|
Georg Philipp Telemann1 redet hier selber, und erzehlet uns, mit eigner geschickten Feder, die wunderwürdigen Zufälle seines Lebens, besonders in dem, was die musikalischen betrifft, mit folgenden auserlesenen Worten, und in der angenehmsten Schreibart.
»Ich bin, sagt er, in Magdeburg 1681.2 den 14. Märtz gebohren, und den 17ten drauf Evangelisch-Lutherisch getaufft worden. Mein Vater,[354] Henricus, war Prediger daselbst an der Kirche zum H. Geist, und starb 1685. den 17. Jenner, als er kaum; 9. Jahr erlebet; ich aber noch nicht das vierte erreichet hatte. Meine Mutter, Maria, stammte gleichfalls von einem Pastore aus Altendorff, Johann Haltmeyer, her, und verblich 1710.
In den kleinern Schulen lernte ich das gewöhnliche, nemlich Lesen, Schreiben, den Catechismum und etwas Latein; ergriff aber auch zuletzt die Violine, Flöte und Cither, womit ich die Nachbarn belustigte, ohne zu wissen, ob Noten in der Welt wären. Die grosse altstädter-Schule, so ich im zehnten Jahre betrat, verschaffte mir die höhere Unterweisung, vom Cantore, Hrn. Benedicto Christiani, biß in die oberste Classe des Hrn. Rectoris, Anton Werner Cuno, endlich auch diejenige des Hrn. N. Müllers, Rectoris am Dom, welcher mir die erste Liebe zur deutschen Dichtkunst einpflantzete. Gesamte Lehrer aber waren mit meinem Fleisse, oder vielmehr nut meiner Fähigkeit bald zu fassen, sehr zufrieden, und gaben mir das Zeugniß, daß ich im Lateinischen, besonders aber im Griechischen, einen guten Grund geleget hatte. Allein, was vergisst man nicht ohne Uebung.
In der Musik hatte ich, binnen wenig Wochen so viel begriffen, daß der Cantor mich, an seiner Statt, die Singestunden halten hieß, ob gleich meine Untergebne weit über mir hervorrageten. Während dieser Zeit componirte er; so bald er aber den Rücken wandte, besahe ich seine Partituren, und fand immer etwas darin, so mich ergetzte, warum aber? das war mir verborgen. Gnug, ich wurde dadurch veranlasset, allerhand Musik zusammen zu raffen, die ich in Partituren schrieb, und emsig in selbigen laß, mithin immer mehr Licht bekam: biß ich endlich, mit Ehren zu melden, selbst anfing zu componiren; aber doch in aller Stille.
Inzwischen wuste ich, mit Unterschreibung eines erdichteten Nahmens, mein Machwerck in des Cantoris und Präfecti Hände zu spielen, da ich es denn theils in der Kirche, theils auf der Gasse, und auch zugleich den neuen Verfasser aufs beste loben hörte. Dies machte mich so kühn, daß ich eine ertappte hamburger Oper, Sigismundus, etwa im zwölfften Jahr meines Alters, in die Musik setzte, welche auch auf einer errichteten Bühne toll genug abgesungen wurde, und wobey ich selbst meinen Held ziemlich trotzig vorstellte. Ich mögte diese Musik wohl itzt sehen, wenn mir der Kopf nicht recht stehet.[355]
Bevor ich zu solchem Vermögen gelanget war, ließ ich mich auf dem Clavier unterrichten; gerieth aber zum Unglück an einen Organisten, der mich mit der deutschen Tabulatur erschreckte, die er eben so steiff spielte, wie vieleicht sein Grosvater gethan, von dem er sie geerbet hatte. In meinem Kopffe spuckten schon muntrere Töngens, als ich hier hörte. Also schied ich, nach einer vierzehntägigen Marter, von ihm; und nach der Zeit habe ich, durch Unterweisung, in der Musik nichts mehr gelernet.
Ach! aber, welch ein Ungewitter zog ich mir durch besagte Oper über den Hals! die Musik-Feinde kamen mit Schaaren zu meiner Mutter, und stellten ihr vor: Ich würde ein Gauckler, Seiltäntzer, Spielmann, Murmelthterführer etc. werden, wenn mir die Musik nicht entzogen würde. Gesagt, gethan! nur wurden Noten, Instrumente, und mit ihnen das halbe Leben genommen. Damit ich aber desto mehr davon abgezogen würde, so ward beschlossen, mich nach Zellerfeld auf dem Hartze in die Schule zu schicken: weil meine Notentyrannen vieleicht glaubten, hinterm Blockberge duldeten die Hexen keine Musik.
Ich ging, etwa 13. Jahr alt, mit einem Empfehlungs-Briefe an den Superintendenten, Hn. Caspar Calvör, begleitet, der mich zum Studiren sorgfältig anhalten sollte, welches auch geschahe, und ich nahm in selbigem, besonders in der Feldmesserey, mercklich zu; aber auch diese hat das Schicksal des vorhin gedachten Griechischen gehabt.
Nach einigem Zeitverlaufe sollte ein Bergfest gefeiret werden, und der Cantor zu einer ihm gegebenen Poesie die Musik verfertigen; allein er lag am Podagra. Immittelst hatte ich einem meiner Schulgesellen vertrauet, daß ich Tone zusammen zu setzen wüste. Dieser eröffnete es jenem; ich wurde gerufen, und übernahm, auf dessen Ansuchen, solche Verrichtung. Der Tag der Aufführung nahete heran; mein Cantor aber mußte annoch das Bette hüten: also kam das Tactgeben an mich, als an eine Figur von 4. Fuß und etlichen Zollen, welcher man ein Bänckgen untersetzte, damit sie gesehen werden könnte. Die Musik war gut besetzet, und klang. Die treuhertzigen Bergleute, mehr durch meine Gestalt, als durch die Harmonie gerührt, wollten mir, nach geendigtem Gottesdienste, ihre Liebe bezeugen, und brachten mich hauffenweise nach meiner Wohnung; einer aber von ihnen trug mich auf dem Arme dahin, wobey ich mich mit ihrem gewöhnlichen Lobspruche: Du kleiner, artiger Boß! zum öfftern beehren hörte.
Mein lateinischer Hüter, der brave Hr. Calvör, ließ mich zu sich sondern, eröffnete sein Vergnügen über meine Musik, und ermahnete mich,[356] ferner darin fortzufahren; zeigte mir auch die Verwandtschafft der Meskunst mit der Musik: wie denn seine Schrifften hernach gewiesen haben, daß er in beiden ein gantzer Meister gewesen sey. Dies schien das meiner Mutter gegebene Versprechen aufzuheben, und verleitete mich zu einem unschuldigen Ungehorsam: also, daß ich das Clavier wieder hervorsuchte, und im Generalbasse zu grübeln anfing, wovon ich mir eigne Regeln niederschrieb. Denn, ich wuste noch nicht, daß Bücher davon wären, und den Organisten wollte ich auch nicht fragen, weil der magdeburgische, fürchterlichen Andenckens, mir noch unvergessen war. Daneben wurden Violine und Flöte auch nicht hintangesetzt; zur Kirche aber verfertigte ich fast alle Sonntage ein Stück: fürs Chor Moteten; und für den Stadt-Musikanten allerhand Bratensymphonien.
Nach einem vierjährigen Auffenthalt allhier begehrte des hildesheimischen damahls-berühmten Gymnasii Director, Hr. Mag. Loßius, mich dahin, welches mir auch von Magdeburg aus bewilliget ward, wohin mein mehrgedachter Gönner mogte geschrieben haben. Der Hr. Loßius pflegte jährlich ein oder zwey Schauspiele poetisch zu verfassen und aufzuführen, also, daß die Recitative geredet, die Arien aber gesungen wurden; und zu diesen muste ich die Musik setzen, die vieleicht bloß darum gefiel, weil ich immer nur noch ein Stuck vom menschlichen Cörper war.
Die Schulstunden verabsäumte ich nicht, es müßte denn die Logic seyn, mit deren Barbara, Celarent, ich mich nicht vertragen konnte. Gnug, ich stieg, unter einer Anzahl von 150. Schülern, die die erste Classe ausmachten, biß zum dritten Platze von oben.
Die Sätze von Steffani und Rosenmüller, von Corelli und Caldara3 erwählte ich mir hier zu Mustern, um meine künfftige Kirchen- und Instrumental-Music darnach einzurichten, in welchen beiden Gattungen denn kein Tag ohne Linie vorbey ging. Die zwo benachbarten Capellen, zu Hanover und Braunschweig, die ich bey besondern Festen, bey allen Messen, und sonst mehrmahls besuchte, gaben mir Gelegenheit, dort die frantzösische Schreibart, und hier die theatralische; bey beiden aber überhaupt die italiänische naher kennen, und unterscheiden zu lernen. Auch brachten mir, die hie und dort befindliche, trefliche Instrumentspieler die Begierde bey, auf den meinigen stärcker zu werden; worin ich aber weiter gegangen wäre, wenn nicht ein zu hefftiges Feuer mich angetrieben hätte, ausser Clavier, Violine und Flöte, mich annoch mit dem Hoboe, der Traverse, dem Schalümo, der Gambe etc. biß auf den Contrebaß und die Quint-Posaune, bekannt zu machen.[357]
Der damahlige jesuitische Musikdirector in der römischcatholischen Kirche, Pater Crispus, dem ich öffters, bey seinen Aufführungen, zum Scherwentzel im Singen und Spielen gedienet, hatte mich lieb gewonnen, und trat, nachdem er durch brünstige Uberredungen an meiner Wiederkehr zum Schosse seiner Kirche vergebens gearbeitet, mir dennoch, aus danckbarem Gemüthe, das godehardiner Kloster, eines von den wichtigsten daselbst, ab, wo ich alles mit Evangelischen bestellete, deutsche Zwischencantaten einführte, die nicht selten Religionsstreitigkeiten enthielten, und alles das vermied, was der unsrigen anstößig seyn konnte: wie ich denn auch zu dieser Verwaltung die Einwilligung des sonst eifrigen Superintendenten, Hrn. D. Johann Riemers,4 erhielt.
Endlich ward ich der Manteljahre satt, und sehnte mich nach einer hohen Schule, wozu ich Leipzig erkiesete. Ich reisete nach meiner Vaterstadt, um hiezu das benöthigte in Ordnung zu bringen. Ein veranstaltetes Examen brachte den Ausspruch zu Wege, daß ich ein Jurist werden, und der Musik gäntzlich absagen sollte. Jenes war ohne dies meine Absicht; und zu diesem bequemte ich mich ohne allen Wiederspruch, mit dem festen Vorsatze, auf einen geheimen Rath loß zu studiren: hinterließ auch meine gantze musikalische Haushaltung, und begab mich 1701. nach Leipzig, da ich unterwegens in Halle, durch die Bekanntschafft mit dem damahls schon wichtigen Hrn. Georg Fried. Händel,5 beynahe wieder Notengifft eingesogen hätte. Allein ich hielt fest, und nahm meine vorige Gedancken wieder mit auf den Weg. Ich langte an, und kam am schwartzen Brete mit einem ansehnlichen Studioso überein, dessen Stubenpursch zu werden. Mein Reisegeräthe ward geholet; aber wie klopffte mir das Hertz, als ich Wände und Winckel der Stube mit musikalischen Instrumenten versehen fand! mir wurde alle Abend was vorgemusiciret, welches ich bewunderte; ob ich es gleich selbst weit besser konnte.
Ich fing indes meine Collegia an, und hörte bey dreien Professorn und Doctorn, als beym ältern Hrn. Otto Menken, und bey Hrn. Andreas Mylius,6 Juridica; bey Hrn. N. Weidling die Rednerkunst, und bey Hrn. Magister N. Calvisius die Philosophie.
Mittlerweile kömt mein Stubenpursch einst über meinen Coffre, und[358] findet den von mir componirten sechsten Psalm, der, ich weiß nicht wie, unter mein Leinenzeug gerathen war. Ich verständigte ihn meines Vorhabens, welches er billigte; bat sich aber den Psalm aus, um ihn am nähesten Sonntage in St. Thomaskirche musiciren zu lassen. Der damahlige Bürgermeister und geheime Rath, Hr. D. Romanus, findet Geschmack daran, und beredet mich, alle 14. Tage ein Stück für besagte Kirche zu setzen; wogegen ich mit einem erklecklichen Legat versehen wurde, ohne die Hoffnung, so man mir zu grössern Vortheilen machte: doch ging dessen fernerer Rath dahin, daß ich die andern Studien nicht niederlegen sollte.
Jtzo fiel mir meine Mutter, deren Befehle ich ehrete, wieder ein, eben als ich von ihr einen neuen Geldwechsel empfing. Ich schickte solchen wieder zurück, meldete meine übrigen Umstände, und bat um Aenderung ihres Willens, in Ansehung der Musik. Ihr Seegen zu meiner neuen Arbeit erfolgte: und nun war ich auf der einen Achsel wieder ein Musikus.
Bald darauf gewann ich die Direction über die Opern, deren ich insgesamt, auch noch von Sorau und Franckfurt aus, etliche und zwantzig, und zu vielen davon ebenfalls die Verse, gemacht habe. Für den weissenfelsischen Hof verfertigte ich etwa vier Opern, und richtete endlich in Leipzig das noch stehende Musikcollegium an.
Die Orgel in der neuen Kirche wurde fertig, und ich darüber, als Organist, wie auch zum Musikdirectore bestallet. Jene habe nur bey der Einweihung berühret; hernach aber solche verschiedenen Studiosis unter die Hände gegeben, die sich darum zanckten. Die Feder des vortreflichen Hn. Johann Kuhnau diente mir hier zur Nachfolge in Fugen und Contrapuncten; in melodischen Sätzen aber, und deren Untersuchung, hatten Händel und ich, bey öfftern Besuchen auf beiden Seiten, wie auch schrifftlich, eine stete Beschäfftigung.
Von Leipzig aus habe Berlin zweimahl gesehen; die Oper Polyphemo, von Giov. Bononcini, und eine andre (jedoch von meinen Freunden versteckt, weil nur wenigen der Eingang erlaubet war) angehöret, worin meistens hohe Personen, unter andern eine, hernach nach Cassel verheirathete Marckgräfinn, sangen, die Königinn Sophia Charlotte aber selbst auf dem Clavier accompagnirten, und das Orchester grossen Theils mit Capell- und Concert-Meistern besetzet war, als nehmlich: Padre Attilio Ariosti; die Gebrüder Antonio und Giovanni Bononcini; der Obercapellmeister Rieck; Ruggiero Fedeli; Volümier7; Conti; La Riche; Forstmeier. etc.
Im 1704ten Jahre wurde ich nach Sorau, zu S. Excellenz, dem[359] Hrn. Grafen, Erdmann von Promnitz, als Capellmeister berufen. Das gläntzende Wesen dieses auf fürstlichem Fuß neu-eingerichtete Hofes munterte mich zu feurigen Unternehmungen auf, besonders in Instrumentalsachen, worunter ich die Ouvertüren mit ihren Nebenstücken vorzüglich erwehlete, weil der Herr Graf kurtz vorher aus Franckreich wiedergekommen war, und also dieselben liebte. Ich wurde des Lulli, Campra8 und andrer guten Meister Arbeit habhafft, und legte mich fast gantz auf derselben Schreibart, so daß ich der Ouvertüren in zwey Jahren bey 200. zusammen brachte.
Als der Hof sich ein halbes Jahr lang nach9 Plesse, einer oberschlesischen, promnitzischen Standesherrschafft, begab, lernete ich so wohl daselbst, als in Krakau, die polnische und hanakische Musik, in ihrer wahren barbarischen Schönheit kennen. Sie bestund, in gemeinen Wirthshäusern, aus einer um den Leib geschnalleten Geige, die eine Terzie höher gestimmet war, als sonst gewöhnlich, und also ein halbes dutzend andre überschreien konnte; aus einem polnischen Bocke; aus einer Quintposaune, und aus einem Regal. An ansehnlichen Oertern aber blieb das Regal weg; die beiden erstern hingegen wurden verstärckt: wie ich denn einst 36. Böcke und 8. Geigen beisammen gefunden habe. Man sollte kaum glauben, was dergleichen Bockpfeiffer oder Geiger für wunderbare Einfälle haben, wenn sie, so offt die Tantzenden ruhen, fantaisiren. Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8. Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben erschnappen. Gnug, in dieser Musik steckt überaus viel gutes; wenn behörig damit umgegangen wird. Ich habe, nach der Zeit, verschiedene grosse Concerte und Trii in dieser Art geschrieben, die ich in einen italiänischen Rock, mit abgewechselten Adagi und Allegri, eingekleidet.
Etwas merckwürdiges ist hier nicht zu vergessen. Der Hof wurde zu zweienmahlen grossen Theils abgedanckt, und selbst Günstlinge wurden mit fortgerissen; ich aber blieb. Sonst hat die Musik insgemein den Vortantz.
Endlich hatte ich in Sorau noch das Vergnügen, mit dem berühmten Herrn Wolfgang Caspar Printz, Cantore10 daselbst, umzugehen, wobey[360] er einen Heraclitum, und ich einen Democritum vorstellete. Denn er beweinte bitterlich die Ausschweiffungen der jtzigen melodischen Setzer: wie ich die unmelodischen Künsteleien der Alten belachte. Da er aber noch immer hoffete, ich würde aus dem Babel der ersten heraus gehen, also sollte ich, vor meinem Abzuge nach Eisenach, welcher 1708. geschahe, von einem seltenen Geheimnisse unterrichtet werden, um es dem Hertzoge von Gotha, gegen Erlegung einer gewissen Summa, die wir theilen wollten, wiederum beizubringen. Es bestund darin; durch Hülffe der Musik alle Handlungen eines versandten Ministers, eines Generals im Felde etc. nicht allein zu wissen; sondern auch durch eben dieses Mittel, ihnen Befehle zu ertheilen. Da ich aber den Vortrag kaum mit halber Ernsthafftigkeit aushören konnte, so ward ich solcher Schwartzkünsteley beraubet.11
Bisher war mirs ergangen, wie den Köchen, die eine Reihe Töpffe am Feuer stehen haben, aus deren etlichen sie nur etwas zu kosten geben. Nunmehr aber sollte ich völlig anrichten, das ist, mit allen meinen Instrumenten, mit Singen und mit der Feder zeigen, was ich gelernet hatte. Die Absicht war in Eisenach anfangs nur auf eine Instrumental-Musik gerichtet, deren Glieder der nie genug zu rühmende Hr. Pantaleon Hebenstreit zusammen suchte, und welchen ich, als Concertmeister, vorgesetzet ward: mithin bey der Tafel und in der Kammer die Violine, und das übrige, zu spielen hatte; da jener den Nahmen eines Directoris führte, in der letzten aber auch mitgeigete, und auf seinem bewundernswürdigen Cymbal sich hören ließ. Es erwuchs aber bald eine Capelle, nachdem der Durchlauchtige Hertzog an einigen Kirchencantaten, die ich allein absang, Gefallen getragen: da ich denn befehliget wurde, benöthigte Sänger zu verschreiben, die aber auch als Violinisten gebraucht werden könnten; nach deren Ankunfft ich denn zum Capellmeister ernannt wurde, jedoch auch zugleich die vorigen Dienste that. Ich muß dieser Capelle, die am meisten nach frantzösischer Art eingerichtet war, zum Ruhm nachsagen, daß sie das parisische, so sehr berühmte Opern-Orchester, welches ich nur erst vor kurtzen gehöret, übertroffen habe.
Hiebey entsinne ich mich der Stärcke besagten Hrn. Hebenstreits auf der Violine, die ihn gewiß des ersten Ranges unter allen andern Meistern würdig machte. daß, wenn wir ein Concert mit einander zu spielen hatten, ich[361] mich etliche Tage vorher, mit der Geige in der Hand, mit aufgestreifftem Hemde am lincken Arm, und mit stärckenden Beschmierungen der Nerven einsperrte, und bey mir selbst in die Lehre ging, damit ich gegen seine Gewalt mich in etwas empören könnte. Und siehe da! es halff zu meiner mercklichen Besserung. Gleichwie ich ausser etlichen wenigen, doch überaus schönen Beiträgen, so jener aufsetzte, zu allen Aufführungen alles verfertigte, so stehet leicht zu erachten, was ich zusammen geschrieben haben müsse. Es wurden vier Jahrgänge in so vielen Jahren fertig, nebst zween andern, zum nachmittäglichen Gottesdienste, worin aber etliche Lücken blieben: die Missen, Communionstücke und Psalmen ungezehlet. Hiezu kamen die Serenaten zu Geburths-und Nahmens-Tagen, wozu ich die Verse entwarff, deren etwa 20, nebst 50. andern Cantaten, welsch und deutsch, wurden.
Und wie wäre es möglich, mich alles dessen zu erinnern, was ich zum Geigen und Blasen erfunden? Aufs Triomachen legte ich mich hier insonderheit, und richtete es so ein, daß die zwote Partie die erste zu seyn schien, und der Baß in natürlicher Melodie, und in einer zu jenen nahe tretenden Harmonie, deren jeder Ton also, und nicht anders seyn konnte, einhergieng. Man wollte mir auch schmeicheln, daß ich hierin meine beste Krafft gezeiget hätte.
Von Sorau aus wohnte ich in Berlin, 1705. dem Leichbegängnisse der Königin von Preussen, und darauf 1708. den Beilagern Sr. Kön. Maj. glorw. Andenckens, und des jüngst-verstorbenen Königs, als Printzens, folglichso wohl der Trauermusik vom Hrn. Ruggiero Fedeli, als den beiden Opern, Sieg der Schönheit und Roxane, mit bey; deren erste theils der damahls Pfaltzgräfl. Kammermusicus in Breßlau, jedoch hernach Churpfältzischer Kammerrath, Hr. Gottfried Finger, theils der Königl. Kammermusikus und endlich Churfältz.12 Capellmeister, Hr. Augustin Reinhard Stricker, und die Täntze Mr. Volümier; die letzte Oper aber, biß auf die Täntze, wie vorhin, jener (Hr. Finger) allein verfertigte.
Anno 1709. verheirathete13 ich mich zum erstenmahl mit Jungfer Amalien Louisen Julianen: zwoten Tochter Hrn. Daniel Eberlins, ehmahligen Capitains unter den päbstlichen Völckern in Morea, so gegen die Türcken fochten; hernach Bibliothecarii in Nürnberg; darauf Capellmeisters in Cassel; ferner Pagenhofmeisters, Capellmeisters, geheimen Secretars, Müntzwardeins und Regentens auf dem Westerwalde, in eisenachischen Diensten; hernach[362] nach Bankirers in Hamburg und Altenau; endlich Capitains von der Landmilitz in Cassel. Gewiß, abentheurliche Glücks-Veränderungeu; aber auch Zeugnisse eines Kopffes, dergleichen die Natur wenige an Geschicklichkeit hervorgebracht hat. Er war, die Musik betreffend, ein gelehrter Contrapunctist, starcker Geiger, wovon seine in Nürnberg gestochene Trii14 zeugen, und rechnete aus, daß die Violine 2000. mahl verstimmet werden könne.
Kurtz vor meiner Heirath 1709. wurde mir unvermuthet eine fürstliche Bestallung eingeliefert, worin ich den Titel als Secretar, und einen Platz an der Marschallstafel erhielt, welchen letztern ich auch in Sorau gehabt hatte. Die Ursache mogte seyn, weil der Capellmeister in der Rangordnung noch nicht mitbegriffen war: sintemahl man vorher daselbst noch keine förmliche Capelle gehabt hatte. Ich wurde aber in sothaner Classe bald der älteste, weil etliche daraus starben, und andre sonst Beförderung bekamen: mithin gerieth ich den Räthen an die Seite.
Ich weiß nicht, was mich bewog, einen so auserlesenen Hof, als der eisenachische war, zu verlassen; das aber weiß ich, damahls gehört zu haben: Wer Zeit Lebens fest sitzen wolle, müsse sich in einer Republick niederlassen. Also folgte ich 1712. dem nach Franckfurt am Mayn, als Capellmeister an der Baarfüsserkirche, erhaltenen Berufe, ohne daß ich einen Menschen daselbst kannte. Jedoch die angenehme Freiheit im Leben ersetzte hier den Verlust, den ich dort an einem gnädigen Herrn und an braven Virtuosen erlitten hatte. Ob zwar meine jährliche Versorgung nicht geringe war, so trat ich doch überdies annoch bey der hochadelichen Gesellschafft, Frauenstein, in Dienste, wo ich über den derselben zugehörigen Pallast, welchen die Römischen Kaiser bey Dero Wahl und Krönung einzunehmen pflegen, die Aufsicht, und zugleich meine Wohnung in solchem bekam. Weil aber auch die Glieder bemeldter Gesellschafft Administratores des ansehnlichen bayerischen, und zum Besten der Armen gestiffteten, Testaments sind, so machten Sie mich auch zum Zinsheber der dabey einlauffenden Interessen. Hiernächst wurde mir annoch vom Musikdirector der zwoten lutherischen Hauptkirche zu S. Catharinen dessen Stelle übergeben. Weiter wurd ich aufs neue von Eisenach, als Capellmeister von Haus aus, bestallet, und lieferte die zur Kirchen und Kammer benöthigten Musikalten dahin.
Als ich ohngefehr, 1716. durch Gotha reisete, und der geschickte Capellmeister, Christian Friedrich Witt, gestorben war, sollte mir dessen Platz wieder werden. Ich dachte daran, wie warm ich in Franckfurt bey 1600 fl.[363] saß, und reisete weiter. Ich kam zurück. Gute Freunde hielten mich fürs erste einen Posttag auf. Die liebreicheste Art, womit diese Sache gehandelt wurde, und insonderheit die Eigenschafft eines unvergleichlichen Fürstens (der nicht viel weniger Noten wußte, als ich selbst) machten, daß ich den Maynstrom vergaß, und hier eine Bestallung annahm zu 500 Rthlr., 2. Malter Weitzen, 12. Malter Korn, 12. Malter Gersten, und 12. Klaffter Holtz: der übrigen Zugänge von den zahlreichen Geburths- und andern Festen, desgleichen von den Capellknaben, wovon insgesamt alles vermehret werden sollte, zu geschweigen; und wobey Serenißimus sich vorbehielt, meine musikalischen Cabinetdienste grosmüthig zu belohnen.
Ausser diesen Vortheilen ward bewilliget, daß ich zugleich in eisenachischen Diensten, gegen jährliche 200 Rthlr. verbleiben, und zu bedungenen Zeiten daselbst in Person erscheinen sollte. Ferner war der Durchl. Hertzog, Ernst August, in Weimar entschlossen, mir nicht allein ein gleiches Tractament, wie das itztgedachte, beizulegen; sondern auch, durch hohe Vorschrifft, die übrigen sächsischen Herren, ernestinischer Linie, wenigstens durch Ubersendung gewisser Musikalien, mir nutzbar zu machen, und den Titel eines allgemeinen Capellmeisters besagter Linie zu verschaffen. Indes wuste eine winselnde Ehegattin, nebst der Beredsamkeit meiner Verwandten und Bekannten, mich durch Scheingründe auf andre Gedancken zu bringen, und gab daher manchem Anlaß zu glauben, daß ich itzt die Hauptthorheit bezahlet hätte, die ein jeder der Welt schuldig ist: indem ich wieder nach Franckfurt ging.
Meine musikalische Verrichtungen daselbst waren, daß ich die eisenachischen, unvollkommenen Jahrgänge ausfüllete; fünf neue machte, und die Reihe der Instrumentalstücke vermehrete, die mir, nebst den vorhingesetzten, bey dem angefangenen grossen, wöchentlichen Concerte im Frauenstein, Dienste thaten. Eben dieses veranlassete auch die Musik zu den 5. davidischen Oratorien von der Poesie des Königl. polnischen Ceremonien-Raths, Herrn Johann Ulrich Königs.
Die Vermählung Sr. gegenwärtigen K.M. von Polen zog mich von Franckfurt nach Dresden, wo zwo Opern vom Hrn. Lotti, eine frantzösische vom Hrn. Schmid,15 und die vierte, nebst zwo Serenaten, vom Hrn. Heinichen vorgestellet wurden. Die Hauptsängerinnen und Sänger waren: die Lotti; Durastanti, so man Gräfinn nannte; Thesi, Heßinn, die, ob[364] sie zwar eine Deutsche, dennoch jenen fast gleich geschätzet wurde; Senesino; Bercelli, der biß ins dreigestrichene † deutlich hinaufsang: Francisco Guicciardi etc. Ausser den genug bekannten, dresdenschen, ausbündigen Virtuosen, hörte ich hier auch den berühmten Francesco Maria Veracini.
Zum prächtigen Freudenfeste, welches Franckfurt, wegen der Geburth des österreichischen Ertzhertzogs und Printzens von Asturien, feirete, lieferte ich eine umfängliche Serenate, die unter freiem Himmel, auf einem Gerüste, auf dem Römerberge, von vielen vortrefflichen, verschriebenen Virtuosen verstärcket; überhaupt aber mit mehr, als 50. Personen, besetzet, sich hören ließ: und die ich hernach Seiner Kaiserl. Majestät dedicirte. Weiter machte ich mich über das Meisterstück des Passions-Oratorio Sr. Hochweish. Herrn B.H. Brockes, Herrn des Raths in Hamburg: und hiernächst über dessen Vergnügung des Gehörs im Frühlinge; über eben desselben Wassermusik; welchen hernachmahls in Hamburg der Herbst und Winter folgeten. Die erste wurde, an etlichen ausserordentlichen Tagen in der Woche, in der Hauptkirche, starck und ausbündig bestellet, bey Anwesenheit verschiedener grosser Herren, und einer unsäglichen Menge von Zuhörern, zum Besten des Wassenhauses, aufgeführet. Es ist hiebey, als etwas sonderbares, zu mercken, daß die Kirchenthüren mit Wache besetzt waren, die keinen hineinließ, der nicht mit einem gedruckten Exemplar der Passion16 erschien, und daß die mehresten Glieder E. Ehrw. Ministerii am Altare in ihren Pontificalkleidern Platz nahmen. Sonst hat diese Passion in vielen Städten Deutschlandes die Chöre und Klingsäle erschallen gemacht.
An Hochzeitserenaten mögen etwa 20. hervorgetreten seyn, zu welchen allen die Verse mich zum Urheber haben; derer viele ich aber, in Ansehung ihrer Freiheit, und ihres nicht gar zu schmackhafften Saltzes, itzo zu schreiben Bedencken tragen würde. Meine zwote Heirath wurde alhie in Franckfurt, 1714. mit Hrn. Andreä Textors, Rathskornschreibers ältesten Jungfer Tochter, Maria Catharina, vollzogen.
Folgende Wercke kamen in mehr gedachtem Franckfurt am Mayn von mir, durch öffentlichen Kupferdruck, zum Vorschein: 6. Sonaten mit 1. Viol. und G.B.; 6. Trii für allerhand Instrum. und G.B.; 6. Sonatinen, mit 1. Viol. und G.B.; kleine Kamer-Musik fürs Clavier, oder andre Instrumente.
Im Jahr 1721. den 10. Jul. wurde ich, nachdem Herr Joachim Gerstenbüttel seeligen Todes verblichen, in Hamburg zum Directore des musikalischen Chors, und Cantore des Johannei erwählet, und um Michaelis[365] darauf, nach vorhergegangenem Einladungs-Programmate, mittelst einer Rede, de Musica in Ecclesia, feierlich eingeführet.
Ohngefehr ein Jahr hernach wurden die in Abnehmen gerathene Opern, durch einige Ministers und hochadeliche Personen, in einen verbesserten und prächtigen Stand gesetzet, und mir dabey die Aufsicht über die Musik, nebst der Verfassung neuer Schauspiele, gegen 300. Rthlr. jährlichen Einkommens, aufgetragen.
Anno 1723. berief mich Leipzig an die Stelle weiland Herrn Johann Kuhnau, Musikdirectoris und Cantoris daselbst, welche Ehre der Nachfolge mir bereits vor 20. Jahren zugedacht war: weil jenes Schwächlichkeit dessen baldigen Tod vermuthen ließ; allein es beliebte der Stadt Hamburg, diesen Ruf, durch ansehnliche Verbesserung meines Unterhalts, abzulehnen.
Der eisenachische Hof, dem ich annoch, als Capellmeister, mit einer Besoldung von 100. Rthlr., bedient war, ernannte mich 1724. zum Correspondenten, mit Beilage von ebenmäßiger Summe: in welcher Verwaltung ich die merckwürdigsten Neuigkeiten im Norden wöchentlich zweimahl zu berichten hatte.
Ferner erhielt ich 1726. von Bayreuth eine Bestallung, als Capellmeister, lieferte von Zeit zu Zeit einige Instrumental-Musik, und jährlich eine Oper: wofür mir 100. Rthlr. Besoldung angediehen.
Im 1729ten Jahre wurde mir aus Rusland gewincket, um eine deutsche Capelle zu errichten, die sich hernach in eine welsche verwandelt hat. Hamburgs Annehmlichkeit aber, und der Vorsatz, nach vorhergegangenem viermahligen Rücken, endlich stille zu sitzen, überwogen die Begierde nach einer ausserordentlichen Ehre.
Meine längst-abgezielte Reise17 nach Paris, wohin ich schon von verschiedenen Jahren her, durch einige der dortigen Virtuosen, die an etlichen meiner gedruckten Wercke Geschmack gefunden hatten, war eingeladen worden, erfolgte um Michaelis, 1737. und wurde in 8. Monathen zurück geleget.[366] Daselbst ließ ich, nach erhaltenem Königl. Generalprivilegio auf 20 Jahr, neue Quatuors auf Vorausbezahlung, und 6. Sonaten, die durchgehends aus melodischen Canons bestehen, in Kupffer stechen. Die Bewunderungswürdige Art, mit welcher die Quatuors von den Herren Blauet, Traversisten; Guignon, Violinisten; Forcroy dem Sohn, Gambisten; und Edouard, Violoncellisten, gespielet wurden, verdiente, wenn Worte zulänglich wären, hier eine Beschreibung. Gnug, sie machten die Ohren des Hofes und der Stadt ungewöhnlich aufmercksam, und erwarben mir, in kurtzer Zeit, eine fast allgemeine Ehre, welche mit gehäuffter Höflichkeit begleitet war.
Sonst verfertigte ich für Liebhaber zween lateinische, zwostimmige davidische Psalmen mit Instrumenten; eine Anzahl Concerte; eine frantzösische Cantate, Polypheme genannt; eine schertzende Symphonie auf das Modelied vom Pere Barnabas; hinterließ eine Partitur zum Druck von 6. Trii; setzte und hörte, zum Beschluß, den 71. Psalm in einer grossen Motete, von 5. Stimmen und mancherley Instrumenten, die im Concert spirituel von bey nahe hundert auserlesenen Personen, in dreien Tagen zweimahl, aufgeführet wurde, und schied mit vollem Vergnügen von dannen, in Hoffnung des Wiedersehens.
Endlich wäre auch meiner aus zwo Ehen erzeugten Kinder zu gedencken. Aus der ersten Ehe habe nicht mehr, als eine Tochter: Maria Wilhelmina Eleonora; gebohren 1711. den 14. Jenner. Aus der andern; einen Sohn: Andreas; gebohren 1715. den 25. May, itzo Candidat des Ehrw. hamburgischen Ministerii. Einen Sohn: Hans; gebohren 1716. den 14. Julii, gewesener Cadet bey der dänischen busekistischen Compagnie, währenden Feldo zuges am Rhein, 1735, gegenwärtig in Diensten bey Sr. Excellentz, dem dänischen wircklichen geheimen Rath von Alefeld. Einen Sohn: Henrick Matthias; gebohren 1716. den 4. August, Lehrling bey einem Materiasten und Drogisten, Herrn Mühlrath in Lübeck. Eine Tochter: Clara; gebohren 1719. den 20. Jenner. Einen Sohn: August Bernhard; gebohren 1721. den 1. Julii; gestorben 1738. den 2. May. Einen Sohn: Johann Bartold Joachim; gebohren 1723. den 13. Märtz; wird, nachdem er die Schulwissenschafften noch einige Zeit getrieben, die Chirurgie ergreiffen. Einen Sohn: Benedict Conrad Eibert; gebohren 1726. den 12. September; Lehrling bey meinem Vetter, Hr. Warmholtz, Apothekern in Stockholm. Einen Sohn Ernst Conrad Eibert; gebohren 1726. den 8. April; gestorben 1727. den 10. Dec. Summa: sieben Söhne und zwo Töchter; davon zween Söhne verstorben: daß also noch fünf Söhne und die zwo Töchter am Leben sind.
Uebrigens füge hier annoch ein Verzeichniß, jedoch nur ohngefehr, von[367] derjenigen Musik hinzu, die ich in den 18 hier zurückgelegten Jahren ausgearbeitet habe. Nahmlich zwölf Jahrgänge; viele umfängliche Stücke mit Trompeten und Paucken, zu hohen Festtagen; etwa 700. Arien, so ich in den Singestunden anschreiben lassen; neunzehn Passions-Musiken, worunter zwo gantz poetisch, und zu deren einer, nehmlich dem Seeligen Erwägen, die Worte von meiner Feder sind; sechs zu bürgermeisterlichen Beerdigungen; zwölff zu Predigereinführungen; drey zu Jubelfesten, als der evangelischen Reformation, der Hrn. Oberalten, und der Admiralität, bey deren ersten fast jede Kirche was besonders hatte; drey zu Kircheneinweihungen; zwey grosse Oratorien; vier Trauermusiken, auswärts; dreißig Serenaten, ohne die Trauungsstücke, zu Hochzeiten; sechszehn dergleichen, und so viel Oratorien, zum jährlichen Bürgercapitains-Gastmahle; etwa fünf und dreißig Stücke hiesiger Opern, Vor-Zwischen und Nachspiele, unter welchen die Poesie zur Omphale von mir, nach dem Frantzösischen übersetzet, und diejenige zum Siege der Schönheit nur hier und da, nebst etlichen Zusätzen, geändert ist, weiter aber keine andre mir zuzueignen stehet; zwo Opern, Stilico und Adelheid nach Bayreuth; drey Operetten nach Eisenach; eine gantze Reihe von Singe- und Instrumental-Sachen zu den ehemahligen Winter-Concerten; bey 600. Ouvertüren, Trii, Concerte, Clavierstücke, ausgearbeitete Choräle, Fugen, Cantaten etc. für hiesige und auswärtige Liebhaber.
Von gedruckten Wercken sind folgende ans Licht getreten: harmonischer Gottesdienst, ein Jahrgang, mit 1. Stimme 1. Instr. und GB.; dessen Fortsetzung mit 1. St. 2. Instr. und GB.; Auszüge der Arien aus einem Jahrgange, im kisnerschen Verlage; evangelische Jubelmusik, 2. Cantaten; 6. weltliche Cantaten; lustige Arien aus der Oper Adelheid; Pimpinon, ein Zwischenspiel: 6 moralische Cantaten, mit 1. St. und GB.; 6. dergleichen mit 1. St. 1. Instr. und GB.; 12. geistliche Canons, mit 2, 3, und 4 St.; Ein Choralbuch; Sonaten ohne Baß, für 2. Flöten oder Viol.; methodische Sonaten mit Manieren für Viol. oder Travers. und GB.; deren Fortsetzung; erstes Siebenmahl Sieben und ein Menuet; zweites dergleichen; Heldenmusik, eine Ouvertür und Suite; 6. Quadri, für Travers. Viol. Gambe, oder Violoncel, und GB; neue Sonatinen fürs Clavier; 3. methodische Trit und 3 schertzende Sonaten, für 2. Viol. oder Trav. und GB.; 26. Clavierfantaisien; 12. dergleichen für die Trav. ohne Baß; 13. für die Gambe; Tafelmusik mit vielerley Instrumenten; 6. Quadri oder Trii, mit 2. Viol. oder Trav. und 2. Violoncells; 12. Soli, für Trav. oder Viol. und GB.; 6. Concerte und Suiten fürs Clavier und Trav.; corellisirende Sonaten, mit 2. Viol. oder[368] Travers. und GB.; Melodische Schertze mit Viol. Bratsche und GB.; 6. Trii für 2. Traversen und GB. in Paris, nach einem ergriffenen Ms. gestochen, woselbst auch in einem Jahre, nehmlich 1730., sieben von meinen hiesigen Wercken nachgedruckt worden; 24. fugirende Choräle für Orgel und Clavier; lustiger Mischmasch oder Scotländische Stücke, fürs Clav. und andere Instrum.; 6. Ouverturen mit 2. Viol. Bratsche, 2. Waldhörnern und GB.; Musicmeister, allerhand Musikarten zum Singen und Spielen enthaltend; Singe-Spiel- und Generalbaß-Uebungen: Arien, Exempel und Regeln zum Generalbaß; 6. neue Quatuors, mit Instr.; wie die vorigen, in Paris gedrukt; 6. Sonaten, in 18. melodischen Canons, für 2. Trav. oder Viol. ohne Baß, daselbst gedruckt; Galanterie-Fugen und kleine Stücke fürs Clavier; 6. Symphonien, mit 2. Viol. einem Waldhorn und GB.; Beschreibung einer Augen-Orgel, aus dem Frantzösischen.
Nachgehende hat man, guten Freunden zu Gefallen, herausgegeben: 6. Soli, für Violin. und GB. von Herrn Graf; 6. Duette oder Trii, für 2. Viol. mit und ohne GB., von Herrn Förster; Anleitung zum Transponiren, von Herrn Haltmeier.«
Ein Lulli wird gerühmt; Corelli lässt sich loben;
Nur Telemann allein ist übers Lob erhoben.
1 | Wenn man diesen harmonischen Megalander und J.H. Buttstett in einer solchen Classe zusammen antrifft, darin die vor andern berühmten Tonmeister des itzigen Jahrhunderts eigentlich gepriesen werden sollen, wie wir leider das Beispiel im XXII. Bande p. 1404. des Universal Lexici erlebet haben: so kan man sich nicht genug wundern über den Abgang gesunder Urtheilskrafft, mittelst welcher diese beide Rahmen zwar gewissermaassen in einem Buche; aber bey weitem nicht in einerley Rang und Würde stehen können. Mir ist nicht unbewust, daß es aus dem so genannten kurtzgefaßten musikal. Lexico wörtlich also abgeschrieben worden: allein desto schlimmer ist es Doch, was soll man sagen? die ungeheuren Lexicographi können ja unmöglich alles wissen; wenn sie nur nicht andre alles lehren wollten! wiewohl, sie freuen sich des Vortheils, daß keine Seele ihre 40. oder 50. Folianten von Ort zu Ende durchlieset, und also niemand den tausenden Theil ihrer Fehler erfähret. Wer sonst nur ein wenig darin blättert, darf nach Uberfluß und Mangel nicht lange suchen. Z.E. im XIX. Bande p. 2047. werden Harmonik und Musik für einerley Ding, am Schwantze der Mathematik, angegeben: da mangelts am Unterschiede. Aber der artige überflüßige Präsident zu Mortier, im Artikel Mirannon, Tomo XXI. p. 421. siehet dem Herrn Articulo Schmalkaldico etwas ähnlich: denn wenn ein Ort zum Mann, und eine Mütze zum Ort gemacht wird, läufft es fast auf eins hinaus. etc. etc. etc |
2 | Es hatte der Hr. Verfasser, in seinem eigenhändigen Aufsatze von 1718. aus Franckfurt, sein Geburths-Jahr ins 1682ste gestellet, und so ist es auch in der grossen General Baß-Schule gedruckt worden: itzo aber hat er dieses Versehen geändert: (Die wenigen Anmerckungen sind von Mattheson, so wie das übrige, was nicht mit commatibus hier bezeichnet ist.) |
3 | Da kommen die Italiäner schon in Betracht: die Frantzosen hernach. |
4 | Der als Pastor an der hamburgischen Jacobs-Kirche 1714. gestorben ist, und in seinem Lebenslaufe verordnet hat, man sollte weder läuten noch singen bey seinem Begräbnisse, denn er könnte das Geräusche nicht vertragen. Doch hat man von ihm unter andern ein Büchlein, das singende Zion betitelt. |
5 | Dieser war damahls kaum 16. Jahr alt. |
6 | Er starb 1702. den 6. Jan. |
7 | par corruption: Woulmyer |
8 | Campra hat am ersten besäitete Instrumente in die parisische Dom-Kirche eingeführt, und ist in geistlichen Sachen am fruchtbarsten gewesen, ehe er sich der Oper widmete. Campra fut le premier qui eut le credit de faire entrer les instrumens à cordes dans l'Eglise de notre Dame de Paris. – Campra le plus fecond de tous, & celui que je placerai le premier en l'etat où ils sont, quand on m'ordonnera de les arranger. – Si ce malheureux garçon n'avoit point deserté l'Eglise pour aller servir l'Opera etc. Histoire de La Mus. Tome IV p. 154. & 176. S. p. 166. dieser Ehrenpforte. |
9 | S. den Artikel Printz p. 269. 270. |
10 | Printz war damahls schon vor 26. Jahren Capell-Director gewesen, welches Amt ihm 1682. aufgetragen worden, und 1662. bereits gräfl promnitzischer Musik-Director und Hofcomponist: das war zu der Zeit weniger, als Capellmeister. |
11 | Es ist vermuthlich ein Stück aus der Cryptographie gewesen, die ihren Nutzen sehr wohl haben kann, und ohne Hexerey zugehet. |
12 | Er war 1717. fürstl. anhaltischer Capellmeister in Cöthen. |
13 | Es ist doch recht was sonderliches, daß Telemann und Mattheson in einem Jahre gebohren, und auch in einem Jahre vereheliget worden sind. J'en augure du bien. |
14 | Sie sind Ao. 1675. zu Nürnberg in Folio herausgekommen. S. Walthers Lexicon. |
15 | Daß dieser Mann begraben, stehet zwar im musikalischen Lexico; doch nicht, daß er Capellmeister in Dresden gewesen: welches gleichwohl nothwendig zu wissen scheinet. S. die matthesonische musikalische Critick, II. Band p. 266–276. |
16 | Das ist eine schöne, zum Abgange der Bücher dienliche, Erfindung: zumahl ad pias causas. |
17 | Hier kann ich nicht umhin, dem Verfasser, der aus Bescheidenheit von seiner grossen Stärcke in den lebenden Sprachen stilleschweiget, ins Wort zu fallen, und ihm Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, mit dem Geständnis, daß er schon längst vor seiner Pariser Reise, und ohne Deutschlands Gräntzen weit zu überschreiten, nicht nur für einen Meister im Frantzösischen, und Italiänischen, sondern auch so gar einigermaassen im Engländischen hat gehalten werden können: wie mir solches aus unserm Briefwechsel bekannt ist. Ach! es ist ein schönes, nützliches Ding um diese Sprachen. Lieben Leute, lernet sie, wo ihr in der Welt fort kommen, und zuletzt in eurer Einsamkeit, unter den todten Lehrmeistern, ein vergnügtes Leben führen wollet. |
Buchempfehlung
Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.
114 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro