Jene verrät Bescheidenheit, dieses Ansprüche.
Jungen Männern ihrer Bekanntschaft gegenüber, früheren Spielkameraden, zeige sie jetzt eine Zurückhaltung, welche den traulichen Verkehr der Kinderjahre verändert. Da junge Mädchen viel früher Damen werden, als die Knaben zu Jünglingen heranreifen, so wollen diese oft den burschikosen Ton, der zwischen ihnen herrschte, festhalten en, doch ziemt sich dies nicht mehr, und es ist ihr Taktgefühl, das den Umgangston verändern soll. Sie dulde nur bei Verwandten, etwa auch noch bei den allernächsten Freunden, das trauliche »Du« von ihnen, sie zeige dadurch, daß sie es bei Fernerstehenden von selbst in »Sie« verwandelt, daß sie jetzt den Respekt verlangen kann, den das männliche Geschlecht dem weiblichen immer schuldig ist.
Es ist ein großer Vorteil für die junge, in die Gesellschaft hinaustretende Dame, wenn sie eine gute Erziehung erhielt und dieselbe befolgte. Sie ist dadurch an seine Manieren, an ein nicht Vernachlässigen äußeren Anstandes gewöhnt, beides erleichtert ihr den Verkehr mit anderen. Es gibt ein Sprichwort, welches heißt: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer;« doch verzage sie deshalb nicht, sobald ihr die Augen darüber aufgehen, wieviel sie versäumt oder nicht beachtet hat, oder wie mangelhaft ihre Erziehung gewesen ist. Noch ist sie jung, sie kann nachholen, das Beispiel anderer muß sie leiten; mit Mühe freilich, wird sie die Vernachlässigung bezahlen müssen, aber der gute Wille thut viel.
Es gibt Damen, denen die Anmut gleichsam angeboren ist, man sagt von ihnen: »Die Grazien haben an ihrer Wiege gestanden.« Wer sich dieser glücklichen Begabung erfreut, dem ist es ganz selbstverständlich, nichts Ungeschicktes zu thun, die Verbeugung, jede Bewegung, der Tanz einer[19] solchen Dame ist vom einem Liebreiz umflossen, der ihr alle Herzen viel mehr gewinnt als wirkliche Schönheit.
Anderen jungen Damen fehlt weder Zartgefühl noch geistige Begabung, aber sie haben so viel äußeres Ungeschick, daß sie überall einen Verstoß machen.
Wir können ihnen nur raten, nach besten Kräften und mit aller Energie ihres Willens es zu besiegen. Der andere kommt gar nicht dazu, die wirkliche Liebenswürdigkeit eines jungen Mädchens zu entdecken, wenn seine äußere Erscheinung einen entschieden schlechten Eindruck macht, und manches wirklich liebenswerte Gemüt ist schon einsam und ungesucht durchs Leben gegangen, weil es durch schlechte Gewohnheiten, eine unartikulierte, holperige Sprache, Blinzeln der Augen, Grimassieren mit den Gesichtsmuskeln u.s.w. einen entschieden äußerlich abstoßenden Eindruck machte.
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