[7] Nur durch den ungeahnten Erfolg meines Buches: »Drei Jahre im Weiberzuchthaus«1 und durch direkt ausgesprochene Wünsche, die mir mehrfach aus dem Leserkreise zugegangen, bin ich veranlaßt worden, nun auch meine Erlebnisse und Erfahrungen in der Untersuchungshaft zu veröffentlichen und dem Verlangen zu entsprechen, auch dieses Gebiet unserer Strafrechtspflege zu beleuchten, das zwar nicht mehr in solch undurchdringliches Dunkel gehüllt ist wie der Strafvollzug, aber dennoch so dringend der Verbesserung bedarf, daß es an einschlägiger Stelle nicht oft genug in Erinnerung gebracht werden kann.
Unendlich viel Mühe hat es gekostet, die eigentlich selbstverständliche Pflichterfüllung durchzusetzen, unschuldig Verurteilte für die erduldete Strafhaft zu entschädigen. Es ist gut, daß wir endlich soweit sind. Viel zahlreicher indessen als diese immerhin seltenen Fälle sind diejenigen, wo Unschuldige monatelang in Untersuchungshaft schmachten müssen, die mitunter nur einem Übereifer der Polizeiorgane den Ruin ihrer[7] Existenz verdanken und keinerlei Entschädigung dafür beanspruchen können.
Jedoch nicht das allein. Man pflegt die Untersuchungsgefangenen, deren Verurteilung zweifellos scheint, damit zu trösten, ihre lange Untersuchungshaft komme ihnen insofern zustatten, als ihnen ein großer Teil davon als verbüßt von ihrer Strafzeit abgerechnet werde. Abgesehen aber davon, daß zwar ein Teil, jedoch nicht alles abgerechnet wird, so ist die Untersuchungshaft in den meisten Fällen nicht einmal das geringere Übel, am allerwenigsten für die große Masse der Armen, die sich keine Vergünstigungen für Geld zu beschaffen vermögen. Selbst denen aber, die sich solche Erleichterungen bieten können, dient die Untersuchungshaft oft nur zur Vermehrung ihrer Qual.
Die Ursachen dieser vielfach erwiesenen Tatsache klarzustellen ist der Zweck des vorliegenden Buches. Ich sende es hinaus in der Hoffnung, daß es seinen Zweck erreichen, den beabsichtigten Nutzen stiften möge.
Die Verfasserin.
1 | Die sechste Auflage ist erschienen und ca. 50 eingehende Würdigungen der Presse aller Parteischattierungen, sowie eine große Anzahl beistimmender Zuschriften aus den verschiedenartigsten Gesellschaftskreisen liegen vor. Anm. des Verlegers. |