Viertes Kapitel

[65] Nun waren wir verheuratet und brachten einunddreißig Jahre, sieben Monate und fünf Tage zusammen. Mein Weib hat mir die von ihrer sel. Mutter ererbte 500 fl. Hauptsache und in Mobilien eine Polsterziehe, ein Unterbett, ein Pfännl und eine Hanfhächl zugebracht. Mein Hausrat war, wie vor gemeldet, ein Mehltrüchel, ein Mehlwändl und ein Schmalzemmerl. Außer den Hochzeitgeschenken, welche mir die Stiftsfräulen zu Hall machten, habe ich noch allda bekommen ein ganzes Bett, zwölf geräucherte Schinken, einen Wiener Metzen geröttelte Gerste, acht Pfund Butter, einen Wiener Metzen weizenes Mehl, einen kupfernen Hafen zum Brandweinbrennen, ein Wachsstöckl, von Rosenkränzen und Bildern einen ganzen Lärm, einen Windling, eine Beißzange, ein Hämmerl und ein Leimpfännel. Nur wurde ich von gehörten Fräulen wegen dem bedauert, daß ich so jung geheuratet habe.

Wir lebten beisammen in Liebe und Unschuld vierzehn Tage und hatten noch einige Überbleibseln von unsrer Hochzeit. Eines Tages auf dem Abend waren wir ganz allein und vergnügt beisammen, aßen eine kleine Schüssel voll Schmarren, tranken zwei Fräckele Brandwein und gingen miteinander schlafen: Courage! wir bekamen in der Nacht den ersten Prozeß. Dem Tag darauf beim Mittagessen konnte ich sie und sie mich aus Schamhaftigkeit nicht anschauen. Wir hausten nun je länger je lieber friedlicher und einiger fort.

Endlich starb meines Vaters Schwester, meine sel. Fräule Tante. Diese wurde ehrlich begraben und hinterließ ein ansehnliches Vermögen von acht französischen Talern;[66] unser waren acht lebende Geschwisterte, mithin bekam ein jedes einen Taler, und diese war meine erste Erbschaft. Ich verlegte mich wieder auf meine Öl- und Theriak-Handelschaft und ging mit einem Briefe von der alten Gräfin Fugger auf das Land durch Baiern ins Schwaben nach Augsburg.

Es war eben um die Zeit, als der Bischof von Freysing und Regensburg, itziger Kurfürst von Trier, unter dem Prinz Joseph von Darmstadt, als Bischof von Augsburg, zum Koadjutor erwählt wurde. Ich wurde durch den Baron von Zech, als Oberststallmeister zu Augsburg, welcher ein geborner Tyroler und mein Landsmann war, bei Hofe aufgeführt. Der Bischof Joseph war der gemeinste, aufgeräumteste und liebenswürdigste Herr; er gewann mich lieb, so daß ich täglich in der Residenz bei der Tafel erscheinen mußte. Es war alle Tage große Tafel; ich sah den Kurfürst von Trier, und das Koadjutorwerden freuete mich herzlich; ich gab auch deswegen keine Ruhe und sammelte von den Domherren die Vota: ich bekam deren dreizehn und kaufte mir zu dem Ende ein Schwäbischgmünder Kreuzl. Eines Abends wurde in der Gesellschaft zu meiner Koadjutorweihe zugerichtet.

Zu dem Ende wurde ein Stuhl in die Mitte des Zimmers gestellt: ich bekam einen Schurz um die Mitte, einen langen Bart von Flachs, eben eine solche Bischofshaube, und also setzte ich mich auf den Stuhl.

In mein Maul steckten sie mir einen silbernen Teller, mein langer Bart hing unten hinaus, und ich mußte noch in jeder Hand eine brennende Kerze halten.

Nun ging der Zug um mich herum an, wobei ein jeder eben eine brennende Kerze in der Hand hatte. Einer hatte den Schwangkessel in den Händen, welcher mit[67] Wasser gefüllet war, um, wenn es sollte brennend werden, zu löschen.

Sie gingen um mich herum, sangen und opferten mir ein jeder auf meinem in dem Maul gehaltenen Teller etwas, bis gähling einer mit seinem Lichte mir in den Bart kam, welches ich wegen dem Teller nicht sehen konnte. Flugs fuhr die Flamme in meine Bischofshaube, weil Bart und Haube aneinander hingen; ich warf eilends Leuchter, Geld und Teller weg und hatte zu wehren, daß ich das Feuer von mir bringen konnte. Der Greiffenklau aber, welcher mit dem Wasser im Schwangkessel die Flamme löschen sollte, kam so ins Lachen, daß er den Kessel samt dem Wasser fallen ließ. Mir aber hat die Brunst meine Haare, Ohrwäschl und den ganzen Kopf so verbrannt, daß große Fetzen Haut herunterhingen.

Einer lag dort, der andere da, vor lauter Lachen, und ich war in der Mitte, wohl ein barmherziger Koadjutor. Ich ließ mich in meinem Leben um die ganze Welt nicht mehr so weihen und wollte lieber zu Hause noch natürliche Schafe hüten. Die Herren kamen endlich wieder zu sich und klaubten mir das Opfer zusammen, welches bei 13 fl. war.

Ich wurde sodann zum Hof-Chirurgus geschickt, welcher mich verband und heilte. Der Fürst-Bischof Joseph schenkte mir für die Weihe eine Carolin. Ich logierte und blieb noch einige Tage bei der Frau von Stauffenberg (welche eine geborne Ulmin und dero Bruder Gänßvogt zu Landsberg war) zu ebner Erde allein in einem Zimmer und hatte den Schlüssel täglich bei mir, weil ich von Jugend auf sehr furchtsam und flüchtig vor den Gespenstern war.

Auf einem Abend nach der Tafel bedankte ich mich und[68] gab jedem gute Nacht, pfiff über die Stiege hinunter und ging meinem Zimmer zu. Allein wie erschrak ich! Als ich die Tür aufmachte, sah ich ein Kruzifix, zwei brennende Lichter neben meinem Bette und einen Toten mit einer Schlafhaube darin liegen. Ich fiel schon unter der Tür zurück, als wenn mich ein Donner niedergeschlagen hätte, kroch über die Stiege hinauf und getrauete mir aus Furcht nicht mehr aufzustehen.

Die Herrschaften waren oben auf der Stiege und sahen mir zu. Sie lachten erstaunlich, führten mich mit Gewalt wieder hinunter und zeigten mir, daß es nur ein eingepuderter Peruquenstock war. Auf dieses ließ ich mich befriedigen und blieb noch etliche Tage im Hause, weil es so eine gute Herrschaft war; ging alsdann nach Dillingen und kam zu Ellwang an, wo der Fürst Anton Ignaz, ein geborner Graf Fugger von Innspruck aus Tyrol, war.

Ich ließ mich beim Hofmarschall von Schwarzach melden, ich kam nach Hof, übergab dem Fürsten den Brief von seiner Mutter, welcher deswegen eine große Freude hatte; er hieß mich Landsmann und willkomm sein und sagte, daß ich der erste Landsmann sei, der zu ihm gekommen wäre; er erlaubte mir eine Weile bei ihm am Hofe zu bleiben, allwo ich ausruhen und mich satt füttern sollte. Ich nahm es mit Freuden an, und es wurde mir gleich vom Hoffourier ein Zimmer angewiesen, wo ich logieren und schlafen konnte. Zu essen und trinken hatte ich mit der Dienerschaft in der Thiernitz, ich blieb beiläufig drei Monate lang, und das Hofleben gefiel mir. Ich kam unter dieser Zeit alle Tage zur fürstl. Tafel, wo mich alle Herrschaften und auch die Dienerschaft gern hatten, sich alle mit mir unterhielten und an[69] meiner Aufrichtigkeit ihre Freude zeigten. Der Fürst, mein Landsmann, war der beste, frömmste und gemeinste Herr, ich glaube vom ganzen Deutschland; dieser hatte auch seine Freude und fragte mich um alles aus; ich erzählte ihm täglich etwas, absonderlich von Wien, von der Kaiserin, von seiner Mutter und Geschwisterten aus Tyrol, welches er gerne hörte und mir erlaubte, daß ich ihn alle Jahre besuchen und zu ihm kommen därfte.

Eines Tages unter dieser Zeit kam ich zum Kaufmann Zucki; allda wurde ich mit dem Domherrn Graf Kümburg bekannt; dieser bestellte zuerst neun Dutzend glasierte Innsprucker Frauenzimmer-Handschuhe. Nun fing meine neue Handelschaft an. Ich ging fort, und der Fürst schenkte mir zu meinem neuen Hauswesen eine Beisteuer von 8 Maxd'or; er wußte aber nicht, daß ich schon verheuratet war; er gab mir auch einen Brief an seine Mutter nach Innspruck.

Ich ging nach Haus, fand allda bei meiner liebsten Maidäl was Junges und also wußte ich, daß ich schon Papa war. Wir brennten zu Hause miteinander Brandwein; ich ging über eine kurze Zeit nach Innspruck und übergab den Brief des Fürsten seiner Mutter, welche ebenfalls eine große Freude hatte. Mit dieser Gelegenheit wurde ich zu Innspruck bei allen Herrschaften bekannt, die mich alle wohl leiden konnten.

Allda ging ich zu einem Säckler, mit Namen Veit Mohr, und bestellte mir Handschuhe; weil er mich aber nicht kannte und ich so viel bares Geld nicht hatte, so wollte er mir nichts borgen. Ich logierte beim Hrn. von Findler, welcher ein alter, gütiger und ehrlicher deutscher Kavalier war; diesem erzählte ich meinem Zustand, er schickte[70] sogleich seinen Bedienten zum Säckler und bürgte mir die Handschuhe aus. Es war eine sehr gute Herrschaft, so mir auf mein ehrliches Gesicht trauete. Ich ging mit den Handschuhen nach Hause und von da aus über eine kurze Zeit ins Reich und kam mit dieser Ware nach Ellwang, verkaufte die bestellte neun Dutzend dem Graf Kümburg, und kam nach Hofe, wo mich der Fürst wieder gern sah, mich eine Zeitlang bei sich behielt und nachher auch beschenkte.

Von da aus ging ich nach Grallzheim und Hollobartenstein, logierte allda beim Wirt Kostmayr und kam dem Tag darauf mit meiner Handelschaft nach Hof. Der Fürst und die Fürstin, welche eine sehr gnädige Herrschaft waren, gingen mit andern Herrschaften bei mir vorbei, redeten mich an, und ich wurde zur Tafel gerufen. Der Fürst und die Herrschaften waren sehr gnädig, unterhielten sich mit mir: ich bekam meine Kost bei Hofe, und im Wirtshause wurde mir das Schlafgeld bezahlt.

Ich hielte mich beiläufig acht Wochen in Bartenstein auf; denn es ging mir wohl, und die Herrschaft hatte mich gern. Eines Tages nach der Tafel sagte der Fürst zu mir bei einem Fenster: »Hör, Peterl! Heut kömmt der Fürst von Schillingsfürst, wir wollen einen Spazierritt machen und ihn empfangen.« Ich freute mich, und der Spazierritt war mir sehr recht. Darnach fing es aber an zu regnen, als wenn der Himmel offen gewesen wäre; der Fürst sagte zu mir: »Bei solchem Wetter reite ich nicht, reit du allein und empfang den Fürsten bei Blauenfeld in meinem Namen.« Ich hatte von Ellwang ein grünes Röckl an, mit von roten Bändern auf dem Buckel genähten H und W, einen grünen Spitzhut und ein hölzernes[71] Seitengewehr, welches ich Sarras oder Gottfriedl nannte. Mir war das Fürstenempfangen sehr lieb und ich ging deswegen in den Stall, wo eine prächtig aufgeputzte braune Stute stand, welche alleweil roßte, nie aufnahm und sehr kützlich war.

Es war um St. Johanni; das Roß war mit einem schönen Schellgeschirr und einem Sattel angetan. Ich wollte dem Pferde schön tun, aber man verwehrte es mir. Die Stallleute hoben mich darauf, banden mir die beiden Knie an dem Sattel fest, führten mich zum Stall hinaus, und ich ritt hoffärtig durch die Residenz und das Städtl hinaus bis zum Tor. Meine Reiterei ging sehr gut, solange die Häuser dauerten. Reiten konnte ich zwar nicht viel. Wir kamen bis vors Tor, pumbs, da stand es wie ein Stock; ich wollte es treiben, allein das Pferd wies mir was anders: es schlug so derb hinten aus, saichte und farzte und schützte mich so in die Höhe, daß, wenn man mich nicht angebunden hätte, ich gewiß drei Klafter weit geflogen wäre. Wieder hinauf in die Höhe, wieder herunter, biff, baff, ich verlor meine Peitsche, Zügl, Hut, Stock, Sarras und meinen Verstand.

Nun saß ich entwaffnet auf meinem Pegasus, welcher jämmerlich ausschlug; er setzte das Maul auf seine Brust, lief mit mir über Stock und Stauden gegen Blauenfeld zu. Ich war nicht mehr bei mir selbst und saß auf dem Pferd wie ein Ausgebalgter auf einem Hügel, reckte den Kopf in die Höhe und schrie: »I-ha-ha-ha!« Flugs kehrte es wieder mit mir um nach Bartenstein zum Stalle; ich wußte aber nicht mehr, wo ich war. Man band mich los, hob mich herunter und trug mich sogleich ins Wirtshaus zum Kostmayr, wo man mir geschwind eine Ader öffnen und ich drei Wochen im Bette[72] liegen mußte. Ich wurde (Gott sei gedankt) wieder besser, und hernach vom Fürsten ehrlich beschenkt. Ich verkaufte allda meine noch übrigen Handschuhe.

Von da aus begab ich mich zu meiner Liebsten nach Hause, welche mich, wie es leicht zu erachten, als ihren Liebsten empfangen. Nach einigen Tagen ging ich nach Innspruck und bezahlte meine auf Kredit genommene Lederware. Itzt borgte mir der Säckler schon selbst so viel als ich wollte; ich nahm auch wieder Handschuhe und dergleichen Waren aus und ging damit aufs Land.

Weil aber in Baiern der große Akzis aufgekommen ist, so konnte ich allda nicht mehr handeln. Wir gingen durch München: denn meine Liebste, wiewohl sie schwanger war, war auch bei mir. Da kam ich zum Graf Seinsheim, welcher mich fragte, wo ich hinging. Ich sagte, ins Reich mit Tyroler Handschuhen; er sagte, ich sollte auf Würzburg reisen, es sei der Fürst sein Bruder, er gäbe mir einen Brief an ihn. Ich nahm den Brief willigst und mit Freuden an und ging mit meinem Weibe über Donauwörth, Grallzheim und Mergenthal, allwo ich nach Hof kam und viele junge Kavalier als Novizen waren. Der Herr von Epting war Statthalter; der Prinz Karl, als Deutschmeister, war auch mit seinem Hofstaat da; ich kam öfters zur Tafel: der Prinz Karl und die deutschen Herren waren lustig und ich auch; denn Essen und Trinken hatte ich genug, ich mußte oft aus dem gläsernen Jägerhorn trinken, von welchem ich manchesmal einen Rausch bekommen habe.

Es war ein Aff bei Hofe, der Schmiedl hieß; mit diesem hatte ich oft eine Bataille, denn sie hatten ihn mit Fleiß wider mich passioniert gemacht. Einsmals bei der Tafel sagte der Prinz Karl zu mir: »Heute mußt du den[73] Schwanen eine frische Streue ins Nest bringen.« – Ich sagte: »Ich kann nicht fahren.« – »Es fährt schon ein Bedienter mit dir«, sprach er.

Nach der Tafel war eine kleine Zille mit einem Bund Stroh geladen vorhanden. Wir fuhren auf einem kleinen Weiher hinein zum Neste, es war sonst niemand zugegen; der Bediente sagte zu mir: »Steig ins Nest hinüber und mache die Streue.«

Ich stieg hinüber und wollte Streue machen: witsch, war er mit der Zillen davon. Nun war ich allein im Neste. Gleich erschien der Prinz Karl mit allen Kavalieren und Novizen. Alles lachte über diesen Stockfisch im Weiher und wurfen mir mehr als zwanzig papierne Handgranaten hinein; da ich dergleichen in meinem Leben noch nicht gesehen habe, glaubte ich, eine jede solcher Kugeln würde mich totschlagen.

Ich machte Sprünge und, da ich aus dem Weiher nicht heraus konnte, machte ich mit meinem Springen und Wüten das ganze Nest von den Pfählen los; also kam ich endlich damit zum Gestade. Ich war nicht wenig müd und froh, daß ich diesesmal noch mit dem Leben davon gekommen war.

Ich blieb noch etliche Tage und verkaufte Handschuhe. Herr von Lehrbach, Landkommandeur zu Ellingen, Bubenhof und Zobl waren meine besten Kameraden und hatten mich recht gern. Der Prinz Karl beschenkte mich auch, und sodann reiste ich nach Würzburg. Ich erfragte unterwegs, daß meine sogenannte Mutter von Disching und Regensburg, die gewesene Frau geheime Rätin von Kirchmayr, itzige Madame Decos, Oberstpostmeisterin zu Würzburg sei. Alsogleich ging ich zu ihr hin, auf dem Graben in des Hrn. Burg seinem Haus, auf das[74] Postamt. Sie verwunderte sich sehr und hatte ein große Freude, mich zu sehen; erlaubte mir auch gleich, bei ihr im Hause zu logieren und mit ihr an ihrem eigenen Tische zu speisen. Bis gegenwärtige Zeit noch tut diese mehr Gutes an mir als manche Mutter ihrem eigenen Kinde. Ich erfragte auch, daß der Fürst zu Wernegg auf der Jagd oder dem Lustschloß sei. Ich ging mit dem Brief des Grafen Seinsheim nach Wernegg.

Unweit Geldersheim begegnete mir die Wurst von der Dienerschaft; ich fragte, welcher der Fürst wäre? Sie sagten, er käme erst in der dritten Chaise; ich ging also fort. Es kamen sechs sechsspännige Chaisen; der zweite war ein Schimmelzug; ich fragte noch einmal, und zwar den Kutscher. Der hintere Schimmel rechter Hand aber reckte den Schwanz in die Höhe und deutete mir mit diesem zurück. Ich glaubte es dem Schimmel, daß in der nächsten Chaise der Fürst sei, sprang hinzu, gab meinen Brief hinein, und es war wirklich der Fürst Adam Friedrich darin. Dieser fragte mich: »Wo kommst du her?« – »Aus Tyrol und von Baiern.«

Er schuf dem Oberststallmeister von Welten, man sollte mich hinten aufstehen lassen und mich mit in die Stadt nach Hof bringen. Ich kam nach Hof, und der Kammerfourier Spielberger wies mir ein Zimmerl neben der Pagerie an. Ich kam dem Tag darauf in den Marschallsaal, wo ich zu essen und trinken bekam. Der Herr Hofmarschall von Gebssattel sagte mir, ich sollte mich gefaßt halten, denn der Fürst werde mich holen lassen.

Wie das Konfekt hinein war, kam der Hoffourier, machte sein Kompliment, meldete es und ließ mich hinüberführen zur fürstl. Tafel.[75]

Der Fürst grüßte mich und fragte mich um alles aus: wegen Wien und der Kaiserin, wie alt ich sei, warum ich so jung geheuratet habe und wie viel ich zu meiner Haushaltung des Jahrs hindurch brauche.

Der Fürst gewann mich lieb; er sagte, ich sollte eine Zeitlang bei ihm bleiben und versicherte mich, daß es mir nicht übel gehen werde. Alle Herrschaften in Würzburg liebten mich, und dieser ist mit der Zeit mein bester Hof im ganzen Deutschland geworden. Ich war frei im Handel und Wandel, hatte bei der Knaben- und Kavalier-Tafel mein Essen und Trinken, mein Pferd stund beim freien Futter im Hofstall und mein Hofmeister hatte sein Essen und Trinken in der Ritterstube. Der Fürst ging nach Bamberg, nahm mich mit sich hinten auf seiner Chaise, unter dem Titel als Nachtstuhlverwalter; denn ich war der erste Kammerherr von hinten, und wenn unterwegs etwas passierte, so mußte ich mit meiner Chatouille herunter und auspacken. Das war meine ganze Verrichtung. Und wer den Adam Friedrich gekannt hat, der weiß selbst, was er für ein liebenswürdiger Herr gewesen ist. Er liebte Aus- wie Inländer und, wenn alles lustig, aufgeräumt und wohlauf war, hatte er seine größte Freude dabei. Alle Fremde, die nur nach Würzburg kamen, empfingen alle erdenkliche Ehren und Lustbarkeiten.

Bei diesem Fürsten nun mußte ich hernach alle Jahre sechszehn Wochen bleiben, und wenn er nicht selbst in der Narretei besser erfahren gewesen wäre als ich, so wäre es mir manchesmal übel ergangen. Manchesmal hatte ich nicht viel vorrätigen Spasses bei mir; aber der Fürst suchte so lang und viel, bis wir endlich auf einen Diskurs gekommen, bei welchem er öfters so gelacht[76] hat, daß ihm die Tränen aus den Augen quollen. Es leben noch Herrschaften genug, die davon Augenzeugen gewesen sind und mir es noch attestieren, auch mich manchesmal bedauern, daß diese Zeiten vorüber sind. Er gab mir so viel, als ich gesagt habe, daß ich zu meiner Haushaltung brauche. Er war ein frommer, auferbaulicher und wahrer Bischof; er war Soldat, Jäger, Musikant, Baumeister, Gärtner und ein wahrer Vater aller seiner Untertanen, so daß er in Würzburg und Bamberg unsterblich ist.

Ich hatte die höchste Gnade, in achtzehn Jahren allemal eine Zeitlang um ihn herum bei Hofe zu sein, und kann mich rühmen, daß er mir öfters sagte, wenn ich nach Hause ging: ich sollte Gott vor Augen haben, mich gut aufführen und bald wieder kommen. Es freue ihn nur dieses, daß von keinem Menschen aus seinem Hofstaat jemals eine Klage von einer Schwätzerei oder sonst was über mich eingelangt sei und daß mich alle Menschen leiden könnten, wie doch sonst gemeiniglich das Widerspiel aus Mißgunst oder Neid sich bei den Höfen zuzutragen pflegt.

Ich und mein schwangeres Weib gingen nun von Würzburg fort, kamen nach Ochsenfurt und erfragten, daß unweit von hier, nämlich zu Anspach, auch ein Fürst und viele Herrschaften wären. Wir gingen von Uffenheim Anspach zu; da wir auf Lehrberg kamen, wie erschraken wir! als wir hörten, daß zu Anspach alles lutherisch sei. Wir gingen mit Furcht und Zittern dahin und fragten bei dem Stadttor die Wache, ob kein Wirtshaus in der Stadt sei, wo Katholische oder Handelsleute einkehrten, weil wir uns vor den Lutheranern allzusehr gefürchtet haben und noch niemal in ein lutherisches[77] Ort gekommen sind. Wir bekamen die Antwort: beim Schwarzen Bären.

Hier fanden wir zu unsrer größten Freude drei tyrolische Handelsleute, nämlich den Knittel, Stier und Zitronenmelcher, wie auch einen katholischen Burger, Lambert, aus Tyrol.

Sie freuten sich wie wir, daß wir als Landsleute einander sahen, zahlten meinem Weibe gleich eine Maß Tyrolerwein und darauf gingen wir schlafen. Dem andern Tag aßen wir zu Mittag; mein Weib war schön, und hatte deswegen allerhand Ansprachen; denn es waren allerlei Kostgänger im Hause. Unter andern auch der Kammerdiener vom Herrn von Lehrbach, Deutschherrn von Mergenthal; dieser kannte mich, und sagte es seinem Herrn, welcher es dem Markgrafen hinterbrachte. Wir hatten noch neun Dutzend Handschuhe. Ich wurde nach Hof geholt, und mein Weib ging auch furchtsam mit mir; wir wurden in einen Saal geführet, wo die Herrschaften in einer Gesellschaft beisammen waren.

Der Markgraf und die Markgräfin grüßten uns, wir küßten ihnen die Kleider; beim Pharaotische legte ich meine Ware aus; die Herrschaften paschten mir die Handschuhe aus, soviel ich hatte, und sie wurden mir alle miteinander ehrlich bezahlt. Es kam ein Herr mit einer Geige und spielte darauf, und der Markgraf schuf, daß ich mit meinem Weibe tanzen sollte; dieses geschah auf unsere Manier und verursachte großes Gelächter. Es wurde nun zur Nachttafel zugerichtet, und der Markgraf und die Markgräfin ruften uns hinein.

Da bekamen wir zu essen und zu trinken und unsere Taschen voll Konfekt und Gebackenes.

Wie sehr erfreuten wir uns, unsere Handschuhe verkauft,[78] Essen und Trinken genug genossen zu haben und daß es unter Lutheranern auch so gute Herrschaften giebt.

Wir dankten beide dem vorsichtigen Gott. Wir blieben noch etliche Tage und gingen alsdann mit Freuden nach Hause.

Quelle:
Prosch, Peter: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tyrolers von Ried im Zillerthal, oder Das wunderbare Schicksal, Geschrieben in den Zeiten der Aufklärung, München 1964, S. 65-79.
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