Eitelkeit.

[52] Eitelkeit ist eine große Feindin der rechten Sparsamkeit. Sie wird Veranlassung sein, daß eine Dame zu tausend unnützen Ausgaben verführt wird, daß sie stets das hübsch findet, was sie an den Schauläden oder bei anderen sieht, und es auch zu besitzen wünscht. Eitelkeit raubt auch viel Zeit; in der Zeit selbst, die man erübrigt, liegt eine Ersparnis, denn man kann sie zu nützlichen Zwecken anwenden.

Die eitle Jungfrau legt nützliche Beschäftigungen gern beiseite, um vor dem Spiegel dieses oder jenes, was ihr kleidsam scheint, zu probieren, sie ändert stets den Schnitt ihrer Kleider nach neuester Mode, aber die dabei hilfreiche Hand der Schneiderin muß bezahlt werden, oder es kostet manche Stunde, ehe die Arbeit von ihr selbst hergestellt ist. Daß die Jugend ihre Vorzüge anerkennt, daß ein junges Mädchen sich gern vorteilhaft kleidet, es sogar ihre Pflicht ist, ihren Anzug nicht zu vernachlässigen, das fordert der gute Ton, aber es ist ein Verstoß gegen denselben, wenn die Ausgaben der Eitelkeit über seine Mittel gehen und darüber jene Ausgaben vernachlässigt werden, welche wohlanständig sind. Wer sein Geld für eitle Putzgegenstände verschwendet, hat es nicht, um hin und wieder ein wohlanständiges Geschenk zu machen, er muß sein Herz verschließen gegen die Bitte der Armut; wo ihm ein Hilfsbedürftiger entgegentritt, da muß er, anstatt ihm nach besten Kräften zu helfen, alt und herzlos erscheinen; bei der rechten Sparsamkeit[52] könnte er manches erübrigen, dadurch sich selbst und andere zu erfreuen.

Eitelkeit ist keine Eigenschaft, durch welche die Jungfrau sich wohlanständig zeigt, sich vor anderen angenehm macht.


Eitelkeit baut sich von Schaum ein Schloß auf, strahlen die Sonnen,

Funkelt es hell, doch zerstiebt's leicht vor dem Hauche des Wind's.


Eine eitle junge Dame gibt sich, verführt durch ihre Eitelkeit, sehr leicht diese oder jene Blöße. Sie spricht gern über die Vorzüge, die sie vor anderen zu haben glaubt, sie macht sich am liebsten zum Mittelpunkt ihrer Umgebung. Sei es nun ein hübsches Aeußere, worauf sie sich etwas einbildet, seien es Talente oder geistige Begabungen, die sie gern in ein recht günstiges Licht stellen möchte. Wie wenig erreicht sie dadurch, wie bald wird von anderen ihre Eitelkeit durchschaut, wie taktlos ist es, wenn sie durch dieselbe die Bescheidenheit vergißt, diesen höchsten Schmuck der Jugend.

Nur sehr klugen Damen verzeiht man es allenfalls, wenn sie danach streben, die ersten sein zu wollen, auch sie verlieren dabei sehr viel von ihrer echten anmutigen Weiblichkeit. Ebenso wird einem sehr hübschen, jungen Mädchen vielleicht eher ein wenig Eitelkeit gestattet, weil die Welt selbst dazu beiträgt, diese bei ihr zu nähren, sie in ihr hervorzurufen. Aber es ist schlimm, daß der eigene Spiegel dabei leider ein sehr täuschender Richter ist.

Die Jugend ist es, welche fast jeder jungen Dame ihren zarten Schimmer schmückend verleiht, lasse sie sich durch denselben nicht täuschen, nicht verblenden. Schnell zieht er vorüber, flüchtig sind diese schönen Jahre, oft gar zu bald verdunkeln die Wolken ernster Erfahrungen das Sonnenlicht, versinken die stolzen Hoffnungen eitler Träume in ein Nichts.

Wohl dann der Jungfrau, die in häuslicher Stille früh schon ihr Glück gesucht und gefunden, die fern vom Glanz und den Zerstreuungen der Welt die Eitelkeit und ihre Verlockungen besiegte, sich aber im Herzen diejenigen[53] Tugenden gesammelt hat, welche ein bleibendes Besitztum und nicht so vergänglich sind wie die Jugend und ihre äußere Lieblichkeit.

Quelle:
Ernst, Clara: Der Jungfrau feines und taktvolles Benehmen im häuslichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. Mülheim 3[o.J.]., S. 52-54.
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