Witwe Kummerfeld.

[48] Nun ist sie eine arme Witwe mit viel Schulden. Denn sie will und muß womöglich für alles aufkommen. Vor allem will sie eine große Summe decken, die ihr Bruder dem Toten seinerzeit anvertraut und die spurlos verschwunden ist. Karl soll ihren Gatten keinen Schurken nennen dürfen. Dabei bekommt sie nun von einer der drei Witwenkassen, bei denen für sie eingezahlt ist, und auch da nur wenig. Beanspruchen kann sie ferner, was sie mit in die Ehe gebracht hat oder ihr von ihrem Mann geschenkt worden ist. Das andere wird versiegelt. Herr Bubbers nimmt es in Verwahrung. Ihre Gläubiger wolle sich gedulden. Zwei Möglichkeiten liegen nun vor ihr.

Fremde sind immer in Hamburg. Ich vermiete meine Zimmer, nehme Kostgänger, schicke Essen aus dem Haus, arbeite. Bist Bürgerin, hast das große Bürgerrecht, kannst Nahrung treiben, welche du kannst und willst. Gott wird dich segnen, wird dir beistehen. Machst zu Geld alles, was du nicht brauchst, nach und nach, nicht in Auktion, da sind die Kosten auch erspart, und bezahlst so nach und nach. Bist vielleicht in Zeit von vier Jahren aus allem. Wirst noch eine Frau, die nicht nur für sich, die auch für andere wird leben und sorgen können. Dann soll's die Fritsch und ihre Tochter und Enkel recht gut haben.

Machen sie dir's aber zu bunt, dann – Gott steh mir bei! – dann mußt du wieder aufs Theater. Dann bleibt dir kein anderer Weg. Doch wissen sollen sie es nicht. Sprichst du vom Theater, so könnten sie denken, du willst ihnen nur wie den Kindern mit der Rute drohen, ohne sie zu schlagen. Dessen glauben sie dich nicht fähig, das nicht, daß du imstande bist, wieder aufs Theater zu gehen.

Das waren die zwei Entschlüsse, die ich gefaßt, die feststanden und die noch fester wurden, da nun, wie noch lange nicht die ersten sogenannten vier Ruhewochen um waren, die Herren Verwandten nebst dem dazugehörigen Gefolge erschienen,[48] mir in meinem Zimmer mit nur allem möglichen Respekt einen Armstuhl zum Sitzen präsentierten und, da ich mich auf solchen niedergelassen, kurz darauf frugen: »Madame, wie viele Röcke haben Sie auf dem Leibe an?« Ich zählte ganz kalt: »Eins, zwei, drei.« Die Zahl »drei« sagte ich mit einem Gesicht, das verdient hätte, in Kupfer gestochen zu werden, glaube ich. Ein Schreiber, der hinsah, ob ich auch richtig zählte, sagte: »Einen Rock müssen Sie zur Trauer haben. Also,« diktierte er den anderen, »zwei Röcke am Leibe!« – –

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 48-49.
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