|
Hier wär mein ganzer Lebenslauf.
Ihr Herren und Frauen nehmt ihn auf
Mit Gunst und hohen Gnaden.
Wenn dort und da ein Fehler ist,
Und sich das Ding nicht zierlich liest,
Wirds doch dem Buch nicht schaden.
Ein Autor bin ich wahrlich nicht,
Hab weder Reime, noch Gedicht
Mein Leben durch gekritzelt:
Und schrieb ich so mein Leben hin,
So war der Stil nach meinem Sinn
Tyrolerisch geschnitzelt.
In unsrer aufgeklärten Zeit
Kann meines Lebens Seltenheit
Vielleicht noch manchem dienen.
Er steck die Nase nur hinein;
Sie wird ihm wahrlich nützlich sein:
Denn er wird manches innen.
Ich bin kein eitler Spatzifing:
Es ist ein wunderliches Ding
Gewiß ums Menschenleben;
Der viel auf Glück und Schicksal baut,
Ist wahrlich eine arme Haut
Und muß viel Lehrgeld geben.
Dem setzt das Glück den Lorbeer auf,
Den hebt es auf den Thron hinauf,
Dem gibt es eine Kappe;[9]
Dem Haselnüsse, dem ein Reich.
Und doch sind alle Menschen gleich,
Der Doktor wie der Lappe.
Wenn ich auch gleich ein Töffel war,
So sah ich dennoch hell und klar
Mit meinen eignen Augen,
Daß gute Menschen nur allein
Das Glück der Menschen können sein
Und böse zu nichts taugen.
Wenns mit dem Beutel nissig steht,
Und wenn es einem übel geht,
Lernt man die Menschen kennen:
Im Unglück und in Traurigkeit
Lernt man den Wert der Menschlichkeit
Und wahren Wert der Tränen.
Die Armut prüft den wahren Freund,
Sie zeigt, wers gut und redlich meint,
Sonst gibts nur eitle Worte.
Durch Unglück, wie Erfahrung lehrt,
Wird erst der wahre Freund bewährt,
Wie Gold in der Retorte.
Als Peter Prosch im Unglücksjahr
In Elend und in Jammer war,
War er in fremden Landen.
Von Brandenburg der Markgraf da,
Als er den Peter elend sah,
Der ist ihm beigestanden.
[10]
Die Markgräfin von Anspach dort
Half mir auch, und mit einem Wort,
Wie Baierns Marianne,
Die mir mit Geld und gutem Rat
So viele große Gnaden tat
Zu meines Glückes Plane.
Euch drei (es ist auch meine Pflicht)
Euch drei vergeß ich ewig nicht;
Euch weih ich dies mein Leben,
Das Peter Prosch in jeder Zeit
Für euch, weil ers vom Herzen weiht,
Bereit ist hinzugeben.
Peter Prosch
[11]
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro