Gesellschaft geben.

[44] Eine Gesellschaft zu geben ist meistentheils mehr eine Pflicht als ein Vergnügen, aber sieht man, daß alles gut ausfällt, die Gäste froh und heiter sind, wird der Gastgeber gewiß eine Befriedigung für die gehabte Mühe und Sorge empfinden.

Der gesellschaftliche Verkehr erfordert, daß wir diejenigen Menschen, die uns bei sich zu Gaste gehabt, wieder zu uns einladen. Ferner pflegt man diejenigen[44] Personen einzuladen, die uns zuerst einen Besuch gemacht haben oder denen man durch die Einladung eine Aufmerksamkeit erweisen will.

Zu kleineren Gesellschaften sucht man einen Kreis von Menschen zusammen zu laden, die sich untereinander kennen, oder in ihren äußeren Verhältnissen, sei dieses nun Alter, Stand, Interessen zueinander passen. Ost eine schwere Aufgabe, um so mehr, als es auch unsere Pflicht ist, nicht nur durch Speise und Trank, sei dieses noch so auserwählt, für die Gäste zu sorgen, sondern weit mehr noch für ihre Unterhaltung und ihr Behagen.

Da heißt es nun für Jeden den richtigen Platz finden, die Menschen zusammen zu setzen, die sich gut mit einander verständigen werden, oder sich kennen, oder kennen zu lernen wünschen.

Es empfiehlt sich, sobald der Kreis nicht zu groß ist, dahin zu streben, die Unterhaltung so zu leiten, daß Alle daran Theil nehmen können. Gute Erzähler muß man veranlassen, uns etwas mitzutheilen, schüchterne Leute soll man ermuntern oder, indem man sie anredet, in die Unterhaltung ziehen.

Die Einladungen zu einer größeren Gesellschaft hat man stets einige Tage vorher schriftlich oder durch den Diener, die Dienerin, ergehen zu lassen. Doch muß man sich in dieser Beziehung nach der Sitte des Ortes, in dem man lebt, richten.

Giebt man eine Gesellschaft von Herren und Damen, so ergeht die Einladung von dem Herrn und der Frau des Hauses. Unter anderem: »Herr und Frau P. lassen sich die Ehre ausbitten, von Herrn und Frau von B. nebst zwei Fräulein Töchtern auf den und den Tag zu Spiel und Tanz.«

In gleicher Weise erfolgt die Einladung an einzelne Damen oder Familien ohne Herren, sowie an einzelne Herren. Immer erläßt Herr und Dame des Hauses gemeinsam die Einladung.

Bei einer Gesellschaft, die ausschließlich aus Damen besteht, wird die Frau allein, dort wo nur Herren gewünscht werden natürlich auch der Mann allein einladen lassen.[45]

Zu einem Diner oder Souper werden selbstverständlich nur so viel Menschen eingeladen, als man bequem setzen kann, oder die Anzahl, für die man ausreichendes Tafelservice besetzt. Auch sucht man möglichst ein gleichmäßiges Verhältniß zwischen Herren und Damen herzustellen.

Die Zimmer müssen rechtzeitig zum Empfang der Gäste bereit sein, gut durchwärmt, erhellt, die Möbel entsprechend geordnet, das zur Bewirthung Bestimmte wohl zubereitet oder so arrangirt, daß die Dienstboten wissen, was sie zu thun haben und die Köchin alles Erforderliche in Händen hat. – Nichts ist unpassender als wenn Wirth oder Wirthin immerfort mit Fragen belästigt oder gar abgerufen werden, um helfend einzugreifen. Sollte es aber ja vorgekommen, daß über irgend etwas eine Auskunft vom Dienstpersonal verlangt wird, so hat die Anfrage so unbemerkt und leise als möglich zu geschehen.

Zum Ablegen der Garderobe ist für die Gäste ein Raum anzuweisen und sollte es auch nur der Corridor sein, den man durch einen Garderobenhalter und einen Tisch mit Toilette oder Spiegel, nebst ein Paar Lichtern zur Seite, entsprechend hergerichtet hat.

Zum Empfang der Gäste muß ein dienstbarer Geist bereit sein, der ihnen hilft sich der schützenden Umhüllungen zu entledigen und sie dann, die Thür zum Empfangzimmer öffnend, eintreten läßt. Hier in der Nähe der Thür haben sich Wirth und Wirthin aufzuhalten, um die Ankommenden zu begrüßen und verlassen diesen Platz erst, wenn die Gesellschaft nahezu versammelt ist.

Der Dame des Hauses unbekannte Herren sind vom Gemahl ihr vorzustellen. Ihm unbekannten Damen läßt er sich vorstellen und muß dieses sofort beim Eintritt der Gäste geschehen.

Geht man zur Tafel, bittet der Wirth die Herren, eine Dame zu Tisch zu führen; noch besser ist es, wenn er jedem Herrn die ihm bestimmte Dame nennt, die dann auch, wie auf jedem Couvert ausgelegte Zettel andeuten, seine Tischnachbarin ist. Der Herr des Hauses[46] giebt das Zeichen, indem er der vornehmsten Dame oder derjenigen, die er besonders ehren will, den Arm bietet und sie an seiner rechten Seite Platz nehmen läßt. Der vornehmste oder älteste Herr erhält den Platz neben der Wirthin.

Das Anbieten des Weines, der sich bei jedem Couvert der Herren befindet, müssen diese übernehmen. Sie fragen ihre Nachbarin, welche Sorte sie zu trinken wünsche, und nachdem sie sich selbst das erste aus der Flasche, das zuweilen Kork- oder Lackstückchen enthält, eingeschenkt haben, versorgen sie ihre Damen.

Die Speisen werden von der Bedienung herumgereicht und zwar ist sie dahin zu instruiren, daß alles links präsentirt und auch den Gästen so nahe gehalten wird, daß sie bequem davon nehmen können. Von rechts werden die Teller gewechselt.

Als Regel bei der Tafel in Gesellschaft gilt dasselbe, was ich schon in einem früheren Capitel besprochen habe, doch füge ich noch hinzu, daß es Gebrauch ist, beim Fisch nicht das Messer zu nehmen, sondern nur mit Brotrinde und Gabel denselben zu zertheilen.

Es giebt Gesellschaften, bei denen die Toaste (sprich Toost) oder zu Deutsch Gesundheiten unerläßlich sind, wie bei Hochzeiten, Kindtaufen, Zweckessen u.s.w. Zugleich liegt es dabei aber den älteren und angeseheneren Herren ob, – Damen bringen nur ausnahmsweise und dann stets in heiterer Laune Gesundheiten aus, – die sogenannten officiellen Gesundheiten auszubringen, nicht aber irgend welchem Grünschnabel in der Gesellschaft. Die zur Feier des Tages gebotenen Toaste gehen allen übrigen voran und hat man auch mit Aussprechen der besten und schönsten Einfälle bis nach Erledigung dieser Pflicht zu warten. Der Familie ferner stehende Personen haben stets erst im weiteren Verlauf der Tafelfreuden das Wort zu ergreifen, wenn sie nicht gegen die gute Sitte verstoßen wollen. Daß man bei dem Ausbringen eines Toastes wohl vorbereitet ist, nöthigenfalls die dazu gedichteten Verse in der Hand hält, mm sie, wenn alle Fassung mangelt, ablesen zu können, halte ich für sehr rathsam. – Dinge, die irgend Jemanden[47] in der Gesellschaft peinlich berühren können, oder unzart sind, müssen selbstverständlich vermieden werden. Dahin rechne ich auch das Citiren von Verstorbenen, was stets zu Thränen Veranlassung giebt und unangenehm in die frohe Stimmung eingreift.

Ein hübscher Gebrauch ist es in Norddeutschland, der wohl von England herstammt, daß vor dem Tranchiren des Bratens der Herr die Gabel hineinsteckt und dann das Wohl der Damen ausbringt. Will er dabei etwas Hübsches, Poetisches oder Lustiges sagen, wird ihm das schöne Geschlecht sehr dankbar sein, macht er es aber wie jener Student, der in fröhlichem Uebermuth, und, wie zur Erklärung hinzugefügt werden muß, im Kreise naher Verwandter, die Worte rief: »Meine Herrschaften, bei diesem Kalbe gedenken wir der Damen!« so wird wohl Jeder dieses wenig galant, oder besser gesagt, recht grob finden.

Das Zeichen zum Aufbruch der Tafel hat die Hausfrau zu geben und zwar wird sie mit gutem Tact nicht gerade einen solchen Augenblick dazu wählen, in dem die Unterhaltung besonders lebhaft ist. Sollte diese indessen um politische oder religiöse Meinungsverschiedenheiten sich drehen, ist es geboten, durch rasches Aufstehen dem Gespräch ein Ende zu machen. Immer muß der Gedanke festgehalten werden, daß man eine Gesellschaft giebt, damit die Gäste sich amüsiren, nicht aber sich ärgern sollen.

Die Gastgeber haben sich im übrigen den Wünschen ihrer Gäste unterzuordnen, und zeigen dieselben keine Luft, auf irgend etwas zur Unterhaltung Geplante einzugehen, darf man nicht darauf bestehen, sondern hat sich dem zu fügen, was die Besuchenden vorschlagen.

Niemals werden die Wirthe sich erlauben, Empfindungen der Abspannung, Müdigkeit oder Verstimmung zu zeigen. Sie müssen gleichmäßig höflich und aufmerksam für jeden Theilnehmer der Gesellschaft sein. Wie angenehm ist es, wenn es nachher heißt: »Welch' anmuthige Wirthin war die Frau N.N. – mit welcher Umsicht und Liebenswürdigkeit sorgte Herr Z. für seine Gäste.«[48]

Was nun die Bewirthung als solche betrifft, so bemerke ich nur, daß dieselbe ausreichend und von guter Qualität sein muß, verweise im Uebrigen aber auf die verschiedenen Kochbücher, die darüber Auskunft geben, und auf die Gebräuche des jeweiligen Ortes oder Kreises, in dem man lebt.

Im Ganzen gilt es nicht für fein, wenn Einer dem Andern an Luxus der Speisen und des Weines zu überbieten strebt, er bringt dadurch die Personen in Verlegenheit, deren Verhältnisse es ihnen nicht erlauben, es ihm gleich zu thun. Man kommt ja nicht zusammen um zu essen oder zu trinken und wenn dieses bei Vielen auch leider der einzige Zweck hierbei ist, so dürfen sie es doch nicht eingestehen.

Bei einer kleineren Gesellschaft oder einem Damenkaffee werden die älteren oder vornehmeren Damen den Sophaplatz erhalten, dem sich die übrige Gesellschaft entsprechend anreiht.

Hat man zwei Tische zu besetzen, so wird nicht Rang und Stand, sondern das Alter dabei berücksichtigt sein.

Es ist überhaupt immer gut, daß man die Jugend zu der Jugend bringt, denn »Gleich und Gleich gesellt sich gern.«

Manche der Gäste werden, indem sie sich empfehlen, für den vergnügten Abend, den hübschen Nachmittag, ihren Dank aussprechen. Darauf gehört die Antwort: »Es ist mir eine große Freude gewesen«, – oder »ich habe zu danken für ihren Besuch.« – Aber ich will gern eingestehen, daß ich diese Redensarten zu den überflüssigen zähle und nicht einmal fein finde. Dabei denke ich an meine Kindheit, wo mir eingeprägt wurde, beim Fortgehen aus einer Kindergesellschaft der Mama der kleinen Freundin auch hübsch zu danken. Alle kleinen Gäste gaben dann jener die Hand mit den stereotypen Worten: »Adieu, ich danke auch.«

Etwas anderes ist es, wenn man eine neue Bekanntschaft gemacht hat und nun, beim Auseinandergehen, sich irgend etwas Verbindliches sagen will. Da erklärt der Eine: »Es ist mir sehr angenehm gewesen!«[49] – worauf der Andere nicht blöde lächelnd »o bitte!« sagt, sondern: »Es war mir gleichfalls eine Freude!« War es aber dem Ersten eine Freude gewesen, so war es mir angenehm. In der Abwechselung dieser beiden Formen kann ich mich stets aus der Affaire ziehen und einen oft verlegenen Abschied erleichtern.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 44-50.
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