Rind

[57] Rind, Bos Taurus, L. domesticus, mit auswärts gebogenen,[57] kegelförmigen Hörnern und schlaffen Wampen, ein bekanntes, sehr nützliches Hausthier, welches seinen Feind mit Stößen bekämpft, in Island und England zuweilen ohne Hörner angetroffen wird, niedrige Weiden liebt, an funfzehn Jahr lebt, und wovon das Weibchen (die Kuh) neun Monate trächtig geht, gewöhnlich nur mit einem Kalbe.

Die Kuhmilch (lac. vaccinum, bovinum) ist eine emulsive nahrhafte Flüssigkeit, welche gewöhnlich aus 3/128 Fettigkeit oder Butter (die in 3/64 Rahm, der sich auf der Oberfläche absetzt, enthalten ist), aus 3/32 Käse und aus Molken besteht, die außer Wasser 5/128 feste Substanz und darin 9/320 Milchzucker enthalten; das übrige ist phosphorsaure Kalkerde und Digestivsalz. W.s. Molken und Milchzucker unter Milch. Die Kuhmilch gerinnt durch Zusatz aller Säure, und beider Laugensalze, des Magensaftes der Kälber ( Laab), des Alauns, des Eiweißes, der adstringirenden Pflanzen, der Blumen der Disteln, des Laabmegers und zum Theil auch durch Zusatz des Weingeistes, so wie sie auch vor sich durch Anziehung des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft binnen drei Tagen sich schüttet und sauer wird.

Der Rahm sondert sich bei fortgesetztem Schütteln in einer Temperatur, die nicht über 72° Fahr. ist, in einen wässericht käsichten Theil und Butter (butyrum) ab, welche ein sehr mildes Thierfett von süßem, angenehmem Geschmacke ist, bei einer Wärme unter 84° Fahr. fest wird, bei gelindem Feuer zerlassen und von den käsichten Hofen abgegossen, eine körnichte Textur annimmt, und sich dann in der Kälte Jahre lang frisch erhält, starkem Feuer aber ausgesetzt, bei welchem sie kochet braune Butter), erstickende Dämpfe (Fettsäure) ausstößt und eine erhitzende, sehr reitzende Eigenschaft annimmt. Unzerlassen und in der Wärme wird die Butter leicht ranzicht und verändert ihre gelbe Farbe in Weiß, welches durch Vermischung mit Salz und Aufbewahrung im Kalten verzögert wird. Die ungesalzene frische, unzerlassene Butter (Butyrum insulsum) dient vortreflich zu einigen aus dem Stegreif zu bereitenden Salben, und eben so giebt der Rahm (Cremor lactis) von süßer, ungesäuerter Milch ein vortrefliches äußeres Schmeidigungsmittel ab.

Das vorzüglich um die Nieren des Rindes hängende Unschlitt, giebt über gelindem Feuer zerlassen und durchgeseihet, einen weiß gilblichten, ziemlich harten, etwas widrig riechenden Rindstalg (Sebum, Sevum bovinum) welcher ebenfalls zu einigen Salben, wiewohl selten, gebraucht wird. Die Fettsubstanz, welche in den cylindrischen Knochen enthalten ist, giebt über gelindem Feuer zerlassen und durchgeseihet, das weiße fast eben so harte, geruchlose, nicht unangenehm schmeckende Rindsmark (Medulla bovina), ein reines Thierfett, welches äußerlich eingerieben, oder in warmen Tränken innerlich gegeben, zwar schmeidigende und erschlaffende, aber[58] keine stärkenden Kräfte ausübt, wie das Alterthum gewähnt hat, diejenigen ausgenommen, die das Reiben vor sich äußert.

Die Gewinnung und den Nutzen des Magensaftes (liquor gastricus bovinus) sehe man unter Magensaft nach.

Gebräuchlicher noch ist die frisch, und bei sehr gelindem Feuer eingedickte Rindsgalle (Fel tauri inspissatum, bilis bovina spissata) äußerlich, auf den Unterleib gelegt, gegen Würmer, und innerlich gegeben wider die übermäßige Schleimerzeugung, zum Ersatze der mangelnden Galle, und zur Tödung der Eingeweidewürmer.

Man findet in den Gallblasen der Rinder zuweilen Gallensteine (Bezoar Bovis, lapis Alcheron) von der Größe, Gestalt und Ansehn eines hart gekochten Eidotters, aus konzentrischen Lagen zusammengesetzt, die man in ältern Zeiten für alexiterisch gehalten, ohne gehörige Gründe.

Widriger noch ist das Pulver der getrockneten männlichen Ruthe des Stieres (Priapus tauri), welches die abergläubigen Alten in der Ruhr und dem Seitenstich, lächerlicherweise, innerlich zu geben pflegten; aber noch ekelhafter das aus dem Rinderkothe im Mai destillirte Wasser (aqua mille florum, eau de mille fleurs), dessen sich ehedem das Pariser Frauenzimmer als eines Schönheitswaschwassers, Andre aber sogar innerlich als eines harntreibenden Mittels bedienten; unter welchem Nahmen in neuern Zeiten auch der (zu französischen, abführenden Frühlingskuren getrunkene) Kuhharn verstanden worden ist.

Der Rinderblase (vesica bubula) bedient man sich zur Verbindung wohl zu verschließender größerer und der Kälberblase (vesica vitulina) zur Verbindung kleiner Gläser und Gefäße, das Austrocknen und die Verfliegung kräftiger Theile zu hindern; wiewohl alle Blasen allmählich die Feuchtigkeit durchdünsten lassen.

Man verfertigt mehr als Hausmittel, denn als Arzneimittel von der aus magerm Rind- und Kalbfleische stark ausgekochten, allmählich über gelindem Feuer abgedampften Fleischbrühe (die man in der Kälte zu Gallerte gerinnen läßt, in Stücken schneidet und schnell im Luftzuge auf Fließpapier trocknet, so hart als möglich) die sogenannten Suppentafeln (tablettes de bouillon; soupe portable, Gelatina tabulata, sicca) deren man sich zur Bequemlichkeit auf Reisen, im Feldlager und auf dem Lande bedient, wo man die leimartig zähen Stückchen, in kochendem Wasser aufgelößt, statt der frischen Fleischbrühe gebraucht, aber vergeblich von dieser Substanz die Erquickung als von frischer Fleischbrühe erwartet.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 57-59.
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